(19)
(11) EP 1 252 935 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
30.10.2002  Patentblatt  2002/44

(21) Anmeldenummer: 02008016.4

(22) Anmeldetag:  10.04.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B05B 12/02, B05D 1/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 25.04.2001 DE 10120272

(71) Anmelder: Dürr Systems GmbH
70435 Stuttgart (DE)

(72) Erfinder:
  • Nolte, Hans-Jürgen, Dr.
    70565 Stuttgart (DE)
  • Herre, Frank
    71739 Oberriexingen (DE)
  • Krumma, Harry
    74357 Bönnigheim (DE)
  • Haas, Jürgen
    75438 Knittlingen (DE)
  • Schwarzwälder, Mathias
    71088 Holzgerlingen (DE)
  • Beuter, Markus
    71732 Tamm (DE)

(74) Vertreter: Heusler, Wolfgang, Dipl.-Ing. 
v. Bezold & Sozien Patentanwälte Akademiestrasse 7
80799 München
80799 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage


(57) Bei einem Verfahren zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstückeinheiten wird vor Beschichtungsbeginn die jeweils benötigte Lackmenge von einem Steuersystem errechnet, das den Betrieb der Beschichtungsmaschine während des anschließenden Beschichtungsvorgangs einschließlich der Bewegungsabläufe simuliert.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und ein System zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage gemäß dem Oberbegriff der unabhängigen Ansprüche. Insbesondere handelt es sich hierbei um die Großserienbeschichtung von Werkstücken wie beispielsweise Fahrzeugkarossen oder Bestand- oder Anbauteilen von Karossen mit häufig wechselnder Farbe unter Verwendung von Lackierrobotern oder anderen programmgesteuerten mehrachsigen Beschichtungsmaschinen.

[0002] Für die Serienbeschichtung von Fahrzeugkarossen oder sonstigen Werkstücken sind Farbversorgungssysteme mit bedarfsabhängig begrenztem Beschichtungsmaterialvorrat der jeweils benötigten Farbe bekannt. Das Beschichtungsmaterial kann aus auswechselbaren und/oder nachfüllbaren Kartuschen oder sonstigen Vorratsbehältern zugeführt werden, deren Inhalt beispielsweise für die Beschichtung eines Karossenteils oder von Karossenanbauteilen oder jedenfalls für einen Beschichtungsvorgang oder für eine vorbestimmte begrenzte Anzahl von Beschichtungsvorgängen bemessen ist (DE 198 58 397, EP 0 796 664, EP 0 796 665 usw.), oder auch aus wechselweise an die Beschichtungsmaschinen anschließbaren, vorzugsweise gemolchten Leitungssystemen (DE 100 33 987). Gemeinsam ist diesen Systemen die volumetrische Dosierung des Beschichtungsmaterials bei der Versorgung der Zerstäuber oder sonstigen Applikationsorgane.

[0003] Bei einem Farbwechsel müssen die Beschichtungsvorrichtungen bekanntlich jeweils gereinigt und gespült werden, was mit Lack- und Spülmittelverlusten verbunden ist.

[0004] Damit sich beispielsweise bei einem Farbwechsel möglichst wenig Lackverluste ergeben, muß der vor einem Beschichtungsvorgang bereitgestellte Lackvorrat möglichst genau dem sich tatsächlich ergebenden Bedarf für die Beschichtung der Werkstücke oder Werkstückteile entsprechen. Der Bedarf ändert sich nicht nur mit den zu beschichtenden Werkstücken, sondern auch mit sonstigen Betriebsbedingungen wie insbesondere den Steuerparametern für die Maschinenbewegungen und Applikationstechnik usw. sowie Art, Farbe und der temperaturabhängigen Viskosität des Beschichtungsmaterials, die ihrerseits mit Änderungen der Betriebssteuerung der Beschichtungsmaschine verbunden sind und die Zeitprogramme verändern können.

[0005] Bisher wurde zur Vorbestimmung der benötigten Lackmenge u.a. einfach die Verbrauchsmenge während der Applikation gemessen und aufgrund des Meßergebnisses eine zuvor relativ groß bemessene Reservemenge entsprechend reduziert. Bei dieser Methode geht jeweils der zunächst gewählte Reserveüberschuß verloren.

[0006] Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der Verbrauchsmenge ist deren Berechnung aufgrund der Drehzahl und Laufzeit der üblicherweise verwendeten volumetrisch arbeitenden Dosierpumpe mit definierten Fördervolumen je Umdrehung oder Hub. Ferner kann man die Verbrauchsmenge aufgrund der Öffnungszeiten des Hauptnadel- oder sonstigen Farbventils des Zerstäubers oder sonstigen Applikationsorgans der Beschichtungsmaschine unter Berücksichtigung der jeweiligen Ausflußgröße berechnen. Die Öffnungszeiten können hierbei entweder durch die in Bezug auf den Förderweg des Werkstücks einprogrammierten Ventilschaltpunkte bestimmt werden oder durch kinematische Formeln, mit denen die Maschinenbewegungen berechnet werden können.

[0007] Bei allen derartigen Berechnungen können sich Fehler gegenüber dem tatsächlichen Materialbedarf ergeben, da die oben erwähnten Änderungen von Parametern und sonstigen Betriebsbedingungen unberücksichtigt bleiben. Insbesondere ist bei den bisher bestehenden Möglichkeiten der Vorbestimmung unbekannt, welche Bewegungsabläufe und Schaltzeiten durch die Maschinensteuerung bei der anschließenden Beschichtung tatsächlich eingestellt werden und welcher tatsächliche Materialverbrauch sich hieraus ergibt.

[0008] Infolgedessen bleibt beim Bereitstellen der Materialmenge bisher in jedem Fall eine unerwünscht hohe Reservemenge notwendig.

[0009] Aufgabe der Erfindung ist, ein Verfahren bzw. System anzugeben, mit dem die für einen Beschichtungsvorgang benötigte Materialmenge noch genauer als bisher vorherbestimmt werden kann.

[0010] Diese Aufgabe wird durch das in den Patentansprüchen angegebene Verfahren gelöst.

[0011] Durch die Erfindung können stets vor Beginn eines Beschichtungsvorgangs mit sich bewegender Maschine und insbesondere auch schon vor Inbetriebnahme (Anlauf) der Beschichtungsanlage die jeweils benötigten Materialmengen mit der größtmöglichen Genauigkeit ermittelt werden, so daß die jeweils erforderlichen Reservemengen und somit der Lackverbrauch auf ein Minimum reduziert werden können, und zwar ohne Farb- und Zeitverluste der oben erwähnten manuellen Meßmethode. Außer beim Anlauf der Anlage ist das u.a. bei Anlagen mit hoher Farbanzahl und/oder bei häufigem Wechseln der Werkstücke, also bei einer hohen Anzahl von Modellvarianten von erheblichem Vorteil.

[0012] Zur Lackmengenberechnung werden erfindungsgemäß die tatsächlichen Betriebsabläufe simuliert und dadurch vorab ermittelt. Insbesondere werden durch die Erfindung Verzögerungen z. B. infolge von Signallaufzeiten berücksichtigt, die sich bei der tatsächlichen Steuerung der Beschichtungsmaschine ergeben. Allgemeiner gesagt, kann jede Änderung der Betriebsbedingungen bei der Vorabberechnung berücksichtigt werden.

[0013] Beispielsweise im Fall eines Lackierroboters kann für die Simulierung die an sich bekannte Robotersteuerung genutzt werden, in der der Bewegungsablauf und die Ventilschaltzeiten in Echtzeit verfolgt werden können und damit die für die Mengenberechnung verwendbaren Zeitpunkte exakt ermittelt werden können, obwohl der Roboter die betreffenden Bewegungen tatsächlich erst später bei der eigentlichen Beschichtung ausführt. Aufgrund der Simulation ist genau bekannt, wann nach einem Ventilöffnungssignal das Beschichtungsmaterial tatsächlich aus dem Zerstäuber austritt, und wann der Materialfluß wieder abgeschaltet wird.

[0014] Es wird also vorab errechnet, welche Zerstäuberbewegungen und Schaltzeiten sich später ergeben. Bei ausreichender Rechenkapazität kann für die Berechnung der Materialmenge die ohnehin vorhandene Robotersteuerung verwendet werden, mit der u.a. die Roboterbewegungen bei der anschließenden Beschichtung gesteuert werden. Die Mengenberechnung für einen späteren Beschichtungsvorgang kann auch schon durchgeführt werden, während der Roboter noch zur Durchführung eines vorhergehenden Beschichtungsvorgangs gesteuert wird. In anderen Fällen kann für die Berechnung der Materialmenge ein zusätzlich zu der Programmsteuerung der Beschichtungsmaschine vorgesehenes System verwendet werden, dem vor Beschichtungsbeginn die selben Programmsteuerdaten zugeführt werden, mit denen später der Beschichtungsvorgang gesteuert wird. Diese Simulationsaufgabe kann je nach Zweckmäßigkeit von einer oder mehreren zusätzlichen im Prinzip beliebigen numerischen Recheneinheiten übernommen werden, bei denen es sich z. B. um einen PC mit Emulation des Betriebssystems der Robotersteuerung (RC) handeln kann. Wichtig ist, daß die Software identisch ist.

[0015] Mit den errechneten Lackmengen können für jedes vorhandene oder zusätzliche Simulationssteuersystem auch zwei oder mehr Beschichtungsanlagen programmiert werden.

[0016] Durch das in Fig. 1 dargestellte Flußdiagramm wird die Erfindung am Beispiel eines Lackierroboters näher erläutert.

[0017] Nach dem Start der Simulationssteuerung wird zunächst die Bahnbewegung des sog. Tool Center Point (TCP) simuliert, womit der Farbaustrittspunkt am Zerstäuber oder allgemeiner gesagt dessen Bahnbewegung gemeint ist. Hierfür, wird in dem verwendeten (im Prinzip beliebigen) Rechner dieselbe Software der Robotersteuerung RC eingesetzt, die auch zur Maschinensteuerung während der tätsächlichen Beschichtung benutzt wird, einschließlich sowohl der Verfahrprogramme als auch der Bewegungssteuersoftware MCU (Motion Control Unit).

[0018] Die Farbmenge wird bei diesem Verfahrensschritt als Produkt aus der programmierten Öffnungsdauer des Hauptnadelventils des Zerstäubers und dem Lackvolumenstrom errechnet, was wegen der angenommenen volumetrischen Dosierung mit der erforderlichen Genauigkeit möglich ist.

[0019] Im 3. Schritt wird dann der errechnete Farbmengenwert unter Berücksichtigung des dynamischen Systemverhaltens, also aller die programmierte Öffnungsdauer wesentlich beeinflussender Parameter korrigiert. Insbesondere handelt es sich hier um die Summe der Verzögerungen durch die verschiedenen Schaltvorgänge und um die Berücksichtigung der Rechendauer der Robotersteuerung während der tatsächlichen Beschichtung. Auch die Signallaufzeiten über das Bussystem, mit dem der Rechner mit den externen Maschinensteuerungen kommuniziert, können als Verzögerungen berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist die real benötigte Farbmenge.

[0020] In Fig. 2 ist die durch die Simulierung ermittelte Gesamtverzögerung aufgrund des Applikationssystems schematisch dargestellt. Das Eingangssignal kann beispielsweise ein elektrisches Signal zum Ansteuern eines Magnetventils sein, das seinerseits nach der durch das System verursachten Verzögerung den Farbauslaß des Zerstäubers öffnet bzw. schließt.

[0021] Die folgenden Figuren sollen die schrittweise verbesserte Genauigkeit der Materialmengenberechnung verdeutlichen.

[0022] Fig. 3 zeigt die theoretische Ventilöffnungsdauer (z. B. des Hauptnadelventils) zwischen der Erzeugung der Schaltsignale zu den Zeiten t0 und t1. Die Berechnung der Materialmenge aufgrund dieses angenommenen Schaltverhaltens wäre relativ ungenau, da u.a. das Bewegungsverhalten des Roboters nicht berücksichtigt ist.

[0023] In Fig. 4 ist die bei der Simulation im Schritt 2. in Fig. 1 zugrunde gelegte Ventilöffnungsdauer dargestellt, die sich von Fig. 3 unterscheiden kann und genauer ist, weil das Bewegungsverhalten und wenigstens die wichtigsten sonstigen den Roboter betreffenden Umstände bei der Simulierung berücksichtigt werden können.

[0024] Fig. 5 zeigt den sich in der Realität beispielsweise ergebenden Verlauf des Farbvolumenstroms, der im Schritt 3. in Fig. 1 zur Korrektur des Simulationsergebnisses verwendet werden kann. Zunächst öffnet das betrachtete Ventil erst nach einer Verzögerungszeit tk, die sich u. a. durch die Signalkommunikation über einen Datenbus usw. zwischen dem Rechner und den Antriebssteuerschaltungen des Roboters ergibt und aus Fachliteratur und/oder aufgrund der jeweiligen Anlagenkonfiguration bekannt ist oder zuvor gemessen werden kann. Während der anschließenden Verzögerungszeit ts wird darstellungsgemäß der volle Volumenstrom entsprechend dem jeweiligen Systemverhalten erreicht, also entsprechend dem in der Systemtechnik auch als "Systemidentifikation" bezeichneten Ansprechverhalten, das durch an sich bekannte Parameterschätzverfahren ermittelt werden kann. Nach einer erneuten Verzögerungszeit t'k sinkt während der Zeit t's der Volumenstrom wieder ab. Alle diese Zeiten werden bei der Korrektur berücksichtigt.

[0025] Wie ersichtlich ist, muß das verwendete Rechnersystem bei der Materialmengenberechnung zwar mit allen aktuellen Parametern z. B. für den Bewegungsantrieb und sonstigen Programmsteuerdaten versorgt werden, hierbei aber keine Verbindung zu den Antriebssteuerschaltungen der Beschichtungsmaschine haben.


Ansprüche

1. Verfahren zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstückeinheiten mit unterschiedlichen Beschichtungsmaterialien,
wobei das Beschichtungsmaterial von einem Versorgungssystem mit bedarfsabhängig bemessenem Materialvorrat, insbesondere volumetrisch dosiert, einer programmgesteuerten Beschichtungsmaschine zugeführt wird,
und wobei vor Beschichtungsbeginn die für den jeweiligen Beschichtungsvorgang benötigte Beschichtungsmaterialmenge vorbestimmt und für den Beschichtungsvorgang bereitgestellt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß die jeweils benötigte Beschichtungsmaterialmenge vor Beschichtungsbeginn von einem Steuersystem errechnet wird, das den Betrieb der Beschichtungsmaschine während des anschließenden Beschichtungsvorgangs einschließlich der Bewegungsabläufe simuliert.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die bei der Simulation errechnete Beschichtungsmenge durch Rechenfaktoren korrigiert wird, mit denen sich in der Realität ergebende bekannte Betriebsbedingungen berücksichtigt werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß für die Berechnung der Materialmenge die Programmsteuerung der Beschichtungsmaschine verwendet wird.
 
4. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß für die Berechnung der Materialmenge ein Rechner verwendet wird, der vor Beschichtungsbeginn durch dieselben Bewegungs- und Applikationssteuerprogramme gesteuert wird, mit denen bei der anschließenden Beschichtung die Beschichtungsmaschine gesteuert wird.
 
5. Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Materialmenge als Produkt aus der Öffnungsdauer eines Auslaßventils des Applikationsorgans der Beschichtungsmaschine und der durch die Maschine gegebenen Größe des Volumenstroms des Beschichtungsmaterials errechnet wird.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die sich ergebenden Verzögerungen beim Öffnen und Schließen des Auslaßventils ermittelt und zur Korrektur der Mengenberechnung verwendet werden.
 
7. Steuersystem zur Betriebssteuerung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstückeinheiten mit unterschiedlichen Beschichtungsmaterialien, in der das Beschichtungsmaterial von einem Versorgungssystem mit bedarfsabhängig bemessenem Materialvorrat, insbesondere volumetrisch dosiert, einer programmgesteuerten Beschichtungsmaschine zugeführt wird,
mit einem Rechner, der vor Beschichtungsbeginn die für den jeweiligen Beschichtungsvorgang benötigte und für den Beschichtungsvorgang bereitgestellte Beschichtungsmaterialmenge vorbestimmt,
dadurch gekennzeichnet, daß der die jeweils benötigte Beschichtungsmaterialmenge vor Beschichtungsbeginn bestimmende Rechner den Betrieb der Beschichtungsmaschine während des anschließenden Beschichtungsvorgangs einschließlich der Bewegungsabläufe simuliert.
 




Zeichnung