[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Entkälken von Häuten, bei dem als "Sicherheits-Entkälkungsmittel"
cyclische Carbonate mehrwertiger aliphatischer Alkohole eingesetzt werden. Dadurch
werden die mit einer überdosierung der bekannten Entkälkungsmittel verbundenen Nachteile
vermieden.
[0002] Das Äschern von Häuten zum Zweck der Enthaarung und des Hautaufschlusses im Rahmen
der Lederherstellung erfolgt im alkalischen Medium, meist mit Hilfe von anorganischen
oder auch organischen Sulfiden. Als alkalisches Agens wird normalerweise Kalk, in
der Regel allein, gelegentlich aber auch in Mischung mit Ätznatron oder Soda, eingesetzt.
Anschließend muß das Material zur Vorbereitung für die weitere Verarbeitung von den
Äscherchemikalien, insbesondere dem Kalk, befreit, also "entkälkt" werden. Das geschieht
üblicherweise mit Säuren oder sauren Salzen, z.B. Phthalsäure, Sulfophthalsäure, Ameisensäure,
Essigsäure, Borsäure, aliphatischen Dicarbonsäuregemischen, Salzsäure, Schwefelsäure
und deren Ammoniumsalzen. Die dabei üblichen Bedingungen sind:

Ein gravierender Nachteil der bisher bekannten Entkälkungs- ' verfahren beruht auf
folgenden Umständen:
[0003] Die zum Entkälken erforderliche Chemikalienmenge hängt stark vom Gehalt der Häute
an Kalk und gegebenenfalls anderen basischen Verbindungen, z.B. Natriumsulfid und
Natriumhydroxid, ab. Da dieser stets schwankt, ist eine exakte Dosierung der Entkälkungschemikalien
in der Praxis kaum möglich. Es kommt daher leicht zu einer überdosierung. Diese hat
zur Folge, daß der pH-Wert zu Beginn der Entkälkung bis auf oder sogar unter den isoelektrischen
Punkt des Eiweißes (pH ca.5) sinkt. Dabei werden beim Äschern in Lösung gegangene
Eiweißsubstanzen, gegebenenfalls zusammen mit anderem gelöstem "Schmutz" ausgefällt.
Sie schlagen sich auf der Oberfläche des Hautmaterials in schwer entfernbarer Form
nieder, machen es unansehnlich und stören bei späteren Verarbeitungsgängen, insbesondere
beim Färben. Auch der Griff wird ungünstig beeinflußt. Dieses Problem versuchte man
bisher zu lösen, indem man Ammoniumsalze als sogenannte "Sicherheitsentkälkungsmittel"
verwendete. Da aber der pH-Wert wäßriger Ammoniumsalzlösungen unter 5 liegen kann,
bieten auch diese Mittel nicht die erwünschte Sicherheit. Außerdem ist der Einsatz
von Ammoniumsalzen auch aus ökologischer Sicht problematisch. Ammoniumsalze werden
in Kläranlagen nur unvollständig abgebaut und erhöhen somit den CSB-Wert des Ablaufwassers.
[0004] Die Verwendung von Butyrolacton als Entkälkungsmittel ist aus der DE-PS 804 827 bekannt.
Dieser innere Ester hydrolysiert unter den üblichen Entkälkungsbedingungen jedoch
sehr langsam. Die notwendigen Entkälkungszeiten sind deshalb sehr lang. Wahrscheinlich
hat Butyrolacton aus diesem Grunde auch keinen Eingang in die Praxis gefunden. Schließlich
werden gemäß der DE-PS 28 25 081 unter den Entkälkungsbedingungen hydrolysierende
Ester eingesetzt. Sie überwinden die obengenannten Nachteile der üblichen Entkälkungsmittel,
indem sie den pH-Wert nicht unter 5 fallenlassen und zudem ammonsalzfrei sind. Doch
können auch sie nicht verhindern, daß bei ihrer überdosierung Schwefelwasserstoff
freigesetzt wird. Diese Möglichkeit stellt aufgrund der hohen Toxizität von Schwefelwasserstoff
eine ständige latente Lebensgefahr für das Personal dar, abgesehen von der Geruchsbelästigung.
[0005] Der Erfindung lag daher die Aufgabe zugrunde, ein Entkälkungsverfahren zu entwickeln,
das nicht nur die oben genannten Nachteile der üblichen Entkälkungsmittel, sondern
auch die Entwicklung von Schwefelwasserstoff mit Sicherheit vermeidet.
[0006] Die Lösung dieser Aufgabe besteht in dem erfindungsgemäßen Verfahren. Es wurde überraschend
festgestellt, daß von allen untersuchten Estern nur die cyclischen Ester (5- und 6-Ringe)
mehrwertiger aliphatischer Alkohole und der Kohlensäure zur Lösung der oben genannten
Aufgabe geeignet sind. Mit ihnen fällt der pH-Wert auch bei grober überdosierung nicht
unter 7,5, so daß Schwefelwasserstoff nicht in gefährlicher Menge freigesetzt wird,
während er mit anderen Estern durchaus unter 7,5 sinken kann, wobei Schwefelwasserstoff
in solchen Mengen entweicht, daß über der Entkälkungsflotte oft H
ZS-Konzentrationen von 2000 ppm gemessen werden können. Unter den erfindungsgemäß einzusetzenden
cyclischen Carbonaten mehrwertiger aliphatischer Alkohole werden diejenigen bevorzugt,
deren Äquivalentgewicht (bezüglich der Kohlensäure-, nicht der Alkohol--Komponente)
unter 150, vorzugsweise unter 100 und insbesondere unter 60 liegt. Geeignete Carbonate
sind dementsprechend die - gegebenenfalls noch freie Hydroxylgruppen' enthaltenden
- Kohlensäurediester von mehrwertigen, das heißt mehr als eine, vorzugsweise 2 bis
3, insbesondere 2 Hydroxylgruppen enthaltenden aliphatischen Alkoholen mit 2 bis 6,
vorzugsweise 2 bis 3 Kohlenstoffatomen, wobei mindestens 2 Hydroxylgruppen zueinander
in 1,3- oder vorzugsweise 1,2-Stellung angeordnet sind, also beispielsweise die cyclischen
Carbonate von 1,2-Butandiol, 2,3-Butandiol, Neopentylglykol, Glycerin, das Dicarbonat
von Pentaerythrit (Spiro-Verbindung), vorzugsweise das cyclische Carbonat von Ethylenglykol
und 1,2-Propylenglykol.
[0007] Die Herstellung der Carbonate erfolgt in bekannter Weise, z.B. durch Umsetzung der
Alkohole mit Phosgen oder vorzugsweise von Epoxiden mit Kohlendioxid.
[0008] Das Carbonat wird durch den im Äscher enthaltenen Kalk soweit hydrolysiert, bis ein
pH-Wert im Bereich von - je nach Carbonatüberschuß - 7,8 bis 7,5 erreicht ist. Der
Kalk wird dabei als Kalziumbicarbonat gelöst. Dann bleibt die Hydrolyse stehen. Bei
keinem Versuch wurde der pH 7,5 unterschritten. Dieser Bereich ist optimal, denn damit
ist einerseits gewährleistet, daß kein Schwefelwasserstoff aus der Lösung entweicht,
andererseits ist der pH-Wert nicht höher, als zur Vermeidung der Schwefelwasserstoffbildung
unbedingt nötig. Zu hohe pH-Werte sind nämlich ebenfalls unerwünscht im Hinblick auf
die Narbenglätte und den Griff der Leder sowie auf die Sicherheit der Kalkentfernung.
[0009] Die Einsatzmengen für das Carbonat hängen von dem Gehalt des Hautmaterials an Kalk
und anderen basischen Verbindungen (z.B. Natriumsulfid und Natriumhydroxyd) ab. Sie
liegen in der Größenordnung von 0,8 bis 4, vorzugsweise 1 bis 2 %, bezogen auf das
Gewicht der nassen Häute.
[0010] Die Carbonate werden vorzugsweise in Wasser gelöst. Die Emulgierung oder Dispergierung
nicht ausreichend wasserlöslicher Carbonate kann in üblicher Weise mit kationischen,
anionischen oder nichtionischen.Emulgatoren durchgeführt werden. Sie ist in keiner
Weise problematisch.
[0011] Die in den Beispielen genannten Teile und Prozente beziehen sich auf das Gewicht.
Beispiel 1
[0012] 136 Teile geäscherte Rindflanken der Spaltstärke 3,5 - 4,5 mm wurden zunächst mit
408 Teilen 35°C warmen.Wassers 20 Minuten gewaschen, indem sie in einem Gerbfaß gewalkt
wurden. Anschließend wurde die Waschflotte vollständig abgelassen. Danach wurden 3,4
Teile 1,2-Propylencarbonat und 0,3 Teile eines handelsüblichen Netzmittels auf Basis
einen Alkylsulfonates zugesetzt. Nachdem 5 Minuten gewalkt worden war, ergab die Überprüfung
des pH-Wertes der durch die Entquellung der Blöße entstandenen neuen Flotte einen
Wert von 8,7. 20 Minuten nach Zugabe des Entkälkungsmittels zeigten die Flotten, einen
pH-Wert von 7,9. Die Blöße war zu dieser Zeit im Schnitt zu etwa 50 % entkälkt. Nach
weiteren 20 Minuten lang der pH-Wert bei 8,0 und die Blöße war zu 70 % entkälkt. 80
Minuten später war die Entkälkung vollständig abgelaufen und der pH-Wert betrug 8,2.
Vergleichsversuch
[0013] Beispiel 1 wurde in genau gleicher Weise wiederholt, nur wurde als Entkälkungsmittel
ein handelsübliches Produkt auf Basis des Ammoniumsalzes der Sulfophthalsäure eingesetzt.
Nach 5 minütigem Walken wurde hier ein pH-Wert der Entkälkungsflotte von 3,2 gemessen,
15 Minuten später war er auf 7 angestiegen, um sich dann nach 40 minütigem Walken
auf den End-pH-Wert von 8,6 einzustellen.
[0014] Ein Vergleich der entkälkten Blößen zeigte, daß die Blößen des Beispiels 1 deutlich
sauberer und damit heller waren als die des Vergleichsversuchs.
[0015] Die folgenden Beispiele wurden in ähnlicher Weise wie Beispiel 1 durchgeführt. Es
wurden immer 100 Teile Rindsblöße entkälkt. Die Versuchsergebnisse sind in der Tabelle
zusammengefaßt.
[0016] Alle entkälkten Blößen waren außergewöhnlich sauber und hell.
