(19)
(11) EP 0 372 439 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.06.1990  Patentblatt  1990/24

(21) Anmeldenummer: 89122265.5

(22) Anmeldetag:  02.12.1989
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)5B21B 37/12
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE ES FR GB GR IT LI LU NL SE

(30) Priorität: 08.12.1988 DE 3841367

(71) Anmelder: Asea Brown Boveri Aktiengesellschaft
D-68309 Mannheim (DE)

(72) Erfinder:
  • Grote, Hans Dieter
    D-6800 Mannheim 1 (DE)
  • Bleckmann, Winfried
    D-6945 Hirschberg (DE)
  • Probst, Ewald
    D-6800 Mannheim 1 (DE)
  • Dansauer, Michael
    D-6800 Mannheim 1 (DE)
  • Krüger, Gerald, Dr.
    D-6904 Eppelheim (DE)
  • Wild, Ernst
    D-7141 Oberriexingen (DE)

(74) Vertreter: Rupprecht, Klaus, Dipl.-Ing. et al
c/o ABB Patent GmbH, Postfach 10 03 51
68128 Mannheim
68128 Mannheim (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Prozessleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstrasse


    (57) Mit Hilfe dieses Prozeßleitverfahrens sollen die aktuel­len arbeitenden Kaliberdurchmesser (Di) einer kontinu­ierlichen Walzstraße mit mehreren Walzgerüsten (1,2,3,i) und Walzen (4 bis 9) mit Einzelantrieben sowie der Kali­berverschleiß (dDi) selbsttätig erfaßt werden. Die Kali­berdurchmesser werden laufend als Quotient aus der ak­tuellen Stabgeschwindigkeit (vi) des Walzgutes (26) und der aktuellen Walzendrehzahl (ni · üi) ermittelt. Bei eingefahrener Walzstraße werden Referenz-Kaliberdurch­messer (D0i) für jede Walze (4 bis 9) und jedes Walzge­rüst (1 bis 3,i) erfaßt und gespeichert. Durch Diffe­renzbildung zwischen dem Referenz-Kaliberdurchmesser (D0i) und dem aktuell arbeitenden Kaliberdurchmesser (Di) kann der Kaliberverschleiß laufend ermittelt wer­den.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Prozeßleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstraße gemäß dem Oberbe­griff der nebengeordneten Ansprüche 1 und 10.

    [0002] Ein solches Prozeßleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstraße ist aus der EP-PS 00 04 598 bekannt. Dabei werden die Geschwindigkeit des Walzgutes an der Auslauf­seite eines Walzgerüstes und die Umfangsgeschwindigkeit bzw. die Drehzahl der Walze dieses Walzgerüstes gemessen und es wird ein mathematischer Verknüpfungswert aus die­sen beiden Werten als Bezugsgröße zur Regelung einer vorgegebenen Längskraft herangezogen.

    [0003] Bei Kontiwalzwerken ist die Umrechnung der gewünschten Stabgeschwindigkeit des Walzgutes in entsprechende An­triebsdrehzahlen (Walzenantriebsdrehzahlen) in der Regel mit Fehlern von bis zu 5% behaftet. Die Ursachen dieser Fehler sind Meßunsicherheiten bei der Kaliberdurchmes­serbestimmung und Schwierigkeiten bei der genauen Be­rechnung des Kaliberabzugswertes. Diese Fehler führen zu ungenauer Berechnung der arbeitenden Kaliberdurchmesser und somit zu fehlerbehafteter Bestimmung der Antriebs­solldrehzahlen. Dies wiederum führt zu falschen Stabge­schwindigkeiten (Walzgeschwindigkeiten). Da sich die Wegverfolgung auf die Sollgeschwindigkeitswerte bezieht, erzeugt sie fehlerhafte Steuersignale für die Stromver­gleichsregelung beim Walzenantrieb, die Scherenansteue­rung etc.; dies kann zu Materialverlust führen.

    [0004] Der Erfindung liegt davon ausgehend die Aufgabe zugrun­de, ein Prozeßleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstraße der eingangs genannten Art anzugeben, das eine selbsttätige Erkennung der aktuellen arbeitenden Kaliberdurchmesser und des Kaliberverschleisses ermög­licht.

    [0005] Diese Aufgabe wird in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffes alternativ durch die im Kennzeichen der Ansprüche 1 und 10 angegebenen Merkmale gelöst.

    [0006] Die mit der Erfindung erzielbaren Vorteile bestehen ins­besondere darin, daß infolge der laufenden selbsttätigen Ermittlung des Kaliberverschleisses der notwendige Aus­tausch eines Kalibers rasch erfaßt wird. Da die Stabge­schwindigkeit des Walzgutes direkt gemessen wird, werden Fehler in der Berechnung der arbeitenden Kaliberdurch­messer zuverlässig vermieden.

    [0007] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.

    [0008] Die Erfindung wird nachstehend anhand der in den Zeich­nungen dargestellten Ausführungsbeispiele erläutert.

    [0009] Es zeigen:

    Fig. 1 eine Walzstraße mit einer Auswerteeinrichtung zur Kaliberverschleißerkennung,

    Fig. 2 zwei Walzen eines Walzgerüstes mit mehreren Kalibern,

    Fig. 3 das Prinzip der Ermittlung der Stabgeschwin­digkeit aus Ein- und Auslaufgeschwindigkeit,

    Fig. 4 das Prinzip der Ermittlung der Stabgeschwin­digkeit aus dem Drehzahlverhältnis benachbar­ter Gerüste.



    [0010] In Fig. 1 ist eine Walzstraße mit einer Auswerteeinrich­tung zur Kaliberverschleißerkennung dargestellt. Es sind beispielhaft drei Walzgerüste 1,2,3 der Walzstraße ge­zeigt, wobei das Walzgerüst 1 die Walzen 4,5, das Walz­gerüst 2 die Walzen 6,7 und das Walzgerüst 3 die Walzen 8,9 aufweist. Die Walzen 4/5 bzw. 6/7 bzw. 8/9 werden jeweils von einem Elektromotor 10 bzw. 11 bzw. 12 paar­weise angetrieben, wobei zwischen Motor und Walze je­weils ein Getriebe 13 bzw. 14 bzw. 15 mit einem Getrie­be-Übersetzungsverhältnis üi (üi = Walzendrehzahl/An­triebsdrehzahl, wobei i = 1,2,3,4... = Index für Gerüst­zahl bzw. Gerüstnummer) geschaltet ist. Die Elektromoto­ren 10 bzw. 11 bzw. 12 werden drehzahlgeregelt über Stromrichter 16 bzw. 17 bzw. 18 gespeist. Zur Erfassung der aktuellen Antriebsdrehzahlen (= Motordrehzahlen) n1 bzw. n2 bzw. n3 (allgemein ni) der Elektromotoren 10 bzw. 11 bzw. 12 können Drehzahlerfassungseinrichtungen 19 bzw. 20 bzw. 21 mit den Motoren gekoppelt sein. Je­weils am Einlauf eines Walzgerüstes 1 bzw. 2 bzw. 3 sind Fotozellen 22 bzw. 23 bzw. 24 angeordnet. Eine weitere Fotozelle 36 befindet sich in einem vorgegebenen Abstand vom Walzgerüst.

    [0011] Die Abstände zwischen den Fotozellen 22, 23, 24, 36 sind mit L1, L2, L3 (allgemein Li) bezeichnet. Die Abstände zwischen Walzgerüst 1 und Fotozelle 23 bzw. zwischen Walzgerüst 2 und Fotozelle 24 bzw. zwischen Walzgerüst 3 und Fotozelle 36 sind mit LA1 bzw. LA2 bzw. LA3 (allge­mein LAi) benannt. Die Abstände zwischen Fotozelle 2 und Walzgerüst 1 bzw. zwischen Fotozelle 23 und Walzgerüst 2 bzw. zwischen Fotozelle 24 und Walzgerüst 3 sind mit LE1 bzw. LE2 bzw. LE3 (allgemein LEi) bezeichnet.

    [0012] Der Anstich des Walzgutes 26 in ein Walzgerüst 1 bzw. 2 bzw. 3 wird vorzugsweise über den Stromanstieg im Motor 10 bzw. 11 bzw. 12 erfaßt und der entsprechende Zeit­punkt t1 bzw. t2 bzw. t3 bzw. t4 (allgemein ti) wird einer Auswerteeinrichtung 25 zugeleitet. Es können zu­sätzlich Fotozellen 33, 34, 35 (gestrichelt angedeutet) zur Erfassung des Anstiches des Walzgutes zwischen den Walzgerüsten (jeweils am Walzgerüst-Auslauf) angeordnet sein, wenn die Erfassung des Anstiches des Walzgutes mittels Stromermittlung nicht mit genügender Genauigkeit möglich ist.

    [0013] Der Auswerteeinrichtung 25 werden desweiteren die Ab­stände LE1, LE2, LE3 (allgemein LEi) zwischen den Walz­gerüsten und den einzelnen vorausgehenden Fotozellen 22, 23, 24, die Abstände L1, L2, L3 (allgemein Li) zwischen den Fotozellen 22, 23, 24, 36 oder statt L1, L2, L3 die Abstände LA1, LA2, LA3 zwischen den Walzgerüsten und den jeweils nachfolgenden Fotozellen 23, 24, 36, die Getrie­be-Übersetzungsverhältnisse üi und die aktuellen An­triebsdrehzahlen n1, n2, n3 (allgemein ni) zugeführt bzw. eingegeben. Dabei können die Antriebsdrehzahlen n1, n2, n3 (ni) von den Drehzahlerfassungseinrichtungen 19, 20, 21 ermittelt werden (oder es werden im einfachsten Fall die aktuellen Antriebsdrehzahl-Sollwerte der Strom­richterregelung herangezogen). Schließlich wird die Auswertevorrichtung 25 noch mit berechneten Sollwerten für die Stabgeschwindigkeiten v1*, v2*, v3* (vi*) , mit berechneten Sollwerten für die Antriebsdrehzahlen n1*, n2*, n3* (ni*) und mit berechneten arbeitenden Kaliber­durchmesser-Sollwerten (welche der Drehzahlberechnung zugrundeliegen) D1*, D2*, D3* (Di*) versorgt.

    [0014] Die Auswerteeinrichtung 25 berechnet unter anderem die aktuelle Stabgeschwindigkeit (Walzgeschwindigkeit) v1, v2, v3 (vi) des Walzgutes 26 zwischen den Walzgerüsten sowie die aktuellen arbeitenden Kaliberdurchmesser D1, D2, D3, Di, wie nachstehend noch im einzelnen erläutert.

    [0015] Die Auswerteeinrichtung 25 berechnet die aktuellen ar­beitenden Kaliberdurchmesser Di nach der Gleichung

    wobei ni · üi die Walzendrehzahlen n1 · ü1, n2 · ü2, n3 · ü3 darstellen und die Voreilung bereits in den ar­beitenden Walzendurchmesser eingerechnet ist. Die Stab­geschwindigkeit vi kann gemessen werden, indem erfaßt wird, wie lange der Stabkopf benötigt, um einen festen Abstand Li zurückzulegen. Der Zeitpunkt t1, zu dem der Stabkopf in die Meßstrecke mit dem Abstand L1 (Abstand der Fotozellen bzw. Abstand zwischen Walzgerüst und Fotozelle = Meßstrecke) eintritt und der Zeitpunkt t2, zu dem der Stabkopf diese Meßstrecke verläßt und in die nachfolgende Meßstrecke eintritt, werden erfaßt (t(i + 1) -ti = Durchlaufdauer des Stabes durch die Meß­strecke). Allgemein berechnet die Auswerteeinrichtung 25 die Stabgeschwindigkeit vi (= Auslaufgeschwindigkeit des Stabes) nach der Gleichung

    Falls sich eine Schere zwischen zwei Walzgerüsten befin­det, muß sich zur Erfassung des Zeitpunktes t (i + 1) eine Fotozelle vor der Schere befinden. Die Meßgenauig­keit nimmt allgemein mit größer werdendem Abstand Li zu.

    [0016] Bei der Aktivierung eines neuen Walzprogrammes erhält die Auswerteeinrichtung 25 die Sollwerte für die gesamte Walzstraße. Von besonderem Interesse sind dabei die Sollwerte für die berechnete Stabgeschwindigkeit v1*, v2*,v3*, vi*, die berechneten Sollwerte für die An­triebsdrehzahlen n1*, n2*, n3*, ni* und die berechneten arbeitenden Kaliberdurchmesser-Sollwerte, die der Drehzahlberechnung zugrundeliegen, D1*, D2*, D3*, Di*. Nach der Aktivierung eines neuen Walzprogrammes beginnt die Erkennung bzw. Berechnung der arbeitenden Kaliber­durchmesser, indem für jedes Walzgerüst und bei jedem Stabanfang die aktuellen stabgeschwindigkeiten (Walzge­schwindigkeiten) vi nach der Gleichung (2) und die über den gleichen Zeitraum zwischen ti und t (i + 1) gemit­telten Walzendrehzahlen ni · üi erfaßt werden. Für jedes Wertepaar, bestehend aus gemittelter Stabgeschwindigkeit vi und gemittelter Walzendrehzahl ni · üi, werden nach Gleichung (1) die aktuellen arbeitenden Kaliberdurchmes­ser Di berechnet. Desweiteren muß der Auswerteeinrich­tung 25 ggf. mitgeteilt werden, welchen Zustand die Ka­liber der Walzen zum Einsatzzeitpunkt haben, um den Ver­schleiß der Kaliber verfolgen zu können. Desgleichen muß der Auswertevorrichtung 25 ein Kaliberwechsel mitgeteilt werden, bevor die Walzung mit dem neuen Kaliber beginnt.

    [0017] Nach dem Beginn der Walzung für ein neues Walzprogramm muß der Auswerteeinrichtung 25 mitgeteilt werden, wann die Walzstraße eingefahren ist. Dies erfolgt entweder durch ein Bedienersignal oder automatisch, z.B. nachdem die ersten Stäbe des neuen Walzprogramms gewalzt wurden. Auf dieses Signal hin werden die zu diesem Zeitpunkt erfaßten und nach Gleichung (1) berechneten Kaliber­durchmesser als Referenz-Kaliberdurchmesser D01, D02, D03, D0i abgespeichert. Desweiteren werden die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Antriebsdrehzahlen als Referenz-­Antriebsdrehzahlen n01, n02, n03, n0i und die vorliegen­den Stabgeschwindigkeiten als Referenz-Stabgeschwindig­keiten v01, v02, v03, voi abgespeichert. Um ausreichend zuverlässige Referenzwerte zu erhalten, wird über mehre­re Messungen gemittelt. Wenn während des weiteren Walz­prozesses die aktuellen Kaliberdurchmesser D1, D2, D3, Di um mehr als eine vorgebbare Differenz von den Refe­renz-Kaliberdurchmessern D01, D02, D03, D0i abweichen, wird dem Bediener durch die Auswertevorrichtung 25 sig­nalisiert, daß die entsprechenden Kaliber verschlissen sind.

    [0018] In der Anzeigeeinheit der Bedienstation kann sich der Bediener laufend die berechneten und bei der Aktivierung für die Drehzahlberechnung verwendeten Kaliberdurchmes­ser-Sollwerte Di*, die Referenz-Kaliberdurchmesser D0i, die aktuellen arbeitenden Kaliberdurchmesser Di und den Verschleiß getrennt für jedes Walzgerüst, jede Walze und jedes Kaliber abrufen.

    [0019] In Fig. 2 sind zwei Walzen eines Walzgerüstes mit mehre­ren Kalibern dargestellt, es sind die Walzen 4 und 5 des Walzgerüstes 1 zu erkennen. Zwischen diesen Walzen kann das Walzgut 26 in verschiedene Kaliber 27,28,29 gewalzt werden.

    [0020] Der Kaliberverschleiß dDi (= Änderungen der arbeitenden Kaliberdurchmesser eines Walzgerüstes) kann auch erfaßt werden, indem ein Quotient aus der aktuellen Stabge­ schwindigkeit vi und der aktuellen Antriebsdrehzahl ni gebildet und die Abweichung zu einem entsprechenden Re­ferenzwert v0i/n0i nach folgender Gleichung berechnet wird:



    [0021] Zur Erhöhung der Meßgenauigkeit erfolgt zweckmäßig eine gleitende Mittelwertbildung über mehrere Kaliberver­schleiß-Meßwerte. Der Referenz-Kaliberdurchmesser D0i beträgt hierbei

    Vereinfacht ergibt sich für den Kaliberverschleiß
    dDi = D0i (1 - vi/v0i · n01/ni)      (5)
    oder
    dDi = D0i · dvNi/v0i      (6)
    mit
    vNi = auf n0i normierte Geschwindigkeit,
    dvNi = auf n0i normierte Geschwindigkeitsdifferenz,
    dvNi = v0i - vi ·n0i/ni      (7)


    [0022] Der Kaliberverschleiß dDi kann auch als Prozentwert ge­mäß folgender Gleichung ausgedrückt Werden (= Ver­schleißwert in % bezogen auf den arbeitenden Kaliber­durchmesser)
    dDi (%) = d vni/v0i ·100      (8)
    oder auch
    dDi (%) = (1 - vi/v0i · n0i/ni) · 100      (8a)

    [0023] Allgemein kann der Quotient vi/ni = 2π(1 + χ)ri = Kq · ri zur Berechnung des Kali­berverschleisses herangezogen werden (χ = Voreilung, ri = Walzenradius, Kq = Konstante). Eine Abnahme des Quotienten vi/ni um einen bestimmten prozentuellen Be­trag entspricht einer Radiusabnahme der Walzen um den gleichen prozentuellen Betrag. Diese Radiusabnahme ent­spricht dem Walzenverschleiß.

    [0024] Wie bereits erwähnt, ist für die Drehzahlerfassung der Gerüstantriebe (Antriebsdrehzahl, Motordrehzahl) keine direkte Drehzahlmessung erforderlich, sondern es genügen die aktuellen Drehzahlsollwerte, da die Walzstraße ein­gefahren sein muß. Die Drehzahlerfassung eines Gerüstan­triebes muß möglichst gleichzeitig mit der Geschwindig­keitserfassung des Stabes erfolgen, da ein zusammengehö­riges Wertepaar aus Antriebsdrehzahl und Stabgeschwin­digkeit benötigt wird. Die Messungen erfolgen zweckmäßi­gerweise bevor das Walzgut im Folgegerüst angestochen hat.

    [0025] Neben der bereits unter Fig. 1 erwähnten Methode zur Erfassung der Stabgeschwindigkeit (direkte Geschwindig­keitsmessung der Stabspitze mittels Eichstrecke, wobei sich die Eichstrecke auch zwischen zwei Walzgerüsten befinden kann, z.B. Abstand zwischen Fotozelle 33 und Fotozelle 23 = Eichstrecke, weitere Eichstrecken zwi­schen den Fotozellen 34 und 24 sowie zwischen den Foto­zellen 35 und 36) kann die Stabgeschwindigkeit auch durch Messung eines Geschwindigkeitsgemisches aus Ein- und Auslaufgeschwindigkeit oder aus dem Drehzahlverhält­nis benachbarter Gerüste ermittelt werden.

    [0026] In Fig. 3 ist das Prinzip der Ermittlung der Stabge­schwindigkeit aus Ein- und Auslaufgeschwindigkeit darge­stellt. Es sind ein Gerüst i und ein Gerüst i+1 zu er­kennen. Die Stabgeschwindigkeit des Walzgutes zwischen den Gerüsten i und i+1 beträgt vi (= Einlaufgeschwindig­keit), die Stabgeschwindigkeit zwischen dem Gerüst i+1 und dem nachfolgenden Gerüst beträgt v (i+1) (= Auslauf­geschwindigkeit). Es sind drei Fotozellen 30, 31,32 zu erkennen, wobei die Fotozellen 30,31 vor dem Gerüst i+1 und die Fotozelle 32 nach diesem Gerüst angeordnet sind. Zwischen den Fotozellen 30 und 31 ist ein Abstand LMi, zwischen der Fotozelle 31 und dem Walzgerüst i+1 ist ein Abstand LE (i+1) (= Abstand der Fotozelle vor dem Gerüst zum Gerüst) und zwischen dem Walzgerüst i+1 und der Fo­tozelle 32 ist ein Abstand LA (i+1) (= Abstand der Foto­zelle hinter dem Gerüst zum Gerüst) vorhanden.

    [0027] Das Walzgut (Stab) durchläuft die Meßstrecke LE(i+1) + LA(i+1), die sich zu beiden Seiten des Gerü­stes i+1 erstreckt. Der erste Teil der Meßstrecke LE(i+1) wird mit der Auslaufgeschwindigkeit vi des Vor­gerüstes durchlaufen und die Strecke LA(i+1) mit der Auslaufgeschwindigkeit v(i+1). Die Stabgeschwindigkeit v(i+1) (= Auslaufgeschwindigkeit des Stabes) ergibt sich dann zu

    wobei t (i+1) = Durchlaufdauer des Stabes durch die Meß­strecke LE(i+1) + LA (i+1). Die Geschwindigkeit vi muß genau bekannt sein (Auslaufgeschwindigkeit des Vorgerü­stes). Sie wird beispielsweise mittels der vorgelagerten Eichstrecke LMi nach dem unter Fig. 1 erläuterten Ver­fahren gemessen.

    [0028] In Fig. 4 ist das Prinzip der Ermittlung der Stabge­schwindigkeit aus dem Drehzahlverhältnis benachbarter Gerüste dargestellt. Dabei muß für eines der Walzgerüste die Stabgeschwindigkeit genau bekannt sein. Es sind ein Gerüst i-1 und ein Gerüst i zu erkennen. Die Stabge­schwindigkeit des Walzgutes zwischen den Gerüsten i-1 und i beträgt v(i-1) (= Einlaufgeschwindigkeit), die Stabgeschwindigkeit zwischen dem Gerüst i und dem nach­folgenden Gerüst beträgt vi (= Auslaufgeschwindigkeit).

    [0029] Wenn keine Längskräfte zwischen den Gerüsten vorhanden sind (eingefahrene Straße) und kein Schlingenauf- oder -abbau stattfindet, sowie keine sonstigen Prozeßbeein­flussungen durch z.B. Temperaturänderungen, Quer­schnittsänderungen o.ä. vorliegen, muß, solange die Ka­liber nicht verschlissen sind, immer gelten

    mit Q = Querschnitt.

    [0030] Es sei angenommen, daß das Kaliber des Gerüstes i ver­schlissen ist und die Auslaufgeschwindigkeit des Stabes aus diesem Gerüst genau bekannt ist. Dann muß, wenn das Kaliber des Gerustes i-1 nicht verschlissen ist und der geringere Rückstau des Gerüstes i sowie die kleinere Voreilung des Gerüstes i unberücksichtigt bleibt, gelten



    [0031] Aus der Gleichung (13) kann die Drehzahl berechnet wer­den, die der Antrieb des Gerüstes i-1 haben müßte, wenn das Kaliber des Gerüstes i-1 nicht verschlissen ist:

    wobei nb = berechnete Drehzahl für den verschleißfreien Fall.

    [0032] Aus der Differenz der gemessenen und der berechneten Drehzahl
    dn(i-1) = n(i-1) - nb(i-1)      (15)
    wobei dn = Drehzahldifferenz. In normierter Form
    dnN(i-1) = (n(i-1) - nb(i-1)) · n0(i-1)/n(i-1)      (16)
    erhält man die entsprechende Geschwindigkeitsdifferenz



    [0033] Der Kaliberdurchmesser kann jedoch auch direkt aus

    berechnet werden. Somit ergibt sich für die Änderung des Kaliberdurchmessers in (%):
    dD(i-1)(%) = (1-nb(i-1)/n(i-1) · 100      (19)


    [0034] Anders ausgedrückt ergibt sich für den auf den Kaliber­abzugswert bezogenen Kaliberverschleiß auch
    dDi (%) = (1-nb/ni) ·100      (20)
    mit
    nb = n0i/noF · nF (D0F/ (D0F - DF)      (21)
    wobei
    nb = berechnete Drehzahl für den verschleißfreien Fall,
    n0i = Referenz-Antriebsdrehzahl,
    n0F = Referenz-Antriebsdrehzahl des Folgegerüstes,
    nF = Antriebsdrehzahl des Folgegerüstes,
    D0F = Referenz-Kaliberdurchmesser des Folgegerüstes,
    dDF = Kaliberverschleiß des Folgegerüstes.

    [0035] Bei der beschriebenen Meßmethode nach Fig. 4 muß demnach bei einem der nachfolgenden Gerüste eine genaue Ge­schwindigkeitsmessung möglich sein, damit dessen Kali­berverschleiß dDF genau bestimmbar ist. Von diesem Ge­rüst ausgehend, können die Kaliberverschleiße vorgelager­ter Gerüste bestimmt werden.

    [0036] Neben den vorstehend beschriebenen Verfahren zur Bestim­mung der Stabgeschwindigkeit des Walzgutes kann auch eine direkte Gechwindigkeitsmessung des Walzgutes ver­wendet werden (z.B. Rad an Walzgut, Dopplerverfahren).

    [0037] Bei Kaliberwalzen entsteht trotz gleichbleibenden Wal­zensprungs (Abstand zwischen den Walzen) durch den Ver­schleiß eine größere Kaliberform. Der Ausgangsquer­schnitt nimmt dann zu. Auch ungleichmäßige Verschleißer­ scheinungen bei Zylinderwalzen sorgen bei gleichbleiben­den Walzsprüngen für andere Ausgangsquerschnitte.

    [0038] In all diesen Fällen hat der Walzenverschleiß einen grö­ßer werdenden Auslaufquerschnitt zur Folge.

    [0039] Bei konstant bleibendem Einlaufquerschnitt Qi nimmt da­mit die Stichabnahme δ ab. Durch Messen der Stichabnah­me δ läßt sich daher ebenfalls der Walzverschleiß über­wachen. Nach dem Gesetz der Volumenkonstanz
    vi · Qi = v(i+1) · Q(i+1)      (22)
    läßt sich die Stichabnahme δ aus der Messung der Ge­schwindigkeit des Walzgutes vor und hinter dem Gerüst messen.



    [0040] Die Stichabnahme δ ist insbesondere dann als Maß für Walzenverschleiß geeignet, wenn ein konstanter Einlauf­querschnitt gegeben ist, und die Walzenanstellung nicht verändert wird.


    Ansprüche

    1. Prozeßleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstraße mit mehreren Walzgerüsten und Walzen mit Ein­zelantrieben, wobei die aktuelle Stabgeschwindigkeit des Walzgutes zwischen Walzgerüsten und die Walzendrehzahlen ermittelt werden, dadurch gekennzeichnet, daß die ak­tuellen arbeitenden Kaliberdurchmesser (Di) laufend als Quotient aus der aktuellen Stabgeschwindigkeit (vi) und der aktuellen Walzendrehzahl (ni·üi) ermittelt werden, daß bei eingefahrener Walzstraße Referenz-Kaliberdurch­messer (D0i) für jede Walze (4 bis 9) und jedes Walzge­rüst (1 bis 3,i; i = 1,2,3,4...) erfaßt und gespeichert werden und daß durch Differenzbildung zwischen dem Refe­renz-Kaliberdurchmesser (D0i) und dem aktuellen arbei­tenden Kaliberdurchmesser (Di) laufend der Kaliberver­schleiß ermittelt wird.
     
    2. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Bestimmung der aktuellen Stabge­schwindigkeit (vi) des Walzgutes die Zeitdifferenz (t(i+1)-ti) gemessen wird, in der die Stabspitze eine definierte Eichstrecke (Li) durchläuft.
     
    3. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch ge­kennzeichnet, daß die Bestimmung der aktuellen Stabge­schwindigkeit (vi) des Walzgutes nach der Gleichung

    erfolgt, wobei die Stabgeschwindigkeit (v(i-1)) am Vor­gerüst bekannt ist, LA(i) bzw. LE(i) Meßstrecken hinter bzw. vor dem Walzgerüst (i) darstellen und t (i) der Durchlaufdauer des Walzgutes durch beide Meßstrecken entspricht.
     
    4. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Stabgeschwindigkeit des Walzgu­tes aus dem Drehzahlverhältnis benachbarter Walzgerüste berechnet wird, wobei für eines der Gerüste die Stabge­schwindigkeit genau bekannt ist.
     
    5. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß eine direkte Geschwindigkeitsmessung des Walzgutes verwendet wird.
     
    6. Prozeßleitverfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Kaliberverschleiß (dDi in %) nach der Gleichung
    dDi (%) = (1-vi / vi0 ·n0i/ni) · 100
    berechnet wird, wobei vi die aktuelle Stabgeschwindig­keit des Walzgutes, vi0 die bei Abspeicherung des Refe­renz-Kaliberdurchmesser (D0i) auftretende Referenzstab­geschwindigkeit des Walzgutes, n0i die bei Abspeicherung des Referenz-Kaliberdurchmessers (D0i) auftretende Refe­renz-Antriebsdrehzahl und ni die aktuelle Antriebsdreh­zahl darstellen.
     
    7. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1 und 4, da­durch gekennzeichnet, daß der Kaliberverschleiß (dDi in %) nach der Gleichung
    dDi(%) = (1-nb/ni) · 100
    berechnet wird, wobei nb die berechnete Drehzahl für den verschleißfreien Fall
    nb = (n0i/n0F) · nF · (D0F/(D0F-dDF)
    und ni die aktuelle Antriebsdrehzahl darstellen, mit
    n0i = die bei Abspeicherung des Referenz-Kaliberdurch­messers (D0i) auftretende Referenz-Antriebsdreh­zahl,
    n0F = die bei Abspeicherung des Referenz-Kaliberdurch­messers (D0F) des Folgegerüstes auftretende Refe­renz-Antriebsdrehzahl,
    nF = Antriebsdrehzahl des Folgegerüstes,
    D0F = Referenz-Kaliberdurchmesser des Folgegerüstes,
    dDf = Kaliberverschleiß des Folgegerüstes.
     
    8. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Bestimmung der Referenz-Kaliber­durchmesser (D0i) eine gleitende Mittelwertbildung über mehrere Meßwerte erfolgt.
     
    9. Prozeßleitverfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur Bestimmung des Kaliberver­schleisses eine gleitende Mittelwertbildung über mehrere Meßwerte erfolgt.
     
    10. Prozeßleitverfahren für eine kontinuierliche Walzstraße mit mehreren Walzgerüsten und Walzen mit Ein­zelantrieben, wobei die aktuelle Stabgeschwindigkeit des Walzgutes zwischen Walzgerüsten ermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Stichabnahme (δ) als Quotient aus der Differenz zwischen den Stabgeschwindigkeiten am Auslauf (v(i+1)) bzw. Einlauf (vi) des Walzgerüstes und der Stabgeschwindigkeit am Auslauf (v(i+1)) gebildet und als Kriterium für den Kaliberverschleiß herangezogen wird.
     




    Zeichnung