(19)
(11) EP 0 807 692 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
19.11.1997  Patentblatt  1997/47

(21) Anmeldenummer: 97106855.6

(22) Anmeldetag:  25.04.1997
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C21D 9/00, C21D 9/06, B21B 45/02, B21B 37/44
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES FR GB IT LU

(30) Priorität: 15.05.1996 DE 19619574

(71) Anmelder: SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT
40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Roloff, Wolfgang
    41238 Mönchengladbach (DE)
  • Kümmel. Lutz
    41363 Jüchen (DE)
  • Stodt, Rolf
    41564 Kaarst (DE)
  • Oudehinken, Heinz-Jürgen
    40721 Hilden (DE)
  • Meyer, Meinert
    40699 Erkrath (DE)
  • Hartung, Hans-Georg
    50259 Pulheim (DE)

(74) Vertreter: Valentin, Ekkehard, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte Hemmerich-Müller-Grosse- Pollmeier-Valentin-Gihske Hammerstrasse 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) Verfahren zum Kühlen von Profilstahl-Trägern


(57) Ein Verfahren zum Kühlen von Profilstahl-Trägern aus der Walzhitze, das einen gegen Ende der Umwandlung bereits geraden und eine gleichförmige Temperaturverteilung aufweisenden Profilstahl-Träger ermöglicht, sieht vor, daß einer abschließenden Luftkühlung eine gezielte Wasserkühlung vorgeschaltet wird, derart, daß Materialanhäufungen aufweisende Trägerbereiche profilaußenseitig mit einer einer rechnergestützt vorgegebenen Kühlstrategie unterliegenden, variablen Beaufschlagungsbreite und -dauer bis auf einen zumindest noch knapp oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl liegenden Wert gekühlt werden.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Kühlen von Formstahl, insbesondere Profilstahlträgern aus der Walzhitze.

[0002] Das Kühlen von Formstahl, wie Profilstahl-Träger, z.B. Doppel-T-und U-Profile, Winkel, T-Stähle, nach dem Walzen geschieht üblicherweise mit Hilfe eines Kühlbettes. Aufgrund der während der Verweildauer auf dem Kühlbett unkontrollierten, oft ungünstigen freien Abkühlung der Profilstahl-Träger bzw. Stäbe ist meist ein nachteiliger Einfluß auf die, Geradheit und den Eigenspannungszustand unvermeidlich. Die Geradheit bzw. die Eigenform hängt nämlich ursächlich eng mit dem Eigenspannungszustand zusammen. Diese beiden für die Profilstahl-Träger genannten Qualitätskriterien gemeinsam genommen lassen sich mit der Planheit bei der Bandwalzung vergleichen. Während bei Bändern die Bedeutung einer guten Planlage jedoch überwiegend unter geometrischen Aspekten zu sehen ist, wirken sich Längenunterschiede der Fasern über dem Querschnitt bei vergleichsweise steifen Profilen nur gegebenenfalls als Krümmung, mit Sicherheit aber als eine unter Umständen erhebliche Reduzierung der Tragfähigkeit aufgrund von Eigenspannungen aus. Neben einer verminderten Tragfähigkeit bei einwirkenden äußeren Lasten weisen eigenspannungsbehaftete Bauteile auch einen größeren Verzug bei der Bearbeitung aufgrund der dabei entstehenden Störung des Gleichgewichtszustandes auf und neigen auch eher zur Rißbildung in Bereichen mit großen Eigenspannungsunterschieden, wie sie insbesondere im Übergangsbereich vom Steg zum Flansch auftreten können, beispielsweise bei Doppel-T-Profilen.

[0003] Der Erfindung liegen die folgenden, den Mechanismus des Entstehens von Eigenspannungen betreffenden Überlegungen und Kenntnisse zugrunde. Ein gewalzter Profilstahl-Träger verläßt das letzte Walzgerüst in guter Näherung mit einer homogenen Dehnungsverteilung, was bedeutet, daß der Träger bzw. Stab gerade ist und keine Bereiche mit Welligkeit aufweist. Im Falle von dynamisch rekristallisierenden Werkstoffen ist der Stab/Träger aufgrund des hohen Temperaturniveaus auch nahezu eigenspannungsfrei. Hingegen stellt sich bei einer unterdrückten dynamischen Rekristallisation - eine wichtige Voraussetzung für das thermomechanische Walzen - eine für die letzten Stichabnahmen charakteristische Eigenspannungssituation ein.

[0004] Die Temperaturverteilung nach der letzten Walzung ist üblicherweise deutlich inhomogen; insbesondere an Stellen mit einer Materialanhäufung kühlt ein Profil weniger stark ab als in dünnwandigen Bereichen. Unabhängig davon, wie der thermische Ausgangszustand war, kühlt ein Profil an Luft im allgemeinen inhomogen ab. Die dadurch bedingten unterschiedlichen thermischen Längenänderungen müssen durch elastische oder sogar elastischplastische Dehnungen kompensiert werden, begleitet durch den Aufbau von damit unvermeidlich einhergehenden Spannungen. Je höher die Temperatur ist, desto schneller bauen sich derartige Spannungen durch Relaxation ab, d.h. einem mit einer parallel ablaufenden Spannungsarmglühung vergleichbarem Vorgang. Da dies allerdings langsamer abläuft als die thermischen Veränderungen, wird das Profil auch in dieser Phase hoher Temperaturen in Summe durch innere Spannungen belastet. Bei unsymmetrischen Abkühlbedingungen oder Profilgeometrien nimmt der Walzstab bedingt durch den auftretenden Verzug eine Form an, bei der das innere Moment zu Null wird, es sei denn, daß äußere Kräfte - z.B. Gewichts-, Reibungs- oder andere Haltekräfte, beispielsweise aufgrund eines Richtrostes - ihn daran hindern.

[0005] Gerät eine Faser oder ein Teil des Profiles in den Bereich der Gamma-Alpha-Gefügeumwandlung, so baut sich dort aufgrund der völligen Neustrukturierung des Gefüges jegliche Spannung ab. Auch das durch die geringere Packungsdichte des Alpha-Eisens bedingte Wachsen dieser Faser wird zum Teil unterdrückt, weil sich die anderen, noch nicht in der Umwandlung befindlichen Fasern aufgrund ihrer Restelastizität gegen ein Mitwachsen wehren. In dieser Phase des sukzessiven Erreichens des Umwandlungsbereiches verändert sich die Krümmung eines unsymmetrischen oder unsymmetrisch abkühlenden und nicht in einem Richtrost oder anderweitig geführten Profiles ständig. Erst gegen Ende der Umwandlung ist das Profil nahezu eigenspannungsfrei und unabhängig von dem sich frei ausbildenden oder erzwungenen Krümmungszustand. Dann allerdings, wenn mindestens zwei Fasern oder Teilbereiche die untere Grenztemperatur der Umwandlung unterschritten haben, kann sich zwischen diesen Fasern wieder ein Zwang ergeben, der eine Folge des elastischen bzw. elastisch-plastischen Ausgleichs unterschiedlicher thermisch bedingter Kontraktionen ist. Diese Spannungen - spätere Eigenspannungen - werden unterhalb der Umwandlung wegen der dann zunehmend unbedeutender werdenden Relaxation auch kaum noch abgebaut. Mit fortschreitender Abkühlung verlassen mehr und mehr Fasern den Bereich der Umwandlung und beteiligen sich an dem oben beschriebenen Aufbau der Eigenspannungen.

[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, das einen gegen Ende der Umwandlung eine gleichförmige Temperaturverteilung aufweisenden Profilstahl ermöglicht.

[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß einer abschließenden Luftkühlung eine gezielte Wasserkühlung vorgeschaltet wird, derart, daß Materialanhäufungen aufweisende Formstahlbereiche profilaußenseitig mit einer einer rechnergestützt vorgegebenen Kühlstrategie unterliegenden, variablen Beaufschlagungsbreite und -dauer bis auf einen zumindest noch knapp oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl liegenden Wert gekühlt werden. Die profilaußenseitigen Bereiche sind z.B. die Flansche bei Doppel-T- und U-Profilen. Indem somit durch eine selektive Kühlung oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl, vorzugsweise an der Grenze der unteren Umwandlungstemperatur, eine homogene Temperaturverteilung ermöglicht wird, weil der Träger nach der Wasserkühlung sich selbst überlassen wird, bis die gekühlten Bereiche den Kühlvorrat aufgezehrt und sich thermisch wieder erholt haben, liegt ein technisch eigenspannungsfreies Profil vor. Es kommt daher nicht mehr wie bei den bekannten Verfahren zu einem Aufbau innerer Spannungen im Profil, die dort aufgrund im wesentlichen elastischer bzw. elastisch-plastischer Kompensation unterschiedlicher, thermisch bedingter Dehnungen infolge einer inhomogenen Temperaturverteilung gegen Ende der Umwandlung auftreten. Es wird somit die Formstabilität sowohl bei der Herstellung der Profilstahl-Träger als auch bei deren Nachbearbeitung, z. B. Sägen, verbessert. Die weitgehende Eigenspannungsarmut gegen Ende der Umwandlung in Verbindung mit einer gleichförmigen Temperaturverteilung führt selbst dann zu einem nahezu eigenspannungsfreien und somit höher belastbaren und formstabilen Profil - auch nach vollständiger Abkühlung auf Raumtemperatur - ,wenn die Temperaturverteilung zwischenzeitlich inhomogen war.

[0008] Die Einstellung der geeigneten Temperaturverteilung erfolgt vorzugsweise durch in Walzrichtung hintereinander angeordnete Spritzdüsenreihen, die entsprechend den Erfordernissen auch mehrfach nebeneinander und gegebenenfalls verschachtelt, mit unterschiedlichen Abständen in Längsrichtung oder als unterschiedliche Düsen ausgeführt sein können, die das Profil an den gewünschten Stellen bzw. Bereichen beaufschlagen.

[0009] Nach einem Vorschlag der Erfindung wird zur Bestimmung der für die Kühlstrategie notwendigen Beaufschlagungsbreite und -dauer sowie Intensität die Temperatur des Formstahles ermittelt und in den Prozeßrechner eingegeben. Hierzu wird zu Beginn des Kühlvorganges bzw. bei Durchlaufanlagen vor dem Eintritt des Profils in die Kühlstrecke die Temperaturverteilung im Profil ermittelt. Diese Ermittlung läßt sich entweder durch Messung der Temperaturen verschiedener Profilbereiche, durch Messung einer Referenztemperatur und Rückschluß auf eine charakteristische Verteilung, durch Berechnung unter Berücksichtigung der umformtechnischen Vorgeschichte oder als Kombination dieser Verfahren erreichen. Anhand dieser Eingaben wird anschließend die geeignete Kühlstrategie mit Hilfe des Prozeßrechners ermittelt, der Kühlvorgang zeitgerecht automatisch aktiviert, bei Geschwindigkeitsänderungen oder Temperaturveränderungen über der Länge gegebenenfalls variiert und schließlich beendet. Die Berechnung der geeigneten Kühlstrategie läßt sich mit Hilfe einer auf einem physikalischen Modell basierenden Software entweder on-line erreichen, oder es können im Vorfeld Berechnungsergebnisse abhängig vom Profiltyp, angenommenen Temperaturverteilungen und Werkstoff off-line ermittelt, im Rechner implementiert und die Kühlintensität und -dauer interpolativ ermittelt werden.

[0010] Wenn eine dem letzten für die Walzung des Formstahles notwendigen Walzwerk nachfolgende Wasserkühlstrecke, insbesondere eine Durchlaufkühlstrecke, vorzugsweise in einzeln ansteuerbare und abschalt- bzw. zuschaltbare Kühlzonen unterteilt wird, läßt sich in einfacher Weise eine Anpassung an unterschiedliche Profile, Temperatursituationen, Werkstoffe und Geschwindigkeiten des auslaufenden Formstahles erreichen. Hierbei kann die Kühlstrecke aus mehreren Kühlstreckenabschnitten bestehen. Eine hinreichende Anzahl einzeln ansteuerbarer Zonen ermöglicht darüber hinaus auch die Steuerung des Prozesses bei sich verändernden Bedingungen, wie der Durchlaufgeschwindigkeit oder der Ausgangstemperaturverteilung, und auch ein Stillstand, z.B. des Stabendes, innerhalb der Kühlstrecke ist dann beherrschbar.

[0011] Es wird vorgeschlagen, daß die Größe der wasserbeaufschlagten Formstahlfläche durch Verändern des Abstandes von Kühlwasser-Düsen zur Profilaußenseite verändert und nach einem weiteren Vorschlag der Erfindung die Kühlintensität durch Änderungen des Versorgungsdruckes gesteuert wird. Vor allem bei größeren Profilen empfiehlt es sich, statt in Laufrichtung pro Seite nur einer Düsenreihe eine Bestückung der Verteilerrohre mit mehreren Düsenreihen vorzunehmen, was zur Verbreiterung der Beaufschlagungsfläche und zur Stufung der Kühlintensität beiträgt. Die Lage bzw. der Verlauf der durch die auftreffenden Wasserstrahlen definierten, gekühlten Bahn am Formstahl kann aufgrund einer entsprechenden Vorrichtung über drehbare Düsenreihen eingestellt werden.

[0012] Die Wirkungsweise des erfindungsgemäßen Verfahrens im Vergleich zum Stand der Technik veranschaulichen die beiden nachfolgend einander gegenübergestellten Beispiele:

1. Abkühlung eines Profiles HEB 140 an der Luft nach dem Stand der Technik
Ausgehend von einer homogenen Anfangstemperaturverteilung von T0=900°C und dem Werkstoff c 45, liegt aufgrund der freien Abkühlung nach dem Unterschreiten der unteren Umwandlungstemperatur durch die heißeste Faser eine Eigenspannungen hervorrufende inhomogene Temperatur- bzw. Zwischentemperaturverteilung vor, die nach vollständiger Abkühlung auf Raumtemperatur (300 Minuten) Restspannungen bewirkt. Hierbei treten Eigenspannungen in Höhe von ca. 21% der Kaltfließgrenze von 460 N/mm2 unter anderem an den Flanschspitzen auf, d.h. unabhängig von der Biegeachse an den Außenfasern, die im Falle aufzunehmender äußerer Lasten grundsätzlich höchstbelastet sind. Diese Vorbelastung durch Restspannungen reduziert die Belastbarkeit des fertigen Trägers ganz erheblich.

2. Abkühlung eines Profiles HEB 140 an der Luft nach einer vorgeschalteten, erfindungsgemäßen Wasserkühlung
Werden nun bei gleichen Voraussetzungen wie oben genannt die Flanschaußenseiten für die Dauer von 6,7 sec auf einer 80 mm breiten, mittigen Bahn mit richtig bemessener Intensität wassergekühlt, läßt sich nach vollständigem Durchlaufen der Umwandlung eine wesentlich gleichmäßigere Temperaturverteilung erreichen, was Versuche bestätigt haben. Nach vollständiger Abkühlung ergeben sich Eigenspannungen, die maximal nur noch 5,6% der Kaltfließgrenze betragen. Darüber hinaus ergibt sich eine deutliche Vergleichmäßigung der Spannungen, insbesondere im Wurzelbereich, in dem bei nach üblicher Praxis abgekühlten Profilen häufig eigenspannungsbedingte Anrisse auftreten. Für die Berechnung des Zusammenhangs zwischen Spannungen und Dehnungen werden neben den thermisch bedingten Längenänderungen alle anderen kontinuumsmechanisch relevanten Vorgänge berücksichtigt, wie Elastizität, Plastizität und Relaxation in Abhängigkeit von der Temperatur.




Ansprüche

1. Verfahren zum Kühlen von Formstahl, insbesondere Profilstahl-Trägern, aus der Walzhitze,
dadurch gekennzeichnet,
daß einer abschließenden Luftkühlung eine gezielte Wasserkühlung vorgeschaltet wird, derart, daß Materialanhäufungen aufweisende Formstahl profilaußenseitig mit einer einer rechnergestützt vorgegebenen Kühlstrategie unterliegenden, variablen Beaufschlagungsbreite und -dauer bis auf einen zumindest noch knapp oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl liegenden Wert gekühlt werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß zur Bestimmung der für die Kühlstrategie notwendigen Beaufschlagungsbreite und -dauer sowie Intensität die Temperatur des Formstahles ermittelt und in den Prozeßrechner eingegeben wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Größe der wasserbeaufschlagten Formstahlfläche durch Verändern des Abstandes von Kühlwasser-Düsen zur Profilaußenseite verändert wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Kühlintensität durch Änderungen des Versorgungsdruckes gesteuert wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Wasserkühlstrecke in einzeln ansteuerbare und abschalt- bzw. zuschaltbare KÜhlzonen unterteilt wird.
 





Recherchenbericht