(19)
(11) EP 1 095 717 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.05.2001  Patentblatt  2001/18

(21) Anmeldenummer: 00122059.9

(22) Anmeldetag:  11.10.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B21D 22/20
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 29.10.1999 DE 19952105

(71) Anmelder: Schuler SMG GmbH & Co. KG
68753 Waghäusel (DE)

(72) Erfinder:
  • Kolleck, Ralf B., Dr. Ing.
    47804 Krefeld (DE)

(74) Vertreter: Lichti, Heiner, Dipl.-Ing. 
Patentanwälte, Dipl.-Ing. Heiner Lichti, Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Jost Lempert, Dipl.-Ing. Hartmut Lasch, Postfach 41 07 60
76207 Karlsruhe
76207 Karlsruhe (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zum hydromechanischen Tiefziehen von Metallblech


(57) Es wird ein Verfahren zum hydromechanischen Tiefziehen von Metallblech beschrieben, bei dem das Blech in der Trennebene zwischen einem Oberwerkzeug und einem Unterwerkzeug, von denen eines die Formkontur aufweist, flüssigkeitsdicht eingespannt, mittels Druckgas in Umformrichtung beaufschlagt und vorgeformt und anschließend in gleicher Richtung mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs gegen ein hydraulisches Kissen in dem anderen Werkzeug endgeformt wird. Ferner ist eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens beschrieben.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum hydromechanischen Tiefziehen, indem das Blech in der Trennebene zwischen einem Oberwerkzeug und einem Unterwerkzeug, von denen eines die Formkontur aufweist, flüssigkeitsdicht eingespannt und mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs gegen ein hydraulisches Kissen in dem anderen Werkzeug umgeformt wird.

[0002] Neben dem herkömmlichen, mechanischen Tiefziehen zum Umformen von Metallblech setzen sich zunehmend Tiefziehverfahren durch, bei denen das Wirkmedium eine Flüssigkeit, im einfachsten Fall Wasser, ist. So wird bei dem sogenannten Hydro-Mec-Tiefziehverfahren (DE 1 240 801) das Blech zwischen einem Niederhalter und einem Unterwerkzeug eingespannt. Das Unterwerkzeug ist als Wasserkasten ausgebildet. Mit dem die Formkontur aufweisenden Oberwerkzeug wird das Blech gegen das als Kissen wirkende Hydraulikmedium umgeformt und das Hydraulikmedium entsprechend dem Vorschub des formenden Werkzeugs verdrängt. Die umgekehrte Arbeitsweise bezeichnet man als hydromechanisches Streck-Umformen, bei dem das Blech mittels steuerbaren Hydraulikdrucks gegen die Formkontur des Oberwerkzeugs umgeformt wird. Das Hydro-Mec-Verfahren hat den Nachteil, daß danach hergestellte Bauteile mit geringer Wandstärke und schwacher Konturierung nur eine mäßige Formstabilität besitzen. Beim Streck-Umformen wird der gesamte Umformgrad allein durch Strecken des Blechs erarbeitet. Dies führt zwar zu höherer Formstabilität, doch ist das Verfahren hinsichtlich des Umformgrades, als auch hinsichtlich der verarbeitbaren Blechstärken stark eingeschränkt.

[0003] Um insbesondere tiefere Konturen ausformen zu können, ist das Streck-Stülp-Umformen bekannt (DE 41 34 596), bei dem das eine Werkzeug eine Vorform mit geringerer Formtiefe, das andere Werkzeug die endgültige Formkontur aufweist und beide Werkzeuge mit Druckmittel beaufschlagbar sind. Es wird das fest eingespannte Blech zunächst durch das Druckmittel in das Vorformwerkzeug und anschließend durch Druckbeaufschlagung von der anderen Seite in die endgültige Formkontur eingeformt. Dieses Verfahren ist vom Ablauf her, wie auch werkzeug- und maschinentechnisch sehr aufwendig.

[0004] Schließlich ist es bekannt (EP 0 704 258), das bei hoher Blechhaltekraft eingespannte Blech mittels des Hydraulikmediums im Unterwerkzeug in das Oberwerkzeug vorzuformen und dabei gleichzeitig zu dehnen und anschließend bei geringerer Blechhaltekraft auf die Formkontur des Oberwerkzeugs aufzuformen, wobei das Blech keine nennenswerte weitere Dehnung erfährt. Hiermit läßt sich auch bei geringer Blechstärke und mäßigem Umformgrad aufgrund der Dehnung beim Vorformen eine höhere Formstabilität verwirklichen. Nachteilig ist die relativ große Umwälzmenge an Hydraulikmedium, so daß das Entleeren zeitaufwendig ist. Auch wird das Material der Vorform beim Endformen gestülpt.

[0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das letztgenannte Verfahren zu verbessern, insbesondere höhere Taktzeiten zu ermöglichen und das Stülpen zu vermeiden.

[0006] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß das Blech mittels Druckgas in Umformrichtung beaufschlagt und vorgeformt und anschließend mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs endgeformt wird.

[0007] Durch das pneumatische Vorformen ist der Bedarf an Hydraulikmedium beim anschließenden Endformen geringer und wird das Hydraulikmedium im Endformprozeß aus dem Unterwerkzeug ausschließlich verdrängt. Das pneumatische Vorformen erfolgt vorzugsweise in das leere oder teilweise gefüllte Unterwerkzeug, das erst gegen Ende oder nach Abschluß des Vorformprozesses mit dem Hydraulikmedium gefüllt bzw. aufgefüllt wird. Anschließend erfolgt das Endformen mittels des die Formkontur aufweisenden Oberwerkzeugs gegen das als Kissen wirkende Hydraulikmedium im Unterwerkzeug, das entsprechend dem Vorschub des formenden Werkzeugs aus dem Unterwerkzeug verdrängt wird. Das Vorformen und Endformen erfolgt in einer Richtung, so daß die Nachteile des Streck-Stülpformens entfallen. Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht es ferner, Verbundbleche und beschichtete Bleche umzuformen, ohne daß es zur Delaminierung oder Rißbildung kommt.

[0008] In bevorzugter Ausführung wird das Blech mittels des Druckgases bei hoher Einspannkraft (Blechhaltekraft) vorgeformt und dabei zugleich gedehnt. Dieses Verfahren empfiehlt sich insbesondere beim Umformen höherfester Stähle und geringer Wandstärken. Dabei wird aufgrund der hohen Blechhaltekraft eine geziehlte Ausstreckung der späteren Bauteilmitte erreicht, was zu einer besseren Formstabilität des fertigen Bauteils führt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Blech mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs bei dann verminderter Blechhaltekraft endgeformt wird.

[0009] Bei einer Verfahrensvariante wird das Blech mit niedriger Blechhaltekraft vorgeformt und bei höherer Blechhaltekraft endgeformt. Dadurch läßt sich das Material beim Vorformen gezielt in die Bauteilmitte bringen und können beim Endformen komplexere Bauteile bei verringerter Rißneigung hergestellt werden, wobei sich gegenüber konventionellen Tiefziehverfahren eine verringerte Ziehstufenanzahl verwirklichen läßt.

[0010] Durch die Tatsache, daß ein Teil des Umformgrades, nämlich bis zur Bildung der Vorform, mit einem gasförmigen Wirkmedium aufgebracht wird, ist eine schnelle Entleerung möglich und keine Säuberung erforderlich.

[0011] Der Erfindung liegt ferner die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum hydromechanischen Tiefziehen von Metallblech vorzuschlagen, mittels der das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt werden kann. Eine solche Vorrichtung weist ein Unterwerkzeug, ein Oberwerkzeug und einen Blechhalter auf, wobei das Oberwerkzeug die Formkontur besitzt, während das Unterwerkzeug einen Anschluß für ein Hydraulikmedium aufweist. Eine solche Vorrichtung zeichnet sich erfindungsgemäß dadurch aus, daß in den von dem Oberwerkzeug und dem eingespannten Blech begrenzten Raum Druckgas zuführbar ist.

[0012] Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, daß das Oberwerkzeug oder der Blechhalter, sofern er als Niederhalter ausgebildet ist wenigstens einen Druckgasanschluß aufweist, der nach Einspannen des Blechs aufsteuerbar ist.

[0013] Ferner kann das Oberwerkzeug wenigstens eine Entlüftungsöffnung aufweisen, die nach Abschluß des Vorformens aufsteuerbar ist, so daß beim anschließenden Endformen das die Formkontur aufweisende Werkzeug im wesentlichen unter Atmosphärendruck gegen das vorgeformte Blech arbeitet. Stattdessen kann der Druckaufbau auch allein durch die Bewegung des die Formkontur aufweisenden Pressenstössels erfolgen.

[0014] Nachstehend ist die Erfindung anhand eines in der Zeichnung schematisch wiedergegebenen Ausführungsbeispiels in mehreren Betriebsphasen beschrieben. In der Zeichnung zeigen:
Fig. 1
die Umformeinheit einer Tiefziehpresse im Ausgangszustand;
Fig. 2
die Umformeinheit gemäß Fig. 1 nach dem Vorformen des Blechs und
Fig. 3
die Umformeinheit gemäß Fig. 1 nach dem Endformen des Blechs.


[0015] Die Umformeinheit 1 einer ansonsten in üblicher Weise aufgebauten Tiefziehpresse besteht aus einem Unterwerkzeug 2, das als Wasserkasten ausgebildet ist und mit wenigstens einem Kanal 3 ausgestattet ist, über den gemäß Pfeil 4 ein Hydraulikmedium, vorzugsweise Wasser, zuführbar ist. Die Umformeinheit weist ferner ein Oberwerkzeug 5 in Form eines Stempels mit der Formkontur 6 auf. Das Oberwerkzeug 5 ist von einem Niederhalter 7 umgeben und in diesem geführt. Auf der Wirkfläche des Niederhalters ist eine Flachdichtung angeordnet. Der Niederhalter 7 ist mit einem oder mehreren Kanälen 8 versehen, über die das Druckgas gemäß Richtungspfeil 9 zugeführt wird. Das Druckgas gelangt über einen Ringkanal im Niederhalter und zwischen diesem und der Flachdichtung angeordnete Kanäle oder Spalte in den Raum unterhalb des Stempels 5. Stattdessen kann das Druckgas auch durch den Stempel zugeführt werden.

[0016] In das geöffnete Werkzeug wird das Metallblech 10 in Form einer Platine eingelegt und der Niederhalter 7 sowie das Unterwerkzeug 2 zusammengefahren, bis das Blech 10 fest eingespannt ist. Die Einspannung erfolgt mit einer hohen Blechhaltekraft F1. Nach dem Einspannen des Blechs wird Druckgas in den Raum zwischen Oberwerkzeug 5 und Blech 10 zugeführt und letzteres unter Wirkung des Druckgases in das Unterwerkzeug 2 vorgeformt, wobei die Vorform achssymmetrisch ausgebildet ist. Das Vorformen kann bei hoher Blechhaltekraft erfolgen und führt dann zu einem Dehnen des Blechs und damit zu einer Stabilisierung. Bei niedriger Blechhaltekraft kann Material vorwiegend in die Bauteilmitte verbracht werden, was sich bei komplexen Bauteilen empfiehlt. Nach dem Vorformen wird über den Kanal 3 Druckwasser gemäß Richtungspfeil 4 zugeführt (Fig. 3), so daß das Unterwerkzeug 2 gefüllt bzw. aufgefüllt wird. Bei einer Blechhaltekraft F2 < F1 wird das Oberwerkzeug 5 gemäß Pfeil 12 angetrieben und die Vorform gegen das hydraulische Kissen 13 im Unterwerkzeug 2 zum endgültigen Bauteil umgeformt, wobei sich das Blech aufgrund der verminderten Blechhaltekraft F2 zwischen Niederhalter 7 und Unterwerkzeug 2 nachziehen kann.


Ansprüche

1. Verfahren zum hydromechanischen Tiefziehen von Metallblech, indem das Blech in der Trennebene zwischen einem Oberwerkzeug und einem Unterwerkzeug, von denen eines die Formkontur aufweist, flüssigkeitsdicht eingespannt und mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs gegen ein hydraulisches Kissen in dem anderen Werkzeug umgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, daß das Blech mittels Druckgas in Umformrichtung beaufschlagt und vorgeformt und anschließend mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs in der gleichen Richtung endgeformt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Blech mittels des Druckgases bei hoher Einspannkraft vorgeformt und zugleich gedehnt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Blech mittels des die Formkontur aufweisenden Werkzeugs bei verminderter Blechhaltekraft endgeformt wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Blech bei niedriger Blechhaltekraft vorgeformt und bei höherer Blechhaltekraft endgeformt wird.
 
5. Vorrichtung zum hydromechanischen Tiefziehen von Metallblech mit einem Unterwerkzeug, einem Oberwerkzeug und einem Blechhalter, wobei das Oberwerkzeug die Formkontur aufweist, während das Unterwerkzeug einen Anschluß für ein Hydraulikmedium aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß in den von dem Oberwerkzeug (5) und dem eingespannten Blech (10) begrenzten Raum (11) Druckgas zuführbar ist.
 
6. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß an dem Oberwerkzeug (5) wenigstens ein Druckgasanschluß (9) vorgesehen ist, der nach Einspannen des Blechs (10) aufsteuerbar ist.
 
7. Vorrichtung nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß am Oberwerkzeug wenigstens eine Entlüftungsöffnung vorgesehen ist, die nach Abschluß des Vorformens aufsteuerbar ist.
 
8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Blechhaltekraft (F1, F2) des Blechhalters (7) steuerbar oder regelbar ist.
 
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Druckaufbau in dem von dem Oberwerkzeug (5) und dem Blech (10) begrenzten Raum (11) zumindest teilweise durch die Bewegung des Oberwerkzeugs erfolgt.
 




Zeichnung