(19)
(11) EP 0 047 857 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
24.03.1982  Patentblatt  1982/12

(21) Anmeldenummer: 81106216.5

(22) Anmeldetag:  08.08.1981
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3G21F 9/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE CH DE FR LI

(30) Priorität: 13.09.1980 DE 3034615

(71) Anmelder: Nukem GmbH
D-63434 Hanau (DE)

(72) Erfinder:
  • Hofmann, Jürgen, Dr. Dipl.-Chem.
    D-6482 Bad Orb (DE)
  • Brähler, Georg, Dr. Dipl.-Chem.
    D-6463 Freigericht 1 (DE)
  • Demtröder, Peter
    D-4154 Tönisvorst 1 (DE)
  • Glaesmann, Lutz
    D-6463 Freigericht 1 (DE)
  • Neupert, Daniel, Dr. Dipl.-Chem.
    D-8757 Karlstein 2 (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Dekontamination radioaktiv verunreinigter Oberflächen


    (57) Es wird ein Verfahren zur Dekontamination radioaktiv verunreinigter Oberflächen beschrieben, durch Auftragen einer Beizpaste auf die kontaminierte Oberfläche und Entfernen der Beizpaste samt Kontamination, wobei eine Beizpaste verwendet wird, die neben einem Beizmittel noch ein Netzmittel, einen Füllstoff und eine wässrige, filmbildende, beizmittelresistente Kunststoffdispersion enthält. Nach der Verfestigung des Kunststoffbestandteils wird die Beizpaste mit den in ihr enthaltenden Kontaminationsverursachern als Folie von der Oberfläche abgezogen.


    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dekontamination radioaktiv verunreinigter Oberflächen, insbesondere metallischer Oberflächen, durch Auftragen und Entfernen einer Beizpaste.

    [0002] Apparate, die in kerntechnischen Anlagen zur Wartung, Reparatur oder Verschrottung gehen, müssen vorher dekontaminiert werden. Bei Apparaturen zur Herstellung von Brennelementen und Brennstoffen aus Uran und Thorium läßt sich dies noch relativ einfach nach verschiedenen Methoden mit einfachen Sicherheitsvorkehrungen durchführen. Bei der Verarbeitung von Plutonium muß man jedoch in Glove-Boxen arbeiten, bei der Dekontamination von Teilen aus der Wiederaufarbeitung oder von Kernreaktoren muß dagegen sogar unter Fernbedienung mit Manipulatoren gearbeitet werden. Besonders hier benötigt man Verfahren, die einfach und problemlos durchführbar sind und wenig Sekundärabfall erzeugen.

    [0003] Zur Dekontamination von Oberflächen sind eine"ganze Reihe von Verfahren entwickelt worden. So zum Beispiel elektrochemische Verfahren, wie anodische oder kathodische Elektrolyse, oder Elektropolieren (P.J. Berry, Electrolytic Decontamination of Stainless Steel, CRHP-692 (1960); P. Cerré et al. Application du pollisage electrolytique a la decontamination de materiels contamines par des elements radioactifs, Roule Inform. Sci. Techn. (Paris) 84, 37 - 45 (1964)). Weiterhin ist das Tauchen und Sprühen mit organischen Lösungsmitteln, das Aufbringen von Salzschmelzen (D. Hentschel, Dekontamination metallischer Oberflächen mit Salzschmelzen, KfK 2050, 2130 (1974), KfK 2195 (1975)), die Dekontamination in der Gasphase (S. Kunze, Dekontaminationsversuche in der Gasphase, KfK 1830 (1971)) und das Abflammen (R.C. Heatherton, Decontamination of Buildings by Flame, NYO-1513 (1950)), bekannt: Vorzugsweise wendet man das Beizen mit Säuren, Säuregemischen, Laugen, speziellen Chemiekalienlösungen oder Beizpasten (S. Kunze, Entwicklung einer Dekontaminationspaste, KfK 2130 (1974)) an.

    [0004] Alle diese Verfahren sind bei Fernbedienung oder Boxentechnik nur bedingt oder nicht einsatzfähig. So erfordern die nassen Verfahren zum Beizen oder elektrochemischen Abtrag Beizgefäße, in die die Anlagenteile abgetaucht werden können. Bei der Wiederaufarbeitung oder am Kernreaktor ist dieses Verfahren für alle größeren Anlageteile nicht anwendbar. Gleiches gilt für thermische Verfahren, die z. B. ein Abtauchen in ein Salzbad erfordern oder einen geschlossenen, beheizten Raum zur Reaktion und zum Abtrag in der Gasphase benötigen. Beim Abflammen der Oberfläche entstehen sehr feine Feststoffaerosole, die abgasseitig einen hohen Filteraufwand erfordern und deshalb in größerem Umfang nicht angewendet werden.

    [0005] Bisher wurden im wesentlichen zwei Verfahren angewendet:

    Das Bestreichen der Teile mit Säuren oder Säuregemischen und anschließendes Abspülen mit Wasser und Neutralisationsmitteln, und das Einstreichen der Teile mit Beizpaste, die anschließend mit viel Druckwasser abgespült wird.



    [0006] Für diese Verfahren sind speziell eingerichtete und säurefest ausgekleidete heiße Zellen erforderlich. Dabei fallen große Mengen korrosiven Sekundärabfalls (Beizlösungen) mit viel Spülwasser verdünnt an. Die Aufarbeitung dieser Wässer ist sehr schwierig, da Verdampfer, Fäll-/ Neutralisations-und Filteranlagen keine großen Standzeiten erreichen.

    [0007] Aufgabe der Erfindung war es daher, ein Verfahren zur Dekontamination radioaktiv verunreinigter Oberflächen, insbesondere metallischer Oberflächen, durch Auftragen und Entfernen einer Beizpaste auf der Oberfläche zu schaffen, das keine besonderen, fernbedienten Beizzellen oder Glove-boxen erfordert, bei dem wenig Sekundärabfall anfällt und das keine besonderen Spülvorgänge benötigt.

    [0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die Beizpaste neben einem Beizmittel noch ein Netzmittel, einen Füllstoff und eine wäßrige, filmbildende, beizmittelresistente Kunststoffdispersion enthält und nach der Verfestigung des Kunststoffbestandteils als Folie zusammen mit den in ihm enthaltenden Kontaminationsverursachern von der Oberfläche mechanisch abgezogen wird.

    [0009] Die Beizpaste wird vorteilhafterweise so hergestellt, daß das mit Netzmittel versetzte Beizmittel in die wäßrige Kunststoffdispersion mit hoher Rührgeschwindigkeit eingerührt und anschließend mit einem Füllstoff versetzt wird, bis eine sahneartige Konsistenz entsteht. Diese pasten- ähnlichen Dispersionen werden auf die zu dekontaminierenden Oberflächen aufgetragen und gehen dort in 0,5 - 3 Tagen in einen Kunststofffilm über, der sich leicht abziehen läßt. In diesem Kunststoffilm ist das Beizmittel mit den von der Oberfläche abgelösten Kontaminationsverursachern eingeschlossen. lstoffe

    [0010] Das Auftragen der Beizpaste erfolgt entweder durch Spritzen, Spachteln oder Pinseln. Auf gekrümmte Flächen lassen sich gleichmäßige Schichtdicken am besten mit einer Zahnspachtel aufbringen.

    [0011] Die zu dekontaminierenden Oberflächen können blanke oder oxidierte Stähle oder Edelstähle, Gläser oder Keramik sein. Der abgezogene Kunststoffilm enthält die vorher auf der Oberfläche sitzenden Kontaminanten, so daß eine dekontaminierte Oberfläche zurückbleibt.

    [0012] Sollten nach einmaligem Auftragen und Wiederabziehen der Beizpasten nicht genügend hohe Dekontaminationsfaktoren erreicht werden, kann der Vorgang mehrfach wiederholt werden.

    [0013] Üblicherweise wird bei Raumtemperatur dekontaminiert. Fallweise ist es besonders günstig, bei erhöhter Temperatur zu dekontaminieren. Dadurch wird in manchen Fällen die Filmbildung begünstigt und somit die Dekontaminationszeit bis zum Abziehen der Folie verkürzt.

    [0014] Als Beizmittel haben sich besonders bewährt:

    a) für blanke Edelstähle, Keramiken und Gläser: Mischungen aus Salpetersäure, Salzsäure und Flußsäure, insbesondere Beizpasten, die 10 - 20 % HN03, 2 - 6 % HCl und 1 - 6 % HF enthalten.

    b) für durch thermische Behandlung von Edelstählen entstandene Oxidschichten: Konzentrierte Salzsäure mit 1 - 10 % KJ-Zusatz,

    c) für korrodierte Stähle: Beizlösungen auf der Basis von Phosphorsäure mit Zusätzen an Zinkoxid und Natriumnitrit, wobei die Beizpaste vorzugsweise 20 - 30 % H3FO4, 4 - 6 % Zn0 und 1 - 2 % NaN02 enthält.



    [0015] Die Beizmittel können in ihrer Zusammensetzung der zu dekontaminierenden Oberfläche optimal angepaßt werden. Entscheidend ist allerdings, daß Änderungen in der Zusammensetzung keinen merklichen Einfluß auf die Folienbildung haben dürfen.

    [0016] Als filmbildende Kunststoffdispersionen sind in stark sauren Beizmitteln vorzugsweise 50%ige wäßrige Copolymerisatdispersionen aus Vinylacetat, Äthylen und Vinylchlorid, insbesondere Mengen von 40 bis 80 %, bezogen auf die Beizpaste, sowie Copolymerisatdispersionen aus Methacrylsäureestern und Acrylsäureestern, insbesondere in Mengen von 50 bis 70 %,geeignet. Vorteilhafterweise können diesen Kunststoffdispersionen zur Haftungsverminderung des entstehenden Kunststoffilms auf der zu dekontaminierenden Oberfläche bis 10 % einer 40%igen wäßrigen Polyethylenwachsemulsion zugegeben werden. Ein Zusatz von 3 % ist meistens optimal. Die Füllstoffe müssen wasserlöslich und säurebeständig sein. Als besonders günstig haben sich Polysaccharide und vor allem Methylcellulose erwiesen.

    [0017] Die Menge des Füllstoffes richtet sich nach der gewünschten Konsistenz der Beizpaste und kann somit an die jeweils zu dekontaminierende Oberflächenstruktur angepaßt werden. Die Zugabe von 0,5 - 5 % an Füllstoff hat sich als sehr vorteilhaft herausgestellt. Als Netzmittel haben sich r Fettamin-Oxaethylate in Mengen von 0,5 - 7 % am besten bewährt, jedoch sind auch Fettalkohol-Oxaethylate einsetzbar sowie auch andere Netzmittel, wenn sie ausreichend säurebeständig sind. Die eingesetzten Mengen richten sich nach der Wirksamkeit der Netzmittel.

    [0018] Um einerseits möglichst wenig Sekundärabfall zu erzeugen und andererseits den Beizmittelgehalt optimal auszunutzen, werden die erfindungsgemäß verwendeten Beizpasten vorzugsweise in einer Schichtdicke von 1 - 3 mm aufgetragen. Auch andere Schichtdicken sind möglich, jedoch ist dabei zu berücksichtigen, daß größere Schichtdicken eine längere Zeit zur Filmbildung benötigen.

    [0019] Die Beizpasten sollten möglichst am gleichen Tag der Herstellung auch angewendet werden. Lagerzeiten über 24 Stunden sollten vermieden werden. Ebenso sollte man die Paste nach dem Beizvorgang und der Filmbildung umgehend abziehen.

    [0020] Die Abgezogene Beizfolie kann u.a. pyrolytisch verascht oder pyrohydrolysiert werden.

    [0021] In den nachfolgenden Beispielen soll das Verfahren näher erläutert und die erzielbaren Ergebnisse aufgezeigt werden:

    Beispiel 1



    [0022] Es wurden blanke Blechstücke aus Edelstahl (DIN 1.4541) von 100 cm2 Größe mit Uranylnitratlösung bestrichen und in einem Muffelofen 30 min auf 800 °C erhitzt. Dabei bildete sich ein festhaftender Oxidrilm auf den Blechen, der mit hochangereichertem U3O8 kontaminiert war.

    [0023] Zur Dekontamination wurde eine Beizpaste folgender Zusammensetzung verwendet:

    [0024] 

    Die Beizpaste wurde mit einem Spatel auf die kontaminierten Blechstücke in einer Schichtdicke von ca. 2 mm aufgetragen. Nach 22 Stunden wurden die ausgehärteten Folien abgezogen.

    [0025] Die Aktivitätsmessung eines Bleches zeigte folgendes Ergebnis:



    [0026] Ein zweites Blechstück, das weniger kontaminiert war, zeigte folgende Aktivitäten:


    Beispiel 2



    [0027] Bleche, aus gleichem Material wie in Beispiel 1, wurden wie in Beispiel 1 kontaminiert. Die Beizpaste hatte jedoch folgende Zusammensetzung:



    [0028] Die Beizpaste wurde mit einem Spatel auf die vorbereiteten Plättchen in einer Schichtdicke von ca. 3 mm aufgetragen. Nach 20 Stunden wurden die Beizfolien abgezogen.

    [0029] Die Aktivitätsmessung zeigte folgendes Ergebnis:



    [0030] Ein zweites Plättchen zeigte folgende Aktivitäten:



    [0031] Die Beispiele zeigen, daß durch ein einmaliges Auftragen und Abziehen der erfindungsgemäßen Beizpasten die Probebleche praktisch von der Aktivität befreit werden können.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Dekontamination radioaktiv verunreinigter Oberflächen, insbesondere metallischer Oberflächen, durch Auftragen und Entfernen einer Beizpaste auf der Oberfläche, dadurch gekennzeichnet, daß die Beizpaste neben einem Beizmittel noch ein Netzmittel, einen Füllstoff und eine wäßrige, filmbildende, beizmittelresistente Kunststoffdispersion enthält und nach der Verfestigung des Kunststoffbestandteils als Folie zusammen mit den in ihr enthaltenen Kontaminationsverursachern von der Oberfläche mechanisch abgezogen wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Dekontamination von glatten Edelstählen, Keramiken und Gläsern das Beizmittel 10 - 20 % HN03, 2 - 6 % HCl und 1 - 6 % HF enthält.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichrnet, daß zur Dekontamination von Edelstahloberflächen, die durch thermische Behandlung entstandene Oxidschichten aufweisen, das Beizmittel 30 - 37 % HCl und 1 - 10 % KJ enthält.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Dekontamination von Stahloberflächen, die durch Korrosion entstandene Oxidschichten aufweisen, das Beizmittel 20 - 30 % H3P04, 4 - 6 % ZnO und 1 - 2 % NaN02 enthält.
     
    5. Verfahren nach Anspruch 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß als filmbildender Kunststoff eine 50%ige wäßrige Copolymerisatdispersion von Vinylacetat, Äthylen und Vinylchlorid in einer Menge von 40 - 80 %,bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der fertigen Beizpaste,oder eine 50%ige wäßrige Copolymerisatdispersion aus Methacrylsäure- und Acrylsäureestern in einer Menge von 50 - 70 %, bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der fertigen Beizpaste, eingesetzt wird.
     
    6. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 5, dadurch gekenn-, zeichnet, daß als Füllstoff 0,5 - 5 % Polysaccharid, bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der fertigen Beizpaste, eingesetzt wird.
     
    7. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß als Polysaccharid Methylcellulose in einer Menge von 0,5 - 5 %, bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der Beizpaste, eingesetzt wird.
     
    8. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß-als Netzmittel Fettamin-Oxaethylat in einer Menge von 0,5 - 7 %, bezogen auf die Gesamtzusammensetzung der Beizpaste, eingesetzt wird.
     
    9. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichtdicke der aufzutragenden Beizpaste 1 - 3 mm beträgt.
     
    10. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Beizpaste zusätzlich bis zu 10 % einer 40%igen Polyethylenwachsemulsion enthält.
     
    11. Verfahren nach den Ansprüchen 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Dekontamination bei erhöhter Temperatur erfolgt.