(19)
(11) EP 0 980 914 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.02.2000  Patentblatt  2000/08

(21) Anmeldenummer: 99250175.9

(22) Anmeldetag:  03.06.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C21D 8/10, B21B 23/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 20.08.1998 DE 19838673

(71) Anmelder: MANNESMANN Aktiengesellschaft
40213 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Niederhoff, Kurt, Dr.-Ing.
    40880 Ratingen (DE)
  • Brensing, Michael, Dr.-Ing.
    40221 Düsseldorf (DE)
  • Von Hagen, Ingo, Dr.-Ing.
    47800 Krefeld (DE)

(74) Vertreter: Meissner, Peter E., Dipl.-Ing. et al
Meissner & Meissner, Patentanwaltsbüro, Hohenzollerndamm 89
14199 Berlin
14199 Berlin (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung hochzäher Stahlprofilrohre und Anlage zu dessen Durchführung


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Anlage zur Herstellung von hochfesten und hochzähen Stahlprofilrohren, die von der runden Querschnittsform abweichen, aus warmgewalzten nahtlosen Stahlrohren mit kreisförmigem Querschnitt. Dabei werden die warmgewalzten Stahlrohre nach Erreichen ihrer Endabmessung als Rundrohr in an sich bekannter Weise gehärtet und anschließend angelassen und die Stahlrohre werden danach bei Anlaßtemperatur (500 °C bis < Ac1) in ein Rohrprofilwalzwerk eingesetzt und in ihre endgültige Form gewalzt und anschließend an Luft abgekühlt.


Beschreibung


[0001] Verfahren zur Herstellung von hochfesten und hochzähen Stahlprofilrohren, die von der runden Querschnittsform abweichen, aus warmgewalzten nahtlosen Stahlrohren mit kreisförmigem Querschnitt.

[0002] Die Herstellung von Stahlprofilrohren, deren Querschnitt vom kreisförmigen Querschnitt abweicht (z.B. rechteckig oder quadratisch), ist seit vielen Jahren bekannt. Ausgangspunkt ist dabei z.B. ein längsnahtgeschweißtes Stahlrohr mit kreisrundem Querschnitt (Rundrohr). Ein solches Rundrohr wird auf eine Temperatur oberhalb Ac3 (z.B. 950 °C) erwärmt und einer Warmumformung in einem Rohrprofilwalzwerk (sog. Türkenköpfe) zu dem jeweils gewünschten Rohrprofil unterzogen. Bei dieser Umformung bleiben die Rohrlänge und die Wanddicke weitestgehend unverändert.

[0003] Die Herstellung von nahtlosen Rohrprofilen erfolgt heute vielfach in der Weise, daß in der letzten Fertigungsstufe einer Nahtlosrohrstraße das gefertigte Rundrohr abschließend profiliert wird. Hierzu sind die letzten Walzgerüste eines Streckreduzierwalzwerks mit entsprechenden Walzen ausgerüstet.

[0004] Die mechanischen Eigenschaften der so gefertigten Stahlprofilrohre sind im Walzzustand erwartungsgemäß relativ schlecht. Dies gilt insbesondere für die Zähigkeitseigenschaften. Um den zunehmenden Anforderungen hinsichtlich der Festigkeit und des Zähigkeitsverhaltens gerecht zu werden, müssen entweder entsprechend höherwertige Werkstoffe bei der Rohrherstellung eingesetzt werden, die die Herstellkosten in unerwünschter Weise erhöhen, oder es müssen geeignete Maßnahmen zur Wärmebehandlung der Profilrohre (Normalisieren, Vergütung) ergriffen werden. Letzteres führt jedoch vielfach zu erheblichen Problemen. So ergeben sich in den Wärmebehandlungsanlagen beispielsweise Transportprobleme wegen der fehlenden Möglichkeit, die Profilrohre rollen zu lassen. Auch läßt sich das Abschrecken von Rohren, deren Querschnittsform nicht kreisrund ist, sondern beispielsweise rechteckig, in der Regel nicht in einer Weise durchführen, bei der über den Umfang des Profilrohres gleichmäßige Eigenschaften erzielt werden. Für das Drehtauchen, das z.B. aus der EP 0 345 205 B1 bekannt ist, sind Rohre mit z.B. rechteckigem Querschnitt nicht geeignet. Man kann das Abschrecken nach dem Austenitisieren zwar beispielsweise mit Hilfe von oberhalb und unterhalb des Profilrohres angeordneten Wasserduschen durchführen, die die Deckflächen des rechteckigen Profilrohres beaufschlagen. Es liegt jedoch auf der Hand, daß die Seitenflächen in einem solchen Fall deutlich weniger stark abgekühlt werden als die Deckflächen des Profilrohrs. Durch zusätzliche seitliche Spritzdüsen ließe sich in dieser Hinsicht zwar eine gewisse Verbesserung erreichen; von einer wirklich gleichmäßigen Kühlung über den Umfang des Profilrohres könnte man aber dennoch nicht sprechen. Insbesondere im Bereich der Profilkanten ist regelmäßig eine weniger intensive Abkühlung zu verzeichnen. Dies führt praktisch unvermeidbar dazu, daß die sich einstellenden Werkstoffeigenschaften, also insbesondere die Festigkeits- und die Zähigkeitskennwerte, über den Umfang sehr ungleichmäßig sind. Durch den Einsatz teuerer Legierungselemente lassen sich diese Nachteile bis zu einem gewissen Maß abmildern. Infolge der ungleichmäßigen Abkühlung kommt es nicht nur zu ungleichmäßigen Eigenschaften, sondern auch zur Ausbildung extremer Eigenspannungszustände, die schon beim Abschrecken und auch beim Anlassen zu starken Verwerfungen an den Profilen führen. Zu beachten ist auch, daß eine Wärmebehandlung durch Normalisieren oder Vergüten bei dünnwandigen Stahlprofilrohren (z.B. in den Abmessungen 100 x 100 x 4 mm) gar nicht möglich ist, da die Seiten des Profilrohrs unter der Temperaturbelastung stark einfallen, so daß das Profilrohr wegen der in diesem Stadium fehlenden Richtmöglichkeit unbrauchbar wird.

[0005] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Herstellung von hochfesten und hochzähen Profilrohren aus nahtlosen Stahlrohren dahingehend weiterzubilden, daß auch ohne die Notwendigkeit zum Einsatz von teueren Legierungselementen eine Profilrohrherstellung möglich wird, bei der nicht nur hinsichtlich der Spitzenwerte sehr gute Werkstoffeigenschaften an den hergestellten Stahlprofilrohren eingestellt werden, sondern bei denen diese Eigenschaften auch in einer sehr gleichmäßigen Form über den Umfang der Profilrohre anzutreffen sind. Dieses Verfahren soll auch für die Herstellung von Profilrohren mit vergleichsweise dünner Wand geeignet sein.

[0006] Gelöst wird diese Aufgabe erfindungsgemäß dadurch, daß die warmgewalzten Stahlrohre nach Erreichen ihrer Endabmessung als Rundrohr in an sich bekannter Weise zunächst gehärtet und anschließend angelassen werden und daß die Stahlrohre erst danach bei gegenüber der bisher üblichen Vorgehensweise abgesenkter Temperatur, nämlich bei Anlaßtemperatur (d.h. 500 °C bis < Ac1) in ein Profilwalzwerk eingesetzt und in ihre endgültige Form gewalzt werden. Anschließend kühlen die so hergestellten Stahlprofilrohre an Luft ab.

[0007] Durch diese überraschend einfache Maßnahme läßt sich erreichen, daß die bei der Vergütung der Stahlrohre, die mit kreisrundem Profil durchgeführt wird, erreichten guten und gleichmäßigen Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften trotz der anschließenden Umformung im Rohrprofilwalzwerk praktisch unverändert beibehalten werden. Die Umformung des Profils kann trotz der erheblich abgesenkten Temperatur ohne Probleme in einem herkömmlichen Profilrohrwalzwerk vorgenommen werden.

[0008] Da die Einstellung der Werkstoffeigenschaften durch die Vergütungsbehandlung noch im kreisrunden Formzustand des Stahlrohres erfolgt, läßt sich das Abschrecken der Stahlrohre nach bekannten Verfahren durchführen, bei denen besonders gleichmäßige Eigenschaften in Umfangs- und Längsrichtung des Rohres gewährleistet werden können. Vorteilhafterweise wird hierfür das bekannte Drehtauchverfahren eingesetzt. Selbstverständlich sollte aus Energiespargründen das Einsetzen des Stahlrohres in das Rohrprofilwalzwerk bei Anlaßtemperatur unmittelbar aus der Anlaßhitze heraus erfolgen, also ohne erneutes Wiedererwärmen nach dem Anlassen.

[0009] Eine Anlage zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens umfaßt einen Härteofen zum Austenitisieren der Rundrohre, eine Abschreckeinrichtung für die Härtung der Stahlrohre, einen Anlaßofen sowie ein Rohrprofilwalzwerk, wobei das Rohrprofilwalzwerk dem Anlaßofen unmittelbar nachgeschaltet ist, so daß die angelassenen Rohre mit Anlaßtemperatur aus diesem Ofen gezogen und unmittelbar dem Rohrprofilwalzwerk zur Umformung in die gewünschte Profilform bei erhöhter Temperatur zugeführt werden können. Besonders vorteilhaft ist es im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Werkstoffeigenschaften, die Abschreckeinrichtung als Drehtauchanlage auszubilden. Zweckmäßigerweise wird man eine bereits vorhandene Vergüterei für Rundrohre um ein Rohrprofilwalzwerk erweitern, um das erfindungsgemäße Verfahren möglichst kostengünstig ausführen zu können.

[0010] Die Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens wird nachfolgend an zwei Ausführungsbeispielen näher erläutert. Die Fig. 1 bis 4 zeigen grafisch die Verteilung der Kerbschlagzähigkeit bzw. der Härte HV10 über den Umfang erfindungsgemäß hergestellter Stahlprofilrohre.

[0011] Auf einer Rohrkontistraße wurden Stahlrohre aus den beiden Stählen A und B hergestellt, deren Zusammensetzung in Tabelle 1 wiedergegeben ist. Bei dem Stahl A handelt es sich um einen modifizierten St52 und bei dem Stahl B um einen hochfesten und hochzähen Feinkornbaustahl. Die Rohre hatten einen Außendurchmesser von ca. 128 mm und eine Wanddicke von 4 mm, als sie das Streckreduzierwalzwerk der Warmrohrfertigung verließen. Danach wurden die Rohre über eine Dauer von etwa 20 min bei 940 °C in einen Härteofen eingesetzt und anschließend in einer mit Wasser als Kühlmedium betriebenen Drehtauchanlage abgeschreckt. Die auf diese Weise gehärteten Stahlrohre mit kreisrundem Querschnitt wurden zum Abschluß der Wärmebehandlung über eine Dauer von jeweils 10 min bei 670 °C bis 680 °C in einem Anlaßofen einer Anlaßbehandlung unterzogen. Nach Verlassen des Anlaßofens wurden die Stahlrohre unmittelbar einem Profilrohrwalzwerk zugeführt und etwa auf dem Temperaturniveau des Anlassens in Profilrohre mit quadratischem Querschnitt von 100 x 100 mm bei 4 mm Wanddicke umgeformt. Nach dieser Umformung aus der Anlaßhitze heraus kühlten die Rohre an Luft ab. Die anschließend durchgeführten Werkstoffuntersuchungen ergaben die Werte der mechanischen Eigenschaften, die in Tabelle 2 angegeben sind. Dabei wurden die Werte für die Profilecken und die Profilflanken separat ermittelt. Im Ergebnis zeigt sich, daß die Werte für die Profilecken nahezu identisch mit den Werten für die Profilflanken sind, so daß man tatsächlich von einer außerordentlich großen Gleichmäßigkeit der Werte für die mechanischen Eigenschaften über den Profilumfang sprechen kann. Dies ergibt sich auch in eindrucksvoller Weise aus den in Fig. 1 für Stahl A und in Fig. 2 für Stahl B grafisch dargestellten Werten für die Kerbschlagzähigkeit sowie aus den in Umfangsrichtung gemessenen Werten der Härte HV10, die in Fig. 3 für Stahl A und in Fig. 4 für Stahl B als Kurvenverlauf wiedergegeben sind.

[0012] Die vorliegende Erfindung ermöglicht auf überraschend einfache Weise die Herstellung von hochfesten und hochzähen Stahlprofilrohren, die sich durch eine außerordentlich hohe Gleichmäßigkeit der Werkstoffeigenschaften auszeichnen. Dieses Verfahren läßt sich sowohl zur Herstellung dünnwandiger als auch dickwandiger Stahlprofilrohre anwenden.
Tabelle 1
Legierungselement Stahl A Stahl B
C 0,18 % 0,18 %
Si 0,22 % 0,34 %
Mn 1,31 % 1,52 %
P 0,016 % 0,011 %
S 0,006 % 0,004 %
Al 0,045 % 0,033 %
Ni - 0,56 %
Mo - 0,37 %
V 0,05 % 0,09 %
N 0,0087 % 0,0069 %
Fe Rest Rest
Tabelle 2
mechanische Eigenschaften Stahl A Stahl B
  Profilflanke Profilecke Profilflanke Profilecke
Rp0.2 (N/mm2) 714 724 954 965
Rm (N/mm2) 772 783 994 1013
Bruchdehnung A5 (%) 19,5 21,0 16,5 17,0
Kerbschlagzähigkeit (-20°C, J/cm2) 90 100 70 70
Kerbschlagzähigkeit (-40°C, J/cm2) 85 90 65 65



Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von hochfesten und hochzähen Stahlprofilrohren, die von der runden Querschnittsform abweichen, aus warmgewalzten nahtlosen Stahlrohren mit kreisförmigem Querschnitt,
dadurch gekennzeichnet,

daß die warmgewalzten Stahlrohre nach Erreichen ihrer Endabmessung als Rundrohr in an sich bekannter Weise gehärtet und anschließend angelassen werden und

daß die Stahlrohre danach bei Anlaßtemperatur (500 °C bis < Ac1) in ein Rohrprofilwalzwerk eingesetzt und in ihre endgültige Form gewalzt und anschließend an Luft abgekühlt werden.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Abkühlen der Rundrohre durch Eintauchen in ein Kühlmedium, insbesondere ein Wasserbad, bei gleichzeitiger Rotation der Rundrohre durchgeführt wird.
 
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Rohrprofilwalzen unmittelbar aus der Anlaßhitze heraus erfolgt.
 
4. Anlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit einem Härteofen, einer Abschreckeinnchtung und einem Anlaßofen sowie einem Rohrprofilwalzwerk,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Rohrprofilwalzwerk dem Anlaßofen unmittelbar nachgeschaltet ist.
 
5. Anlage nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Abschreckeinnchtung als Drehtauchanlage ausgebildet ist.
 




Zeichnung