[0001] Die Erfindung betrifft ein im Ohr tragbares Hörhilfegerät oder Hörhilfegerät mit
im Ohr tragbarer Otoplastik mit einem Belüftungskanal.
[0002] Der Belüftungskanal, auch als Ventilationsbohrung oder kurz Vent bezeichnet, eines
im Ohr tragbaren Hörhilfegeräts oder eines Hörhilfegeräts mit im Ohr tragbarer Otoplastik
dient der Belüftung des Ohrkanals, dem atmosphärischen Druckausgleich oder zur Verringerung
des Verschlusseffekts (Okklusionseffekt). Dafür ist ein möglichst großer Querschnitt
des Belüftungskanals wünschenswert. Andererseits stellt er einen akustischen Bypass
zum Signalpfad über den Eingangswandler, die Signalverarbeitungseinheit und den Ausgangswandler
des Hörhilfegeräts dar, was insbesondere in einer lauten Schallsituation dazu führen
kann, dass Funktionen des Hörhilfegeräts wie eine besondere Richtwirkung oder eine
Störgeräuschminderung unwirksam werden. Darüber hinaus kommt es vor allem in Schallsituationen
mit einem niedrigen Pegel des Eingangssignals und einer durch die Dynamikkompression
bedingten hohen Verstärkung des Hörhilfegeräts über den Belüftungskanal zu Rückkopplungen
zwischen dem Ausgangswandler und dem Eingangswandler. Auch dieser Effekt ist abhängig
vom Querschnitt des Belüftungskanals. Aus den genannten Gründen resultiert die Forderung
nach einem möglichst kleinen Querschnitt des Belüftungskanals. Die Weite des Belüftungskanals
stellt somit einen Kompromiss zwischen Tragekomfort und Leistungsmerkmalen des Hörhilfegeräts
dar. Sie wird in der Regel bei der Anpassung des Hörhilfegeräts durch Einsetzen von
Hülsen mit unterschiedlichen Bohrungen zur Verengung des Belüftungskanals eingestellt.
[0003] Aus der US 6,339,648 B1 ist ein in einen Gehörgang einsetzbares Teil bekannt. Dieses
Teil kann als Otoplastik in Verbindung mit einem hinter dem Ohr tragbaren Hörgerät,
als Gehörschutzgerät oder als in dem Ohr tragbares Hörgerät ausgebildet sein. Durch
einen ersten Kanal kann das Teil befüllt werden, so dass sich die äußere Form des
Teils individuell an den jeweiligen Gehörgang anpasst. Weiterhin ist ein Belüftungskanal
mit über seinen gesamten Verlauf gleichbleibender Querschnittsfläche vorhanden. Darüber
hinaus ist ein Akustik-Kanal vorhanden, der an einem Ende aufgeweitet ist und dadurch
bei der Ausführung des Teils als Gehörschutzgerät einen Stöpsel und bei der Ausführung
des Teils als Otoplastik einen Schallschlauch aufnehmen kann.
[0004] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, den Belüftungskanal bei einem im Ohr tragbaren
Hörhilfegerät oder einem Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik so weiterzubilden,
dass eine gute Ventilationswirkung erreicht wird und gleichzeitig die Gefahr von Rückkopplungen
durch den Belüftungskanal minimiert wird.
[0005] Diese Aufgabe wird für ein im Ohr tragbares Hörhilfegerät oder Hörhilfegerät mit
im Ohr tragbarer Otoplastik mit einem Belüftungskanal dadurch gelöst, dass der Belüftungskanal
in wenigstens einen ersten und einen zweiten Teilbereich unterteilt ist, wobei der
bei getragenem Hörhilfegerät oder getragener Otoplastik proximale erste Teilbereich
eine erste Querschnittsfläche und eine erste Länge aufweist und der distale zweite
Teilbereich eine kleinere Länge und eine größere Querschnittsfläche im Vergleich zu
dem ersten Teilbereich aufweist.
[0006] In einer Modellvorstellung kann der Belüftungskanal in erster Näherung durch eine
Übertragung des Schalldrucks über eine Masse dargestellt werden. Der Ausgang des Belüftungskanals,
die sog. Ventilationsöffnung, strahlt ein Schallsignal in den freien Raum ab, was
wiederum über eine bewegte Mediumsmasse beschrieben werden kann. Diese massenbehaftete
Aufteilung des anliegenden Schalldrucks ist näherungsweise frequenzunabhängig und
sorgt für eine starke Abstrahlung aus der Ventilationsöffnung.
[0007] Ausgehend von dieser Modellvorstellung kann über eine gezielte Veränderung des Ventilationskanals
die entscheidende bewegte Mediumsmasse der Ventilationsöffnung reduziert werden. Dabei
wirkt durch einen veränderten Querschnitt am Ende des Belüftungskanals bei ansonsten
unverändertem Belüftungskanal eine verringerte Strahlungsimpedanz. Der Vorteil gegenüber
den herkömmlichen Ventilationssystemen besteht in der vermindernden akustischen Abstrahlung
in den Raum. Dies ergibt eine deutlich verbesserte Stabilität der Hörgeräte in der
Praxis und erlaubt zum anderen die Verwendung eines Belüftungskanals mit gegenüber
einem herkömmlichen Hörhilfegerät bzw. einer herkömmlichen Otoplastik in allen Teilbereichen
vergrößerten Querschnittsfläche unter Beibehaltung der Stabilitätsbedingungen.
[0008] Vorteilhaft ist der bei getragenem Hörhilfegerät oder getragener Otoplastik proximale
Teilbereich des Belüftungskanals gemäß der Erfindung wesentlich länger als der distale
Teilbereich mit der vergrößerten Querschnittsfläche. So wird erreicht, dass der Strömungswiderstand
des Belüftungskanals im Wesentlichen unverändert bleibt. In der Praxis hat sich gezeigt,
dass die Länge des ersten Teilbereiches wenigstens die fünffache Länge des zweiten
Teilbereiches aufweisen sollte.
[0009] Bezüglich der Größenverhältnisse der Querschnittsflächen konnte festgestellt werden,
dass die Querschnittsfläche des zweiten Teilbereiches vorteilhaft wenigstens die dreifache
Querschnittsfläche des ersten Teilbereiches aufweist, womit eine wesentliche Reduzierung
der Abstrahlung der von der Ventilationsöffnung abgestrahlten Schallanteile erreicht
wird.
[0010] Eine Ausführungsform der Erfindung sieht vor, dass insbesondere bei längeren Belüftungskanälen
akustische Filterelemente in einem Belüftungskanal angeordnet sind. Längere Belüftungskanäle
bewirken nämlich das Auftreten von Leitungsresonanzen, an denen die akustische Leitfähigkeit
des Belüftungskanals maximiert wird. Durch die akustischen Filterelemente wird das
Auftreten von Resonanzeffekten verhindert. Die Filterelemente können beispielsweise
als Querschnittssprünge oder als in den Belüftungskanal eingebrachte akustische Dämpfungselemente
ausgebildet sein.
[0011] Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels näher beschrieben.
Dabei zeigen:
Figur 1 ein in dem Ohr tragbares Hörhilfegerät mit einem Belüftungskanal nach dem
Stand der Technik und
Figur 2 ein in dem Ohr tragbares Hörhilfegerät mit einem Belüftungskanal gemäß der
Erfindung.
[0012] In Figur 1 ist in schematischer, stark vereinfachter Darstellung ein in dem Gehörgang
1 eines Hörgeräteträgers angeordnetes Hörhilfegerät 2 dargestellt. Ein akustisches
Signal wird dem Ohr des Hörgeräteträgers einerseits über ein Mikrofon 8, eine Signalverarbeitungseinheit
(nicht dargestellt) und einen Hörer 3 mit zugeordnetem Hörerkanal 4 und andererseits
über den Belüftungskanal 5 zugeführt. Der Belüftungskanal 5 stellt somit einen Bypass
zum elektroakustischen Signalpfad durch das Hörhilfegerät 2 dar. In bestimmten akustischen
Situationen, z.B. bei geringer akustischer Verstärkung des Hörhilfegeräts aufgrund
einer lauten Schallumgebung, ist dieser Bypass gegenüber dem Signalpfad durch das
Hörhilfegerät dominierend. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Funktionen des Hörhilfegeräts,
wie z.B. eine gewünschte Richtwirkung oder eine Störgeräuschminderung, nurmehr eingeschränkt
ausgeführt werden können. Darüber hinaus kann es durch den Belüftungskanal 5 auch
zu Rückkopplungen zwischen dem Hörer 3 und dem Mikrofon 8 kommen. Die von dem Mikrofon
8 aufgenommenen und in elektrische Signale umgewandelten akustischen Eingangssignale
werden durch die Signalverarbeitungseinheit geleitet und anschließend einem Hörer
3 zugeführt. Dieser strahlt wiederum über den Hörerkanal 4 akustische Signale in den
Ohrkanal 1 ab. Über die proximale Ventilationsöffnung 7 und den Belüftungskanal 5
gelangen diese akustischen Signale teilweise wieder in den Außenraum und erreichen
nach der Abstrahlung von der distalen Ventilationsöffnung 6 das Mikrofon 8. Der Rückkopplungspfad
ist so geschlossen. Daher sollte der Belüftungskanal 5 lediglich eine verhältnismäßig
kleine Querschnittsfläche aufweisen. Dies verschlechtert jedoch die Belüftung des
durch das Hörhilfegerät 2 abgeschlossenen Teils des Ohrkanals 1.
[0013] Figur 2 zeigt ebenfalls ein im Ohr tragbares Hörhilfegerät 2, das sich in dem Ohrkanal
1 eines Hörgeräteträgers befindet. Hierbei ist jedoch der Belüftungskanal gemäß der
Erfindung dahingehend abgewandelt, dass ein dem Kopf abgewandter zweiter Teilbereich
5B des Belüftungskanals gegenüber einem ersten, dem Kopf zugewandten Teilbereich 5A
aufgeweitet ist, womit der zweite Teilbereich 5B eine gegenüber dem ersten Teilbereich
5A vergrößerte Querschnittsfläche aufweist. Die Längenverhältnisse der Teilbereiche
sind dabei vorzugsweise so bemessen, dass der Teilbereich 5A wesentlich länger als
der Teilbereich 5B ist. Dadurch ist gewährleistet, dass der Strömungswiderstand des
Belüftungskanals im Wesentlichen dem Strömungswiderstand des Teilbereiches 5A entspricht.
Durch die Veränderung des Belüftungskanals im Bereich der distalen Ventilationsöffnung
6 wird erreicht, dass die entscheidende bewegte Mediumsmasse dieser Ventilationsöffnung
6 reduziert ist. Durch den veränderten Querschnitt an dem dem Kopf abgewandten Ende
des Belüftungskanals wird bei ansonsten unverändertem Kanal eine verringerte Strahlungsimpedanz
erreicht. Dies bewirkt, dass der Schalldruck des über den Hörer 3 abgegebenen und
über den Hörerkanal 4 und den Belüftungskanal 5A, 5B wieder zum Mikrofon 8 gelangenden
Signals gegenüber dem Schalldruck eines vergleichbaren Signals bei einem Hörhilfegerät
mit einem herkömmlichen Belüftungskanal reduziert ist. Die Rückkopplungsneigung des
Hörhilfegeräts ist dadurch vermindert. Insgesamt kann dadurch die Bandbreite der durch
das Hörhilfegerät 2 gemäß der Erfindung übertragbaren akustischen Signale in Richtung
höherer Frequenzen erweitert werden. Weiterhin kann der gesamte Querschnitt des Belüftungskanals
gegenüber dem Querschnitt eines Belüftungskanals bei einem herkömmlichen Hörhilfegerät
erweitert werden, ohne dass hierbei die Rückkopplungsneigung des Hörhilfegerätes zunimmt.
[0014] Als weitere Möglichkeit zur Verringerung des Anteils der akustischen Energie, die
über den Belüftungskanal in die freie Umgebung abgestrahlt und von dem Mikrofon erneut
aufgenommen werden kann, ist bei dem Hörhilfegerät 2 gemäß Figur 2 ein akustischer
Dämpfer in dem Belüftungskanal vorhanden. Dadurch wird das Auftreten von Resonanzeffekten
in dem Belüftungskanal verhindert.
1. Im Ohr tragbares Hörhilfegerät (2) oder Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik
mit einem Belüftungskanal (5),
dadurch gekennzeichnet, dass der Belüftungskanal (5) in wenigstens einen ersten und einen zweiten Teilbereich
unterteilt ist, wobei der bei getragenem Hörhilfegerät oder getragener Otoplastik
proximale erste Teilbereich (5A) eine erste Querschnittsfläche und eine erste Länge
aufweist und der distale zweite Teilbereich (5B) eine kleinere Länge und eine größere
Querschnittsfläche im Vergleich zu dem ersten Teilbereich (5A) aufweist.
2. Im Ohr tragbares Hörhilfegerät (2) oder Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik
nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass der erste Teilbereich (5A) wenigstens die fünffache Länge des zweiten Teilbereiches
(5B) aufweist.
3. Im Ohr tragbares Hörhilfegerät (2) oder Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik
nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass der zweite Teilbereich (5B) wenigstens die dreifache Querschnittsfläche des ersten
Teilbereiches (5A) aufweist.
4. Im Ohr tragbares Hörhilfegerät (2) oder Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik
nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass der erste Teilbereich (5A) in die proximale Ventilationsöffnung (7) und der zweite
Teilbereich (5B) in die distale Ventilationsöffnung (6) des Belüftungskanals (5A,
5B) mündet.
5. Im Ohr tragbares Hörhilfegerät (2) oder Hörhilfegerät mit im Ohr tragbarer Otoplastik
nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass in dem Belüftungskanal (5A, 5B) ein akustisches Filterelement (9) angeordnet ist.