(19)
(11) EP 0 101 097 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
22.02.1984  Patentblatt  1984/08

(21) Anmeldenummer: 83200763.7

(22) Anmeldetag:  30.05.1983
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)3B21J 5/00, C21D 7/00, B21K 3/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB LI SE

(30) Priorität: 22.07.1982 CH 4473/82

(71) Anmelder: BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie.
CH-5401 Baden (CH)

(72) Erfinder:
  • Rydstad, Hans, Dr.
    CH-5413 Birmenstorf (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Herstellung eines kaltverfestigten metallischen Werkstücks durch Schmieden oder Pressen


    (57) Ein kaltverfestigtes metallisches Werkstück, insbesondere aus einem austenitischen Stahl wird in einem Arbeitsgang dadurch hergestellt, dass der als Vorform vorliegende Schmiederohling in seinen verschiedenen Teilen auf unterschiedliche Anfangstemperaturen erwärmt, in einer ersten Arbeitsphase im wesentlichen einer Formgebungs- und in einer zweiten gleich anschliessenden Phase in einer Hitze einer zusätzlichen kaltverfestigungsoperation bei erhöhter Temperatur in einem beheizten Gesenk unterworfen wird.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung geht aus von einem Verfahren zur Herstellung eines kaltverfestigten metallischen Werkstücks nach der Gattung des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

    [0002] Es gibt Werkstoffe, welche ihre optimalen mechanischen Eigenschaften, insbesondere eine geeignete Kombination von Härte und Festigkeit einerseits mit Zähigkeit und Duktilität andererseits nur durch eine Kaltverfestigungsoperation erreichen. Dazu gehören spezielle Eisen- und Nickellegierungen, im Besonderen die Klasse der austenitischen, korrosionsbeständigen Stähle und diesen verwandte Werkstoffe.

    [0003] Um ein Bauteil mit den verlangten mechanischen Eigenschaften herzustellen, wurde in herkömmlicher Weise z.B. ein Schmiederohling zunächst im Temperaturbereich der Warmverformung, d.h. oberhalb der Rekristallisationsgrenze (für austenitische Stähle 950-1150°C) in mehreren Arbeitsgängen in kalten oder nur leicht vorgewärmten (unterhalb 300°C) Gesenken durch Schmieden annähernd in die gewünschte Form gebracht. Hierauf wurde das Werkstück einer weiteren separaten "Kaltverformungsoperation" bei höherer Temperatur unterworfen. Diese erhöhte Arbeitstemperatur wurde gewählt, um die Fliesspannungen bei der notwendigen Verformung herabzusetzen. Sie musste unterhalb der Rekristallisationsschwelle bleiben, um einen "Kalthärtungseffekt" zu erzielen. Für austenitische Stähle waren Temperaturen im Bereich von 700-900°C und Verformungsgrade um 10 % herum und höher üblich. Dadurch konnten die Festigkeitswerte nicht unerheblich gesteigert werden und blieben für die meisten Anwendungsfälle auch bei höheren Temperaturen erhalten (bis ca. 8000C je nach Legierung). Dies war unzweifelhaft ein Fortschritt auf dem Gebiet der korrosionsbeständigen Stähle, was denn auch in zahlreichen Publikationen seinen Niederschlag gefunden hat (D. Pecker, I.M.Bernstein, Handbook of stainless steels, McGraw-Hill 1977, S. 4-30; G.H.Gessinger, P.D.Cooper, Effect of deformation on mechanical properties of high temperature P/M steel, Materials science and engineering 18, 1975, S. 249-254; V.J.McNeely, D.T.Llewellyn, Higher-strength austenitic stainless steels, Sheet metal industries, January 1972, S. 18-25).

    [0004] Bei den konventionellen Verfahren des Schmiedens und Nachpressens zur Erreichung der "Kalthärtung" werden mehrere Werkzeuge und Pressen benötigt. Die Werkstückhandhabung ist umständlich und zeitraubend und das Endprodukt erfüllt nicht immer die optimalen beabsichtigten Wünsche betreffend mechanische Eigenschaften.

    [0005] Es besteht daher das Bedürfnis nach neuen kostengünstigen, energie- und zeitsparenden Methoden bei der Verarbeitung der obengenannten Legierungen. Dabei kommt der Verwendung von austenitischen Stählen in vielen Bereichen der Technik besondere Bedeutung zu.

    [0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Herstellungsprozess bei der Fertigung eines kaltverfestigten Werkstücks als Endprodukt, ausgehend von einem Schmiederohling, zu vereinfachen, wirtschaftlicher zu gestalten und dabei optimale Werkstückeigenschaften zu erzielen.

    [0007] Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmale gelöste

    [0008] Die Erfindung wird anhand des nachfolgenden, durch Figuren erläuterten Ausführungsbeispiels beschrieben.

    [0009] Dabei zeigt:

    Fig. 1 die Ansicht eines Schmiederohlings zur Herstellung einer Turbinenschaufel,

    Fig. 2a den Temperaturverlauf im Werkstück während der verschiedenen Phasen der thermischen/thermomechanischen/mechanischen Behandlung,

    Fig. 2b einen vergrösserten Ausschnitt aus dem Temperatur/ Zeit-Diagramm gemäss Fig. 2a.



    [0010] In Fig. 1 ist die Ansicht eines zur Herstellung einer Turbinenschaufel einer thermischen Maschine dienenden Schmiederohlings (Vorform) dargestellt. Die Darstellung entspricht dem Grundriss des Werkstücks in Arbeitsstellung zu Beginn des Schmiedevorgangs in der Presse. Der Rohling ist rotationssymmetrisch und besteht aus einem schlanken zylindrischen Schaftteil und einem dickeren konischen Fussteil. Aus dem längeren Schaftteil wird im Verlauf der Schmiedeoperation das Schaufelblatt, aus dem Fussteil der Schaufelfuss geformt. Die Skizze entspricht ungefähr der natürlichen Grösse des Werkstücks, kann aber im Prinzip für alle Schaufelgrössen ähnlicher Form Gültigkeit haben.

    [0011] Fig. 2a zeigt den Temperaturverlauf T im Werkstück in Funktion der Zeit t für die verschiedenen Phasen der aus thermischer, thermomechanischer und mechanischer Behandlung bestehenden Verfahrensschritte. Die Kurve a gilt dabei für den Schaft bzw. für das Schaufelblatt des Werkstücks, während die Kurve b für den entsprechenden Fuss zuständig ist. c ist die Werkzeugtemperatur. m bezieht sich auf die sich im Ofen abspielende Aufheizphase, n auf die Transportphase zwischen Ofen und Schmiedewerkzeug, o auf die eigentliche Formgebungsphase der Warm- und Kaltverformung und q auf die Abkühlungsphase (im allgemeinen in Luft bis auf Raumtemperatur). A und B bezeichnen die Endtemperaturen des Schaftes bzw. des Fusses des Schmiederohlings im Ofen. C und D sind die Anfangstemperaturen für Schaft und Fuss des Werkstücks im Schmiedegesenk, d.h. zu Beginn der Verformung, während E und F die entsprechenden Endtemperaturen für Schaufelblatt bzw. Schaufelfuss nach Abschluss der Schmiede- und Kaltverfestigungsoperation darstellen.

    [0012] In Fig. 2b ist der im vorliegenden Fall am meisten interessierende Ausschnitt des Temperatur/Zeit-Diagramms gemäss Fig. 2a in einem vergrösserten Massstab dargestellt. Dabei ist vor allem das Bestreben der Angleichung der Werkstück- an die Werkzeugtemperatur während der Phase o (Kurvenabschnitte C-E und D-F) ersichtlich.

    Ausführungsbeispiel:



    [0013] Siehe Fig. 1, 2a und 2b.

    [0014] Ein Schmiederohling mit der Vorform gemäss Fig. 1 wurde in einem einzigen Arbeitsgang in einer Hitze zu einer Turbinenschaufel geformt, unter gleichzeitiger Durchführung eines Kaltverfestigungsprozesses bei erhöhter Temperatur. Das zu verformende Werkstück bestand aus einem austenitischen, korrosionsbeständigen Stahl mit der Werk- .stoffbezeichnung X12CrNiWTi1613 und hatte folgende Zusammensetzung:



    [0015] Das Ausgangsmaterial des Schmiederohlings befand sich zunächst im lösungsgeglühten Zustand. Der Rohling wurde in einen Ofen mit einer Temperatur von 1190°C gebracht und dort während 420 sec belassen (Aufheizphase m). Nach dieser Zeit hatte der Schaft des Werkstücks eine mittlere Temperatur von 950°C (Punkt A) angenommen, während diejenige des Fusses 7250C (Punkt B) erreichte. Nun wurde das Werkstück aus dem Ofen ausgetragen und in das Gesenk der Schmiedepresse gelegt. Diese Transportphase n dauerte insgesamt 30 sec bis zum Beginn der eigentlichen Schmiedeoperation. Dabei hatte sich der Schaft auf 850°C (Punkt C), der Fuss auf 6950C (Punkt D) abgekühlt. Das aus der Nickelbasislegierung IN100 bestehende Werkzeug war auf eine Temperatur von 800°C (Horizontale c) gebracht worden. Im vorliegenden Fall entsprach dies ungefähr der Rekristallisationstemperatur. Nun wurde das Werkstück mit einer durchschnittlichen Stempelgeschwindigkeit von 6,5 mm/sec zu einer Turbinenschaufel gepresst. Dabei war die Stempelgeschwindigkeit zu Beginn des Pressvorganges höher als am Ende desselben. Im allgemeinen diente der erste Zeitabschnitt dieser Formgebungsphase o der Formgebung (Warmverformung), während im zweiten Zeitabschnitt dieser Phase hauptsächlich die Kaltverfestigung bei höherer Temperatur bewerkstelligt wurde. Die gesamte Presskraft des Stempels betrug 6100 kN. Am Ende der gesamten Formgebungsphase, welche total 3 sec dauerte, hatte das Schaufelblatt eine Temperatur von 8400c (Punkt E), der Schaufelfuss eine solche von 725°C (Punkt F) angenommen. Es wurde darauf geachtet, dass der Grad der Kaltverfestigung im ganzen Werkstück ungefähr gleich ausfiel. Im allgemeinen sind zur Erzielung der gewünschten mechanischen Eigenschaften "Kaltverformungsgrade" von über 10 % notwendig. Nach dem Pressvorgang wurde das Werkstück aus dem Gesenk herausgenommen und an Luft auf Raumtemperatur abgekühlt. Die am fertigen Werkstück gemessene Härtesteigerung, welche ungefähr der verhältnismässigen Erhöhung der Zugfestigkeit entspricht, betrug durchschnittlich 30 % gegenüber dem lösungsgeglühten Ausgangsmaterial. Der Kaltverfestigungseffekt ist dabei eine Funktion des Verformungsgrades und der Temperatur.

    [0016] Die Erfindung ist nicht auf das Ausführungsbeispiel beschränkt. Es lassen sich im allgemeinen Eisen- oder Nickellegierungen auf die vorgeschlagene Weise in das gewünschte Endprodukt überführen. Speziell dazu geeignet sind austenitische, zu starker Kaltverfestigung geeignete, korrosionsbeständige Stähle. Dabei muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese "Kaltverfestigung" sich auch bei der Verformung bei höheren Temperaturen einstellt, da die Rekristallisationstemperatur für vollständige Rekristallisation verhältnismässig hoch liegt. Letztere ist von der Legierungszusammensetzung, vom Verformungsgrad und von der Verformungsgeschwindigkeit (Zeitdauer der entsprechenden Verformung) abhängig. Sie kann in der Regel experimentell durch Vorversuche bestimmt werden. Schmiederohlinge ähnlich Fig. 1 aus Cr/Ni/W-Stahl werden vorteilhafterweise im Fussteil auf eine Anfangstemperatur von 700-800°C, im Schaftteil auf eine solche von 850-950 C gebracht. Das im allgemeinen aus zwei Gesenkhälften bestehende Werkzeug soll auf einer Temperatur von 700-850 C gehalten werden, welche in der Regel in der Nähe der Rekristallisationstemperatur liegt. In einem ersten Zeitabschnitt der Formgebungsphase wird vorteilhafterweise während 1-10 sec mit einer mittleren Stempelgeschwindigkeit von 2-20 mm/sec unter einem Druck von höchstens 75 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs gepresst. In einem zweiten Zeitabschnitt kann dann mit einer mittleren Stempelgeschwindigkeit von 0,5-5 mm/sec unter einem Druck von höchstens 85 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs nach- bzw. fertig gepresst werden. Selbstverständlich kann die Stempelgeschwindigkeit auch kontinuierlich während des Pressvorganges variiert werden. Zur Erzielung der gewünschten Anfangstemperaturen in den verschiedenen Teilen des zu verformenden Werkstücks genügt es in vielen Fällen, eine geeignete Ofentemperatur und entsprechende Aufheizzeit vorzugeben und einzuhalten (siehe Beispiel). Hat dagegen das Werkstück eine sehr verwickelte Form, so lässt sich die verlangte Temperaturverteilung praktisch in den meisten Fällen mit einer induktiven Heizanlage erzielen, indem die Leistungsübertragung und die Aufheizzeit in Funktion des Ortes entsprechend gesteuert wird.

    [0017] Für jeden für das Verfahren geeigneten Werkstoff und für jede Vorform des Schmiederohlings lassen sich die optimalen Zusammenhänge zwischen Rekristallisationstemperatur, Werkzeugtemperatur, "Kaltverformungsgrad", Verformungsgeschwindigkeit, Härte- bzw. Festigkeitssteigerung und Anfangstemperatur in Funktion des Ortes (Geometrie) des Werkstücks teils experimentell bestimmen, teils auf Grund von Modellannahmen berechnen. Auf diese Weise lassen sich Härte und Zugfestigkeit über dem ganzen Werkstück gleichmässig um Beträge bis zu ca. 50 % steigern.


    Ansprüche

    1. Verfahren zur Herstellung eines kaltverfestigten metallischen Werkstücks durch Schmieden oder Pressen, dadurch gekennzeichnet, dass der als Vorform vorliegende Schmiederohling in einem einzigen Arbeitsgang in einer Hitze in das Endprodukt übergeführt wird, wobei in einer ersten Arbeitsphase im wesentlichen die Formgebung und in einer zweiten Arbeitsphase im wesentlichen die Kaltverfestigung des Werkstücks bewerkstelligt wird, indem der Schmiederohling in verschiedenen Teilen seiner Geometrie in Funktion des Ortes auf unterschiedliche Anfangstemperaturen gebracht und in einem als Gesenk ausgebildeten vorgewärmten und beheizten Werkzeug derart verformt wird, dass der Kaltverfestigungsgrad über das ganze Werkstück ungefähr den gleichen Wert erreicht, und dass das Werkstück schliesslich auf Raumtemperatur abgekühlt wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück aus einer Eisen- oder Nickellegierung besteht.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück aus einem austenitischen, zu starker Kaltverfestigung befähigten, korrosionsbeständigen Stahl besteht.
     
    4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Schmiederohling als rotationssymmetrische Vorform verschiedenen Durchmessers aus einem Cr/Ni/W-Stahl besteht, dessen Fussteil auf eine mittlere Anfangstemperatur von 700-800°C und dessen Schaftteil auf eine mittlere Anfangstemperatur von 850-950°C gebracht und in einem aus zwei Gesenkhälften bestehenden, auf eine Temperatur von 700-850oC vorgewärmten, beheizten Werkzeug zunächst während einer Zeit von 1-10 sec entsprechend einer mittleren Stempelgeschwindigkeit der Schmiedepresse von 2-20 mm/sec unter einem mittleren Druck von höchstens 75 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs in die rohe Form einer Turbinenschaufel gebracht und gleich anschliessend mit einer mittleren Stempelgeschwindigkeit von 0,5-5 mm/sec unter einem mittleren Druck von höchstens 85 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs kaltverfestigt, in die endgültige Form gebracht und an Luft auf Raumtemperatur abgekühlt wird.
     




    Zeichnung










    Recherchenbericht