[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 sowie
eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.
[0002] Ein Verfahren dieser Art ist aus der WO 91/18960 bekannt. Danach werden hochpolymere
Abfallprodukte dadurch umgewandelt, daß diese in einem Extruder aufgeschmolzen werden
und die Schmelze dann innerhalb oder außerhalb des Extruders in gasförmige und/oder
flüssige Brennstoffe zersetzt wird. Dieser Produktabbau erfolgt durch Wärmezufuhr
und durch Zugabe von reaktiven Gasen wie Sauerstoff und/oder Wasserstoff und/oder
Wasserdampf. Nachteilig ist jedoch, daß es im Extruder infolge der hohen Temperaturen
von ca. 400°C zur HCl-Freisetzung und durch Abrasion verhältnismäßig rasch zu Korrosionserscheinungen
kommt. Außerdem können Kunststoffabfälle nur nach Fraktionen getrennt aufgearbeitet
werden.
[0003] Zur Aufarbeitung gemischter Kunststoffabfälle ist weiterhin das in der Erdölindustrie
verbreitete Visbreaking in Verbindung mit einem Rührbehälter bekannt. Das Visbreaking
ist ein druckloses, thermisches Crackverfahren und ermöglicht die Reduzierung der
Viskosität von hochzähen ölhaltigen Rückständen (Ullmanns Encyklopädie der technischen
Chemie, 4. Auflage, 1975, Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr.). Dieses Verfahren läßt
sich auch in einem Rührkessel durchführen, um kleinteilige Kunststoffabfälle unterschiedlicher
Zusammensetzung in ein förderbares Öl zu überführen (H. Hammer, G. Rauser, "Hydierende
Verflüssigung von Kunststoffabfällen", Vortrag am 6.5.1992 auf dem Kunststoff-Recycling
Congress des Deutschen Industrieforums für Technologie in Würzburg). Nachteilig ist
indes die relativ lange Verweilzeit der Schmelze im Rührbehälter, um die für das Einrühren
der Kunststoffabfälle erforderliche geringe Viskosität zu erreichen. Aufgrund von
Dosierproblemen, der Auflösezeit und Verklebungsphänomenen müssen die Kunststoffabfälle
zudem auf eine Teilchengröße von ≦ 1 mm zerkleinert werden.
[0004] Mit der Erfindung soll ein Verfahren zur Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe
aus Kunststoffabfall unterschiedlicher Zusammensetzung geschaffen werden, nach dem
auch Problemabfälle, insbesondere chlorhaltige Kunststoffteile umweltverträglich und
mit hoher Wirtschaftlichkeit entsorgt und die flüssigen Kohlenwasserstoffe unmittelbar
einer petrochemischen Weiterverarbeitung zugeführt werden können. Darüber hinaus soll
eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens angegeben werden.
[0005] Diese Aufgabe wird grundsätzlich durch das Kennzeichen des Anspruchs 1 gelöst. Zweckmäßige
Weiterbildungen sind Gegenstand der Ansprüche 2 bis 4. Die Ansprüche 5 bis 7 sind
auf entsprechende Vorrichtungen zur Durchführung der einzelnen Verfahren gerichtet.
[0006] Nach der Erfindung wird Kunststoffabfall unterschiedlicher Zusammensetzung in einem
Extruder aufgeschmolzen, beispielsweise Kunststoffabfall wie er bei der Sammlung von
Kunststoffverpackungen durch das Duale System Deutschland anfällt oder Kunststoffteile
aus Automobilen oder Elektrogeräten. Es kann weitgehend ungereinigter, zerkleinerter
Kunststoffabfall in der Größe von etwa 10 bis 30 mm verwendet werden. Das Aufschmelzen
des Kunststoffabfalls erfolgt bei ≦ 350°C, so daß sich dabei nur in geringem Umfang
HCl- und Pyrrolysegase bilden. Eine durchsatzlimitierende Entgasung im Extruder ist
nicht erforderlich. Korrosionsphänomene treten praktisch nicht auf.
[0007] Die im Extruder gebildete Schmelze wird nachfolgend in und durch wenigstens zwei
Rührbehälter geführt und dort in gasförmige und flüssige Bestandteile zersetzt, wobei
die Temperatur der Schmelze im ersten Rührbehälter auf etwa 300°C bis 350°C und im
zweiten Rührbehälter auf etwa 350°C bis 450°C erhöht wird. Es werden insbesondere
im - in Produktfließrichtung gesehen - ersten Rührbehälter nach dem Extruder HCl-
und Pyrrolysegase entfernt. Hierzu enthält dieser Rührbehälter entsprechende Einrichtungen,
z.B. Strangentgaser, Stopfenrohrentgaser, Dünnschichtverdampfer oder Fallfilmverdampfer.
[0008] Ein wesentliches Merkmal der Erfindung besteht darin, daß ein Teilstrom der entgasten
Schmelze aus dem ersten Rührbehälter in die Austragszone des Extruders zurückgeführt
und/oder mit der aus dem Extruder ausgetragenen Schmelze vermischt wird. Es wird somit
bereits abgebautes niederviskoses Produkt in den Extruder zurückgeführt. Auf diese
Weise läßt sich der gesamte Zersetzungsprozeß der Schmelze über die Einstellung des
Rückführverhältnisses steuern. Die Schmelze gelangt mit einer einstell- bzw. regelbaren
Viskosität und Temperatur in die Düsenplatte des Strangentgasers und damit in den
ersten Rührbehälter. Hierdurch kann eine optimale Strangdicke und eine deutlich bessere
Rührbarkeit als ohne die Rückvermischung erzielt werden, das Verfahren ist betriebssicherer.
Insgesamt hat es sich als zweckmäßig erwiesen, wenn bis zu 95 Gew.-% Schmelze aus
dem ersten Rührbehälter in diesen und/oder in den Extruder zurückgeführt werden.
[0009] Weiterhin kann auch entgaste Schmelze aus dem zweiten Rührbehälter in die Austragszone
des Extruders zurückgeführt und/oder mit der aus dem Extruder ausgetragenen Schmelze
oder mit entgaster Schmelze aus dem ersten Rührbehälter vermischt werden.
[0010] Nach einem weiteren Merkmal der Erfindung wird die Entgasung der Schmelze (Dehydrochlorierung)
in Form einer Strangentgasung durchgeführt. Von Vorteil ist dabei, daß durch entsprechende
Wahl der Düsengeometrie und des Rückführverhältnisses eine Viskosität von 10 - 50
Pas, eine Temperatur von 300 - 350°C und ein Strangdurchmesser von 1 - 3 mm eingestellt
werden können.
[0011] Die Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zeichnet sich dadurch
aus, daß ein feinteiliges Aufmahlen des Kunststoffabfalls entfällt, der Reinigungsaufwand
gering bleibt und die Viskosität durch frühzeitiges Mischen mit Abbauprodukt schnell
herabgesetzt wird.
[0012] Die Erfindung wird nachfolgend unter Hinweis auf die Zeichnung näher erläutert.
[0013] Im wesentlichen umfaßt die in der Zeichnung dargestellte Vorrichtung einen Extruder
(1), zwei Rührbehälter (4) und (14), wobei jeweils vor den Rührbehältern ein Mischer
(11, 13) angeordnet ist, von denen der Mischer (13) beheizbar ausgeführt ist, sowie
ein Filter (21). Dem Extruder (1) werden gemischte, nicht gereinigte Kunststoffabfälle
mit einer Teilchengröße ≦ 30 mm zudosiert. Der Extruder (1) ist in der Einzugszone
(2) als gegensinnig drehende, zwangsfördernde Doppelschnecke und in der Aufschmelz-
und Austragszone (3) als Einschnecke ausgeführt. Durch diese Anordnung wird ein gutes
Einzugsverhalten erreicht, was zur Bewältigung des DSD-Einsatzstoffes aufgrund dessen
geringer Dichte notwendig ist.Die Schneckenwellen haben einen Durchmesser von 50 -
600 mm, vorzugsweise 100 - 400 mm; ihre Drehzahl beträgt etwa 5 - 100 min⁻¹, vorzugsweise
10 - 50 min⁻¹. Die Einzugszone (2) wird im allgemeinen auf 0 - 60°C, vorzugsweise
10 - 40°C, temperiert. Die Temperatur der Aufschmelz- und Austragszone (3) liegt zwischen
200 und 350°C, vorzugsweise 250 - 300°C. Der Durchsatz beträgt 50 bis 50 000 kg/h,
vorzugsweise 100 - 20 000 kg/h.
[0014] Die im Extruder aufgeschmolzenen Kunststoffabfälle werden dem ersten Rührbehälter
(4) zugeführt und in diesem thermisch abgebaut, entgast und weitestgehend dechloriert,
wobei im Rührbehälter eine Strangentgasung (5) durchgeführt wird. Die Strangentgasungsfläche
je kg Kunststoffschmelze liegt zwischen 10⁻⁴ und 2·10⁻⁴ m². Die Verweilzeit der Schmelze
im Rührbehälter beträgt 5 - 60 min, vorzugsweise 10 - 40 min. Am Kopf des Rührbehälters
werden druckgeregelt die freiwerdenden HCl- und Pyrrolysegase abgezogen, einer neutralisierenden
Gaswäsche unterzogen und anschließend zur Prozeßenergieerzeugung genutzt (in der Zeichnung
nicht dargestellt) Der Rührbehälter (4) ist druckfest, beheizbar und mit einem wandgängigen
Rührer (6), z.B. einem Wendelrührer versehen, der bei einer Drehzahl von 5 - 50 min⁻¹
für eine gute vertikale Durchmischung sorgt. Er wird auf 300 - 350°C, beheizt, wobei
ein Druck von 100 - 900 mbar eingestellt wird. Der Schmelzeaustrag erfolgt über eine
beheizbare Pumpe (7), z.B. über eine Dickstoffpumpe. Ein Teilstrom der Schmelze aus
dem ersten Rührbehälter wird dabei über die Rückführleitungen (8) sowie (9) und/oder
(10) in die Austragszone (3) des Extruders zurückgeführt bzw. mit der aus dem Extruder
ausgetragenen Schmelze vermischt. Hierfür ist ein Mischer (11) in der den Extruder
(1) mit den Rührbehälter (4) verbindenden Rohrleitung (12) vorgesehen. Derartige Mischer
sind handelsüblich. Besonders geeignet sind beispielsweise die Mischreaktoren Typ
SMR der Firma Gebrüder Sulzer Aktiengesellschaft, Winterthur, Schweiz. Das Verhältnis
zwischen dem zurückgeführten Teilstrom der Schmelze und dem gesamten Schmelzaustrag
aus dem ersten Rührbehälter kann in weiten Grenzen variieren. Es können bis zu 95
% des Schmelzaustrags zurückgeführt werden.
[0015] Der nicht zurückgeführte Schmelzeanteil wird über den beheizbaren Mischer (13) in
den zweiten Rührbehälter (14) gefördert. In dem Mischer (13) wird die Schmelze um
10 - 100°C, vorzugsweise 10 - 60°C erwärmt und gegebenenfalls mit Schmelze aus dem
zweiten Rührbehälter vermischt. Das Schmelzegemisch wird dann in dem zweiten Rührbehälter
(14) thermisch abgebaut, d.h. bei einer Temperatur von etwa 350 - 450°C von flüchtigen
Bestandteilen befreit. Hierzu enthält der druckfeste und beheizbare Rührbehälter einen
wandgängigen Rührer (15), z.B. Wendelrührer, dessen Winkelgeschwindigkeit etwa 5 -
50 min⁻¹ beträgt. Der Druck im Rührbehälter (14) beträgt etwa 600 - 900 mbar, die
Verweilzeit der Schmelze etwa 5 - 60 min, vorzugsweise 10 - 40 min. Die im Rührbehälter
freiwerdenden Gase werden bei (16) abgezogen.
[0016] Der Schmelzeaustrag aus dem Rührbehälter (14) erfolgt mit Hilfe einer beheizbaren
Pumpe (17), beispielsweise einer Dickstoffpumpe, wobei bis zu 95 Gew.-% Schmelze über
die Rohrleitungen (18, 20, 10) in den Extruder (1) zurückgeführt und/oder über die
Rohrleitungen (18, 20, 9) mit Schmelze aus dem Extruder und/oder die Rohrleitungen
(18, 19) mit Schmelze aus dem ersten Rührbehälter vermischt werden können. Die nicht
zurückgeführte Schmelze wird über das Filter (21) ausgetragen. Die Schmelze ist von
dünnflüssiger Konsistenz. Ihre Viskosität beträgt etwa 0,1 - 10 Pa·s bei einer Temperatur
von etwa 370 - 430°C. Als Filter kommen insbesondere Spaltfilter oder Trennköpfe in
Betracht.
1. Verfahren zur Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe aus Kunststoffabfall unterschiedlicher
Zusammensetzung, bei dem der Kunststoffabfall in einem Extruder aufgeschmolzen und
die Schmelze außerhalb des Extruders in gasförmige und flüssige Bestandteile zersetzt
wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Schmelze in und durch wenigstens zwei Rührbehälter
geführt, in dem ersten Rührbehälter bei einer Temperatur von etwa 300°C bis 350°C
und in dem zweiten Rührbehälter bei einer Temperatur von etwa 350°C bis 450°C von
flüchtigen Bestandteilen befreit und thermisch abgebaut wird, wobei entgaste Schmelze
aus dem ersten Rührbehälter in die Austragszone des Extruders zurückgeführt und/oder
mit der aus dem Extruder ausgetragenen Schmelze vermischt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß entgaste Schmelze aus dem zweiten
Rührbehälter in die Austragszone des Extruders zurückgeführt und/oder mit der aus
dem Extruder ausgetragenen Schmelze vermischt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß entgaste Schmelze aus dem zweiten
Rührbehälter mit entgaster Schmelze aus dem ersten Rührbehälter vermischt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Entgasung (Dehydrochlorierung)
der Schmelze in Form einer Strangentgasung durchgeführt wird.
5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet
durch einen Extruder (1) mit zwei dichtkämmenden und gegensinnig drehenden Schneckenwellen
in der Einzugszone (2) und einer Schneckenwelle in der Aufschmelz- und Austragszone
(3), wenigstens zwei in Fließrichtung der Schmelze hintereinander angeordnete und
durch Förderleitungen miteinander und mit dem Extruder verbundene, beheizbare Rührbehälter
(4, 14), die Einrichtungen zum Abziehen der in ihrem Innenraum erzeugten Gase aufweisen,
sowie Rückführleitungen (8, 9, 10), die den ersten Rührbehälter mit der Austragszone
(3) des Extruders und/oder einem Mischer (11) zwischen dem Extruder und dem ersten
Rührbehälter verbinden.
6. Vorrichtung nach Anspruch 4, gekennzeichnet durch Rückführleitungen (18, 20, 10, 9),
die den zweiten Rührbehälter (14) mit der Austragszone (3) des Extruders (1) und/oder
dem Mischer (11) verbinden.
7. Vorrichtung nach Anspruch 4, gekennzeichnet durch Rückführleitungen (18, 19), die
den zweiten Rührbehälter (14) mit einem zweiten beheizbaren Mischer (13) zwischen
den Rührbehältern (4, 14) verbinden.