[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Härten und Richten hochlegierter Werkzeugstähle,
insbesondere korrosionsbeständiger Stähle für lange, spannungsarme Bauteile mit angehobener
Einsatztemperatur.
Stand der Technik
Einleitung: Hochlegierte Werkzeugstähle
[0002] Hochlegierte Stähle werden häufig als Werkzeuge der diversesten Art eingesetzt. Häufig
werden sie in fünf Gruppen eingeteilt: Warmarbeitsstähle, Kaltarbeitsstähle, Schnellarbeitsstähle,
Messerstähle und Kunststoffformenstähle.
[0003] Warmarbeitsstähle werden meistens bei höheren Temperaturen für das Strangpressen,
-formen oder die Extrusion verwendet. Um den Wechselbelastungen bei den hohen Temperaturen
standzuhalten sind sie einphasig, frei von Karbiden und haben hohe Reinheitsgrade
an "Nichtmetallischen Einschlüssen". Für die Gefügefeinheit und die geringe Anzahl
an Einschlüssen werden sie nicht selten zusätzlich in Vakuum oder unter Schlacke umgeschmolzen.
Ihre Warmfestigkeit erhalten sie durch die Legierungselemente Kohlenstoff, Chrom,
Molybdän und Vanadin (Vanadium). Kaltarbeitsstähle und Schnellarbeitsstähle sind in
Gegensatz dazu meist ledeburitisch, das bedeutet, sie haben einen hohen Anteil an
Karbiden und sind mehrphasig.
[0004] Kaltarbeitsstähle werden häufig als Stempel, Dorne, Schnittwerkzeuge und Pressmatrizen
eingesetzt. Die Temperaturbelastung ist überschaubar, aber ihre Schneidhaltigkeit
und Kantenstabilität ist gefordert. Sie sind mit denselben Legierungselementen wie
die Warmarbeitsstähle legiert, haben aber deutlich höhere Gehalte an Kohlenstoff und
Chrom, um die benötigten Karbide zu bilden. Schnellarbeitsstähle sind hingegen hoher
thermischer Belastung bei der Zerspanung, etwa beim Drehen, Fräsen oder Bohren ausgesetzt.
Legierungstechnisch werden die benötigten Eigenschaften durch das Zulegieren der Sonderkarbidbildner
Wolfram, Molybdän, Vanadin und Niob in hohen Gehalten erreicht. Auch bei Messerstählen
ist eine hohe Schneidhaltigkeit nötig. Hier ist wiederum die Temperaturbelastung nicht
so ausgeprägt. Stattdessen wird meist eine gewisse Korrosionsbeständigkeit gefordert,
was durch erhöhte Legierungsgehalte an Chrom bei etwas abgesenktem Kohlenstoff erreicht
wird.
[0005] Kunststoffformenstähle werden häufig in der Kunststoffverarbeitung eingesetzt und
haben ähnliche Eigenschaftsanforderungen wie Messerstähle, weshalb sie ähnlich legiert
sind. Bei beiden Gruppen gibt es Stähle mit geringer bis hoher Korrosionsbeständigkeit
und ohne bis hohen Karbidgehalten. Höchstlegierte korrosionsbeständige und verschleißbeständige
Kunststoffformenstähle werden über die pulvermetallurgische Stahlherstellungsroute
erzeugt.
[0006] Den hochlegierten Werkzeugstählen gemeinsam ist ihre Wärmebehandlung. Durch Härten
und Anlassen erhalten sie ihre Gebrauchseigenschaften.
[0007] Häufig erfolgt die spanabnehmende Bearbeitung im weichgeglühten Zustand. Anschließend
werden sie gehärtet und unmittelbar darauf angelassen, um die gewünschten Eigenschaften
einzustellen. Die Endbearbeitung erfolgt durch Hartdrehen oder Schleifen.
[0008] Bei einer geringen Härte nach der Wärmebehandlung - Härten und Anlassen - kann die
Fertigungsreihenfolge auch umgedreht werden. Das Härten und Anlassen kann vor der
Bearbeitung durchgeführt werden. Man spricht dann von vergüteten oder vorvergüteten
Werkstoffen. Diese können noch gut bearbeitet werden und am Herstellende wird keine
weitere Wärmebehandlung mehr benötigt. Korrosionsbeständige ledeburitische Werkzeugstähle
Korrosionsbeständige ledeburitische Werkzeugstähle stellen eine spezielle Gruppe der
hochlegierten Werkzeugstähle dar. Wie bereits beschrieben, haben sie zwei besonders
herausragende Eigenschaften. Auf der einen Seite sind sie aufgrund des hohen Gehalts
an Chrom korrosionsbeständig. Auf der anderen Seite haben sie neben Chrom noch weitere
Karbidbildner wie Vanadin, Molybdän, Wolfram, Niob und Titan und bilden dadurch mit
dem hohen Gehalt an Kohlenstoff Hartphasen, vornehmlich Karbide, aber in manchen Legierungen
auch Nitride, Boride oder Mischformen davon wie Carbonitride. Nach der finalen Wärmebehandlung
haben sie Härten bis etwa 62 HRC. Diese hohe Härte gemeinsam mit den Hartphasen ermöglicht
die hohe Verschleißbeständigkeit, Schneidhaltigkeit, Kantenstabilität, etc. dieser
Stähle.
[0009] Durch die hohe Härte in Kombination mit dem hohen Gehalt an Karbiden haben die ledeburitischen
Werkzeugstähle aber auch einen gehörigen Nachteil. Die Stähle haben eine geringe Zähigkeit
und sind verhältnismäßig spröde. Aufgrund der Sprödigkeit wird die Schlagzähigkeit
nicht an gekerbten Proben, sondern an ungekerbten gemessen. Aber auch bei ungekerbten
Proben haben sie nur Zähigkeitswerte von etwa 10 Joule bis 70 Joule. Im Zugversuch
liegt die plastische Dehnung bei etwa 1% bis 3%. Manche höchstlegierte Stähle liegen
auch hier noch darunter. Bei der Herstellung und Anwendung ist auf diese geringe Zähigkeit
und plastische Dehnung Rücksicht zu nehmen, damit es nicht zu ungewollten Brüchen
und Totalversagen der Bauteile kommt.
[0010] Korrosionsbeständige ledeburitische Werkzeugstähle werden häufig in zwei Stahlgruppen
eingeteilt:
Messerstähle und die daraus gefertigten Werkstücke haben hohe Anforderungen an Verschleißbeständigkeit
und Schneidhaltigkeit und gewisse Anforderungen an Korrosionsbeständigkeit. Üblich
sind dafür etwa Chromgehalte von 15 bis 18%. Ein großer Teil dieses Chromgehaltes
bleibt nach der finalen Wärmebehandlung durch Härten und Anlassen in der Eisenmatrix
gelöst. Dadurch ist er reaktiv und kann an der Werkstückoberfläche mit dem Sauerstoff
aus der Luft reagieren. Das entstehende Chromoxid bildet dann eine dichte Oberflächenschicht
mit einer Schichtdicke von wenigen Nanometern, welche weitere chemische Reaktionen
und somit Korrosion verhindert.
[0011] Bei den Messerstählen gibt es sowohl nicht ledeburitische als auch einige ledeburitische
Stähle. Ab einen Kohlenstoffgehalt von ca. 0,4% bis 0,6% ist in Wechselwirkung mit
den jeweiligen karbidbildenden Legierungselementen in den einzelnen Stählen die Löslichkeitsgrenze
erreicht, weshalb sich schon bei der Erstarrung der Schmelze die ersten Karbide ausbilden.
[0012] Zu den ledeburitischen Messerstählen gehören unter anderem die Stähle X90CrMoV18,
X105CrMo17, X105CrCoMo18-2, etc.
[0013] Über die pulvermetallurgische Stahlherstellungsroute gibt es auch einige ledeburitischen
Kunststoffformenstähle, die ähnlich den Messerstählen eine auf den Anwendungsfall
zugeschnittene Korrosionsbeständigkeit aufweisen.
[0014] Bei der pulvermetallurgischen Stahlherstellung wird die legierte Stahlschmelze zuerst
zu Metallpulver zerstäubt, ehe der Stahl durch heiß isostatisches Pressen HIPpen wieder
zu einem dichten Block gepresst wird. Erst anschließend erfolgt die Umformung durch
Schmieden oder Walzen.
[0015] Gegenüber den Messerstählen haben die ledeburitischen Kunststoffformenstähle einen
deutlich höheren Karbidgehalt, ermöglicht durch die Herstellungsroute. Einige bedeutende
pulvermetallurgische Kunststoffformenstähle sind ~X190CrVMo20-4, ~X270CrVMoW20-7,
-X260CrVMo26-4, ~X230CrVMo14-9, ~X170CrVMo18-3, etc.
Weichglühen
[0016] Nach der Umformung werden die Stahlstangen der verschiedenen Legierungen beim Stahlhersteller
geschält und weichgeglüht. Beim Weichglühen scheiden sich in der Stahlmatrix Glühkarbide
aus. Die Matrix verarmt an Legierungselementen und wird ferritisch. Neben den primären,
bei der Erstarrung gebildeten und durch die Umformung längsgestreckten Karbiden einer
Größe von wenigen Mikrometern bis ca. 50 µm, liegen im Stahl dann noch die Glühkarbide
einer Größe von ca. 100nm bis 500nm vor. Die weichgeglühten Stähle haben je nach Legierung
eine Härte von ca. 250HB bis 300HB.
[0017] Damit sind sie weich genug, um beim Verarbeiter durch die mechanische, spanabnehmende
Bearbeitung wie Drehen, Fräsen, Wirbeln, Bohren und Schleifen, etc. in eine endkonturnahe
Form gebracht zu werden. Dabei erfolgt die Bearbeitung, um die verbleibenden Restspannungen
möglichst gering zu halten, durch eine grobe Schruppbehandlung mit großem Werkstoffabtrag
und einer Schlichtbehandlung mit geringem Abtrag. Ist die Endabmessung des Werkstücks
beinahe erreicht, erfolgt die finale Wärmebehandlung bestehend aus Spannungsarmglühen,
Härten und Anlassen. Die Temperaturen für das Härten und Anlassen werden den benötigten
Eigenschaften des Werkstücks im Einsatz angepasst.
Härten und Anlassen
[0018] Die hochlegierten korrosionsbeständigen Werkzeugstähle werden bei Temperaturen über
1000°C gehärtet. Wird das Härten und Anlassen nicht beim Werkzeughersteller selbst
sondern in Lohn durchgeführt, stehen für das Härten bei den Lohnhärtereien dafür üblicherweise
folgende Härtetemperaturen zur Verfügung: 1030°C, 1070°C und 1180°C. Diese Temperaturen
sind als ein Kompromiss zwischen den erzielbaren Eigenschaften und einem kostengünstigen
Härten durch einen möglichst hohen Füllgrad der Härteöfen anzusehen.
[0019] Um beim Aufheizen thermische Spannungen und Verzug, durch hohe Temperaturunterschiede
zwischen Innen und Außen, gering zu halten, werden beim Aufheizen zum Härten verschiedene
Haltetemperaturen angefahren, um einen Temperaturausgleich zu ermöglichen. Beim Aufheizen
wandelt sich auch das Gefüge der Matrix von Ferrit in Austenit um. Während des Haltens
auf Härtetemperatur gehen die beim Weichglühen gebildeten Glühkarbide wieder in Lösung
und die Matrix reichert sich wieder mit Legierungselementen an. Nach dem Halten wird
rasch abgekühlt, um die Legierungselemente in Lösung zu halten und nicht wieder Glühkarbide
zu bilden bzw. um zu verhindern, dass sich der Austenit in Ferrit, Perlit oder Bainit
umwandelt. Dennoch können einige metallurgische Vorgänge vor sich gehen, die die Eigenschaften
der Stähle verschlechtern können, wie voreutektoide Karbidausscheidung, Bildung von
Korngrenzenmartensit oder von ungewollten Karbidausscheidungen im Korninneren. Bei
ca. 300°C bis 200°C je nach Legierungslage beginnt die angestrebte Bildung von Martensit.
Bei den hochlegierten Stählen ist die Martensitbildung bei Raumtemperatur noch nicht
abgeschlossen und noch größere Mengen an Restaustenit sind vorhanden. Im Gefüge zeigt
der Austenit meist eine eckige oder kantige Form. Häufig befinden sich Ansammlungen
von Restaustenit im Bereich um die Primärkarbide, da diffusionsbedingt dort höhere
Legierungsgehalte anzutreffen sind.
[0020] Aus umwelttechnischen Gründen wurde das Härten von Salzbädern auf Vakuumöfen umgestellt.
Der Vakuumofen hat noch folgende weitere Vorteile gegenüber anderen Technologien:
blanke Oberfläche der Bauteile, geringer Verzug bei angepassten Strömungsverhältnissen,
hohe Reproduzierbarkeit des Härteergebnisses, Automatisierbarkeit des Härtezyklus,
flexible, anpassbare Fertigung und hohe Abkühlungsgeschwindigkeiten durch Mehrkammersysteme,
starke Zirkulation und hohen Gasdruck. Unmittelbar nach dem Härten und dem Erreichen
von Temperaturen unter ca. 60°C erfolgt das Anlassen, um eine Stabilisierung des Restaustenits
und damit einhergehende Versprödung der Werkstücke zu verhindern (Stand der Technik
bei der Wärmbehandlung). Der Restaustenit muss vollständig umgewandelt werden, um
spätere Maßänderungen zu vermeiden. Das Anlassen wird dazu mehrmals bei Temperaturen
im Bereich des Sekundärhärtemaximums - etwas darüber für maximale Zähigkeit, etwas
darunter oder weit darunter um hohe Korrosionsbeständigkeit zu erreichen und genau
im Bereich des Maximums für höchstmögliche Härte - durchgeführt. Beim Halten auf Anlasstemperatur
entspannt sich der Martensit und bildet Sekundärhärtekarbide. Diese können in verschiedenen
Morphologien entstehen. Meistens bilden sich regelmäßig verteilte globulare Teilchen
mit einem Durchmesser von 3 bis 10nm. In anderen Bereichen habe sie eine längsgestreckte
Erscheinungsform mit einer Dicke von 2nm bis 3nm. Ihre Menge korreliert mit der Anzahl
der gelösten Legierungselemente. Auch bei höchster Auflösung in Elektronenmikroskopen
lassen sich keine Grenzflächen zwischen den Sekundärhärtekarbiden und der umgebenden
Matrix ausmachen. Die Karbide sind also vollkommen kohärent, während die primären
Karbide inkohärent sind und eine deutliche Grenzfläche ausweisen. Beim Abkühlen nach
dem Halten auf Anlasstemperatur kann sich ein weiterer großer Teil an Restaustenit
in Martensit umwandeln. Nach zwei- oder dreimaligem Anlassen ist der Restaustenit
verschwunden.
[0021] Nach Beendigung der Wärmebehandlung hat ein hochlegierter ledeburitischer Werkzeugstahl
ein Gefüge mit einer Matrix aus angelassenem, zähem Martensit, inkohärenten Primärkarbiden
im µm-Bereich und kohärenten Sekundärhärtekarbiden im nm-Bereich. Die Stähle haben
dann üblicherweise eine Härte im Bereich von ca. 60HRC.
[0022] Ist das Härten und Anlassen abgeschlossen, erfolgt die Fertigbearbeitung der Werkstücke
durch Schleifen und Polieren.
Maßänderung und Verzug
[0023] Ein weiteres wichtiges Thema beim Härten ist die Maßänderung und der Verzug. Konventionell
hergestellte Werkzeugstähle haben beim Härten eine ausgesprochene Anisotropie der
Maßänderung bedingt durch eine längsförmige Anordnung der Karbide bei der Warmumformung
in Walzrichtung. Pulvermetallurgische Stähle haben eine homogenere Verteilung der
Karbide und sind daher nahezu isotrop in ihrer Maßänderung.
[0024] Die Vorbearbeitung durch mechanischen Abtrag, die Bearbeitungsstrategie - wie viele
Schruppvorgänge, wie viele Schlichtvorgänge werden gefahren - und die Anzahl und der
Zeitpunkt der Spannungsarmglühungen spielen eine Rolle. Selbst der Ausgangszustand
des beim Stahlhersteller weichgeglühten Stahlstabes - wie war sein Temperatur-Zeit-Verlauf,
wie war der Ofen chargiert - hat Einfluss auf das Verzugsverhalten.
[0025] Weiters ist beim Aufheizen zum Härten die Matrix der weichgeglühten Stähle ferritisch
und wandelt erst bei höheren Temperaturen ab etwa 700°C in Austenit um. Beim Abkühlen
ist die Matrix dann austenitisch. Während Ferrit einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten
von ca. 12µm/mK aufweist ist der Ausdehnungskoeffizient von Austenit deutlich höher
und liegt etwa bei ca. 17µm/mK. Die Karbide haben deutlich kleinere Ausdehnungskoeffizienten
von ca. 5 bis 6µm/mK. Die Ausdehnungskoeffizienten variieren in Abhängigkeit der Legierung
und des Legierungsgehaltes bzw. der Zusammensetzung der Karbide. Auf Härtetemperatur
werden die Gefügespannungen durch die hohe Beweglichkeit der Atome stark abgebaut.
Durch das Abschrecken nach dem Halten auf Härtetemperatur kommt es dann aufgrund der
unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten zu hohen gefügeinternen Spannungen. Die
Karbide weisen hohe Druckspannungen auf. Die Eisenmatrix, besonders im Bereich von
großen längsgestreckten Karbiden hat hohe Zugspannungen und neigt zu plastischer Verformung.
[0026] Werden abtragende Werkzeuge, wie Fräser, Bohrer, Messer, etc. erzeugt, ist eine hohe
Maßhaltigkeit im Einsatz für eine hohe Standzeit notwendig. Hier behilft man sich
häufig durch ein entsprechendes Aufmaß vor dem Härten und Anlassen, um durch Fertigschleifen
das exakt benötigte Maß einzustellen.
Richten langer Bauteile
[0027] Für lange Bauteile, wir z.B. Plastifizierschnecken, lange Messer, Räumnadeln, etc.,
ist außerdem die Durchbiegung ein großes Thema. Aufgrund der hohen Maßabweichungen
ist meistens ein einfaches Aufmaß im Bereich von einigen Zehntelmillimeter nicht ausreichend,
um bei der Endbearbeitung die Maßgenauigkeit einzustellen. Aufwendige Prozessschritte
- sogenanntes Richten - sind notwendig, um die langen, dünnen Werkstücke wieder gerade
zu machen. Diese bringen aber auch wieder neue Spannungen in die Werkstücke ein.
[0028] Verschiedene Technologien stehen für das Richten zur Verfügung und sind in der Industrie
weit verbreitet. Alle haben aber ihre Vor- und auch Nachteile.
[0029] Im weichgeglühten Zustand, wenn die Stahlteile noch mechanisch bearbeitete werden
können, haben sie auch noch eine hohe plastische Verformbarkeit von 5 bis 10% oder
mehr. Daher können sie auch noch gut durch mechanisches Verformen, üblicherweise durch
zwei Auflagepunkte und einem Stempel, gerade gedrückt werden.
[0030] Durch das mechanische Geradedrücken werden viele Spannungen in einen Stahlstab eingebracht.
Häufig kombiniert man daher den Richtvorgang mit einem Spannungsarmglühen. Durch das
Glühen werden die Spannungen im Stahlstab großteils wieder abgebaut, allerdings verbiegt
sich der Stab dadurch auch wieder. Etwa 50% der Geradheitsabweichung können so im
spannungsarmen, geglühten Zustand pro Kombination Richten und Spannungsarmglühen abgebaut
werden. Da für die weitere mechanische Bearbeitung ein gerader Stab notwendig ist,
ist ein weiteres Richten notwendig.
[0031] Geht der bearbeitete Stab bereits endkonturnah zur finalen Wärmebehandlung - Härten
und Anlassen - wird es noch deutlich aufwendiger, wieder ein gerades Werkstück zu
bekommen. Mehrere Verfahren werden hier eingesetzt.
[0032] Das Werkstück kann nach dem Härten bei etwa 200°C aus dem Härteofen entnommen werden
und in eine hydraulische Presse so eingespannt werden, dass er gegen die Geradheitsabweichung
vorgespannt wird. Eine plastische Verformung erfolgt nicht, der Stahl wird nur elastisch
verbogen. Die hochlegierten ledeburitischen Werkstoffe haben sehr niedrige Martensitumwandlungstemperaturen.
Bei der Abkühlung von 200°C auf Raumtemperatur schreitet die Martensitbildung weiter
voran. Durch den vorgespannten Zustand ordnen sich die Martensitlatten so an, dass
eine Spannungsverminderung stattfindet und die Teile dadurch bei Raumtemperatur gerader
sind, als ohne diesen Richtschritt.
[0033] Eine weitere Technologie ist das "Kerbrichten". Nach dem Härten und Anlassen werden
am Werkstück lokale plastische Verformungen eingebracht. Bevorzugt wird dafür ein
kleiner Stempel verwendet, der mit hoher Geschwindigkeit auf die Werkstückoberfläche
auftrifft. Wichtig ist es, die richtige Geometrie an der Stempelspitze einzustellen.
Ist die Spitze zu stumpf, zeigt sich keine Wirkung durch den Aufschlag des Stempels.
Ist die Spitze zu scharf, dringt der Stempel weit in das Werkstück ein und es ist
schwierig wieder eine intakte, glatte Oberfläche herzustellen. Die vielen, kleinen
plastischen Verformungen bewirken in Summe ein Richten der Bauteile.
[0034] Eine lokale plastische Verformung kann auch durch die Flamme eines Acetylenbrenners
erzeugt werden. Lokal wird der Bauteil so lange mit der Flamme aufgeheizt, dass er
stark erhitzt wird. Die damit verbundene thermische Ausdehnung bewirkt dann eine leichte
Verformung des Werkstückes. Die Technologie ist sehr aufwendig.
[0035] Teilweise müssen bis zu 60 Flammrichtpunkte erzeugt werden bis die benötigte Geradheit
erreicht wird. Des Weiteren kommt es zu einer lokalen Werkstoffschädigung, da die
hohen Temperaturen den Wärmebehandlungszustand des Werkstoffes verändern. Durch Temperaturen
über der Anlasstemperatur verliert der Stahl zunächst seine hohe Härte und er wird
weich. Erreicht man Härtetemperaturen erfolgt eine Neuhärtung. Dann ist ein harter,
münzgroßer Punkt von einem weichen Ring umgeben. Bei häufigen Lastwechseln, wie etwa
bei schnell laufenden Maschinen mit Zykluszeiten von wenigen Sekunden, kann es dann
zu Rissbildung und Risswachstum kommen und die Stahlteile können abbrechen. Bei einer
geringen Zahl an Lastwechseln und geringer Belastung spielt diese Schädigung durch
das Flammrichten keine Rolle.
[0036] Lange Bauteile: Einsatz bei hohen Temperaturen Besonders kritisch sind Bauteile,
die im Einsatz höhere Temperaturen erfahren, da die durch Richtschritte nach dem Anlassen
eingebrachten Spannungen dazu führen können, dass sich die Bauteile wieder verbiegen
und daher kürzere Standzeiten aufweisen.
[0037] Plastifizierschnecken etwa fördern in einem Plastifizierzylinder Kunststoff und schmelzen
diesen bei Temperaturen von 220°C bis 350°C selten 450°C auf. Sie haben ca. ein Längen
zu Durchmesserverhältnis von 30 und ein Durchmesserspiel zum umgebenden Zylinder von
wenigen zehntel Millimeter. In diesem machen sie eine rotierende Bewegung beim Dosieren
- Erzeugung der Kunststoffschmelze - und eine lineare Bewegung unter massivem Druck
von bis zu 2400bar beim Einspritzen der Kunststoffschmelze in die Werkzeugform. Zu
große Spannungen durch das Richten sind hier kritisch und können zu verkürzten Standzeiten
führen.
[0038] Im fertig wärmebehandelten Zustand ist ein weiteres Spannungsarmglühen bei den üblichen
Temperaturen von 550°C bis 650°C nicht mehr möglich, da schon bei diesen Temperaturen
über der Anlasstemperatur die eingestellten günstigen Eigenschaften wieder verlorengehen
würden. Demzufolge ist bereits bei der gesamten Herstellung der Werkstücke - Drehen,
Fräsen, Wirbeln, Grobschleifen, Richten, Spannungsarmglühen, Härten, Anlassen, Richten,
Fertigbearbeitung - auf Abbau der Spannungen und geringen Verzug zu achten. Vermeiden
lassen sich Spannungen und Verzug durch diese Maßnahmen nicht, sie können nur möglichst
klein gehalten werden.
[0039] Zusammenfassung Stand der Technik
- Die Werkzeugstähle werden im weichgeglühten Zustand mechanisch, spannabnehmend bearbeitet
(Drehen, Fräsen, Schleifen, Polieren).
- Das Richten ("Gerade machen") der Teile im weichgeglühten Zustand erfolgt ebenfalls
mechanisch. An zwei Positionen wird ein Bock untergestellt und mit einem Hammer wird
in der Mitte darauf gedrückt, bis die Schnecken gerade sind. Beim anschließenden Spannungsarmglühen
verbiegen sie sich dann wieder auf etwa den halben Wert des Bogens von vorher.
- Nach der mechanischen Formgebung (Drehen, Fräsen, ...) der Werkstücke werden durch
Härten und Anlassen die gewünschten Werkstoffeigenschaften eingestellt.
- In der Härtereipraxis ist es Stand der Technik, dass das Anlassen möglichst rasch
nach dem Härten zu erfolgen hat, damit es zu keiner Restaustenitstabilisierung und
massiven Verschlechterung der Zähigkeit kommt. Außerdem sind die ledeburitischen Werkstoffe
im Allgemeinen im nur gehärteten Zustand sehr spröde und neigen zum Brechen.
- Für den Einsatz als Schnecken müssen die langen und dünnen Werkstücke mit einem Länge-
zu Durchmesserverhältnis von etwa 30 noch gerade gemacht werden, da sie in einer rotierenden
Bewegung in dem umgebenden Massezylinder laufen und es ein Durchmesserspiel von wenigen
zehntel Millimeter zwischen den beiden Bauteilen gibt.
- In diesem Zustand ist ein mechanisches Richten wegen der Sprödigkeit nicht mehr möglich.
Für dieses "Gerade machen" wurde die Schnecke unter anderem durch lokales Anwärmen
mit einem Acetylenbrenner erhitzt. Durch die Wärmeausdehnung erfolgte lokal eine ausreichende
Längenänderung, um die Schnecken gerade zu machen. Dieses sogenannte "Flammrichten"
ist ein aufwändiger händischer Prozess und führt zu einer lokalen Werkstoffschädigung
der bereits gehärteten und angelassenen Teile.
[0040] In der
DE 699 14 433 T2 wird ein Härteverfahren und eine Härtungsvorrichtung für einen Längsabschnitt eines
verformten, stangenförmigen Werkstückes beschrieben, wobei das Werkstück beim Erwärmen
als auch beim Abschrecken in eine Druckeinrichtung eingespannt wird.
Aufgabe der Erfindung
[0041] Ein Richtverfahren ("Gerade machen") für lange Bauteile, wie etwa Schnecken, ohne
lokale Schädigung ist zu entwickeln.
[0042] (Zusätzlich soll das Richten automatisch, maschinell auf einem Richtautomaten gemacht
werden können.)
[0043] Der Richtprozess hat so zu erfolgen, dass die Schnecken gerade und gleichzeitig möglichst
spannungsarm sind, damit sie sich bei den erhöhten Temperaturen im Spritzgießprozess
nicht wieder aufgrund zu vieler vorhandener Spannungen von selber verbiegen und dadurch
verschleißen.
[0044] Zum Lösen der Aufgabe wird insbesondere ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen.
[0045] In einer Ausführungsvariante ist ein Verfahren vorgesehen zum Richten eines Bauteils
aus einem hochlegierten Stahl, welches in seiner Längsrichtung einen realen Verlauf
aufweist, welcher in Form einer Biegung vom Sollverlauf des Bauteils abweicht, wobei
das Bauteil vor dem Durchführen einer Wärmebehandlung in Form eines Glühschritts durch
mechanisches Biegen mit einem gebogenen Verlauf versehen wird, welcher gebogene Verlauf
entgegengesetzt zum ursprünglichen realen Verlauf vorliegt, wobei sich nachfolgend
während der Wärmebehandlung unter Abbau von Spannungen im Bauteil ein neuer Verlauf
einstellt, welcher näher am Sollverlauf liegt, als der ursprüngliche reale Verlauf
und der gebogene Verlauf.
[0046] Bevorzugt wird, dass die Wärmebehandlung der letzte Wärmebehandlungsschritt ist,
den das Bauteil vor seiner Fertigstellung erfährt.
[0047] Bevorzugt wird, dass das Bauteil in einem Winkel von 180° gegen die Richtung der
Abweichung des ursprünglichen realen Verlaufs vorgebogen wird.
[0048] Bevorzugt wird, dass das Biegen in einem Ausmaß erfolgt, dass die Abweichung des
gebogenen Verlaufs zum Sollverlauf im Bereich von 30 bis 100% der Abweichung des ursprünglichen
realen Verlaufs zum Sollverlauf beträgt.
[0049] Bevorzugt wird, dass das Biegen in einem Ausmaß erfolgt, dass die Abweichung des
gebogenen Verlaufs zum Sollverlauf im Bereich von 50 bis 80% der Abweichung des ursprünglichen
realen Verlaufs zum Sollverlauf beträgt.
[0050] Bevorzugt wird, dass die Abweichung des gebogenen Verlaufs über die gesamte Längserstreckung
des Bauteils spiegelgleich zur ursprünglichen Abweichung des ursprünglichen realen
Verlaufs zum Sollverlauf vorliegt und zwar in einem Ausmaß von 30% bis 100% der ursprünglichen
Abweichung.
[0051] Bevorzugt wird, dass die Abweichung des gebogenen Verlaufs über die gesamte Längserstreckung
des Bauteils spiegelgleich zur ursprünglichen Abweichung des ursprünglichen realen
Verlaufs zum Sollverlauf vorliegt und zwar in einem Ausmaß von 50% bis 80% der ursprünglichen
Abweichung.
[0052] Bevorzugt wird, dass das Verbiegen auf den gebogenen Verlauf nach dem Härten und
vor dem Anlassen erfolgt, wobei der Anlassvorgang die Wärmebehandlung in Form eines
Glühschritts ist oder umfasst und das Bauteil nach dem Anlassvorgang spannungsarm
und gerade vorliegt.
[0053] In einer Variante besteht das Bauteil aus einem martensitischen Werkzeugstahl. In
einer anderen Variante besteht das Bauteil aus einem ledeburitischen Werkzeugstahl.
In einer anderen Variante besteht das Bauteil aus einem korrosionsbeständigen, martensitischen
Stahl. In einer anderen Variante besteht das Bauteil aus einem korrosionsbeständigen,
ledeburitischen Werkzeugstahl.
[0054] Bevorzugt wird, dass das Bauteil aus einem der Stähle X105CrMo17, X105CrCoMo18-2,
-X190CrVMo20-4 oder ~X270CrVMoW20-7 besteht.
[0055] Bevorzugt wird, dass das Bauteil eine Plastifizierschnecke ist. Der erste Schritt
zur Verbesserung des bestehende Richtprozesses ist es, die langen Stäbe vorzubiegen.
Ein Wert von ca. 50% ist ein guter Startwert für das Vorbiegen. D.h. bei einem Bogen
von etwa einem Millimeter werden sie zu einem negativen Bogen von etwa 0,5mm - dem
halben Wert der Geradheitsabweichung - vorgebogen.
[0056] In der Realität erweist sich ein Wert darüber häufig als noch günstiger. Ein Vorbiegen,
am besten Spiegeln der Geradheitsabweichung (nicht nur der maximale Schlag, sondern
die ganze Länge), auf 50 bis 80% (selten 100%) des Ausganswertes ist anzustreben.
Auf den optimalen Wert hat auch die Vorgeschichte des Bauteiles, die Fertigungsroute,
und die Geometrie einen Einfluss. Er ist in der Serienfertigung als Erfahrungswert
zu erarbeiten. Anschließend gehen die langen Bauteile in den Ofen zum Spannungsarmglühen.
Bei optimaler Vorbiegung kommen sie annähernd gerade wieder aus dem Glühofen heraus.
[0057] Die Bauteile werden somit durch Überdrücken der Stangen und anschließendes Spannungsarmglühen
spannungsarm und gerade.
[0058] Ein besonderes Verhalten zeigen die korrosionsbeständigen Stähle in Bezug auf ihre
Eigenschaften nach dem Härten insbesondere ihre Zähigkeit. Führt man Zugversuche durch
zeigt sich im Gegensatz zu ledeburitischen Kaltarbeitsstählen oder Schnellarbeitsstählen,
die keine oder nur eine minimale plastische Umformbarkeit aufweisen, eine niedrige
Streckgrenze bei etwa 700MPa und eine plastische Verformbarkeit von etwa 1% bis 2%.
Zurückzuführen ist dies auf ein geändertes Verhalten des Restaustenits und eine deutlich
verminderte Sprödigkeit des frisch gebildeten Martensits aufgrund des hohen Gehaltes
an Chrom. Durch den hohen Chromgehalt können die Versetzungen leichter abgleiten.
Außerdem bewirkt Chrom auch eine verminderte Stabilisierung des Restaustenits. Messungen
zeigen, dass auch wenn zwischen Härten und Anlassen eine Woche vergeht, kein Abfall
der Schlagzähigkeit noch der plastischen Dehnung im Zugversuch festzustellen ist.
[0059] Dieses Verhalten kann dazu genutzt werden, auch während des Härte- und Anlasszyklus
das Vorbiegen einzusetzen. Der Härte-/Anlasszyklus wird unterbrochen und die langen
Werkstücke bei Raumtemperatur nach dem Härten durch mechanisches Vorbiegen plastisch
so verformt, dass eine Geradheitsabweichung von 100% auf 50% oder mehr in die Gegenrichtung
verändert wird.
[0060] Das anschließende Anlassen bewirkt dann dasselbe wie das Spannungsarmglühen. Es kann
dazu genutzt werden, dass die verbleibenden bzw. eingebrachten Spannungen den Bauteil
wieder gerade machen. Zusätzlich hat das Anlassen durch die damit verbundenen, oben
beschriebenen Gefügeumwandlungen die Wirkung einer Spannungsverminderung. Damit liegen
nach der vollständigen Wärmebehandlung Bauteile vor, die gerade und spannungsfrei
bzw. spannungsarm sind.
[0061] Die Erfindung wird Anhand von Figuren veranschaulicht.
- Fig. 1
- veranschaulicht schematisch eine durch Spannungen verbogene Schnecke.
- Fig. 2
- veranschaulicht schematisch die Durchbiegung eines langen Bauteiles nach der Wärmebehandlung.
- Fig. 3
- veranschaulicht schematisch das mechanische Richten auf einer hydraulischen Presse:
zwei Auflagepunkte, ein Stempel.
- Fig. 4
- veranschaulicht schematisch das Vorbiegen der Geradheitsabweichung auf 50% in die
Gegenrichtung (180° von der Ausgangsgeradheitsabweichung).
- Fig. 5
- veranschaulicht einen Vergleich von Zugproben in nur gehärteten Zustand eines ledeburitischen
Kaltarbeitsstahls (kaum oder nur geringe plastische Verformbarkeit) und eines korrosionsbeständigen,
ledeburitischen Werkzeugstahles (niedrige Streckgrenze und 1% bis 2% plastische Verformbarkeit)
Gefüge jeweils: Martensit, Restaustenit, primäre Karbide.
[0062] Fig. 1 veranschaulicht ein langes, dünnes Bauteil in Form einer Plastifizierschnecke
1, welche eine Verbiegung aufweist. Aufgabe der Erfindung ist es einen Richtprozess
für das Bauteil, insbesondere die Plastifizierschnecke 1 bereit zu stellen, sodass
diese gerade und gleichzeitig möglichst spannungsarm wird.
[0063] Fig. 2 veranschaulicht das Problem, bzw. den Ausgangszustand des Bauteils vor der
Anwendung des gegenständlichen Verfahrens.
[0064] Das Bauteil weist einen realen Verlauf 2 auf, welcher vom Sollverlauf 3 abweicht.
Die Abweichung liegt quer zur Längsrichtung bzw. der Länge des Bauteils vor.
[0065] Die maximale Abweichung 4 liegt üblicherweise im mittleren Bereich des Bauteils vor,
bei Schnecken geometriebedingt aber oft auch seitlich davon.
[0066] Fig. 3 veranschaulicht eine mechanische Vorrichtung, um den realen Verlauf 2 des
Bauteils an den Sollverlauf 3 anzugleichen. Dazu sind zwei Auflagepunkte an den Enden
des Bauteils und ein Stempel im mittleren Bereich des Bauteils vorhanden.
[0067] Fig. 4 veranschaulicht das Richten des Bauteils beim erfindungsgemäßen Verfahren.
[0068] Das Richten erfolgt durch mechanisches Verbiegen vor einem Glühschritt. Dies erfolgt
durch eine Biegevorrichtung, welche nach dem Stand der Technik bekannt ist und nach
dem zu Fig. 3 erläuterten Prinzip arbeiten kann.
[0069] Wie veranschaulicht, weist das Bauteil vor dem Verbiegen einen realen Verlauf 2 auf,
welcher vom Sollverlauf 3 abweicht.
[0070] Die maximale Abweichung 4, welche meist zirka mittig am Bauteil auftritt, stellt
die Ermittlungsgrundlage für das Verbiegen des Bauteils dar und ist mit 100% angegeben.
[0071] Das Verbiegen erfolgt dann entgegen der maximale Abweichung 4. Das bedeutet, dass
das Bauteil spiegelbildlich zum ursprünglichen realen Verlauf 2 in die entgegengesetzte
Richtung gebogen wird, bis ein neuer Verlauf in Form des gebogenen Verlaufs 5 resultiert.
Der gebogene Verlauf 5 weist bevorzugt an der Stelle der ursprünglichen maximale Abweichung
4 ebenfalls ein Maximum 6 auf. Das Maximum 6 beträgt bevorzugt zwischen 30 bis 100%,
insbesondere 50 bis 80%, der ursprünglichen maximalen Abweichung 4, beispielsweise
wie dargestellt 50%. Bevorzugt weist der gebogene Verlauf 5 an jeder Stelle der Längsrichtung
eine Abweichung auf, welche im Bereich von 30 bis 100%, insbesondere 50 bis 80%, der
Abweichung des ursprünglichen realen Verlaufs 2 an derselben Stelle entspricht. Bevorzugt
ist das Verhältnis zwischen der ursprünglichen Abweichung des ursprünglichen realen
Verlaufs 2 und der Abweichung des gebogenen Verlaufs 5 über die Längsrichtung des
Bauteils zumindest annähernd konstant.
[0072] Wenn der gewünschte gebogene Verlauf 5 erreicht ist, wird das Bauteil aus der Biegevorrichtung
entnommen und der Wärmebehandlung, in Form eines Glühschrittes, zugeführt.
[0073] Beim Glühschritt erfährt das Bauteil bevorzugt eine Wärmebehandlung im Temperaturbereich
von 600°C bis 800°C für eine Dauer von 1 bis 5 Stunden. In einer Ausführungsvariante
erfolgt das Verbiegen zwischen dem Härten und Anlassen. Dabei sind die Temperaturen
des Glühschrittes auf die Temperaturen des Anlassens zu senken, da sonst die benötigten
Gebrauchseigenschaften, insbesondere die hohe Härte, wieder verloren gehen würden.
Der Glühschritt erfolgt dann bei Temperaturen von 250°C bis 600°C für eine Dauer von
1 bis 4 Stunden. Da damit massive Gefügeänderungen einhergehen wegen eines unstabilen
Ausgangszustandes vor dem Anlassen, sind auch die geringeren Temperaturen für eine
spannungsvermindernde Wirkung ausreichend.
[0074] Durch die Wärmebehandlung verformt sich das Bauteil vom gebogenen Verlauf 5 zurück
in Richtung des ursprünglichen realen Verlaufs 2, sodass ein weiterer Verlauf erhalten
wird, welcher zumindest näher am Sollverlauf 3 liegt als die beiden anderen Verläufe
2, 5.
[0075] Ein geeignetes Ausmaß der Abweichung des gebogenen Verlaufs 5 bezogen auf die Abweichung
des realen Verlaufs 2 ist unter anderem vom Material des Bauteils und dessen Geometrie
abhängig, sodass dieses am besten innerhalb der oben genannten Grenzen durch Versuch
ermittelbar ist.
[0076] In einer Ausführungsvariant wird die maximale Abweichung 4 des Bauteils gemessen
und der Messwert mit einem Faktor im Bereich von 0,3 bis 1 multipliziert, um das benötigte
Maximum 6 des gebogenen Verlaufs zu ermitteln. Der Stempel einer Biegevorrichtung
kann dann entsprechend dem ermittelten Maximum verfahren werden.
[0077] Fig. 5 veranschaulicht einen Vergleich von Zugproben im nur gehärteten Zustand eines
ledeburitischen Kaltarbeitsstahls 7 (kaum oder nur geringe plastische Verformbarkeit)
und eines korrosionsbeständigen, ledeburitischen Werkzeugstahles 8 (niedrige Streckgrenze
und 1% bis 2% plastische Verformbarkeit) Das Gefüge umfasst jeweils Martensit, Restaustenit
und primäre Karbide.
1. Verfahren zum Richten von Bauteilen aus hochlegierten, martensitischen Werkstoffen,
dadurch gekennzeichnet, dass das Richten durch plastische Verformung nach dem Härten und vor dem Anlassen erfolgt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die martensitischen Werkstoffe eine niedrige Streckgrenze aufweisen.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die martensitischen Werkstoffe eine Streckgrenze unter 1500 MPa aufweisen.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die martensitischen Werkstoffe eine Streckgrenze unter 1000 MPa aufweisen.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Bauteile lange und dünn sind und das Richten der langen, dünnen Bauteile durch
Biegen erfolgt.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Bauteile durch das Anlassen nach dem Richten durch mechanisches, plastisches
Verbiegen nach dem Anlassvorgang spannungsfrei oder zumindest spannungsarm vorliegen.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Bauteile aus einem korrosionsbeständigen, martensitschen Werkzeugstahl bestehen.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Bauteile aus einem korrosionsbeständigen, ledeburitischen Werkzeugstahl bestehen.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die langen, dünnen Bauteile beim Richten nach dem Härten so vorgebogen werden, dass
sie nach dem Anlassen gerade und spannungsfrei oder zumindest spannungsarm vorliegen.
10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Abweichung des gebogenen Verlaufs (5) über die gesamte Längserstreckung des Bauteils
spiegelgleich zur ursprünglichen Abweichung des ursprünglichen realen Verlaufs (2)
zum Sollverlauf (3) vorliegt und zwar in einem Ausmaß von 30% bis 100% der ursprünglichen
Abweichung.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil aus einem der Stähle X35CrMoV15, X50CrNoV15, X39CrMo17, X60CrMo17, X80CrMo18,
X90CrMo17, X105CrMo17, X105CrCoMo18-2, -X190CrVMo20-4 oder ~X270CrVMoW20-7 oder ähnlichen
besteht.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil aus einem der Stähle X90CrMo17, X105CrMo17, X105CrCoMo18-2, -X190CrVMo20-4
oder ~X270CrVMoW20-7 oder ähnlichen besteht.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil eine Plastifizierschnecke (1) ist.