[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Kühlen von Formstahl, insbesondere Profilstahlträgern
aus der Walzhitze.
[0002] Das Kühlen von Formstahl, wie Profilstahl-Träger, z.B. Doppel-T-und U-Profile, Winkel,
T-Stähle, nach dem Walzen geschieht üblicherweise mit Hilfe eines Kühlbettes. Aufgrund
der während der Verweildauer auf dem Kühlbett unkontrollierten, oft ungünstigen freien
Abkühlung der Profilstahl-Träger bzw. Stäbe ist meist ein nachteiliger Einfluß auf
die, Geradheit und den Eigenspannungszustand unvermeidlich. Die Geradheit bzw. die
Eigenform hängt nämlich ursächlich eng mit dem Eigenspannungszustand zusammen. Diese
beiden für die Profilstahl-Träger genannten Qualitätskriterien gemeinsam genommen
lassen sich mit der Planheit bei der Bandwalzung vergleichen. Während bei Bändern
die Bedeutung einer guten Planlage jedoch überwiegend unter geometrischen Aspekten
zu sehen ist, wirken sich Längenunterschiede der Fasern über dem Querschnitt bei vergleichsweise
steifen Profilen nur gegebenenfalls als Krümmung, mit Sicherheit aber als eine unter
Umständen erhebliche Reduzierung der Tragfähigkeit aufgrund von Eigenspannungen aus.
Neben einer verminderten Tragfähigkeit bei einwirkenden äußeren Lasten weisen eigenspannungsbehaftete
Bauteile auch einen größeren Verzug bei der Bearbeitung aufgrund der dabei entstehenden
Störung des Gleichgewichtszustandes auf und neigen auch eher zur Rißbildung in Bereichen
mit großen Eigenspannungsunterschieden, wie sie insbesondere im Übergangsbereich vom
Steg zum Flansch auftreten können, beispielsweise bei Doppel-T-Profilen.
[0003] Der Erfindung liegen die folgenden, den Mechanismus des Entstehens von Eigenspannungen
betreffenden Überlegungen und Kenntnisse zugrunde. Ein gewalzter Profilstahl-Träger
verläßt das letzte Walzgerüst in guter Näherung mit einer homogenen Dehnungsverteilung,
was bedeutet, daß der Träger bzw. Stab gerade ist und keine Bereiche mit Welligkeit
aufweist. Im Falle von dynamisch rekristallisierenden Werkstoffen ist der Stab/Träger
aufgrund des hohen Temperaturniveaus auch nahezu eigenspannungsfrei. Hingegen stellt
sich bei einer unterdrückten dynamischen Rekristallisation - eine wichtige Voraussetzung
für das thermomechanische Walzen - eine für die letzten Stichabnahmen charakteristische
Eigenspannungssituation ein.
[0004] Die Temperaturverteilung nach der letzten Walzung ist üblicherweise deutlich inhomogen;
insbesondere an Stellen mit einer Materialanhäufung kühlt ein Profil weniger stark
ab als in dünnwandigen Bereichen. Unabhängig davon, wie der thermische Ausgangszustand
war, kühlt ein Profil an Luft im allgemeinen inhomogen ab. Die dadurch bedingten unterschiedlichen
thermischen Längenänderungen müssen durch elastische oder sogar elastischplastische
Dehnungen kompensiert werden, begleitet durch den Aufbau von damit unvermeidlich einhergehenden
Spannungen. Je höher die Temperatur ist, desto schneller bauen sich derartige Spannungen
durch Relaxation ab, d.h. einem mit einer parallel ablaufenden Spannungsarmglühung
vergleichbarem Vorgang. Da dies allerdings langsamer abläuft als die thermischen Veränderungen,
wird das Profil auch in dieser Phase hoher Temperaturen in Summe durch innere Spannungen
belastet. Bei unsymmetrischen Abkühlbedingungen oder Profilgeometrien nimmt der Walzstab
bedingt durch den auftretenden Verzug eine Form an, bei der das innere Moment zu Null
wird, es sei denn, daß äußere Kräfte - z.B. Gewichts-, Reibungs- oder andere Haltekräfte,
beispielsweise aufgrund eines Richtrostes - ihn daran hindern.
[0005] Gerät eine Faser oder ein Teil des Profiles in den Bereich der Gamma-Alpha-Gefügeumwandlung,
so baut sich dort aufgrund der völligen Neustrukturierung des Gefüges jegliche Spannung
ab. Auch das durch die geringere Packungsdichte des Alpha-Eisens bedingte Wachsen
dieser Faser wird zum Teil unterdrückt, weil sich die anderen, noch nicht in der Umwandlung
befindlichen Fasern aufgrund ihrer Restelastizität gegen ein Mitwachsen wehren. In
dieser Phase des sukzessiven Erreichens des Umwandlungsbereiches verändert sich die
Krümmung eines unsymmetrischen oder unsymmetrisch abkühlenden und nicht in einem Richtrost
oder anderweitig geführten Profiles ständig. Erst gegen Ende der Umwandlung ist das
Profil nahezu eigenspannungsfrei und unabhängig von dem sich frei ausbildenden oder
erzwungenen Krümmungszustand. Dann allerdings, wenn mindestens zwei Fasern oder Teilbereiche
die untere Grenztemperatur der Umwandlung unterschritten haben, kann sich zwischen
diesen Fasern wieder ein Zwang ergeben, der eine Folge des elastischen bzw. elastisch-plastischen
Ausgleichs unterschiedlicher thermisch bedingter Kontraktionen ist. Diese Spannungen
- spätere Eigenspannungen - werden unterhalb der Umwandlung wegen der dann zunehmend
unbedeutender werdenden Relaxation auch kaum noch abgebaut. Mit fortschreitender Abkühlung
verlassen mehr und mehr Fasern den Bereich der Umwandlung und beteiligen sich an dem
oben beschriebenen Aufbau der Eigenspannungen.
[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, das einen gegen
Ende der Umwandlung eine gleichförmige Temperaturverteilung aufweisenden Profilstahl
ermöglicht.
[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß einer abschließenden Luftkühlung
eine gezielte Wasserkühlung vorgeschaltet wird, derart, daß Materialanhäufungen aufweisende
Formstahlbereiche profilaußenseitig mit einer einer rechnergestützt vorgegebenen Kühlstrategie
unterliegenden, variablen Beaufschlagungsbreite und -dauer bis auf einen zumindest
noch knapp oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl liegenden Wert gekühlt werden. Die
profilaußenseitigen Bereiche sind z.B. die Flansche bei Doppel-T- und U-Profilen.
Indem somit durch eine selektive Kühlung oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl, vorzugsweise
an der Grenze der unteren Umwandlungstemperatur, eine homogene Temperaturverteilung
ermöglicht wird, weil der Träger nach der Wasserkühlung sich selbst überlassen wird,
bis die gekühlten Bereiche den Kühlvorrat aufgezehrt und sich thermisch wieder erholt
haben, liegt ein technisch eigenspannungsfreies Profil vor. Es kommt daher nicht mehr
wie bei den bekannten Verfahren zu einem Aufbau innerer Spannungen im Profil, die
dort aufgrund im wesentlichen elastischer bzw. elastisch-plastischer Kompensation
unterschiedlicher, thermisch bedingter Dehnungen infolge einer inhomogenen Temperaturverteilung
gegen Ende der Umwandlung auftreten. Es wird somit die Formstabilität sowohl bei der
Herstellung der Profilstahl-Träger als auch bei deren Nachbearbeitung, z. B. Sägen,
verbessert. Die weitgehende Eigenspannungsarmut gegen Ende der Umwandlung in Verbindung
mit einer gleichförmigen Temperaturverteilung führt selbst dann zu einem nahezu eigenspannungsfreien
und somit höher belastbaren und formstabilen Profil - auch nach vollständiger Abkühlung
auf Raumtemperatur - ,wenn die Temperaturverteilung zwischenzeitlich inhomogen war.
[0008] Die Einstellung der geeigneten Temperaturverteilung erfolgt vorzugsweise durch in
Walzrichtung hintereinander angeordnete Spritzdüsenreihen, die entsprechend den Erfordernissen
auch mehrfach nebeneinander und gegebenenfalls verschachtelt, mit unterschiedlichen
Abständen in Längsrichtung oder als unterschiedliche Düsen ausgeführt sein können,
die das Profil an den gewünschten Stellen bzw. Bereichen beaufschlagen.
[0009] Nach einem Vorschlag der Erfindung wird zur Bestimmung der für die Kühlstrategie
notwendigen Beaufschlagungsbreite und -dauer sowie Intensität die Temperatur des Formstahles
ermittelt und in den Prozeßrechner eingegeben. Hierzu wird zu Beginn des Kühlvorganges
bzw. bei Durchlaufanlagen vor dem Eintritt des Profils in die Kühlstrecke die Temperaturverteilung
im Profil ermittelt. Diese Ermittlung läßt sich entweder durch Messung der Temperaturen
verschiedener Profilbereiche, durch Messung einer Referenztemperatur und Rückschluß
auf eine charakteristische Verteilung, durch Berechnung unter Berücksichtigung der
umformtechnischen Vorgeschichte oder als Kombination dieser Verfahren erreichen. Anhand
dieser Eingaben wird anschließend die geeignete Kühlstrategie mit Hilfe des Prozeßrechners
ermittelt, der Kühlvorgang zeitgerecht automatisch aktiviert, bei Geschwindigkeitsänderungen
oder Temperaturveränderungen über der Länge gegebenenfalls variiert und schließlich
beendet. Die Berechnung der geeigneten Kühlstrategie läßt sich mit Hilfe einer auf
einem physikalischen Modell basierenden Software entweder on-line erreichen, oder
es können im Vorfeld Berechnungsergebnisse abhängig vom Profiltyp, angenommenen Temperaturverteilungen
und Werkstoff off-line ermittelt, im Rechner implementiert und die Kühlintensität
und -dauer interpolativ ermittelt werden.
[0010] Wenn eine dem letzten für die Walzung des Formstahles notwendigen Walzwerk nachfolgende
Wasserkühlstrecke, insbesondere eine Durchlaufkühlstrecke, vorzugsweise in einzeln
ansteuerbare und abschalt- bzw. zuschaltbare Kühlzonen unterteilt wird, läßt sich
in einfacher Weise eine Anpassung an unterschiedliche Profile, Temperatursituationen,
Werkstoffe und Geschwindigkeiten des auslaufenden Formstahles erreichen. Hierbei kann
die Kühlstrecke aus mehreren Kühlstreckenabschnitten bestehen. Eine hinreichende Anzahl
einzeln ansteuerbarer Zonen ermöglicht darüber hinaus auch die Steuerung des Prozesses
bei sich verändernden Bedingungen, wie der Durchlaufgeschwindigkeit oder der Ausgangstemperaturverteilung,
und auch ein Stillstand, z.B. des Stabendes, innerhalb der Kühlstrecke ist dann beherrschbar.
[0011] Es wird vorgeschlagen, daß die Größe der wasserbeaufschlagten Formstahlfläche durch
Verändern des Abstandes von Kühlwasser-Düsen zur Profilaußenseite verändert und nach
einem weiteren Vorschlag der Erfindung die Kühlintensität durch Änderungen des Versorgungsdruckes
gesteuert wird. Vor allem bei größeren Profilen empfiehlt es sich, statt in Laufrichtung
pro Seite nur einer Düsenreihe eine Bestückung der Verteilerrohre mit mehreren Düsenreihen
vorzunehmen, was zur Verbreiterung der Beaufschlagungsfläche und zur Stufung der Kühlintensität
beiträgt. Die Lage bzw. der Verlauf der durch die auftreffenden Wasserstrahlen definierten,
gekühlten Bahn am Formstahl kann aufgrund einer entsprechenden Vorrichtung über drehbare
Düsenreihen eingestellt werden.
[0012] Die Wirkungsweise des erfindungsgemäßen Verfahrens im Vergleich zum Stand der Technik
veranschaulichen die beiden nachfolgend einander gegenübergestellten Beispiele:
1. Abkühlung eines Profiles HEB 140 an der Luft nach dem Stand der Technik
Ausgehend von einer homogenen Anfangstemperaturverteilung von T0=900°C und dem Werkstoff c 45, liegt aufgrund der freien Abkühlung nach dem Unterschreiten
der unteren Umwandlungstemperatur durch die heißeste Faser eine Eigenspannungen hervorrufende
inhomogene Temperatur- bzw. Zwischentemperaturverteilung vor, die nach vollständiger
Abkühlung auf Raumtemperatur (300 Minuten) Restspannungen bewirkt. Hierbei treten
Eigenspannungen in Höhe von ca. 21% der Kaltfließgrenze von 460 N/mm2 unter anderem an den Flanschspitzen auf, d.h. unabhängig von der Biegeachse an den
Außenfasern, die im Falle aufzunehmender äußerer Lasten grundsätzlich höchstbelastet
sind. Diese Vorbelastung durch Restspannungen reduziert die Belastbarkeit des fertigen
Trägers ganz erheblich.
2. Abkühlung eines Profiles HEB 140 an der Luft nach einer vorgeschalteten, erfindungsgemäßen
Wasserkühlung
Werden nun bei gleichen Voraussetzungen wie oben genannt die Flanschaußenseiten für
die Dauer von 6,7 sec auf einer 80 mm breiten, mittigen Bahn mit richtig bemessener
Intensität wassergekühlt, läßt sich nach vollständigem Durchlaufen der Umwandlung
eine wesentlich gleichmäßigere Temperaturverteilung erreichen, was Versuche bestätigt
haben. Nach vollständiger Abkühlung ergeben sich Eigenspannungen, die maximal nur
noch 5,6% der Kaltfließgrenze betragen. Darüber hinaus ergibt sich eine deutliche
Vergleichmäßigung der Spannungen, insbesondere im Wurzelbereich, in dem bei nach üblicher
Praxis abgekühlten Profilen häufig eigenspannungsbedingte Anrisse auftreten. Für die
Berechnung des Zusammenhangs zwischen Spannungen und Dehnungen werden neben den thermisch
bedingten Längenänderungen alle anderen kontinuumsmechanisch relevanten Vorgänge berücksichtigt,
wie Elastizität, Plastizität und Relaxation in Abhängigkeit von der Temperatur.
1. Verfahren zum Kühlen von Formstahl, insbesondere Profilstahl-Trägern, aus der Walzhitze,
dadurch gekennzeichnet,
daß einer abschließenden Luftkühlung eine gezielte Wasserkühlung vorgeschaltet wird,
derart, daß Materialanhäufungen aufweisende Formstahl profilaußenseitig mit einer
einer rechnergestützt vorgegebenen Kühlstrategie unterliegenden, variablen Beaufschlagungsbreite
und -dauer bis auf einen zumindest noch knapp oberhalb der Umwandlungstemperatur Arl
liegenden Wert gekühlt werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß zur Bestimmung der für die Kühlstrategie notwendigen Beaufschlagungsbreite und
-dauer sowie Intensität die Temperatur des Formstahles ermittelt und in den Prozeßrechner
eingegeben wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Größe der wasserbeaufschlagten Formstahlfläche durch Verändern des Abstandes
von Kühlwasser-Düsen zur Profilaußenseite verändert wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Kühlintensität durch Änderungen des Versorgungsdruckes gesteuert wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Wasserkühlstrecke in einzeln ansteuerbare und abschalt- bzw. zuschaltbare
KÜhlzonen unterteilt wird.