(19)
(11) EP 0 135 877 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.04.1985  Patentblatt  1985/14

(21) Anmeldenummer: 84110722.0

(22) Anmeldetag:  08.09.1984
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)4B61F 5/38, B61F 5/44
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 19.09.1983 DE 3333751

(71) Anmelder: DUEWAG AKTIENGESELLSCHAFT
D-47829 Krefeld (DE)

(72) Erfinder:
  • Frederich, Fritz, Prof. Dr.-Ing.
    D-4150 Krefeld (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Fahrwerk für Schienenfahrzeuge


    (57) Zur Verminderung der insbesondere in Gleisbögen bei Schienenfahrzeugen auftretenden großen Kräfte und damit verbundenen Verschleißerscheinungen wird als Fahrwerk ein Radpaar aus zwei voneinander unabhängig auf getrennten Radachsen 5 rotierenden Rädern 2 gebildet, die um separate Schwenkachsen 6 horizontal schwenkbar sind, wobei die Schwenkbewegung beider Räder 2 eines Radpaares über eine Spurstange 7 miteinander gekoppelt ist. Um eine besonders gute Spurführung im geraden Gleis und im Gleisbogen zu erhalten, sind die Schwenkachsen 6 hinter einem vorlaufenden und vor einem nachlaufenden Radpaar angeordnet.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Fahrwerk für Schienenfahrzeuge, insbesondere für leichte Schienenfahrzeuge, bei denen wenige Räder zur Aufnahme des Fahrzeuggewichts und der Zuladung ausreichend sind.

    [0002] Das zu schaffende Fahrwerk soll einerseits eine gute Führung des Fahrzeugs im geraden Gleis auch bei sehr hohen Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen und andererseits in engsten Gleisbögen mit kleinen Gleisbogenhalbmessern einen verschleißarmen, zwängungsfreien Lauf garantieren. Die Sicherheit der Spurführung muß in jedem Falle sichergestellt sein.

    [0003] Fahrwerke herkömmlicher Bauart werden als Drehgestelle mit Radsätzen ausgeführt. Zur Erzielung hoher Fahrgeschwindigkeiten müssen die mit konventionellen Radsätzen ausgestatteten Drehgestelle mit steifer Radsatzanlenkung ausgeführt sein, um den unerwünschten Wellenlauf der Radsätze zu unterdrücken oder zu erschweren. Die steife Radsatzanlenkung behindert den Lauf in engen Gleisbögen. Die Räder können keine radiale Stellung im Gleisbogen einnehmen. Selbst die Einstellung des Drehgestells unter dem Fahrzeug kann nur eine teilweise Radialeinstellung der Räder bewirken. Der durch diese Unvollkommenheit entstehende Schräglauf der Räder relativ zur Schiene hat unerwünschten Verschleiß an Rädern und Schienen zur Folge. An dieser Erscheinung ändern auch auf einer Radsatzwelle angeordnete, unabhängig voneinander auf der Welle gelagerte und ohne gegenseitige Drehmomentbeeinflussung drehbare Losräder nichts.

    [0004] In langen leichten Fahrzeugen werden Drehgestell-Fahrwerke nur eingesetzt, um die teilweise und unvollkommene Einstellung der Räder in Gleisbögen zu ermöglichen. Die im zweiachsigen Drehgestell vorhandenen zwei Radsätze sind durch das Fahrzeuggesamtgewicht bei weitem nicht ausgelastet. Der voranlaufende Radsatz eines Drehgestells dient in diesem Falle nur zur Steuerung der Radialeinstellung des Drehgestells im Gleisbogen. Drehgestelle sind deshalb nicht nur für den verschleißarmen Bogenlauf nur bedingt geeignet, sondern auch wegen des nicht notwendigen zweiten Radsatzes schwer und aufwendig.

    [0005] Der Erfindung liegt demgemäß die Aufgabe zugrunde, den Bau leichter Fahrwerke für Schienenfahrzeuge zu ermöglichen, die mit hohen Fahrgeschwindigkeiten auf geraden Gleisen und in engen Gleisbögen mit geringem Verschleiß an Rädern und Schienen entgleisungssicher betrieben werden können.

    [0006] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Fahrwerk zwei unabhängig voneinander mit/auf getrennten Radachsen (5) rotierende und mit diesen um separate, in einem mindestens der Spurweite entsprechenden Abstand zueinander angeordnete Schwenkachsen (6) horizontal schwenkbare Räder (2) aufweist, wobei die Schwenkbewegung beider Räder (2) über eine Spurstange (7) miteinander gekoppelt ist.

    [0007] Eine derartige Anordnung wird als Radpaar bezeichnet im Gegensatz zum konventionellen Radsatz, dessen auf einer Welle angeordnete Räder nur gemeinsam um eine gemeinsame Hochachse schwenkbar sind. Bei der erfindungsgemäßen Anordnung kann jedes Rad eines vierrädrigen Fahrzeugs oder Fahrwerks im Gleisbogen die ideale Radialeinstellung einnehmen. Die Einstellung der Räder des Radpaares im Gleisbogen erfolgt einerseits durch die im Gleisbogen infolge geänderter Berührungsgeometrie zwischen Rad und Schiene entstehenden sogenannten Profilkräfte und andererseits aufgrund der durch die Kinematik der Radbewegung entstehenden Kraftschlußkräfte zwischen Rad und Schiene. Wenn die Schwenkachsen der Räder eines Radpaares nicht durch die Rad/Schiene-Berührungspunkte gehen, erzeugen die Profilkräfte und die Kraftschlußkräfte um die Schwenkachse Momente, welche eine Schwenkbewegung der Räder einleiten. Die Schwenkbewegung kommt zum Stillstand, wenn die Momente aus Profilkräften und Kraftschlußkräften im Gleichgewicht sind. Durch geeignete Lage der Schwenkachse können über den Hebelarm die Momente je für sich beeinflußt werden, ohne daß sich die Größe der auftretenden Kräfte ändert.

    [0008] Eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dann gegeben, wenn die Schwenkachsen der Räder eines unter dem Fahrzeug vorn laufenden Radpaares den gleichen horizontalen Abstand zur Fahrzeuglängsmitte wie die Berührpunkte der Räder mit den Schienen haben und hinter den Berührpunkten liegen. Die Schwenkachsen der Räder eines hinten laufenden Radpaares sind zweckmäßig im gleichen horizontalen Abstand zur Fahrzeuglängsmitte wie die Berührpunkte und vor den Berührpunkten anzuordnen.

    [0009] Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, daß sowohl im geraden Gleis ein stabiler, verschleißarmer Fahrwerkslauf als auch eine ideale Radialeinstellung der Räder im Gleisbogen und damit ein verschleißarmer Bogenlauf mit einer sehr einfachen, leichten Fahrwerkskonstruktion erreicht werden.

    [0010] Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung schematisch dargestellt und werden im folgenden näher beschrieben. Die Figuren 1, 2 und 3 zeigen jeweils in der Draufsicht ein Fahrzeug 1 oder Fahrwerk mit zwei Radpaaren. Die Figuren 4 und 5 zeigen mit gleichfalls zwei Radpaaren versehene drehgestellähnliche Fahrwerke und Fig. 6 deren fahrzeugseitige Anordnung in Seitenansicht. Aus den Fig. 7 und 11 ist eine Lenkungsfederung 11 bzw. eine Lenkungsdämpfung 12 zum Beeinflussen von horizontalen Schwenkbewegungen eines Radpaares ersichtlich, wobei in den Fig. 8 bis 10 jeweils ein Kraft F-Weg s-Diagramm mit unterschiedlichen Kennlinien für die Lenkungsfederung 11 nach Fig. 7 dargestellt ist.

    [0011] Gemäß Fig. 1 bis 3 weist das umrißlich dargestellte Fahrzeug 1 oder Fahrwerk jeweils vorn und hinten ein Radpaar auf. Ein Radpaar besteht aus zwei jeweils im gleichen Abstand zur Fahrzeuglängsachse la angeordneten Rädern 2. Die Lagerung 3 dieser Räder 2 erfolgt auf Radachsen 5, die mit je einem Lenkhebel 4 fest verbunden sind. Die Lenkhebel 4 zweier gegenüberliegender Räder 2 eines Radpaares sind um fahrzeug- oder fahrgestellseitig gebildete Schwenkachsen 6 horizontal drehbar und durch eine Spurstange 7 gelenkig miteinander verbunden.

    [0012] Im Beispiel nach Fig. 1 haben die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 durch eine auf die Schienen 9 eines Gleises gelegt gedachte Ebene (hier die Zeichnungsebene) den gleichen horizontalen Abstand A von der Fahrwerks- bzw. Fahrzeuglängsmitte la wie die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 (Abstand B). In Längsrichtung liegen die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 des in Fahrtrichtung (Pfeil X) vorderen Radpaares hinter den Berührpunkten 8 der Räder 2 mit den Schienen 9; die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 des hinteren Radpaares liegen vor den Berührpunkten 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 (siehe die Längsabstände C).

    [0013] Unterschiedlich zu Fig. 1 haben gemäß Fig. 2 die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 einen größeren horizontalen Abstand A von der Fahrzeuglängsmitte la als die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 (Abstand B), wobei die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 im gleichen Längsabstand C' von der Fahrzeugquermitte lb liegen wie die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9.

    [0014] Nach Fig. 3 können wiederum unterschiedlich die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen 6 in bezug auf die Berührpunkte 8 der Räder 2 mit den Schienen 9 sowohl quer zur Fahrzeuglängsmitte la als längs zur Fahrzeugquermitte 1b versetzt angeordnet sein. Hierbei ergeben sich die Querabstände A und B sowie die Längsabstände Cl und C2, wie dargestellt.

    [0015] Zwei oder mehrere Räder 2 der in den Fig. 1 bis 3 gezeigten Anordnung können zu einem drehgestellähnlichen Fahrwerk zusammengefaßt werden. Dazu ist gemäß Fig. 4 ein einteiliger Rahmen 10 in bekannter H-förmiger Gestaltung (zwei Längsträger und ein Querträger) vorgesehen. Alternativ ist nach Fig. 5 ein aus Hälften 10a und 10b gebildeter Rahmen möglich, wobei die Hälften 10a und 10b über Gelenke 10c miteinander verbunden sind. Auf diese Weise sind die Rahmenhälften 10a und 10b um die Diagonale 10d im Hinblick auf einen Ausgleich von Schienenunebenheiten beweglich. Sowohl der einteilige Rahmen 10 als auch die Rahmenhälften 10a und 10b weisen die Schwenkachsen 6 für die Räder 2 auf. Die Position der Schwenkachsen 6 entspricht in Fig. 4 und 5 beispielsweise der nach Fig. 2, das heißt Abstand A größer als B; C' = C'. Fig. 6 zeigt die Anordnung einteiliger Rahmen 10 oder zweiteiliger Rahmen 10a und 10b unter dem Aufbau eines Fahrzeuges 1.

    [0016] Wie aus Fig. 7 ersichtlich, kann die horizontale Schwenkbewegung der Räder 2 um die Schwenkachsen 6 durch eine symmetrische Lenkungsfederung 11 unterstützt werden, die einerseits an der Spurstange 7 und andererseits in fahrzeugseitigen Festpunkten lla gehalten ist. Die Lenkungsfederung 11 ist in ihrer Charakteristik gemäß Fig. 8 linear oder nach den Fig. 9 und 10 progressiv bzw. degressiv auslegbar.

    [0017] Zur Stabilisierung der horizontalen Schwenkbewegungen der Räder 2 um die Schwenkachsen 6 empfiehlt sich eine Lenkungsdämpfung nach Fig. 12, die ebenso mit der Spurstange 7 und fahrzeugseitigen Festpunkten 12a verbunden ist. Eine Kombination der Lenkungsfederung 11 und der Lenkungsdämpfung 12 ist ohne weiteres möglich.


    Ansprüche

    1. Fahrwerk für Schienenfahrzeuge, insbesondere für leichte Schienenfahrzeuge, dadurch gekennzeichnet, daß das Fahrwerk zwei unabhängig voneinander mit/auf getrennten Radachsen (5) rotierende und mit diesen um separate, in einem mindestens der Spurweite entsprechenden Abstand zueinander angeordnete Schwenkachsen (6) horizontal schwenkbare Räder (2) aufweist, wobei die Schwenkbewegung beider Räder (2) über eine Spurstange (7) miteinander gekoppelt ist.
     
    2. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene den gleichen horizontalen Abstand (A bzw. B) von der Fahrzeuglängsmitte (la) haben wie die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9), wobei die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) eines in Fahrtrichtung vorderen Fahrwerks des Fahrzeugs (1) hinter den Berührpunkten (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) und eines in Fahrtrichtung hinteren Fahrwerks des Fahrzeugs (1) vor den Berührpunkten (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) angeordnet sind (Längsabstände C).
     
    3. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene einen größeren horizontalen Abstand (A) von der Fahrzeuglängsmitte (la) haben als die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) - Abstand B -, wobei die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) im gleichen Längsabstand (C') von der Fahrzeugquermitte (lb) liegen wie die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9).
     
    4. Fahrwerk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) durch eine auf die Schienen (9) eines Gleises gelegt gedachte Ebene in bezug auf die Berührpunkte (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) sowohl quer zur Fahrzeuglängsmitte (la) als längs zur Fahrzeugquermitte (lb) versetzt angeordnet sind (Querabstände A und B bzw. Längsabstände C1 und C2).
     
    5. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß bei einem mit mindestens zwei Fahrwerken ausgerüsteten Fahrzeug (1) die Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) aller Fahrwerke des Fahrzeuges (1) in gleicher Weise zu den Berührpunkten (8) der Räder (2) mit den Schienen (9) angeordnet sind.
     
    6. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß zwei oder mehrere der um separate Schwenkachsen (6) schwenkbaren Räder (2) zu einem drehgestellähnlichen Fahrwerk in einem ein- oder mehrteiligen Rahmen (10 bzw. 10a und lOb) zusammengefaßt sind.
     
    7. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die horizontale Schwenkbewegung der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) durch eine symmetrische Lenkungsfederung (11) unterstützt wird, die eine lineare oder eine nichtlineare progressive/degressive Kennlinie aufweist.
     
    8. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die horizontale Schwenkbewegung der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) durch eine Lenkungsdämpfung (12) stabilisiert wird.
     
    9. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwenkbewegung der Räder (2) um die Schwenkachsen (6) sowohl gefedert als auch gedämpft ist.
     
    10. Fahrwerk nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Spurstange (7) kürzer ist als der horizontale Querabstand (A + A) der Durchstoßpunkte der Schwenkachsen (6) voneinander.
     




    Zeichnung