[0001] Verfahren zur Herstellung von Nadelkoks mit geringen irreversiblen Volumenausdehnungen
aus Steinkohlenteerpech
[0002] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Nadelkoks aus Steinkohlenteerpech
mit geringen irreversiblen Volumenvergrößerungen während der Graphitierung von Nadelkoks-Formkörpern,
z.B. Graphit-Elektroden für die Elektrostahlgewinnung durch Schwelverkoken von Peches
mit einem Chinolinunlöslichengehalt von maximal 1,0 Gew.-%.
[0003] Die Qualität von Elektrographit-Formkörpern wird durch mehrere physikalische Eigenschaften
wie z.B. Wärmeausdehnungskoeffizienten, spezifische elektrische und Wärmeleitfähigkeit,
Aschewert, Spurenelemente und Dichte charakterisiert.
[0004] Es ist bekannt, daß Kohlenstoff-Formkörper, die aus Petrolkoks oder Steinkohlenteerpechkoks
mit einem Bindemittel hergestellt sind, während des Graphitierungsprozesses zusätzlich
zur reversiblen Wärmeausdehnung auch eine irreversible Volumenvergrößerung, das sogenannte
Puffing zeigen. Durch das Puffing verschlechtern sich die physikalischen Formkörpereigenschaften
wie die Festigkeit und die elektrische Leitfähigkeit.
[0005] Hochwertige Elektrographite werden aus sogenannten Nadelkoksen mit einem linearen
Wärmeausdehnungskoeffizienten von weniger als 0,7'10 6 K
-1 (im Bereich 20 - 200°C gemessen) hergestellt. Bei Elektrographiten von Elektroden
aus petrostämmigen Nadelkoksen hat man gefunden, daß die irreversible Volumenvergrößerung
mit dem Schwefelgehalt im kalzinierten Koks korrelierbar ist und durch die Zugabe
von z.B. Eisenoxid zur Formkörperpaste verringert werden kann.
[0006] Dieser Zusammenhang gilt jedoch nicht für Steinkohlenteerpech-Nadelkokse. Bei gleichem
Schwefelgehalt zeigen Formkörper aus Steinkohlenteerpech-Nadelkoks ein stärkeres Puffing,
das sich durch Zugabe von Fe
20
3 als allgemein gebräuchliches Inhibierungsmittel nur wenig beeinflussen läßt.
[0007] In den Preprints der "16th Biennial Conference of Carbon" (S. 595-596) wird beschrieben,
daß das irreversible Puffing von Formkörpern aus Steinkohlenteerpech-Nadelkoks durch
Zugabe von 1 - 2 % Cr
20
3 verringert werden kann. Dieses Verfahren ist jedoch großtechnisch kaum wirtschaftlich
realisierbar.
[0008] In den Patenten EP 0 087 489 B1 und EP 0 085 121 B1 wird bei der Herstellung von
geblähtem Graphit aus Petrolkoksen das gezielte Einbringen von Intercalationsverbindungen
in den Graphit sowie ein nachgeschaltetes Erwärmen auf höhere Temperaturen, unter
denen sich die Einlagerungsverbindungen spontan in gasförmige Phasen zersetzen, beschrieben.
Dabei entsteht ein innerer Oberdruck im Graphit. Um diesen abzubauen, muß das Gas
durch die Kristallschichten des Kohlenstoffs hindurch diffundieren, wobei die Kristallschichten
irreversibel erweitert werden. Bei extremen Diffusionsstromdichten treten Expansionsfaktoren
von 200:1 bis 400:1 auf.
[0009] Das Puffing von Elektrographit aus hochwertigem Steinkohlenteerpech-Nadelkoks erfolgt
möglicherweise nach einem analogen Mechanismus und beträgt normalerweise bis 0,9 %
relative Längenänderung. Aus Steinkohlenteerpechen mit hohem Gehalt an in Chinolin
unlöslichen Stoffen (QI) können nur makroskopisch isotrope Kokse hergestellt werden,
aus denen sich Graphitkörper ohne irreversible Längenausdehnung herstellen lassen.
Diese haben jedoch eine geringe Leitfähigkeit und einen hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten.
[0010] Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das Steinkohlenteerpech als Precursor für den
Steinkohlenteerpech-Nadelkoks von in Chinolin unlöslichen Bestandteilen zu befreien.
Hierdurch wird auch die Konzentration schädlicher Einlagerungsverbindungen im Kohlenstoffkörper
und damit die zu erwartende Diffusionsstromdichte verringert, wobei jedoch geringe
Mengen an schädlichen Verbindungen im Precursor verbleiben. Eine gezielte Schwefel-
und Stickstoffverminderung im Rohstoff hingegen ist schwierig.
[0011] Im JP 58 98, 385 wird die Herstellung eines puffingarmen Nadelkokses aus Steinkohlenteerpech
beansprucht, dessen Gehalt an in Chinolin unlöslichen Bestandteilen 0,03 % beträgt.
Mit einem Fe
20
3-Anteil von 0,5 % wird nach einer Wärmebehandlung bis 2800°C ein Elektrographit erhalten,
der in Achsrichtung der Elektrode nur noch eine irreversible Längenänderung von 0,5
% aufweist. Ein Elektrographit aus einem Steinkohlenteerpech, das keine unlöslichen
Bestandteile enthält, hat eine Längenänderung von 2,1 %. Auch auf der Basis von aschearmem
Steinkohlenteerpech als Rohstoff für den Nadelkoks und damit für den Elektrographit
kann daher nicht auf den Zusatz von Fe
20
3 als Inhibitor verzichtet werden. Der Zusatz von Fe
20
3 erhöht jedoch im unerwünschten Maße den Aschewert des Elektrographits.
[0012] Aufgabe der Erfindung ist es deshalb, ein Verfahren zur Herstellung eines solchen
Nadelkokes aus Steinkohlenteerpech zu entwickeln, der ohne zusätzliche Inhibierungsmittel
zu puffing-armem Elektrographit verarbeitet werden kann.
[0013] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die aschebildenden Bestandteile
aus dem Steinkohlenteerpech bis auf mindestens 0,01 Gew.-% entfernt werden und die
kristalline Ordnung des Kokses durch geeignete Rohstoffauswahl und/oder durch die
Verkokungsparameter so gestört wird, daß die wahre Dichte des bei 1300°C kalzinierten
Kokses auf einen Betrag von 2,08 bis 2,14 g/cm
3 verringert wird.
[0014] Die aschebildenden Bestandteile im Einsatzprodukt lassen sich durch bekannte mechanische
oder thermische Verfahren, wie sie zur Abtrennung von Feststoffpartikeln üblich sind,
verringern. Zu diesen Verfahren gehören beispielsweise das Zentrifugieren und Separieren,
das Filtrieren, das Extrahieren und das promotorbeschleunigte Absitzenlassen (Settlen).
Durch diese Ascheentfernung kann das Puffing jedoch nur zu einem Teil vermindert werden.
[0015] Die Kristallstruktur von Koksen läßt sich durch Veränderung der Verkokungsneigung
des Einsatzproduktes beeinflussen, z.B. durch Verwendung ausgewählter Steinkohlenteere
und Peche oder aber auch durch Zumischen hochsiedender carbo- und petrostämmiger Kohlenwasserstofffraktionen.
Eine andere Möglichkeit ist die Variation der Verkokungsbedingungen wie Druck, Aufheizgeschwindigkeit,
Verkokungszeit und Verkokungstemperatur. Eine Kombination beider Maßnahmen ist möglich,
aber nicht in jedem Fall erforderlich.
[0016] Beim verfahrensgemäß beanspruchten Vorgehen erhält man durch Schwelverkokung und
anschließende Kalzination bis 1300°C beispielsweise Kokse, die sich durch folgende
Daten charakterisieren lassen:

[0017] Anhand einiger ausgewählter Versuchsdaten in Tabelle 1 ist zu erkennen, daß durch
Variation der Maßnahmen (1) und (2) Nadelkokse erhalten werden, die sich durch unterschiedliche
Dichten und Aschewerte auszeichnen. Die wahre Dichte f ist als einfache Meßgröße ein
Maß für den kristallinen Orientierungsgrad im Koks.
[0018] Werden diese erhaltenen Kokse anschließend unter bekannten, gleichbleibenden Bedingungen
(Journal of Materials Science 18, 1983, Seiten 3161 - 3176) zu Formkörpern verarbeitet
und bis 2500°C graphitiert,

findet man unterschiedliche irreversible Längenänderungen , wie Fig. 1 zeigt.
[0019] überraschend an diesen Untersuchungen ist die Tatsache, daß Kokse mit gleichem Aschewert
bei geringerer Dichte, d.h. bei geringerer kristalliner Ordnung ein deutlich verbessertes
Puffingverhalten zeigen, ohne daß die Nadelkokseigenschaften in unzulässiger Weise
verschlechtert werden. Es muß angenommen werden, daß neben der Verminderung der für
das Puffing mitverantwortlichen Aschebestandteile die gestörten Kristallstrukturen
des Kokses die Diffusion der durch die verbleibenden Einlagerungsverbindungen beim
Graphitieren entstehenden Gase erleichtert, so daß ein Aufblähen der Graphitstruktur
vermindert wird.
[0020] Mit den beschriebenen Maßnahmen - Verringerung der Aschebildner im Pech und Beeinflussung
der Kristallinität des Pechkokses - zur Beeinflussung irreversibler Längenausdehnungen
bei Pech-Nadelkoksen ist eine Möglichkeit gefunden, das unerwünschte Formkörper-Puffing
ohne verunreinigende Zusätze zu minimieren. Die Einzelmaßnahmen sind für sich allein
wirksam, aber erst in Kombination bewirken sie ein optimales Ergebnis. Die Erfindung
wird anhand der nachfolgenden Beispiele näher erläutert, ohne darauf beschränkt zu
sein.
Beispiele
[0021] Es werden 10 Kokse gegenübergestellt, die aus Pechen, teilweise in Mischung mit hocharomatischen
ölen, mit geringem Gehalt an in Chinolin unlöslichen Stoffen (QI) hergestellt werden.
Die Einsatzprodukte sind durch folgende Analysendaten gekennzeichnet:

Anthracenöl aus der Steinkohlenteeraufarbeitung:
Siedebereich 355 bis 470°C
[0022] Diese Einsatzprodukte werden nach den angegebenen Verfahren vorbehandelt, um die
Peche zu entaschen. Das Separieren erfolgt in einem Tellerseparator bei 200°C, ohne
Zusatz von Lösungsmitteln. Filtriert werden die Einsatzprodukte über ein Spaltfilter
mit 100 bis 200 um Spaltweite bei 240 bis 280 °C und einem maximalen Druck von 8'10
5 Pa, wobei den Einsatzprodukten eine übliche Filterhilfe zugesetzt wird, deren Anteil
bis zum Doppelten der Menge an Chinolinunlöslichem im Einsatzprodukt beträgt. Dieses
Verfahren ist zur Entaschung von Pechen besonders geeignet. Eine Entaschung durch
promotorbeschleunigtes Absetzenlassen (Settlen) ist ebenfalls möglich, wie das Vergleichsbeispiel
1 zeigt, und dem Separieren gleichwertig. Das Einsatzprodukt wird hierbei mit 50 Gew.-%
Methylnaphthalin und 50 Gew.-% Kerosin, bezogen auf das Einsatzprodukt, bei 175°C
homogen durchmischt und bei 170°C stehengelassen. Dabei setzt sich eine schwere Phase
am Boden des Behälters ab. Die überstehende leichte Phase wird abgenommen und durch
Flashdestillation von den leichtsiedenden Lösungsmitteln befreit. Die Verkokung des
so gewonnenen Precursors findet entweder nach dem Delayed-Coking-Verfahren unter 5
bar bei einer Röhrenofenaustrittstemperatur von 480°C oder in druckfesten Retorten
unter einem Druck von 1 - 5 bar und einer Aufheizgeschwindigkeit von 5 bzw. 10 K/h
bis 500°C statt. Durch unterschiedliche Vorbehandlungen und Verkokungsbedingungen
werden Kokse mit verschiedenen Aschegehalten und wahren Dichten, gemessen am bei 1300°C
kalzinierten Koks, gewonnen.
[0023] Die Kokse werden so zerkleinert, gemahlen und abgesiebt, daß eine einheitliche Granulometrie
von 100 % <1 mm φ 75 % < 0,5 mm φ und 15 % Staub (<63 um φ) vorliegt.
[0024] Die gemahlenen Kokse werden mit einem handelsüblichen Elektrodenbinder, der die Spezifikationen

aufweist, zu Pasten mit einem Binderanteil von 24 Gew.-%, bezogen auf das Gemisch,
vermengt.
[0025] Anschließend werden die Pasten in einer geeigneten Vorrichtung zu Formkörpern extrudiert
und in herkömmlicher Weise zu festen Kohlenstoffkörpern gebrannt.
[0026] Die gebrannten Kohlenstoffkörper werden unter identischen Bedingungen graphitiert
und die dabei auftretende irreversible Formänderung vermessen.
[0027] Die Ergebnisse sind in der Tabelle 2 wiedergegeben.

Wie ein Vergleich der Beispiele 1 und 2 mit den entsprechenden Vergleichsbeispielen
zeigt, wird das Puffing nicht allein durch das Entaschen, sondern in erheblichem Maße
durch die Wahl der Verkokungsbedingungen beeinflußt. So ergibt das für die Verkokung
am günstigsten angesehene Verkokungsverfahren in Retorten bei langsamer Aufheizung
(5 K/h) und geringen Scherkräften einen Koks mit noch relativ hohen irreversiblen
Längenausdehnungen. Das Delayed-Coking-Verfahren mit schneller Aufheizung und danach
nahezu konstant gehaltener Temperatur bei großen Scherkräften, wodurch das Wachstum
großer Kristallite verhindert wird, führt hingegen zu einem Koks mit geringerem Puffing.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient steigt durch diese Verfahrensweise zwar an, liegt
aber noch innerhalb des für Nadelkokse günstigen Bereichs. Zusätzlich erhöht sich
außerdem die elektrische Leitfähigkeit der graphitierten Formkörper,was ein weiteres
positives Merkmal des erfindungsgemäßen Verfahrens ist .
1. Verfahren zur Herstellung von Nadelkoks aus Steinkohlenteerpech mit geringer irreversibler
Volumenvergrößerung während der Graphitierung der daraus hergestellten Formkörper
durch Schwelverkoken von Pechen mit einem Chinolinunlöslichengehalt von maximal 1,0
Gew.-%, dadurch gekennzeichnet, daß die aschebildenden Bestandteile aus dem Einsatzprodukt
bis auf mindestens 0,01 Gew.% entfernt werden und die kristalline Ordnung des Kokses
durch geeignete Rohstoffauswahl und/oder durch die Verkokungsparameter so gestört
wird, daß die wahre Dichte des bei 1300°C kalzinierten Kokses auf einen Betrag von
2,08 bis 2,14 g/cm vermindert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Einsatzprodukt durch
Filtrieren bei 240 bis 280 °C und einem maximalen Druck von 8 105 Pa mit einem Zusatz von Filterhilfe bis zur doppelten Menge des Chinolinunlöslichen
im Einsatzprodukt über ein Spaltfilter mit 100 bis 200 um Spaltweite entascht wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß dem Steinkohlenteerpech
bis zu 50 Gew.-%, bezogen auf das Pech, einer hochsiedenden aromatischen petro- oder
carbostämmigen Kohlenwasserstofffraktion zugemischt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Kohlenwasserstofffraktion
ein Rückstandsöl aus der Wasserdampfpyrolyse von Erdölfraktionen ist.
5. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Kohlenwasserstofffraktion
ein Braunkohlenteerpech ist.
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß bei der Verkokung des Precursors
ein Aufheizgradient von mindestens 5 K/h aufrechterhalten wird.
7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Precursor in einem Delayed-Coker
bei einem Druck von maximal 5 bar und einer Röhrenofenaustrittstemperatur von etwa
480°C verkokt wird.