[0001] Die Erfindung betrifft ein Fahrwerk für Schienenfahrzeuge, insbesondere für leichte
Schienenfahrzeuge, bei denen wenige Räder zur Aufnahme des Fahrzeuggewichts und der
Zuladung ausreichend sind.
[0002] Das zu schaffende Fahrwerk soll einerseits eine gute Führung des Fahrzeugs im geraden
Gleis auch bei sehr hohen Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen und andererseits in engsten
Gleisbögen mit kleinen Gleisbogenhalbmessern einen verschleißarmen, zwängungsfreien
Lauf garantieren. Die Sicherheit der Spurführung muß in jedem Falle sichergestellt
sein.
[0003] Fahrwerke herkömmlicher Bauart werden als Drehgestelle mit Radsätzen ausgeführt.
Zur Erzielung hoher Fahrgeschwindigkeiten müssen die mit konventionellen Radsätzen
ausgestatteten Drehgestelle mit steifer Radsatzanlenkung ausgeführt sein, um den unerwünschten
Wellenlauf der Radsätze zu unterdrücken oder zu erschweren. Die steife Radsatzanlenkung
behindert den Lauf in engen Gleisbögen. Die Räder können keine radiale Stellung im
Gleisbogen einnehmen. Selbst die Einstellung des Drehgestells unter dem Fahrzeug kann
nur eine teilweise Radialeinstellung der Räder bewirken. Der durch diese Unvollkommenheit
entstehende Schräglauf der Räder relativ zur Schiene hat unerwünschten Verschleiß
an Rädern und Schienen zur Folge. An dieser Erscheinung ändern auch auf einer Radsatzwelle
angeordnete, unabhängig voneinander auf der Welle gelagerte und ohne gegenseitige
Drehmomentbeeinflussung drehbare Losräder nichts.
[0004] In langen leichten Fahrzeugen werden Drehgestell-Fahrwerke nur eingesetzt, um die
teilweise und unvollkommene Einstellung der Räder in Gleisbögen zu ermöglichen. Die
im zweiachsigen Drehgestell vorhandenen zwei Radsätze sind durch das Fahrzeuggesamtgewicht
bei weitem nicht ausgelastet. Der voranlaufende Radsatz eines Drehgestells dient in
diesem Falle nur zur Steuerung der Radialeinstellung des Drehgestells im Gleisbogen.
Drehgestelle sind deshalb nicht nur für den verschleißarmen Bogenlauf nur bedingt
geeignet, sondern auch wegen des nicht notwendigen zweiten Radsatzes schwer und aufwendig.
[0005] Der Erfindung liegt demgemäß die Aufgabe zugrunde, den Bau leichter Fahrwerke für
Schienenfahrzeuge zu ermöglichen, die mit hohen Fahrgeschwindigkeiten auf geraden
Gleisen und in engen Gleisbögen mit geringem Verschleiß an Rädern und Schienen entgleisungssicher
betrieben werden können.
[0006] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Fahrwerk zwei unabhängig
voneinander mit/auf getrennten Radachsen (5) rotierende und mit diesen um separate,
in einem mindestens der Spurweite entsprechenden Abstand zueinander angeordnete Schwenkachsen
(6) horizontal schwenkbare Räder (2) aufweist, wobei die Schwenkbewegung beider Räder
(2) über eine Spurstange (7) miteinander gekoppelt ist.
[0007] Eine derartige Anordnung wird als Radpaar bezeichnet im Gegensatz zum konventionellen
Radsatz, dessen auf einer Welle angeordnete Räder nur gemeinsam um eine gemeinsame
Hochachse schwenkbar sind. Bei der erfindungsgemäßen Anordnung kann jedes Rad eines
vierrädrigen Fahrzeugs oder Fahrwerks im Gleisbogen die ideale Radialeinstellung einnehmen.
Die Einstellung der Räder des Radpaares im Gleisbogen erfolgt einerseits durch die
im Gleisbogen infolge geänderter Berührungsgeometrie zwischen Rad und Schiene entstehenden
sogenannten Profilkräfte und andererseits aufgrund der durch die Kinematik der Radbewegung
entstehenden Kraftschlußkräfte zwischen Rad und Schiene. Wenn die Schwenkachsen der
Räder eines Radpaares nicht durch die Rad/Schiene-Berührungspunkte gehen, erzeugen
die Profilkräfte und die Kraftschlußkräfte um die Schwenkachse Momente, welche eine
Schwenkbewegung der Räder einleiten. Die Schwenkbewegung kommt zum Stillstand, wenn
die Momente aus Profilkräften und Kraftschlußkräften im Gleichgewicht sind. Durch
geeignete Lage der Schwenkachse können über den Hebelarm die Momente je für sich beeinflußt
werden, ohne daß sich die Größe der auftretenden Kräfte ändert.
[0008] Eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dann gegeben, wenn die
Schwenkachsen der Räder eines unter dem Fahrzeug vorn laufenden Radpaares den gleichen
horizontalen Abstand zur Fahrzeuglängsmitte wie die Berührpunkte der Räder mit den
Schienen haben und hinter den Berührpunkten liegen. Die Schwenkachsen der Räder eines
hinten laufenden Radpaares sind zweckmäßig im gleichen horizontalen Abstand zur Fahrzeuglängsmitte
wie die Berührpunkte und vor den Berührpunkten anzuordnen.
[0009] Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, daß sowohl
im geraden Gleis ein stabiler, verschleißarmer Fahrwerkslauf als auch eine ideale
Radialeinstellung der Räder im Gleisbogen und damit ein verschleißarmer Bogenlauf
mit einer sehr einfachen, leichten Fahrwerkskonstruktion erreicht werden.
[0010] Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung schematisch dargestellt
und werden im folgenden näher beschrieben. Die Figuren 1, 2 und 3 zeigen jeweils in
der Draufsicht ein Fahrzeug 1 oder Fahrwerk mit zwei Radpaaren. Die Figuren 4 und
5 zeigen mit gleichfalls zwei Radpaaren versehene drehgestellähnliche Fahrwerke und
Fig. 6 deren fahrzeugseitige Anordnung in Seitenansicht. Aus den Fig. 7 und 11 ist
eine Lenkungsfederung 11 bzw. eine Lenkungsdämpfung 12 zum Beeinflussen von horizontalen
Schwenkbewegungen eines Radpaares ersichtlich, wobei in den Fig. 8 bis 10 jeweils
ein Kraft F-Weg s-Diagramm mit unterschiedlichen Kennlinien für die Lenkungsfederung
11 nach Fig. 7 dargestellt ist.
[0011] Gemäß Fig. 1 bis 3 weist das umrißlich dargestellte Fahrzeug 1 oder Fahrwerk jeweils
vorn und hinten ein Radpaar auf. Ein Radpaar besteht aus zwei jeweils im gleichen
Abstand zur Fahrzeuglängsachse la angeordneten Rädern 2. Die Lagerung 3 dieser Räder
2 erfolgt auf Radachsen 5, die mit je einem Lenkhebel 4 fest verbunden sind. Die Lenkhebel
4 zweier gegenüberliegender Räder 2 eines Radpaares sind um fahrzeug- oder fahrgestellseitig
gebildete Schwenkachsen 6 horizontal drehbar und durch eine Spurstange 7 gelenkig
miteinander verbunden.
[0012] Im Beispiel nach Fig. 1 haben die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 durch eine
auf die Schienen 9 eines Gleises gelegt gedachte Ebene (hier die Zeichnungsebene)
den gleichen horizontalen Abstand A von der Fahrwerks- bzw. Fahrzeuglängsmitte la
wie die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 (Abstand B). In Längsrichtung
liegen die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 des in Fahrtrichtung (Pfeil X) vorderen
Radpaares hinter den Berührpunkten 8 der Räder 2 mit den Schienen 9; die Durchstoßpunkte
der Schwenkachsen 6 des hinteren Radpaares liegen vor den Berührpunkten 8 der Räder
2 mit den Schienen 9 (siehe die Längsabstände C).
[0013] Unterschiedlich zu Fig. 1 haben gemäß Fig. 2 die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
6 einen größeren horizontalen Abstand A von der Fahrzeuglängsmitte la als die Berührpunkte
8 der Räder 2 mit den Schienen 9 (Abstand B), wobei die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
6 im gleichen Längsabstand C' von der Fahrzeugquermitte lb liegen wie die Berührpunkte
8 der Räder 2 mit den Schienen 9.
[0014] Nach Fig. 3 können wiederum unterschiedlich die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
6 in bezug auf die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 sowohl quer zur Fahrzeuglängsmitte
la als längs zur Fahrzeugquermitte 1b versetzt angeordnet sein. Hierbei ergeben sich
die Querabstände A und B sowie die Längsabstände C
l und C
2, wie dargestellt.
[0015] Zwei oder mehrere Räder 2 der in den Fig. 1 bis 3 gezeigten Anordnung können zu einem
drehgestellähnlichen Fahrwerk zusammengefaßt werden. Dazu ist gemäß Fig. 4 ein einteiliger
Rahmen 10 in bekannter H-förmiger Gestaltung (zwei Längsträger und ein Querträger)
vorgesehen. Alternativ ist nach Fig. 5 ein aus Hälften 10a und 10b gebildeter Rahmen
möglich, wobei die Hälften 10a und 10b über Gelenke 10c miteinander verbunden sind.
Auf diese Weise sind die Rahmenhälften 10a und 10b um die Diagonale 10d im Hinblick
auf einen Ausgleich von Schienenunebenheiten beweglich. Sowohl der einteilige Rahmen
10 als auch die Rahmenhälften 10a und 10b weisen die Schwenkachsen 6 für die Räder
2 auf. Die Position der Schwenkachsen 6 entspricht in Fig. 4 und 5 beispielsweise
der nach Fig. 2, das heißt Abstand A größer als B; C' = C'. Fig. 6 zeigt die Anordnung
einteiliger Rahmen 10 oder zweiteiliger Rahmen 10a und 10b unter dem Aufbau eines
Fahrzeuges 1.
[0016] Wie aus Fig. 7 ersichtlich, kann die horizontale Schwenkbewegung der Räder 2 um die
Schwenkachsen 6 durch eine symmetrische Lenkungsfederung 11 unterstützt werden, die
einerseits an der Spurstange 7 und andererseits in fahrzeugseitigen Festpunkten lla
gehalten ist. Die Lenkungsfederung 11 ist in ihrer Charakteristik gemäß Fig. 8 linear
oder nach den Fig. 9 und 10 progressiv bzw. degressiv auslegbar.
[0017] Zur Stabilisierung der horizontalen Schwenkbewegungen der Räder 2 um die Schwenkachsen
6 empfiehlt sich eine Lenkungsdämpfung nach Fig. 12, die ebenso mit der Spurstange
7 und fahrzeugseitigen Festpunkten 12a verbunden ist. Eine Kombination der Lenkungsfederung
11 und der Lenkungsdämpfung 12 ist ohne weiteres möglich.
1. Fahrwerk für Schienenfahrzeuge, insbesondere für leichte Schienenfahrzeuge, dadurch
gekennzeichnet, daß das Fahrwerk zwei unabhängig voneinander mit/auf getrennten Radachsen
(5) rotierende und mit diesen um separate, in einem mindestens der Spurweite entsprechenden
Abstand zueinander angeordnete Schwenkachsen (6) horizontal schwenkbare Räder (2)
aufweist, wobei die Schwenkbewegung beider Räder (2) über eine Spurstange (7) miteinander
gekoppelt ist.
2. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
(6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene den gleichen
horizontalen Abstand (A bzw. B) von der Fahrzeuglängsmitte (la) haben wie die Berührpunkte
(8) der Räder (2) mit den Schienen (9), wobei die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
(6) eines in Fahrtrichtung vorderen Fahrwerks des Fahrzeugs (1) hinter den Berührpunkten
(8) der Räder (2) mit den Schienen (9) und eines in Fahrtrichtung hinteren Fahrwerks
des Fahrzeugs (1) vor den Berührpunkten (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) angeordnet
sind (Längsabstände C).
3. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
(6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene einen größeren
horizontalen Abstand (A) von der Fahrzeuglängsmitte (la) haben als die Berührpunkte
(8) der Räder (2) mit den Schienen (9) - Abstand B -, wobei die Durchstoßpunkte der
Schwenkachsen (6) im gleichen Längsabstand (C') von der Fahrzeugquermitte (lb) liegen
wie die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9).
4. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
(6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene in bezug auf
die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) sowohl quer zur Fahrzeuglängsmitte
(la) als längs zur Fahrzeugquermitte (lb) versetzt angeordnet sind (Querabstände A
und B bzw. Längsabstände C1 und C2).
5. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß bei einem
mit mindestens zwei Fahrwerken ausgerüsteten Fahrzeug (1) die Durchstoßpunkte der
Schwenkachsen (6) aller Fahrwerke des Fahrzeuges (1) in gleicher Weise zu den Berührpunkten
(8) der Räder (2) mit den Schienen (9) angeordnet sind.
6. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß zwei oder
mehrere der um separate Schwenkachsen (6) schwenkbaren Räder (2) zu einem drehgestellähnlichen
Fahrwerk in einem ein- oder mehrteiligen Rahmen (10 bzw. 10a und lOb) zusammengefaßt
sind.
7. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die horizontale
Schwenkbewegung der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) durch eine symmetrische Lenkungsfederung
(11) unterstützt wird, die eine lineare oder eine nichtlineare progressive/degressive
Kennlinie aufweist.
8. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die horizontale
Schwenkbewegung der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) durch eine Lenkungsdämpfung
(12) stabilisiert wird.
9. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwenkbewegung
der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) sowohl gefedert als auch gedämpft ist.
10. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Spurstange
(7) kürzer ist als der horizontale Querabstand (A + A) der Durchstoßpunkte der Schwenkachsen
(6) voneinander.