[0001] Die Erfindung geht aus von einem Verfahren zur Herstellung eines kaltverfestigten
metallischen Werkstücks nach der Gattung des Oberbegriffs des Anspruchs 1.
[0002] Es gibt Werkstoffe, welche ihre optimalen mechanischen Eigenschaften, insbesondere
eine geeignete Kombination von Härte und Festigkeit einerseits mit Zähigkeit und Duktilität
andererseits nur durch eine Kaltverfestigungsoperation erreichen. Dazu gehören spezielle
Eisen- und Nickellegierungen, im Besonderen die Klasse der austenitischen, korrosionsbeständigen
Stähle und diesen verwandte Werkstoffe.
[0003] Um ein Bauteil mit den verlangten mechanischen Eigenschaften herzustellen, wurde
in herkömmlicher Weise z.B. ein Schmiederohling zunächst im Temperaturbereich der
Warmverformung, d.h. oberhalb der Rekristallisationsgrenze (für austenitische Stähle
950-1150°C) in mehreren Arbeitsgängen in kalten oder nur leicht vorgewärmten (unterhalb
300°C) Gesenken durch Schmieden annähernd in die gewünschte Form gebracht. Hierauf
wurde das Werkstück einer weiteren separaten "Kaltverformungsoperation" bei höherer
Temperatur unterworfen. Diese erhöhte Arbeitstemperatur wurde gewählt, um die Fliesspannungen
bei der notwendigen Verformung herabzusetzen. Sie musste unterhalb der Rekristallisationsschwelle
bleiben, um einen "Kalthärtungseffekt" zu erzielen. Für austenitische Stähle waren
Temperaturen im Bereich von 700-900°C und Verformungsgrade um 10 % herum und höher
üblich. Dadurch konnten die Festigkeitswerte nicht unerheblich gesteigert werden und
blieben für die meisten Anwendungsfälle auch bei höheren Temperaturen erhalten (bis
ca. 800
0C je nach Legierung). Dies war unzweifelhaft ein Fortschritt auf dem Gebiet der korrosionsbeständigen
Stähle, was denn auch in zahlreichen Publikationen seinen Niederschlag gefunden hat
(D. Pecker, I.M.Bernstein, Handbook of stainless steels, McGraw-Hill 1977, S. 4-30;
G.H.Gessinger, P.D.Cooper, Effect of deformation on mechanical properties of high
temperature P/M steel, Materials science and engineering 18, 1975, S. 249-254; V.J.McNeely,
D.T.Llewellyn, Higher-strength austenitic stainless steels, Sheet metal industries,
January 1972, S. 18-25).
[0004] Bei den konventionellen Verfahren des Schmiedens und Nachpressens zur Erreichung
der "Kalthärtung" werden mehrere Werkzeuge und Pressen benötigt. Die Werkstückhandhabung
ist umständlich und zeitraubend und das Endprodukt erfüllt nicht immer die optimalen
beabsichtigten Wünsche betreffend mechanische Eigenschaften.
[0005] Es besteht daher das Bedürfnis nach neuen kostengünstigen, energie- und zeitsparenden
Methoden bei der Verarbeitung der obengenannten Legierungen. Dabei kommt der Verwendung
von austenitischen Stählen in vielen Bereichen der Technik besondere Bedeutung zu.
[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Herstellungsprozess bei der Fertigung
eines kaltverfestigten Werkstücks als Endprodukt, ausgehend von einem Schmiederohling,
zu vereinfachen, wirtschaftlicher zu gestalten und dabei optimale Werkstückeigenschaften
zu erzielen.
[0007] Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen
Merkmale gelöste
[0008] Die Erfindung wird anhand des nachfolgenden, durch Figuren erläuterten Ausführungsbeispiels
beschrieben.
[0009] Dabei zeigt:
Fig. 1 die Ansicht eines Schmiederohlings zur Herstellung einer Turbinenschaufel,
Fig. 2a den Temperaturverlauf im Werkstück während der verschiedenen Phasen der thermischen/thermomechanischen/mechanischen
Behandlung,
Fig. 2b einen vergrösserten Ausschnitt aus dem Temperatur/ Zeit-Diagramm gemäss Fig.
2a.
[0010] In Fig. 1 ist die Ansicht eines zur Herstellung einer Turbinenschaufel einer thermischen
Maschine dienenden Schmiederohlings (Vorform) dargestellt. Die Darstellung entspricht
dem Grundriss des Werkstücks in Arbeitsstellung zu Beginn des Schmiedevorgangs in
der Presse. Der Rohling ist rotationssymmetrisch und besteht aus einem schlanken zylindrischen
Schaftteil und einem dickeren konischen Fussteil. Aus dem längeren Schaftteil wird
im Verlauf der Schmiedeoperation das Schaufelblatt, aus dem Fussteil der Schaufelfuss
geformt. Die Skizze entspricht ungefähr der natürlichen Grösse des Werkstücks, kann
aber im Prinzip für alle Schaufelgrössen ähnlicher Form Gültigkeit haben.
[0011] Fig. 2a zeigt den Temperaturverlauf T im Werkstück in Funktion der Zeit t für die
verschiedenen Phasen der aus thermischer, thermomechanischer und mechanischer Behandlung
bestehenden Verfahrensschritte. Die Kurve a gilt dabei für den Schaft bzw. für das
Schaufelblatt des Werkstücks, während die Kurve b für den entsprechenden Fuss zuständig
ist. c ist die Werkzeugtemperatur. m bezieht sich auf die sich im Ofen abspielende
Aufheizphase, n auf die Transportphase zwischen Ofen und Schmiedewerkzeug, o auf die
eigentliche Formgebungsphase der Warm- und Kaltverformung und q auf die Abkühlungsphase
(im allgemeinen in Luft bis auf Raumtemperatur). A und B bezeichnen die Endtemperaturen
des Schaftes bzw. des Fusses des Schmiederohlings im Ofen. C und D sind die Anfangstemperaturen
für Schaft und Fuss des Werkstücks im Schmiedegesenk, d.h. zu Beginn der Verformung,
während E und F die entsprechenden Endtemperaturen für Schaufelblatt bzw. Schaufelfuss
nach Abschluss der Schmiede- und Kaltverfestigungsoperation darstellen.
[0012] In Fig. 2b ist der im vorliegenden Fall am meisten interessierende Ausschnitt des
Temperatur/Zeit-Diagramms gemäss Fig. 2a in einem vergrösserten Massstab dargestellt.
Dabei ist vor allem das Bestreben der Angleichung der Werkstück- an die Werkzeugtemperatur
während der Phase o (Kurvenabschnitte C-E und D-F) ersichtlich.
Ausführungsbeispiel:
[0013] Siehe Fig. 1, 2a und 2b.
[0014] Ein Schmiederohling mit der Vorform gemäss Fig. 1 wurde in einem einzigen Arbeitsgang
in einer Hitze zu einer Turbinenschaufel geformt, unter gleichzeitiger Durchführung
eines Kaltverfestigungsprozesses bei erhöhter Temperatur. Das zu verformende Werkstück
bestand aus einem austenitischen, korrosionsbeständigen Stahl mit der Werk- .stoffbezeichnung
X12CrNiWTi1613 und hatte folgende Zusammensetzung:
[0015] Das Ausgangsmaterial des Schmiederohlings befand sich zunächst im lösungsgeglühten
Zustand. Der Rohling wurde in einen Ofen mit einer Temperatur von 1190°C gebracht
und dort während 420 sec belassen (Aufheizphase m). Nach dieser Zeit hatte der Schaft
des Werkstücks eine mittlere Temperatur von 950°C (Punkt A) angenommen, während diejenige
des Fusses 725
0C (Punkt B) erreichte. Nun wurde das Werkstück aus dem Ofen ausgetragen und in das
Gesenk der Schmiedepresse gelegt. Diese Transportphase n dauerte insgesamt 30 sec
bis zum Beginn der eigentlichen Schmiedeoperation. Dabei hatte sich der Schaft auf
850°C (Punkt
C), der Fuss auf 695
0C (Punkt D) abgekühlt. Das aus der Nickelbasislegierung IN100 bestehende Werkzeug
war auf eine Temperatur von 800°C (Horizontale c) gebracht worden. Im vorliegenden
Fall entsprach dies ungefähr der Rekristallisationstemperatur. Nun wurde das Werkstück
mit einer durchschnittlichen Stempelgeschwindigkeit von 6,5 mm/sec zu einer Turbinenschaufel
gepresst. Dabei war die Stempelgeschwindigkeit zu Beginn des Pressvorganges höher
als am Ende desselben. Im allgemeinen diente der erste Zeitabschnitt dieser Formgebungsphase
o der Formgebung (Warmverformung), während im zweiten Zeitabschnitt dieser Phase hauptsächlich
die Kaltverfestigung bei höherer Temperatur bewerkstelligt wurde. Die gesamte Presskraft
des Stempels betrug 6100 kN. Am Ende der gesamten Formgebungsphase, welche total 3
sec dauerte, hatte das Schaufelblatt eine Temperatur von 840
0c (Punkt E), der Schaufelfuss eine solche von 725°C (Punkt F) angenommen. Es wurde
darauf geachtet, dass der Grad der Kaltverfestigung im ganzen Werkstück ungefähr gleich
ausfiel. Im allgemeinen sind zur Erzielung der gewünschten mechanischen Eigenschaften
"Kaltverformungsgrade" von über 10 % notwendig. Nach dem Pressvorgang wurde das Werkstück
aus dem Gesenk herausgenommen und an Luft auf Raumtemperatur abgekühlt. Die am fertigen
Werkstück gemessene Härtesteigerung, welche ungefähr der verhältnismässigen Erhöhung
der Zugfestigkeit entspricht, betrug durchschnittlich 30 % gegenüber dem lösungsgeglühten
Ausgangsmaterial. Der Kaltverfestigungseffekt ist dabei eine Funktion des Verformungsgrades
und der Temperatur.
[0016] Die Erfindung ist nicht auf das Ausführungsbeispiel beschränkt. Es lassen sich im
allgemeinen Eisen- oder Nickellegierungen auf die vorgeschlagene Weise in das gewünschte
Endprodukt überführen. Speziell dazu geeignet sind austenitische, zu starker Kaltverfestigung
geeignete, korrosionsbeständige Stähle. Dabei muss darauf aufmerksam gemacht werden,
dass diese "Kaltverfestigung" sich auch bei der Verformung bei höheren Temperaturen
einstellt, da die Rekristallisationstemperatur für vollständige Rekristallisation
verhältnismässig hoch liegt. Letztere ist von der Legierungszusammensetzung, vom Verformungsgrad
und von der Verformungsgeschwindigkeit (Zeitdauer der entsprechenden Verformung) abhängig.
Sie kann in der Regel experimentell durch Vorversuche bestimmt werden. Schmiederohlinge
ähnlich Fig. 1 aus Cr/Ni/W-Stahl werden vorteilhafterweise im Fussteil auf eine Anfangstemperatur
von 700-800°C, im Schaftteil auf eine solche von 850-950 C gebracht. Das im allgemeinen
aus zwei Gesenkhälften bestehende Werkzeug soll auf einer Temperatur von 700-850 C
gehalten werden, welche in der Regel in der Nähe der Rekristallisationstemperatur
liegt. In einem ersten Zeitabschnitt der Formgebungsphase wird vorteilhafterweise
während 1-10 sec mit einer mittleren Stempelgeschwindigkeit von 2-20 mm/sec unter
einem Druck von höchstens 75 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs gepresst.
In einem zweiten Zeitabschnitt kann dann mit einer mittleren Stempelgeschwindigkeit
von 0,5-5 mm/sec unter einem Druck von höchstens 85 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs
nach- bzw. fertig gepresst werden. Selbstverständlich kann die Stempelgeschwindigkeit
auch kontinuierlich während des Pressvorganges variiert werden. Zur Erzielung der
gewünschten Anfangstemperaturen in den verschiedenen Teilen des zu verformenden Werkstücks
genügt es in vielen Fällen, eine geeignete Ofentemperatur und entsprechende Aufheizzeit
vorzugeben und einzuhalten (siehe Beispiel). Hat dagegen das Werkstück eine sehr verwickelte
Form, so lässt sich die verlangte Temperaturverteilung praktisch in den meisten Fällen
mit einer induktiven Heizanlage erzielen, indem die Leistungsübertragung und die Aufheizzeit
in Funktion des Ortes entsprechend gesteuert wird.
[0017] Für jeden für das Verfahren geeigneten Werkstoff und für jede Vorform des Schmiederohlings
lassen sich die optimalen Zusammenhänge zwischen Rekristallisationstemperatur, Werkzeugtemperatur,
"Kaltverformungsgrad", Verformungsgeschwindigkeit, Härte- bzw. Festigkeitssteigerung
und Anfangstemperatur in Funktion des Ortes (Geometrie) des Werkstücks teils experimentell
bestimmen, teils auf Grund von Modellannahmen berechnen. Auf diese Weise lassen sich
Härte und Zugfestigkeit über dem ganzen Werkstück gleichmässig um Beträge bis zu ca.
50 % steigern.
1. Verfahren zur Herstellung eines kaltverfestigten metallischen Werkstücks durch
Schmieden oder Pressen, dadurch gekennzeichnet, dass der als Vorform vorliegende Schmiederohling
in einem einzigen Arbeitsgang in einer Hitze in das Endprodukt übergeführt wird, wobei
in einer ersten Arbeitsphase im wesentlichen die Formgebung und in einer zweiten Arbeitsphase
im wesentlichen die Kaltverfestigung des Werkstücks bewerkstelligt wird, indem der
Schmiederohling in verschiedenen Teilen seiner Geometrie in Funktion des Ortes auf
unterschiedliche Anfangstemperaturen gebracht und in einem als Gesenk ausgebildeten
vorgewärmten und beheizten Werkzeug derart verformt wird, dass der Kaltverfestigungsgrad
über das ganze Werkstück ungefähr den gleichen Wert erreicht, und dass das Werkstück
schliesslich auf Raumtemperatur abgekühlt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück aus einer
Eisen- oder Nickellegierung besteht.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück aus einem
austenitischen, zu starker Kaltverfestigung befähigten, korrosionsbeständigen Stahl
besteht.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Schmiederohling als
rotationssymmetrische Vorform verschiedenen Durchmessers aus einem Cr/Ni/W-Stahl besteht,
dessen Fussteil auf eine mittlere Anfangstemperatur von 700-800°C und dessen Schaftteil
auf eine mittlere Anfangstemperatur von 850-950°C gebracht und in einem aus zwei Gesenkhälften
bestehenden, auf eine Temperatur von 700-850oC vorgewärmten, beheizten Werkzeug zunächst während einer Zeit von 1-10 sec entsprechend
einer mittleren Stempelgeschwindigkeit der Schmiedepresse von 2-20 mm/sec unter einem
mittleren Druck von höchstens 75 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs in die
rohe Form einer Turbinenschaufel gebracht und gleich anschliessend mit einer mittleren
Stempelgeschwindigkeit von 0,5-5 mm/sec unter einem mittleren Druck von höchstens
85 % der Streckgrenze des Werkzeug-Werkstoffs kaltverfestigt, in die endgültige Form
gebracht und an Luft auf Raumtemperatur abgekühlt wird.