[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein System zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage
gemäß dem Oberbegriff der unabhängigen Ansprüche. Insbesondere handelt es sich hierbei
um die Großserienbeschichtung von Werkstücken wie beispielsweise Fahrzeugkarossen
oder Bestand- oder Anbauteilen von Karossen mit häufig wechselnder Farbe unter Verwendung
von Lackierrobotern oder anderen programmgesteuerten mehrachsigen Beschichtungsmaschinen.
[0002] Für die Serienbeschichtung von Fahrzeugkarossen oder sonstigen Werkstücken sind Farbversorgungssysteme
mit bedarfsabhängig begrenztem Beschichtungsmaterialvorrat der jeweils benötigten
Farbe bekannt. Das Beschichtungsmaterial kann aus auswechselbaren und/oder nachfüllbaren
Kartuschen oder sonstigen Vorratsbehältern zugeführt werden, deren Inhalt beispielsweise
für die Beschichtung eines Karossenteils oder von Karossenanbauteilen oder jedenfalls
für einen Beschichtungsvorgang oder für eine vorbestimmte begrenzte Anzahl von Beschichtungsvorgängen
bemessen ist (DE 198 58 397, EP 0 796 664, EP 0 796 665 usw.), oder auch aus wechselweise
an die Beschichtungsmaschinen anschließbaren, vorzugsweise gemolchten Leitungssystemen
(DE 100 33 987). Gemeinsam ist diesen Systemen die volumetrische Dosierung des Beschichtungsmaterials
bei der Versorgung der Zerstäuber oder sonstigen Applikationsorgane.
[0003] Bei einem Farbwechsel müssen die Beschichtungsvorrichtungen bekanntlich jeweils gereinigt
und gespült werden, was mit Lack- und Spülmittelverlusten verbunden ist.
[0004] Damit sich beispielsweise bei einem Farbwechsel möglichst wenig Lackverluste ergeben,
muß der vor einem Beschichtungsvorgang bereitgestellte Lackvorrat möglichst genau
dem sich tatsächlich ergebenden Bedarf für die Beschichtung der Werkstücke oder Werkstückteile
entsprechen. Der Bedarf ändert sich nicht nur mit den zu beschichtenden Werkstücken,
sondern auch mit sonstigen Betriebsbedingungen wie insbesondere den Steuerparametern
für die Maschinenbewegungen und Applikationstechnik usw. sowie Art, Farbe und der
temperaturabhängigen Viskosität des Beschichtungsmaterials, die ihrerseits mit Änderungen
der Betriebssteuerung der Beschichtungsmaschine verbunden sind und die Zeitprogramme
verändern können.
[0005] Bisher wurde zur Vorbestimmung der benötigten Lackmenge u.a. einfach die Verbrauchsmenge
während der Applikation gemessen und aufgrund des Meßergebnisses eine zuvor relativ
groß bemessene Reservemenge entsprechend reduziert. Bei dieser Methode geht jeweils
der zunächst gewählte Reserveüberschuß verloren.
[0006] Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der Verbrauchsmenge ist deren Berechnung aufgrund
der Drehzahl und Laufzeit der üblicherweise verwendeten volumetrisch arbeitenden Dosierpumpe
mit definierten Fördervolumen je Umdrehung oder Hub. Ferner kann man die Verbrauchsmenge
aufgrund der Öffnungszeiten des Hauptnadel- oder sonstigen Farbventils des Zerstäubers
oder sonstigen Applikationsorgans der Beschichtungsmaschine unter Berücksichtigung
der jeweiligen Ausflußgröße berechnen. Die Öffnungszeiten können hierbei entweder
durch die in Bezug auf den Förderweg des Werkstücks einprogrammierten Ventilschaltpunkte
bestimmt werden oder durch kinematische Formeln, mit denen die Maschinenbewegungen
berechnet werden können.
[0007] Bei allen derartigen Berechnungen können sich Fehler gegenüber dem tatsächlichen
Materialbedarf ergeben, da die oben erwähnten Änderungen von Parametern und sonstigen
Betriebsbedingungen unberücksichtigt bleiben. Insbesondere ist bei den bisher bestehenden
Möglichkeiten der Vorbestimmung unbekannt, welche Bewegungsabläufe und Schaltzeiten
durch die Maschinensteuerung bei der anschließenden Beschichtung tatsächlich eingestellt
werden und welcher tatsächliche Materialverbrauch sich hieraus ergibt.
[0008] Infolgedessen bleibt beim Bereitstellen der Materialmenge bisher in jedem Fall eine
unerwünscht hohe Reservemenge notwendig.
[0009] Aufgabe der Erfindung ist, ein Verfahren bzw. System anzugeben, mit dem die für einen
Beschichtungsvorgang benötigte Materialmenge noch genauer als bisher vorherbestimmt
werden kann.
[0010] Diese Aufgabe wird durch das in den Patentansprüchen angegebene Verfahren gelöst.
[0011] Durch die Erfindung können stets vor Beginn eines Beschichtungsvorgangs mit sich
bewegender Maschine und insbesondere auch schon vor Inbetriebnahme (Anlauf) der Beschichtungsanlage
die jeweils benötigten Materialmengen mit der größtmöglichen Genauigkeit ermittelt
werden, so daß die jeweils erforderlichen Reservemengen und somit der Lackverbrauch
auf ein Minimum reduziert werden können, und zwar ohne Farb- und Zeitverluste der
oben erwähnten manuellen Meßmethode. Außer beim Anlauf der Anlage ist das u.a. bei
Anlagen mit hoher Farbanzahl und/oder bei häufigem Wechseln der Werkstücke, also bei
einer hohen Anzahl von Modellvarianten von erheblichem Vorteil.
[0012] Zur Lackmengenberechnung werden erfindungsgemäß die tatsächlichen Betriebsabläufe
simuliert und dadurch vorab ermittelt. Insbesondere werden durch die Erfindung Verzögerungen
z. B. infolge von Signallaufzeiten berücksichtigt, die sich bei der tatsächlichen
Steuerung der Beschichtungsmaschine ergeben. Allgemeiner gesagt, kann jede Änderung
der Betriebsbedingungen bei der Vorabberechnung berücksichtigt werden.
[0013] Beispielsweise im Fall eines Lackierroboters kann für die Simulierung die an sich
bekannte Robotersteuerung genutzt werden, in der der Bewegungsablauf und die Ventilschaltzeiten
in Echtzeit verfolgt werden können und damit die für die Mengenberechnung verwendbaren
Zeitpunkte exakt ermittelt werden können, obwohl der Roboter die betreffenden Bewegungen
tatsächlich erst später bei der eigentlichen Beschichtung ausführt. Aufgrund der Simulation
ist genau bekannt, wann nach einem Ventilöffnungssignal das Beschichtungsmaterial
tatsächlich aus dem Zerstäuber austritt, und wann der Materialfluß wieder abgeschaltet
wird.
[0014] Es wird also vorab errechnet, welche Zerstäuberbewegungen und Schaltzeiten sich später
ergeben. Bei ausreichender Rechenkapazität kann für die Berechnung der Materialmenge
die ohnehin vorhandene Robotersteuerung verwendet werden, mit der u.a. die Roboterbewegungen
bei der anschließenden Beschichtung gesteuert werden. Die Mengenberechnung für einen
späteren Beschichtungsvorgang kann auch schon durchgeführt werden, während der Roboter
noch zur Durchführung eines vorhergehenden Beschichtungsvorgangs gesteuert wird. In
anderen Fällen kann für die Berechnung der Materialmenge ein zusätzlich zu der Programmsteuerung
der Beschichtungsmaschine vorgesehenes System verwendet werden, dem vor Beschichtungsbeginn
die selben Programmsteuerdaten zugeführt werden, mit denen später der Beschichtungsvorgang
gesteuert wird. Diese Simulationsaufgabe kann je nach Zweckmäßigkeit von einer oder
mehreren zusätzlichen im Prinzip beliebigen numerischen Recheneinheiten übernommen
werden, bei denen es sich z. B. um einen PC mit Emulation des Betriebssystems der
Robotersteuerung (RC) handeln kann. Wichtig ist, daß die Software identisch ist.
[0015] Mit den errechneten Lackmengen können für jedes vorhandene oder zusätzliche Simulationssteuersystem
auch zwei oder mehr Beschichtungsanlagen programmiert werden.
[0016] Durch das in Fig. 1 dargestellte Flußdiagramm wird die Erfindung am Beispiel eines
Lackierroboters näher erläutert.
[0017] Nach dem Start der Simulationssteuerung wird zunächst die Bahnbewegung des sog. Tool
Center Point (TCP) simuliert, womit der Farbaustrittspunkt am Zerstäuber oder allgemeiner
gesagt dessen Bahnbewegung gemeint ist. Hierfür, wird in dem verwendeten (im Prinzip
beliebigen) Rechner dieselbe Software der Robotersteuerung RC eingesetzt, die auch
zur Maschinensteuerung während der tätsächlichen Beschichtung benutzt wird, einschließlich
sowohl der Verfahrprogramme als auch der Bewegungssteuersoftware MCU (Motion Control
Unit).
[0018] Die Farbmenge wird bei diesem Verfahrensschritt als Produkt aus der programmierten
Öffnungsdauer des Hauptnadelventils des Zerstäubers und dem Lackvolumenstrom errechnet,
was wegen der angenommenen volumetrischen Dosierung mit der erforderlichen Genauigkeit
möglich ist.
[0019] Im 3. Schritt wird dann der errechnete Farbmengenwert unter Berücksichtigung des
dynamischen Systemverhaltens, also aller die programmierte Öffnungsdauer wesentlich
beeinflussender Parameter korrigiert. Insbesondere handelt es sich hier um die Summe
der Verzögerungen durch die verschiedenen Schaltvorgänge und um die Berücksichtigung
der Rechendauer der Robotersteuerung während der tatsächlichen Beschichtung. Auch
die Signallaufzeiten über das Bussystem, mit dem der Rechner mit den externen Maschinensteuerungen
kommuniziert, können als Verzögerungen berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist die
real benötigte Farbmenge.
[0020] In Fig. 2 ist die durch die Simulierung ermittelte Gesamtverzögerung aufgrund des
Applikationssystems schematisch dargestellt. Das Eingangssignal kann beispielsweise
ein elektrisches Signal zum Ansteuern eines Magnetventils sein, das seinerseits nach
der durch das System verursachten Verzögerung den Farbauslaß des Zerstäubers öffnet
bzw. schließt.
[0021] Die folgenden Figuren sollen die schrittweise verbesserte Genauigkeit der Materialmengenberechnung
verdeutlichen.
[0022] Fig. 3 zeigt die theoretische Ventilöffnungsdauer (z. B. des Hauptnadelventils) zwischen
der Erzeugung der Schaltsignale zu den Zeiten t
0 und t
1. Die Berechnung der Materialmenge aufgrund dieses angenommenen Schaltverhaltens wäre
relativ ungenau, da u.a. das Bewegungsverhalten des Roboters nicht berücksichtigt
ist.
[0023] In Fig. 4 ist die bei der Simulation im Schritt 2. in Fig. 1 zugrunde gelegte Ventilöffnungsdauer
dargestellt, die sich von Fig. 3 unterscheiden kann und genauer ist, weil das Bewegungsverhalten
und wenigstens die wichtigsten sonstigen den Roboter betreffenden Umstände bei der
Simulierung berücksichtigt werden können.
[0024] Fig. 5 zeigt den sich in der Realität beispielsweise ergebenden Verlauf des Farbvolumenstroms,
der im Schritt 3. in Fig. 1 zur Korrektur des Simulationsergebnisses verwendet werden
kann. Zunächst öffnet das betrachtete Ventil erst nach einer Verzögerungszeit t
k, die sich u. a. durch die Signalkommunikation über einen Datenbus usw. zwischen dem
Rechner und den Antriebssteuerschaltungen des Roboters ergibt und aus Fachliteratur
und/oder aufgrund der jeweiligen Anlagenkonfiguration bekannt ist oder zuvor gemessen
werden kann. Während der anschließenden Verzögerungszeit t
s wird darstellungsgemäß der volle Volumenstrom entsprechend dem jeweiligen Systemverhalten
erreicht, also entsprechend dem in der Systemtechnik auch als "Systemidentifikation"
bezeichneten Ansprechverhalten, das durch an sich bekannte Parameterschätzverfahren
ermittelt werden kann. Nach einer erneuten Verzögerungszeit t'
k sinkt während der Zeit t'
s der Volumenstrom wieder ab. Alle diese Zeiten werden bei der Korrektur berücksichtigt.
[0025] Wie ersichtlich ist, muß das verwendete Rechnersystem bei der Materialmengenberechnung
zwar mit allen aktuellen Parametern z. B. für den Bewegungsantrieb und sonstigen Programmsteuerdaten
versorgt werden, hierbei aber keine Verbindung zu den Antriebssteuerschaltungen der
Beschichtungsmaschine haben.
1. Verfahren zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung
von Werkstückeinheiten mit unterschiedlichen Beschichtungsmaterialien,
wobei das Beschichtungsmaterial von einem Versorgungssystem mit bedarfsabhängig bemessenem
Materialvorrat, insbesondere volumetrisch dosiert, einer programmgesteuerten Beschichtungsmaschine
zugeführt wird,
und wobei vor Beschichtungsbeginn die für den jeweiligen Beschichtungsvorgang benötigte
Beschichtungsmaterialmenge vorbestimmt und für den Beschichtungsvorgang bereitgestellt
wird,
dadurch gekennzeichnet, daß die jeweils benötigte Beschichtungsmaterialmenge vor Beschichtungsbeginn von einem
Steuersystem errechnet wird, das den Betrieb der Beschichtungsmaschine während des
anschließenden Beschichtungsvorgangs einschließlich der Bewegungsabläufe simuliert.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die bei der Simulation errechnete Beschichtungsmenge durch Rechenfaktoren korrigiert
wird, mit denen sich in der Realität ergebende bekannte Betriebsbedingungen berücksichtigt
werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß für die Berechnung der Materialmenge die Programmsteuerung der Beschichtungsmaschine
verwendet wird.
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß für die Berechnung der Materialmenge ein Rechner verwendet wird, der vor Beschichtungsbeginn
durch dieselben Bewegungs- und Applikationssteuerprogramme gesteuert wird, mit denen
bei der anschließenden Beschichtung die Beschichtungsmaschine gesteuert wird.
5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Materialmenge als Produkt aus der Öffnungsdauer eines Auslaßventils des Applikationsorgans
der Beschichtungsmaschine und der durch die Maschine gegebenen Größe des Volumenstroms
des Beschichtungsmaterials errechnet wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die sich ergebenden Verzögerungen beim Öffnen und Schließen des Auslaßventils ermittelt
und zur Korrektur der Mengenberechnung verwendet werden.
7. Steuersystem zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung
von Werkstückeinheiten mit unterschiedlichen Beschichtungsmaterialien, in der das
Beschichtungsmaterial von einem Versorgungssystem mit bedarfsabhängig bemessenem Materialvorrat,
insbesondere volumetrisch dosiert, einer programmgesteuerten Beschichtungsmaschine
zugeführt wird,
mit einem Rechner, der vor Beschichtungsbeginn die für den jeweiligen Beschichtungsvorgang
benötigte und für den Beschichtungsvorgang bereitgestellte Beschichtungsmaterialmenge
vorbestimmt,
dadurch gekennzeichnet, daß der die jeweils benötigte Beschichtungsmaterialmenge vor Beschichtungsbeginn bestimmende
Rechner den Betrieb der Beschichtungsmaschine während des anschließenden Beschichtungsvorgangs
einschließlich der Bewegungsabläufe simuliert.