(19)
(11) EP 1 517 107 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.03.2005  Patentblatt  2005/12

(21) Anmeldenummer: 04020371.3

(22) Anmeldetag:  27.08.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F27B 9/40, F27D 19/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL HR LT LV MK

(30) Priorität: 17.09.2003 AT 14572003

(71) Anmelder: Voest-Alpine Industrieanlagenbau GmbH & Co.
4031 Linz (AT)

(72) Erfinder:
  • Rosenthaler, Maximilian
    4312 Katsdorf (AT)
  • Schutti, Alfred Hans
    4650 Edt bei Lambach (AT)
  • Lichtenwagner, Manfred
    4644 Scharnstein (AT)
  • Auzinger, Dietmar
    4203 Altenberg (AT)

(74) Vertreter: VA TECH Patente GmbH & Co 
Penzinger Strasse 76
1141 Wien
1141 Wien (AT)

   


(54) Verfahren zum optimalen Betrieb eines Erwärmungsofens


(57) Gezeigt wird ein Verfahren zur Optimierung eines Erwärmungsofens, insbesondere eines Stoßofens oder eines Hubbalkenofens, zur Weiterbehandlung von Walzgut. Neu ist am Verfahren, dass eine Zielfunktion gebildet wird, die unter Einbeziehung zumindest eines mathematischen Modells als Nebenbedingung einer mathematischen Optimierung unterworten wird, und die auf diese Art bestimmten Funktionswerte der Zielfunktion zur Steuerung der Ofenfahrweise verwendet werden.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Optimierung eines Erwärmungsofens, insbesondere eines Stoßofens oder eines Hubbalkenofens, zur Weiterbehandlung von Walzgut.

[0002] Bekannte Verfahren zur Steuerung von Erwärmungsöfen verwenden für jede Bramme einen Sollerwärmungsverlauf als Sollerwärmungskurve dargestellt, d.h. dass der Erwärmungsverlauf im Ofen schon beim Eintrag der Bramme vorbestimmt ist. Zu jeder Position der Ofenreise wird dann versucht die Brammentemperatur so weit als möglich an die aktuelle Solltemperatur anzugleichen. Dafür werden Temperatursollwerte für die verschiedenen Zonen des Ofens berechnet, in denen sich mehrere Brammen befinden können. Die Austragezeitpunkte sind durch ein übergeordnetes System meist schon vorbestimmt.

[0003] Nachteilig an diesen Verfahren ist vor allem, dass Sonderfälle, wie Ofenstörungen oder der gemischte Einsatz von warmen und kalten Brammen (Warm- bzw. Kalteinsatz) durch die Sollerwärmungskurven nicht oder nur sehr ungenügend unter großen Kompromissen abgebildet werden können.

[0004] Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Verfahren zur Steuerung von Erwärmungsöfen zu entwickeln, das einen, gegenüber dem Stand der Technik, verbesserten, optimalen Betrieb, unter Berücksichtigung von technologischen Bedingungen, ermöglicht.

[0005] Die Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Zielfunktion gebildet wird, die unter Einbeziehung zumindest eines mathematischen Modells als Nebenbedingung einer mathematischen Optimierung, wie z. B. einer Extremwertbildung, unterworfen wird, und die auf diese Art bestimmten Funktionswerte der Zielfunktion zur Steuerung der Ofenfahrweise verwendet werden.

[0006] Neu an dieser Erfindung ist, dass nicht nur gültige Sollwerte berechnet werden, sondern dass die Sollwerte, wie etwa für Ofentemperatur und/ oder Austragezeit, durch eine mathematische Optimierung gefunden werden, wobei die Optimierung nach verschiedenen Kriterien möglich ist.

[0007] Neu an dieser Erfindung ist ebenfalls, dass nicht nur das Walzgut, wie z.B. Brammen, das sich bereits im Ofen befindet, für das also der Erwärmvorgang bereits begonnen hat, sondern auch Walzgut, das sich noch vor dem Ofen befindet, berücksichtigt wird.

[0008] Eine mögliche Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird dadurch erreicht, dass die Zielfunktion eine Funktion von Zustandsvariablen des Walzguts, wie die Walzgutoberflächentemperatur oder die Temperaturverteilung, und/ oder von Kontrollvariablen, wie die Stückfolgezeit oder die Ofentemperatur einzelner Ofenzonen, ist. Durch die Berücksichtigung der Zustandsvariablen wird einerseits der ist-Zustand des Ofens weitgehend erfasst und andererseits sichergestellt, dass über die ermittelte Zielfunktion eine optimale Steuerung erreicht wird.

[0009] Nach einer weiteren Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird durch die Optimierung eine Maximierung des Ofendurchsatzes erzielt. Damit lassen sich Ofenaggregate sehr effizient und wirtschaftlich betreiben.

[0010] Eine alternative Ausgestaltung dazu sieht eine Optimierung hinsichtlich einer Minimierung des Energiebedarfs des Ofens vor. Durch diese Vorgehensweise können Öfen entsprechend der anlagentechnischen Gegebenheiten bzw. der Produktionserfordernisse hinsichtlich ihrer Fahrweise, also z.B. der Ofenbetriebsparameter, angepasst werden. Es wird dadurch ein besonders wirtschaftlicher Betrieb und damit einhergehend eine Reduktion von Prozesskosten, bezogen auf das Walzgut, erreicht. Da die Energiekosten für die Erwärmung einen hohen Anteil an den Produktionskosten je Gewichtseinheit erzeugtes Walzgut haben, können so sehr hohe Einsparungen erzielt werden.

[0011] Nach einer bevorzugten Ausführung der Erfindung werden mit dem erfindungsgemäßen Verfahren die Ofentemperatursollwerte und die Austragezeiten berechnet. Durch diese Berechnung gelingt es, unmittelbar für die Steuerung des Ofens verwertbare Größen zu ermitteln.

[0012] Nach einer weiteren Ausführung der Erfindung werden mit dem erfindungsgemäßen Verfahren Sollwerte für Brenngasmengen und Luftmengen berechnet. Mit Hilfe physikalischer Modelle zu den Erwärmungsöfen, Modelle der Strömungsverhältnisse und der Kenntnis der Energie der Gase kann die Ofentemperatur berechnet werden, die dann wieder Grundlage für den Erwärmungsprozess ist.

[0013] Eine besondere Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass zumindest eine an die Sollwerte in Form eines Grenzwerts gestellte Bedingung bei der Optimierung als Nebenbedingung berücksichtigt wird. Durch dieses Merkmal, werden auf einfache Weise anlagentechnische oder technologische Grenzwerte in die Optimierung einbezogen. Die Nebenbedingung wird mathematisch als Ungleichung dargestellt.

[0014] Eine weitere Ausführung der Erfindung sieht vor, dass zumindest eine Bedingung, die einen fixierten Wert für eine Kontroll- oder Zustandsvariable angibt, bei der Optimierung als Nebenbedingung berücksichtigt wird, wodurch in einfacher Art und Weise Fixgrößen Berücksichtigung finden.

[0015] Eine mögliche Ausführung der Erfindung verwendet als Optimierungsalgorithmus ein Verfahren zur sequentiellen quadratischen Optimierung, wie z.B. das Verfahren nach Schittkowski. Dieses Optimierungsverfahren, siehe z.B.:
  • Schittkowski Klaus: "On the Convergence of a Sequential Quadratic Programming Method with Augmented Lagrangian Line Search Funktion", Math. Operationsforschung und Statistik, Ser. Optimization, Vol. 14(1983) No.2, Seiten 197-216)
hat den Vorteil, dass es gute Konvergenzeigenschaften besitzt. Außerdem findet es sehr rasch eine zulässige Lösung, sodass auch bei vorzeitigem Abbruch des Optimierungsverfahrens bereits eine gute Näherung zur Verfügung steht.

[0016] Für die Lösung, der aus dem Verfahren nach Schittkowski bestimmten quadratischen Hilfsprobleme, kann die Methode von Gill und Murray verwendet werden:
  • Gill P., Murray: "Numerically Stable Methods for Quadratic Programming", Mathematical Programming 14 (1978), Seiten 349-372).


[0017] Eine besondere Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass im Falle der Unlösbarkeit der mathematischen Optimierung unter vorgegebenen Nebenbedingungen, die Lösung mit der kleinsten Verletzung der Nebenbedingungen, insbesondere der Grenzwert-bezogenen Nebenbedingungen, berechnet wird. Dadurch wird erreicht, dass optimierte Sollwerte ermittelt werden, die nur sehr wenig von den vorgegebenen Bedingungen abweichen.

[0018] Nach einer weiteren Ausführung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine Prioritätenreihenfolge der aufzugebenden Nebenbedingungen und/ oder alternativen Nebenbedingungen vorgegeben. Damit ist es möglich, das Verfahren sehr individuell an die Gegebenheiten anzupassen und Optima sicher zu finden.

[0019] Entsprechend einer speziellen Ausführung der Erfindung wird die Optimierung offline zur Berechnung von Durchsatzzeiten für zeitlich nachfolgende Ofenbelegungen durchgeführt. Diese berechneten Durchsatzzeiten können beispielsweise zur Auslegung von Anlagen oder zur Walzprogrammerstellung herangezogen werden.

[0020] Nach einer weiteren, speziellen Ausführung der Erfindung wird die Optimierung online und zwar unmittelbar vor und/ oder während des Erwärmungsvorganges durchgeführt und die Ergebnisse der Optimierung zur Steuerung des Erwärmungsvorganges verwendet. Dabei kann während des Erwärmungsvorganges, unter Verwendung aktueller Messwerte des Ofens, die Optimierung zur Berechnung von Sollwerten für die Steuerung des Erwärmungsvorganges verwendet werden.

[0021] Nach einer anderen Ausführung der Erfindung wird die Optimierung online durchgeführt und die Ergebnisse für die Optimierung der Ziehreihenfolge und/ oder der Einstoßreihenfolge eingesetzt. Damit kann eine weitere Verbesserung des Ofenbetriebes bzw. des Erwärmungsvorganges erreicht werden. Nach einer vereinfachten Variante dazu kann die Ermittlung der Ziehreihenfolge bzw. der Einstoßreihenfolge auch in einer Offline-Version durchgeführt werden.

[0022] Nach einer weiteren, speziellen Ausführung der Erfindung werden als Startlösung für die Optimierung Werte, also Ofenparameter, mit ähnlicher Charakteristik verwendet. Beispielsweise können im kontinuierlichen Betrieb des Ofens die Ergebnisse der letzten Optimierung als Startwerte verwendet werden.

[0023] Nach einer weiteren, speziellen Ausführung der Erfindung wird das erfindungsgemäße Verfahren zur Steuerung mehrerer Erwärmungsöfen, insbesondere mit unterschiedlichen Ofentypen, eingesetzt. Damit können z.B. zwei Stoßöfen und ein Hubbalkenofen im gemeinsamen Betrieb optimiert werden. Dies ist ein wesentlicher Vorteil der Erfindung, da derartige Anlagenkonfigurationen häufig vorkommen und daher technisch beherrscht werden müssen.

[0024] Bei der gemeinsamen Optimierung mehrerer Öfen wird von einer bekannten Ziehreihenfolge ausgegangen. Jede Bramme besitzt ihren eigenen Parametersatz (z.B. Ofentemperatur, bzw. weiteren Parametern), der vom jeweiligen Ofen bestimmt ist. Ein Zusammenhang zwischen mehreren Erwärmungsöfen ergibt sich durch die Ziehreihenfolge, da alle nachfolgenden Brammen über die Austragezeitpunkte einer vorhergehenden Bramme beeinflusst werden. Für das nachfolgende Prozessaggregat, wie z.B. einem Warmwalzwerk, ist es nötig eine bestimmte Brammenfolge, die einem Walzprogramm genügen muss, sicherzustellen.

[0025] Für die Optimierungsaufgabe ändert sich durch die Optimierung mehrerer Erwärmungsöfen nur die Dimension, die Zielfunktion bleibt im Sinne unverändert.

[0026] Nach einer weiteren möglichen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die Optimierung, im Falle geplanter oder auch ungeplanter Störungen, zur Maximierung des Ofendurchsatzes oder zur Minimierung des Energiebedarfs durchgeführt, wobei die Optimierung unter Verwendung wenigstens einer Störgröße erneut erfolgt. Entsprechend der zu lösenden Aufgabe kann das erfindungsgemäße Verfahren angewendet werden, wobei diese Flexibilität in der betrieblichen Praxis große Vorteile bietet. Geplante Störungen sind z.B. Walzenwechsel in einem nachfolgenden Walzwerk. Diese können zumindest großteils vorab geplant und auch in der Ofenfahrweise berücksichtigt werden. Durch die Optimierung können z.B. mittels Vorausberechnung die Stückfolgezeiten für das Ziehen des Walzguts ermittelt und optimiert werden.

[0027] Ungeplante Störungen können z.B. sein:
  • ein Ausfall in einem nach geschalteten Prozessaggregat, wie z.B. dem Warmwalzwerk, sodass ein Austrag des Walzguts erst nach der Behebung des Ausfalls möglich ist.
  • eine Ofensteuerung, die dazu führt, dass einer der Öfen einer Produktionsanlage ausfällt
  • eine Störung im Ofen, die dazu führt, dass die Solltemperatur nicht eingehalten werden kann.


[0028] Derartige Störungen können in der Optimierung berücksichtigt werden, wobei über die Störung charakterisierende Störgrößen eine neue Optimierung für die geänderte Situation durchgeführt wird. Im Falle einer Störung im nachfolgenden Warmwalzwerk wird z.B. die zu erwartenden Dauer der Störung bei der Optimierung berücksichtigt. Bei längeren Störungen kann dies zu einer Absenkung der Ofentemperatur und damit zu einer Energieeinsparung führen.

[0029] Bei Ausfall eines Ofens, etwa durch einen technischen Defekt, wird z.B. auf Basis dieser Situation die Ziehreihenfolge für das Walzgut neu berechnet, sodass eine Synchronisation mit dem Walzprogramm erreicht wird. Liegt nur ein eingeschränkter Ofenbetrieb vor, wird unter Berücksichtigung von Art und Dauer der Störung, also unter Berücksichtigung einer geringeren max. Ofentemperatur eine Optimierung und Vorausberechnung durchgeführt.

[0030] Nach einer anderen möglichen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden bei der Optimierung, unter Verwendung eines Modells zur Ermittlung diverser Emissionen, diese Emissionen in der Zielfunktion und/ oder als Nebenbedingung berücksichtigt. Emissionen sind hinsichtlich der geltenden Umweltauflagen, die Grenzwerte definieren, einzuhalten. Derartige Emissionen sind z. B. Anteile und/ oder absolute Mengen von Schwefeloxiden, Stickoxiden, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid usw. im Abgas.

[0031] Die Emissionen können aus der Kenntnis der chemischen Zusammensetzung und der Betriebsparameter berechnet werden. Eine weitere Möglichkeit der Ermittlung der Emissionen basiert auf den Emissionswerten der Vergangenheit und den aktuellen Ofenparametern. Mit Hilfe dieser Werte kann eine Prognose berechnet werden.

[0032] Eine mögliche Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass die Optimierung kritisches Walzgut ermittelt, sodass Steuerungsvorgaben für die Ziehtemperatur oder weiteren Nebenbedingungen für das kritische Walzgut angepasst werden können. Diese Vorgaben können z.B. für die Steuerung oder als Information für das Bedienpersonal des Erwärmungsofens herangezogen werden. Als kritisches Walzgut, wie z.B. kritische Brammen, sind solche zu verstehen, für die die Nebenbedingungen am schwierigsten einzuhalten sind. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass die Einhaltung der Grenzwerte für kritisches Walzgut einen starken Einfluss auf die Zielfunktion hat, diese also stark verändert. Ein kritische Bramme wäre z.B. eine kalt eingesetzte Bramme zwischen warm eingesetzten Brammen.

[0033] Nach einer zusätzlichen, möglichen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird kritisches Walzgut, das sich noch vor dem Ofeneintrag befindet, ermittelt und die Optimierung auf Basis einer berechneten Zielfunktion, unter Ausscheidung des kritischen Walzguts durchgeführt, wobei die Ausscheidung z.B. einer Bramme auf Basis bewerteter Kosten für den Ausfall dieser Bramme erfolgt. Dabei werden die Auswirkungen hinsichtlich der Produktionskosten z.B. zwischen der Beibehaltung einer Ziehreihenfolge und einer Umplanung dieser verglichen, wobei diese Veränderungen bei den Produktionskosten in die Entscheidung, umzuplanen oder nicht, mit einbezogen werden. Insbesondere wirtschaftliche und technologische Kriterien finden damit Berücksichtigung und ermöglichen für den Betreiber eine besonders wirtschaftliche Betriebsweise des Erwärmungsofens.

[0034] Nach einer weiteren Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird zur Adaption des mathematischen Modells, um eine höhere Modellgenauigkeit zu erreichen, zumindest eine Temperaturmessung herangezogen, wobei die Temperatur beim Ofenaustrag und/oder in der Vorstrasse, verbunden mit einer Rückrechnung auf die Austragetemperatur, verwendet wird. Durch die erhöhte Modellgenauigkeit ist ein noch höheres Optimierungspotential erreichbar.

[0035] Zur beispielhaften Beschreibung der Erfindung sind folgende Darstellungen vorgesehen:

Fig. 1: Schematische Darstellung der Brammenbewegung und des zeitlichen Ablaufs

Fig. 2: Schematische Darstellung eines Ofens



[0036] Die Erfindung soll anhand eines Stoßofens 1 zur Erwärmung von Brammen 2 (siehe Fig. 2) erläutert werden: Der Stoßofen 1 besitzt eine Anzahl von z beheizten Zonen, Im konkreten Fall sind es fünf:
  • Vorheizzone 3 (oben/ unten),
  • Heizzone 4 (oben/ unten) und Ausgleichszone 5 (nur oben).


[0037] In der Konvektivzone 6 werden die eintretenden Brammen vom ausströmenden Gas der Vorheizzone 3 und der Heizzone 4 vorgewärmt, bevor sie in die beheizten Zonen eintreten. Die in den Ofen 1 eintretenden Brammen 2 weisen eine Temperatur TE auf. Die Brammen 2 sollen nach dem Erwärmvorgang eine Temperatur TA aufweisen. Die Austragreihenfolge der Brammen 2 ist z.B. durch die Einstoßreihenfolge festgelegt. Jede Bramme kann zu jedem Zeitpunkt durch die Zustandsvariable

T: Temperaturverteilung (z.B. 2-dimensional, über Dicke und Breite od. Länge) beschrieben werden.



[0038] Die Ofenlängsrichtung wird mit x bezeichnet, wobei x = 0 bei der Einstoßofenkante angesetzt wird. Das bedeutet, dass Brammen im Ofen positive x-Werte und Brammen vor dem Ofen, also im Vorlauf, negative x-Werte besitzen.

[0039] Die Prozesszeit wird mit dem Symbol t bezeichnet, wobei t=0 jenen Zeitpunkt kennzeichnet, der der letzten Temperaturberechnung der Brammen entspricht. Die Temperatur der Brammen wird zyklisch und/ oder bei jeder Bewegung der Brammensäule, also der Gesamtzahl der Brammen vor dem bzw. im Ofen, mit Hilfe von Messwerten, wie z.B. der Umgebungstemperatur, der Ofentemperatur oder auch Brenngasmengen berechnet. Zum Zeitpunkt t=0 hat jede Bramme eine definierte Temperaturverteilung und eine eindeutige Temperatur, die einem gewichteten Mittelwert aus der Temperaturverteilung entspricht. Aufgrund der Bewegung der Bramme i ergibt sich der in Fig. 1 näher dargestellte Zusammenhang zwischen der Position x, und dem Zeitpunkt t, wobei:

τi: Zeitpunkt, zu dem die Bramme i an die Austrageposition geschoben wird,

ξki: Position der Bramme i zur Zeit [τk-1 , τk],

ski: Vorschubzeitintervall

z.B. Bramme i: Temperatur Ti und Position ξ

.



[0040] Die verbleibende Verweilzeit im Ofen ist durch die Austragezeiten, wie Ai, Ai+1, der vorhergehenden Brammen bestimmt, da bei jedem Austrag einer Bramme, die Bramme i nach vorne rückt (siehe Fig. 1 und 2)

[0041] Es werden n Brammen betrachtet, wobei nicht alle notwendigerweise im Ofen sind. Jede Bramme i ≤ n hat noch i-1 Stufen bis zum Austrag 7, die mit der Laufvariablen ki bezeichnet werden. In jeder Stufe k wird der Zustand der Bramme unter dem Einfluss von Kontrollvariablen, wie etwa der Ofentemperatur, vom Zustand k auf den Zustand k+1, geändert.

[0042] Die Zustandsvariablen, die durch die Laufvariable k gekennzeichnet sind, beschreiben die Eintrittsparameter bei Eintritt in die Stufe k. Die Zustandsvariablen, die durch die Laufvariable k+1 gekennzeichnet sind, beschreiben die Austrittsparameter bei Austritt aus der Stufe k und gleichzeitig die Eintrittsparameter bei Eintritt in die Stufe (k+1).

[0043] Die Zustandsvariablen, die durch die Laufvariable k = n gekennzeichnet sind, stellen die Austrittsparameter bei Austritt aus der letzten Stufe dar, wenn der Austrag der Bramme als letzte Stufe betrachtet wird. Der Übergang vom Zustand ki auf den Zustand ki+1 wird durch ein Modell in Form von Gleichungen beschrieben.

[0044] Die Änderung der Zustandsvariablen durch die Einwirkung der Ofentemperatur kann in allen Stufen von einem Erwärmungsmodell, wie z.B. nach:

Dr. Ing. J. Henri Brunklaus: "Industrieöfen, Bau und Betrieb", Vulkan Verlag, 1979, 4. Auflage, Seiten 72-96,

beschrieben werden, wobei zu allen Stufen ein eigener Satz von Parametern pk gehört, der die Eigenschaften des Ofens, wie Strahlung und Konvektion, enthält.

[0045] Das Erwärmungsmodell hängt neben den Zustandsvariablen T auch von den Kontrollvariablen
  • Ofentemperatur Tofen(z) für jede aktiv beheizte Zone
  • Stückfolgezeit [τk-1 , τk] -> ski
der jeweiligen Stufe ab. Das Erwärmungsmodell enthält folgende Teilmodelle:
  • Strahlungsmodell
  • Konvektionsmodell
  • Wärmeleitungsmodell
und lässt sich beschreiben als

mit xi(t) Position der Bramme i zum Zeitpunkt t
Z(xi(t),t) Ofenparameter an der Stelle x zum Zeitpunkt t

[0046] Das Erwärmungsmodell enthält die zugehörigen Materialgesetze der Brammen.

[0047] Das Modell kann nur für sinnvolle Kombinationen von Zustands- und Kontrollvariablen ausgewertet werden:






[0048] Ziel des Verfahrens ist es, Sollwerte für die Ofentemperatur Tofen und die Austragezeiten Ai zu finden, die die Bedingungen










erfüllen, also aus der vorgegebenen Anfangstemperatur das Erreichen der vorgegebenen Endtemperatur gewährleistet, wobei Grenzwerte für die Temperaturgradienten (Oberfläche oben - Kern, Oberfläche oben - Oberfläche unten) und maximale Oberflächentemperaturen nicht überschritten werden und Grenzwerte für die Summe einzelner Stückfolgezeiten eingehalten werden.

[0049] Dazu wird eine nach den Variablen stetig differenzierbare Zielfunktion ermittelt, mit der allgemeinen Form

x bezeichnet die Zustandsvariablen, wie T, und y die Kontrollvariablen, wie Tofen, und t die Austragezeiten. Jede Bramme liefert einen Beitrag, wobei alle Beiträge zur Zielfunktion addiert werden.

[0050] Die Optimierungsaufgabe besteht darin, die Zielfunktion zu minimieren unter den Nebenbedingungen
  • ck(xk, yk) = 0, siehe Gleichung (1)
  • dk(xk, yk) ≥ 0, siehe Gleichungen (2) - (8)
  • xk = vk wobei vk für die Werte der fixierten Zustandsvariablen T steht, so kann z.B. die Oberflächentemperatur für bestimmte Stufen k festgelegt werden.
  • xk = wk, wobei wk für die Werte der fixierten Kontrollvariable y steht, so kann z.B. die Ofentemperatur für bestimmte Stufen k festgelegt werden.


[0051] Je nach Definition der Zielfunktion können die Sollwerte für einen Erwärmungsvorgang mit maximalem Durchsatz oder mit minimaler Energie berechnet werden. Mit den Gewichtungsfaktoren α und β sind auch Kombinationen daraus zu berechnen.

[0052] Die durch die Optimierung bestimmten Sollwerte für die Temperatur, in den verschiedenen Zonen des Ofens und die Sollwerte für die Austragezeiten, stellen optimale Werte dar.

[0053] Kann aufgrund der vorgegebenen Nebenbedingungen des Optimierungsproblems bei einmaliger Durchführung des Optimierungsverfahrens keine Lösung gefunden werden, wird als nächster Schritt zumindest eine Nebenbedingung geändert, etwa ein Grenzwert oder ein fix vorgegebener Wert für eine Kontrollvariable, und mit dieser veränderten Nebenbedingung erneut eine Optimierung durchgeführt. Dabei kann vorgegeben werden, welche Nebenbedingung zuerst und in welchem Ausmaß diese verändert werden soll. Wenn erneut keine gültige Lösung gefunden werden kann, wird das Optimierungsverfahren unter Veränderung zumindest einer Nebenbedingung wiederholt.

[0054] Das Verfahren kann in allen Erwärmungsöfen unabhängig vom Ofentyp, so beispielsweise in Stoßöfen und Hubbalkenöfen, für die Optimierung der Erwärmung von Brammen, Knüppeln und dergleichen eingesetzt werden.


Ansprüche

1. Verfahren zur Optimierung eines Erwärmungsofens, insbesondere eines Stoßofens oder eines Hubbalkenofens, zur Weiterbehandlung von Walzgut, dadurch gekennzeichnet, dass eine Zielfunktion gebildet wird, die unter Einbeziehung zumindest eines mathematischen Modells als Nebenbedingung einer mathematischen Optimierung, wie z. B. einer Extremwertbildung, unterworfen wird, und die auf diese Art bestimmten Funktionswerte der Zielfunktion zur Steuerung der Ofenfahrweise verwendet werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Zielfunktion eine Funktion von Zustandsvariablen des Walzguts, wie die Walzgutoberflächentemperatur oder die Temperaturverteilung, und/ oder von Kontrollvariablen, wie die Stückfolgezeit oder die Ofentemperatur einzelner Ofenzonen, ist.
 
3. Verfahren einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung eine Maximierung des Ofendurchsatzes bewirkt.
 
4. Verfahren einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung eine Minimierung des Energiebedarfs des Ofens bewirkt.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass mit dem Verfahren Ofentemperatursollwerte und Austragezeiten berechnet werden.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass mit dem Verfahren Sollwerte für Brenngasmengen und Luftmengen berechnet werden.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine an die Sollwerte in Form eines Grenzwerts gestellte Bedingung bei der Optimierung als Nebenbedingung berücksichtigt wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine Bedingung, die einen fixierten Wert für eine Kontroll- oder Zustandsvariable angibt, bei der Optimierung als Nebenbedingung berücksichtigt wird.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass als Optimierungsalgorithmus ein Verfahren zur sequentiellen quadratischen Optimierung, wie z.B. das Verfahren nach Schittkowski, verwendet wird.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass im Falle der Unlösbarkeit der mathematischen Optimierung unter vorgegebenen Nebenbedingungen die Lösung mit der kleinsten Verletzung der Nebenbedingungen, insbesondere der Grenzwert-bezogenen Nebenbedingungen, berechnet wird.
 
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass eine Prioritätenreihenfolge der aufzugebenden Nebenbedingungen und/ oder alternativen Nebenbedingungen vorgegeben wird.
 
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung offline zur Berechnung von Durchsatzzeiten für zeitlich nachfolgende Ofenbelegungen durchgeführt wird.
 
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung online unmittelbar vor und/ oder während des Erwärmungsvorganges durchgeführt und die Ergebnisse der Optimierung zur Steuerung des Erwärmungsvorganges verwendet werden.
 
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung online durchgeführt und die Ergebnisse für die Optimierung der Ziehreihenfolge und/ oder der Einstoßreihenfolge eingesetzt werden.
 
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass als Startlösung für die Optimierung Ofenparameter mit ähnlicher Charakteristik verwendet werden.
 
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren zur Steuerung mehrerer Erwärmungsöfen, insbesondere mit unterschiedlichen Ofentypen, eingesetzt wird.
 
17. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung bei geplanten und/ oder bei ungeplanten Störungen unter Verwendung zumindest einer Störgröße erneut durchgeführt wird, zur Maximierung des Ofendurchsatzes und/ oder zur Minimierung des Energiebedarfs.
 
18. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 17, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Optimierung, unter Verwendung eines Modells zur Ermittlung diverser Emissionen, diese Emissionen in der Zielfunktion und/ oder als Nebenbedingung berücksichtigt werden.
 
19. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass die Optimierung kritisches Walzgut ermittelt, damit Steuerungsvorgaben, wie für die Ziehtemperatur oder weiteren Nebenbedingungen, für das kritische Walzgut angepasst werden können.
 
20. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 19, dadurch gekennzeichnet, dass kritisches Walzgut, das sich noch vor dem Ofeneintrag befinden, ermittelt wird und die Optimierung auf Basis einer berechneten Zielfunktion, unter Ausscheidung des kritischen Walzguts erfolgt, wobei die Ausscheidung einer Bramme auf Basis bewerteter Kosten für den Ausfall des Walzguts erfolgt.
 
21. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 20, dadurch gekennzeichnet, dass zur Adaption des mathematischen Modells, zum Zwecke einer Erhöhung der Modellgenauigkeit, zumindest eine Temperaturmessung herangezogen wird, wobei die Temperatur beim Ofenaustrag und/ oder in der Vorstrasse, verbunden mit einer Rückrechnung auf die Austragetemperatur, verwendet wird.
 




Zeichnung







Recherchenbericht