(19)
(11) EP 1 022 376 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
26.07.2000  Patentblatt  2000/30

(21) Anmeldenummer: 00100784.8

(22) Anmeldetag:  15.01.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7D07B 1/14
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 22.01.1999 EP 99810052

(71) Anmelder: INVENTIO AG
CH-6052 Hergiswil (CH)

(72) Erfinder:
  • De Angelis, Claudio, Dipl.-Ing.
    6004 Luzern (CH)

   


(54) Kunstfaserseil


(57) Ein erfindungsgemässes Kunstfaserseil (1), vorzugsweise aus Polyamid, besteht aus einem Bündel tragender Kunststofffasern (2) und mindestens einem in dem Seil (1) mitverarbeiteten leitfähigen Temperaturfühlerelement (9). Das Temperaturfühlerelement (9) bildet über die Länge des Seils (1) in Abhängigkeit der Temperatur eine leitende Verbindung aus, welche permanent messtechnisch überwacht wird. Bei für das Kunstfaserseil (1) kritischen Temperaturen wird die Verbindung zu einer Kontrollsteuerung unterbrochen. Das Temperaturfühlerelement (9) ist in einer Ausführung ein bei kritischer Temperatur schmelzender feiner Draht. Das erfindungsgemässe Kunstfaserseil (1) wird bei Aufzugsanlagen unter anderem als Sicherheitseinrichtung, insbesondere als Feuermelder verwendet.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Kunstfaserseil, insbesondere als Tragorgan für Aufzüge, bestehend aus einem Bündel hochfester tragender Kunststofffasern.

[0002] Hochfeste Kunstfaserseile ersetzen in zunehmendem Masse herkömmliche Drahtseile in Anwendungen wie beispielsweise bei Aufzugsanlagen, wo einerseits grosse Seillängen nötig sind, andererseits aus energetischen Gründen die Forderung nach möglichst kleinen bewegten Massen besteht.

[0003] Solche Kunstfaserseile sind ein textiles Erzeugnis aus linear hochfesten Chemiefaserwerkstoffen, vorzugsweise Aramide oder Polyamide, die zu Seilgarnen verspinnt sind und entweder durch Seilformung ohne Drehung, durch zwei- oder mehrstufiges Verseilen und/oder Ummanteln hergestellt sind. Allerdings nimmt gegenüber Stahlseilen die Seilbruchkraft bei Chemiefasern bereits bei wesentlich niedrigeren Temperaturen deutlich ab, bevor sie schliesslich schmelzen. Der Schmelzpunkt von Aramiden liegt im Bereich von 450 - 500° Celsius. Bereits bei Temperaturen von oberhalb 180° Celsius beginnt sich die Tragfähigkeit der Kunstfaserseile zu reduzieren.

[0004] Um die Vorteile derartiger Kunstfaserseile insbesondere als laufendes Seil in der Fördertechnik, wie dem Aufzugsbau, nutzen zu können, wird gefordert, den Seilzustand zweifelsfrei zu erkennen.

[0005] Hierzu ist aus der EP 0 731 209 A1 der Anmelderin eine Einrichtung zur Erkennung der Ablegereife von Kunstfaserseilen bekannt. Das Funktionsprinzip dieser Einrichtung besteht darin, dass in einigen der Litzen aus hochtesten Fasern mit spezifischen mechanischen Eigenschaften, Indikatorfasern integriert sind. Die Materialeigenschaften dieser Indikatorfasern richten sich nach denjenigen der tragenden Kunstfasern aus, wobei die Bruchdehnung und der Elastizitätsmodul so gewählt sind, dass die Indikatorfasern infolge Materialermüdung und abrassivem Verschleiss, usw., früher reissen, als die tragenden Fasern. Diese Indikatorfasern sind stromleitend und werden permanent messtechnisch überwacht. Erkennt die Permanentüberwachung eine vordefinierte Anzahl von ausgefallenen Indikatorfasern, muss das Seil durch ein neues ersetzt werden.

[0006] Mit der insoweit hinsichtlich Aufbau und Funktion beschriebenen Einrichtung kann der Ausfall des Seiles bedingt durch mechanische Beanspruchung zuverlässig erkannt werden, speziell an Kunstfaserseile gestellte Brandschutzanforderungen können damit aber nicht zufriedenstellend erfüllt werden.

[0007] Die durch die Merkmale der Ansprüche angegebene Erfindung löst die Aufgabe, ein eingangs genanntes Kunstfaserseil derart weiterzubilden, dass die Betriebsicherheit bei thermischer Überhitzung und/oder im Brandfall sichergestellt ist. Das Kunstfaserseil erfüllt insbesondere die Brandschutzanforderungen im Aufzugsbau, wo die Sicherheit der Passagiere zur keiner Zeit gefährdet sein darf.

[0008] Mit dem erfindungsgemässen Kunstfaserseil ist erstmals eine Überwachung der Temperatur im Seil und somit indirekt auch über die gesamte Schachtlänge und dem Maschinenraum möglich. Die leitende Verbindung durch das Seil ist nur bei Temperaturen unterhalb der für das Seil kristischen Temperatur ausgebildet.

[0009] Bei darüberliegenden Temperaturen ist die leitende Verbindung unterbochen und es kann deshalb kein elektrisches oder optisches Signal, oder dergleichen übertragen werden, was messtechnisch einfach festgestellt werden kann. Im Zusammenwirken mit einer Kontrolleinrichtung können auf diese Weise hitzebedingte Seilschäden frühzeitig detektiert, beispielweise an eine Aufzugssteuerung weitergeben und von dieser ohne zeitliche Verzögerung geeignete Massnahmen zur Evakuierung der Passagiere veranlasst werden.

[0010] In Weiterbildung der Erfindung ist ein Temperaturfühlerelement mit temperaturabhängiger Leitfähigkeit für das angelegte Kontrollsignal vorgesehen. Dieses bietet den Vorteil, dass sich ausgehend von einem konstruktiv bestimmten Wert, auch die Stärke des Kontrollsignals entsprechend verändert. Auf der Basis dieses Quantitativen Signal kann die jeweilige Seiltemperatur ermittelt werden. Die Temperaturabhängigkeit kann hierbei so gewählt sein, dass bei Übersteigen der kritischen Temperatur keine Leitfähigkeit mehr vorhanden ist.

[0011] Eine bevorzugte Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass das Temperaturfühlerelement eine temperaturkritische Materialfestigkeit aufweist, die kleiner ist als diejenige der tragenden Kunststofffasern. Bei Erreichen einer konstruktiv vorgegebenen Temperatur versagt das Temperaturfühlerelement, in dem es beispielsweise schmilzt oder reisst und so die leitende Verbindung unterbricht. Hiermit wird ein qualitatives Kontrollsignal erhalten, zu dessen Auswertung eine sehr einfache Messtechnik ausreichend ist.

[0012] In bevorzugten Ausführungen kann das Temperaturfühlerelement als elektrischer Leiter, Lichtleiter oder dergleichen ausgebildet sein, durch das ein Kontrollsignal übertragen werden kann. Wesentlich bei der Wahl des hierbei verwendeten Leitermaterials ist eine Dauerbiegewechselfestigkeit, die mindestens derjenigen der tragenden Faser entspricht, so dass ein betriebsbedingtes Materialversagen ausgeschlossen ist. Beispielsweise kann das Temperaturfühlerelement als elektrischer Leiter in Form eines Metalldrahts oder eines Synthetikgarns beziehungsweise einer daraus bestehender Materialkombination in dem Seil mitverarbeitet sein.

[0013] Das Temperaturfühlerelement ist vorzugsweise um das Seil herumgewickelt und von einem vorzugsweise im Druckspritzverfahren ausgebrachten Seilmantel überdeckt. Bei einer vorteilhaften Ausführung sind hierbei mehrere Temperaturfühlerelemente parallel zu den Litzen und/oder in Seillängsrichtung um das Seil herum im Seilmantel eingebettet angeordnet. Diese bietet den Vorteil, dass sich das Temperaturfühlerelement eng an die Seilstruktur anlegen kann und die mechanische Beanspruchung des Temperaturfühlerelements beim Lauf über Rollen gering ist.

[0014] Im folgenden wird die Erfindung anhand eines Beispiels und mit Bezug auf die beiliegende Zeichnung näher erläutert. Es zeigen:
Figur 1,
ein mehrlagiges Aramidfaserseil mit einem schraubenlinienförmig um das Seil gewickelten, im Seilmantel eingelegten Temperaturfühlerelement,
Figur 2,
schematisch einen Überwachungsschaltkreis für das in Figur 1 dargestellte Aramidfaserseil,
Figur 3,
ein Schaltschema einer Kontrollschaltung.


[0015] Die perspektivische Darstellung in Figur 1 zeigt den Aufbau eines ummantelten Aramidfaserseils 1 aus Aramidfaserlitzen 2, die zusammen mit Füllitzen 3 um eine Seele 4 lagenweise angeordnet sind. Zwischen einer inneren Litzenlage 5 und einer äussersten Litzenlage 6 ist ein vorzugsweise profilierter reibungsmindernder Zwischenmantel 7 angebracht. Die äusserste Litzenlage 6 ist durch den Seilmantel 8 , vorzugsweise aus Polyurethan oder Polyamid, abgedeckt. Um die äusserste Litzenlage 6 ist hier über die gesamte Seillänge ein dünner Draht 9 schraubenlinienförmig herumgewickelt. Über den Draht 9 ist der Seilmantel 8 aufextrudiert, so dass der Draht 9 in das Seilmantelmaterial eingebettet und von diesem überdeckt ist.

[0016] Der Draht 9 besteht aus einer Metallegierung und ist elektrisch leitend. Er besitzt einen mit zunehmender Temperatur steigenden eletrischen Widerstand. Der Widerstand wird mit einer weiter unten beschriebenen Kontrollsteuerung permanent ermittelt. Die Zusammensetzung der Legierung ist derart gewählt, dass der Draht bei einem Temperaturbereich von 100° bis 120° Celsius schmilzt.

[0017] Anstatt den Draht 9 um das Seil 1 herumzuwickeln, kann dieser auch parallel zu den Aramidfaserlitzen 2 der äussersten Litzenlage 6 angeordnet im Seilmantel 8 eingelegt sein oder aber gemeinsam mit den tragenden Aramidfaserlitzen 2 zu dem Aramidfaserseil verarbeitet werden.

[0018] In Figur 2 ist die messtechnische Überwachung des in Figur 1 dargestellten Aramidfaserseils 1 gezeigt. Zur Kontrolle, ob die mittels Temperaturfühlerelement(en), hier dem Kupferdraht 9, über die Seillänge 10 oder einen bestimmten Seillängenabschnitt hergestellte leitende Verbindung intakt ist, kann in einem Kontrollkreis 11 beispielsweise eine elektrische Spannung an die beiden Enden des Drahtes 9 angelegt werden. Als Spannungsquelle eignet sich hierzu beispielweise eine Batterie 12 oder ein Spannungsgenerator. Mit Hilfe eines Ampèremeters 13 oder einer Kontrolllampe kann dann erkannt werden, ob ein Strom durch den Kupferdraht 9 fliesst oder nicht.

[0019] Bei Ausführungsformen mit einer Vielzahl von Drähten 9, die jeweils einzeln überwacht werden, kann ein Versagen der Temperaturfühlerelemente aus anderen Gründen als zu hoher Seiltemperatur durch Vergleichen der Messergebnisse der einzelnen Temperaturfühlerelemente erkannt werden. Ein Fehlalarm kann auf diese Weise ausgeschlossen werden. Analog wird zwischen Messergebnissen von Temperaturfühlerelementen beispielweise mehrerer einem Aufzugsantrieb zugeordneter Seile unterschieden, um einen Einzelverlust auszuschliessen.

[0020] Eine hierzu geeignete Schaltung ist beispielsweise aus der EP 0 731 209 A1 bekannt. Figur 3 zeigt eine solche Kontrollschaltung 21, die anstelle eines Ampèremeters in den Überwachungskreis 11 geschalteten ist. Über eine Spannungsquelle 14 wird ein konstanter Strom 15 in jeden Draht 9 eingespeist, für den jeder Draht 9 ein Widerstand R1 bis Rn darstellt. Ein Tiefpassfilter 16 filtert die ankommenden Impulse und führt diese einem Schwellwertschalter 17 zu. Der Schwellwertschalter 17 vergleicht die gemessenen Spannungen. Bei Überschreiten spezifischer Grenzwerte, d. h. aufgrund einer termischen Überhitzung des Temperaturfühlerelementes 9, wird der Widerstand so gross, dass der zulässige Spannungswert überschritten wird. Diese Überschreitung des Grenzwertes wird von einem nicht flüchtigen Speicher 18 gespeichert. Dieser Speicher 18 kann mittels einer Reset-Taste 19 gelöscht werden oder er gibt seine Informationen an eine Logik 20 weiter, die mit der Aufzugssteuerung verbunden ist.

[0021] Jeder Draht 9 wird entsprechend verkabelt und ständig überprüft. Sobald zwei oder mehr dieser Temperatursensoren unterbrochen und somit eine temperaturbedingte Schädigung des Kunstfaserseils zu erwarten ist, fährt die Aufzugssteuerung die Aufzugskabine selbstätig in Evakuierposition und setzt die Kabine fest. Ferner ist es möglich, über die Kontrollsteuerung eine Leitzentrale oder die Feuerwehr automatisch über den abnormen Zustand zu informieren.

[0022] Eine weitere Schutzmöglichkeit gegen hohe Temperaturen liegt darin, an die Endverbindung des Kunstfaserseiles, beispielsweise bei einem Anbinden auf der Kabine, entweder auf dem Oberjoch der Kabine oder auf dem Gegengewicht oder aber in dem Maschinenraum von 2:1 gehängten Aufzügen Thermoelemente stationär zu positionieren und beim Auslösen eines Bimetallkontaktes oder dergleichen, bei ermittelten Temperaturen von etwa 100° Celsius eine Meldung über das Übertragungsgerät an die Steuerung zu geben. Die Steuerung informiert dann die Notrufzentrale oder direkt die Feuerwehr.

[0023] Beim Abfahren des Schachtes kann ein an der Kabine gebauter Rauchmelder gegebenenfalls Rauch auf bestimmten Etagen detektieren, lokalisieren, den Aufzug vorbei steuern und über das Übertragungsgerät die Notrufzentrale bzw. Feuerwehr verständigen. Aus den der Steuerung vorliegenden Informationen bezüglich der Kabinenposition im Schacht und dem Zeitpunkt der Alarmauslösung, kann die Notrufzentrale und/ oder Feuerwehr zur Schadensminimierung entsprechende Informationen einholen.


Ansprüche

1. Kunstfaserseil (1), insbesondere als Tragorgan für Aufzüge, bestehend aus einem Bündel tragender Kunststofffasern (2), und mindestens einem Temperaturfühlerelement (9), welches über die Länge des Kunstfaserseils (1) temperaturabhängig eine leitende Verbindung bildet.
 
2. Kunstfaserseil (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement (9) eine temperaturabhängige Leitfähigkeit aufweist.
 
3. Kunstfaserseil (1) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement (9) eine temperaturkritische Materialfestigkeit aufweist, die kleiner ist als diejenige der tragenden Kunststofffasern (2).
 
4. Kunstfaserseil (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement ( ) einen elektrischen Leiter (9) oder einen optischen Leiter umfasst.
 
5. Kunstfaserseil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement als Garn oder Draht (9) ausgebildet ist.
 
6. Kunstfaserseil nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass, das Temperaturfühlerelement (6) in den seilmantel (8) eingelegt ist.
 
7. Kunstfaserseil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement bei Temperaturen unter 100 ° Celsius eine leitende Verbindung ausbildet.
 
8. Kunstfaserseil nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennnzeichnet, dass das Temperaturfühlerelement (9) Kontrollmitteln (11,12,13,21) zum permanenten Überprüfen seiner Leitfähigkeit umfasst.
 
9. Kunstfaserseil nach einem der Ansprüche 1 bis 8 als Sensor für eine Feuermeldeeinrichtung.
 
10. Aufzugsanlage mit mindestens einem eine Aufzugskabine mit einem Gegengewicht verbindenden Tragorgan, wobei das Tragorgan ein Kunstfaserseil (1) nach einem der Ansprüche 1 bis 8 ist.
 




Zeichnung










Recherchenbericht