[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Bearbeiten und Berechnen einer als
Halbfertigfabrikat ausgebildeten optischen Linse mit einer vorgefertigten Form einer
ersten Seite und einer zu bearbeitenden zweiten Seite, bei dem zwecks Erhalt der gewünschten
optischen Eigenschaft der fertigen Linse eine Soll-Form einer Oberfläche der zu bearbeitenden
zweiten Seite als Verfahrensschritt berechnet wird, wobei vor der Berechnung der Soll-Form
der Oberfläche der zweiten Seite eine Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite durch
Messmittel erfasst bzw. durch ein Messinstrument gemessen wird und die Ist-Form der
Oberfläche der ersten Seite in die Berechnung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten
Seite einfließt.
[0002] Die erste Seite oder die zweite Seite kann dabei die Vorderseite oder die Rückseite
der Linse sein.
[0003] Eine Linse bzw. ein Brillenglas hat in der Regel eine Vorderseite und eine Rückseite,
die beide durch einen Rand begrenzt sind. Der Rand weist eine meist der Fassung nach
gestaltete Randfläche auf. Die optische Wirkung der Vorderseite und die optische Wirkung
der Rückseite überlagern sich und bilden die optische Gesamtwirkung bzw. optische
Eigenschaft. Die Vorderseite oder die Rückseite bilden dabei die erste Seite während
die Rückseite oder die Vorderseite die gegenüberliegende zweite Seite bildet.
[0004] Bei der Herstellung von Linsen, insbesondere Brillengläsern aus Kunststoff, wird
in den meisten Fällen ein Linsen-Halbfertigfabrikat verwendet, dessen erste Seite
vorgefertigt ist, d. h. die Form der Oberfläche der ersten Seite ist einer Soll-Form
nach hergestellt. In der Regel handelt es sich um ein gegossenes Formteil, wobei die
Oberfläche der ersten Seite einer Form der Formschale entspricht. Die Formschale weist
in diesem Fall die abzuformende Soll-Form auf. Aufgrund der Materialeigenschaften
des verwendeten Kunststoffs sowie aufgrund des Abkühlprozesses nach dem Spritzen entstehen
Abweichungen zwischen der Soll-Form des Werkzeugs und der tatsächlich erhaltenen Ist-Form
der Oberfläche der ersten Seite.
[0005] Schließlich lässt die Verfahrensweise die Erkennung falscher Halbteile, die versehentlich
dem Prozess zugeführt werden, zu. Eine zeitintensive und teure Bearbeitung eines falschen
Halbfertigfabrikats bzw. Blanks wird vermieden, insbesondere die relativ teuren Verfahrensschritte
wie Fräsen, Drehen, Polieren, Härten und Beschichten.
[0006] Es kann sich auch um ein spanend hergestelltes Halbfertigfabrikat mit einer entsprechenden
Form der Oberfläche der ersten Seite handeln. In diesem Fall sind die Abweichungen
zwischen der Soll-Fläche und der tatsächlich hergestellten Ist-Fläche in der Regel
geringer aber ebenfalls vorhanden.
[0007] Diese Abweichungen wurden bisher bei der Berechnung der Soll-Form der Oberfläche
der herzustellenden zweiten Seite der Linse nicht berücksichtigt. Bei der Berechnung
der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite wurde lediglich die Soll-Form der Oberfläche
der ersten Seite berücksichtigt.
[0008] Es ist bereits ein deflektometrisches Stereo-Verfahren zur Bestimmung der lokalen
Höhe und der lokalen Oberflächennormalen spiegelnder Oberflächen wie asphärische Linsen
aus der
DE 10 2004 020 419 B3 bekannt. Auf die aus der
DE 10 2004 020 419 B3 für den Fachmann ableitbaren Lehre das Messverfahren betreffend wird hiermit vollumfänglich
Bezug genommen.
[0009] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Bearbeitung von Linsen
bereitzustellen, mit dem die Herstellung von Linsen mit möglichst geringen Toleranzen
gewährleistet ist.
[0010] Gelöst wird die Aufgabe erfindungsgemäß dadurch, dass das Halbfertigfabrikat mit
der Oberfläche der ersten Seite mit einem Blockstück verbunden wird, wobei die Ist-Form
der Oberfläche der ersten Seite nach dem Aufblocken bzw. Verbinden erfasst wird. Nach
dem Aufblocken ändert sich an der relativen Lage zwischen dem Blockstück und der Linse
nichts mehr. Insofern ist die Ermittlung der Form der Oberfläche der ersten Seite
zu diesem Zeitpunkt vorteilhaft, weil eine beim Aufblocken entstehende Abweichung
der relativen Lage zwischen Blockstück und Linse nicht mehr möglich ist.
[0011] Vor diesem Hintergrund und durch Berücksichtigung der Ist-Geometrie bzw. der aktuellen
Messwerte der Ist-Form der ersten Seite bei der Berechnung der Form der zweiten Seite
der Linse wird eine äußerst präzise Berechnung der Soll-Form der zweiten Seite gewährleistet.
[0012] Die Fertigung individueller Rezeptflächen gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Mit
der Fertigung individueller Rezeptflächen ist eine größere Komplexität der herzustellenden
Flächen verbunden. Fertigungsfehler bekommen mehr und mehr Bedeutung. Zudem kann die
fertige erste Seite von der sphärischen Form abweichen, womit weitere Toleranzen für
verschiedene Krümmungswerte einhergehen würden. Unter Berücksichtigung des Wunsches
nach möglichst leichten Gläsern kann über die erfindungsgemäß gewährleistete, höhere
Präzision bei der Berechnung trotz wachsender Komplexität die Dicke des Glases minimiert
und die gewünschte Qualität gewährleistet werden.
[0013] Aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs im Markt ist ein kostengünstiger Einkauf von
Halbfertigfabrikaten notwendig, deren Fertigungstoleranzen jedoch größer sind. Der
erfindungsgemäße Schritt macht eine verlässliche Qualitätsprüfung im Vorfeld der Bearbeitung
möglich. Dies auch vor dem Hintergrund, dass bei Halbfertigfabrikaten aus Fernost
die mitgelieferten technischen Daten recht dürftig ausfallen und somit überprüft werden.
[0014] Dabei kann es vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass als Messmittel ein optisches
Messmittel verwendet wird, wobei die Ist-Form der aufgeblockten Oberfläche der ersten
Seite durch die Oberfläche der zu bearbeitenden zweiten Seite erfasst wird. Die Oberfläche
der ersten Seite ist durch das Blockstück zumindest teilweise verdeckt. Mithin ist
die Erfassung der Oberfläche der ersten Seite nur durch die Oberfläche der zu bearbeitenden
zweiten Seite möglich. Nur ein optisches Messmittel gewährleistet die Erfassung der
Oberfläche der ersten Seite. Dabei werden die von der Oberfläche der zu bearbeitenden
zweiten Seite ausgehenden optischen Einflüsse auf die Messung bzw. die dort entstehenden
Reflexionen herausgerechnet. Diese Verfahrensweise basiert auf einer Mehrfrequenzanalyse.
Das die Signale bzw. Reflexionen der Oberfläche der ersten Seite und die Signale der
Oberfläche der zweiten Seite unterschiedliche Frequenzen aufweisen, können mittels
der Mehrfrequenzanalyse die Signale der ersten Seite von denen der zweiten Seite getrennt
werden. Somit ist die Ermittlung der Ist-Form der aufgeblockten Oberfläche der ersten
Seite durch die Oberfläche der zu bearbeitenden zweiten Seite möglich. Die Reflexionen
der Oberfläche der ersten Seite werden auf diese Weise rechnerisch aus dem Gesamtsignal
herausgefiltert.
[0015] Vorteilhaft kann es hierzu auch sein, wenn eine bekannte Soll-Form der Oberfläche
der ersten Seite mit der ermittelten Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite verglichen
und eine Abweichung ermittelt wird. Die Abweichung dient als Grundlage für die Anpassung
der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite an die tatsächlichen Verhältnisse der
ersten Seite. Die Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite kann auf Grundlage der
Soll-Form der Oberfläche der ersten Seite schon bekannt sein. In diesem Fall bedarf
es lediglich einer Anpassung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite auf Grundlage
der festgestellten Abweichungen.
[0016] Von besonderer Bedeutung kann für die vorliegende Erfindung sein, wenn zusätzlich
zur Erfassung der Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite eine relative Lage zwischen
der ersten Seite bzw. der Linse und dem Blockstück ermittelt wird. Insbesondere die
Orientierung der Linse relativ zum Blockstück und die Prismenlage der Oberfläche können
somit ermittelt werden.
[0017] Im Zusammenhang mit der erfindungsgemäßen Ausbildung und Anordnung kann es von Vorteil
sein, wenn in die Berechnung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite die relative
Lage zwischen der ersten Seite und dem Blockstück einfließt. Die herzustellende zweite
Seite kann an die bestehende Ausrichtung der ersten Seite relativ zum Blockstück angepasst
werden, damit ein möglichst dünnes und damit leichtes Glas hergestellt werden kann.
Ferner kann die Lage der zweiten Seite derart gewählt werden, dass eine schnelle Bearbeitung
der zweiten Seite mit möglichst geringem Hub des Werkzeugs gewährleitstet ist.
[0018] Vorteilhaft kann es ferner sein, wenn in die Berechnung der Soll-Form der Oberfläche
der zweiten Seite die zu erwartenden Maschinenabweichungen einfließen. Diese Vorgehensweise
ist grundsätzlich unabhängig von der erfindungsgemäßen Verfahrensweise, nämlich die
Ist-Form der Oberfläche der zweiten Seite zu ermitteln. Mit der erfindungsgemäßen
Präzisionssteigerung gewinnt das Berücksichtigen der Maschinenabweichungen, also der
Positions-Protokoll-Daten, an Bedeutung.
[0019] Außerdem kann es vorteilhaft sein, wenn ein deflektometrisches Messverfahren, vorzugsweise
ein Stereo-Messverfahren wie in der
DE 10 2004 020 419 B3 beschrieben verwendet wird. Dieses Verfahren ist schon seit über vier Jahren bekannt
und hat in der Vergangenheit sehr gute Messergebnisse geliefert. Zudem lassen sich
die von der zu bearbeitenden Oberfläche der zweiten Seite einhergehenden Einflüsse
auf die Messung der Oberfläche der ersten Seite bzw. die entstehenden Reflexionen
ohne Weiteres herausrechnen.
[0020] Ferner kann es vorteilhaft sein, wenn die Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite
der Linse spanend mittels eines Fräsers und/oder eines Drehwerkzeugs und/oder schleifend
und/oder polierend bearbeitet wird. Das erfindungsgemäße Verfahren kann für die Bearbeitung
von Kunststoff-Gläsern gleichermaßen eingesetzt werden, wie für mineralische Gläser.
[0021] Weitere Vorteile und Einzelheiten der Erfindung sind in den Patentansprüchen und
in der Beschreibung erläutert und in den Figuren dargestellt. Es zeigt:
- Figur 1
- eine Prinzipskizze des Messverfahrens;
- Figur 2
- eine Prinzipskizze des Messverfahrens mit aufgeblockter Linse.
[0022] Eine in Figur 1 dargestellte Linse 1 ist als Halbfertigfabrikat eines Brillenglases
ausgebildet und weist eine vorgefertigte erste Seite 1.1 auf. Zwecks Herstellung eines
fertigen Brillenglases 1 ist eine Anpassung bzw. Bearbeitung der zweiten Seite 1.2
der Linse 1 vorgesehen. Bei der Berechnung einer Soll-Form der Oberfläche der zweiten
Seite 1.2 wird die tatsächliche Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite 1.1 über
ein optisches Messmittel 2 erfasst. Das optische Messmittel 2 weist eine Lichtquelle
2.1 für gestreutes Licht auf, mittels welcher gestreutes Licht in Form definierter
Muster auf die zu vermessende Oberfläche der ersten Seite 1.1 geworfen wird. Das Licht
reflektiert in einem jeweiligen Punkt P auf der Oberfläche. Das von diesem Punkt P
reflektierte Licht wird durch eine erste Kamera 2.2 und eine zweite Kamera 2.3 einem
jeweiligen Lichtstrahl 4, 5 nach erfasst. Bei dem Messverfahren wird die Höhe und/oder
die Oberflächennormale der Oberfläche der ersten Seite 1.1 ermittelt, indem die von
der jeweiligen Kamera 2.2, 2.3 erfassten Muster ausgewertet werden. Dabei wird aus
mindestens zwei Beobachtungsrichtungen gemäß der ersten und zweiten Kamera 2.2, 2.3
das in dem jeweiligen Punkt P gespiegelte Muster bzw. ein Bild davon aufgenommen und
daraus die jeweilige Oberflächennormale mit Hilfe des Reflektionsgesetzes bestimmt,
wobei die tatsächliche Höhe und die tatsächliche lokale Oberflächennormale durch die
Menge der so behandelten Punkte P, in denen die potenziellen Oberflächennormalen übereinstimmen,
bestimmt werden.
[0023] Im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 wird ebenfalls die Form der Oberfläche der ersten
Seite 1.1 bestimmt. In diesem Fall ist die erste Seite 1.1 auf ein Blockstück 3 aufgeblockt
und daher ein Teil der Oberfläche der ersten Seite 1.1 von außen nicht zugänglich.
Der jeweilige von der Lichtquelle 2.1 ausgehende Lichtstrahl 4, 5 wird an der Oberfläche
der zweiten Seite 1.2 abgelenkt, trifft auf den jeweiligen Punkt P und wird von dort
reflektiert, wobei eine entsprechende Ablenkung beim Austritt aus der Linse 1 an der
Oberfläche der zweiten Seite 1.2 erfolgt. Bei der Berechnung der Höhe und der Oberflächennormalen
im Punkt P wird der bekannte Einfluss der Oberfläche der zweiten Seite 1.2 auf den
Strahlengang 4, 5, also die Ablenkung ausgefiltert.
Bezugszeichenliste
[0024]
- 1
- Linse, Halbfertigfabrikat, Brillenglas
- 1.1
- erste Seite, Oberfläche
- 1.2
- zweite Seite, Oberfläche
- 2
- Messmittel, optisches Messmittel
- 2.1
- Lichtquelle
- 2.2
- erste Kamera
- 2.3
- zweite Kamera
- 3
- Blockstück
- 4
- Strahlengang
- 5
- Strahlengang
- P
- Punkt
1. Verfahren zum Bearbeiten und Berechnen einer als Halbfertigfabrikat ausgebildeten
optischen Linse (1) mit einer vorgefertigten Form einer ersten Seite (1.1) und einer
zu bearbeitenden zweiten Seite (1.2), bei dem eine Soll-Form einer Oberfläche der
zu bearbeitenden zweiten Seite (1.2) berechnet wird, wobei
a) vor der Berechnung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite (1.2) eine Ist-Form
der Oberfläche der ersten Seite (1.1) durch Messmittel (2) erfasst wird;
b) die Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite (1.1) in die Berechnung der Soll-Form
der Oberfläche der zweiten Seite (1.2) einfließt,
dadurch gekennzeichnet, dass
c) das Halbfertigfabrikat (1) mit der Oberfläche der ersten Seite (1.1) mit einem
Blockstück (3) verbunden wird, wobei die Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite
(1.1) nach dem Aufblocken erfasst wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass als Messmittel (2) ein optisches Messmittel verwendet wird, wobei die Ist-Form der
aufgeblockten Oberfläche der ersten Seite (1.1) durch die Oberfläche der zu bearbeitenden
zweiten Seite (1.2) erfasst wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine bekannte Soll-Form der Oberfläche der ersten Seite (1.1) mit der ermittelten
Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite (1.1) verglichen und eine Abweichung ermittelt
wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
dass zusätzlich zur Erfassung der Ist-Form der Oberfläche der ersten Seite (1.1) eine
relative Lage zwischen der ersten Seite (1.1) und dem Blockstück (3) ermittelt wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
dass in die Berechnung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite (1.2) die relative
Lage zwischen der ersten Seite (1.1) und dem Blockstück (3) einfließt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass in die Berechnung der Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite (1.2) die zu erwartenden
Maschinenabweichungen einfließen.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 3 bis 6,
dadurch gekennzeichnet,
dass ein deflektometrisches Messverfahren verwendet wird.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Soll-Form der Oberfläche der zweiten Seite (1.2) der Linse (1) spanend mittels
eines Fräsers und/oder eines Drehwerkzeugs und/oder schleifend und/oder polierend
bearbeitet wird.
9. Verwendung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche zum Bearbeiten einer
Linse (1) aus Kunststoff oder aus Mineralglas.