[0001] Die Erfindung betrifft eine Entlordosierungsvorrichtung für Benutzer eines Rehabilitationshilfsmittels,
insbesondere zur Vertikalisierung eines Sitz-/Stehtrainers oder eines Rollstuhles,
mit einer Sitzfläche und Abstützungshilfen für den Benutzer, wobei die Sitzfläche
zur Vertikalisierung verschwenkbar gelagert ist.
[0002] Entlordosierungsvorrichtungen werden für verschiedene Zwecke benötigt, beispielsweise
bei Sitz-/Stehtrainern oder Rollstühlen soweit eine Vertikalisierungsfunktion vorhanden
ist. Hierunter wird ein System verstanden, welches einen Benutzer mit Bewegungseinschränkungen
ermöglicht von einer sitzenden Position in eine stehende Position überführt zu werden.
Typische Bewegungeinschränkungen von Benutzern eines solchen Sitz-/Stehtrainers oder
eines Rollstuhls können ursächlich auf allen denkbaren Erkrankungs- oder Behinderungsformen
beruhen. Dies sind beispielsweise Spastiken, Querschnittslähmungen, apallisches Syndrom,
Schwächung oder Ausfall des Muskelapparates durch neurologisch bedingte Erkrankungen
(MS; ALS; Hemiplegien) sowie Behinderungsbilder mit ausgeprägten Kontrakturen, welche
auf eine erhebliche Verkürzung der Muskeln und Bänder zurückzuführen sind. Mit Hilfe
eines Sitz-/Stehtrainers kann beispielsweise eine therapeutische Maßnahme durchgeführt
werden. Zu diesem Zweck sind Sitz-/Stehtrainer aber auch Rollstühle bekannt, die eine
Sitzfläche aufweisen, auf die sich der Benutzer setzen kann und zusätzlich durch geeignete
Abstützungshilfen fixierbar ist. Durch ein Verschwenken der Sitzfläche wird hierbei
erreicht, dass der Benutzer in eine stehende Position überführt werden kann, um durch
therapeutische Maßnahmen zumindest teilweise die Bewegungseinschränkungen zu beseitigen
oder diese zu therapieren.
[0003] Vortikalieierungsvorrichtungen sind bei Rollstühlen bekannt, beispielsweise aus dem
europäischen Patent
EP 0 815 822 B1. Dieser Rollstuhl ermöglicht, dass der Rollstuhlbenutzer in einer nahezu vertikalen
Position gebracht werden kann und nahezu die Haltung einer stehenden Person einnimmt.
Speziell für Rollstuhlbenutzer, welche über einen eingeschränkten oder nicht eingeschränkten
Bewegungsapparat des Oberkörpers verfügen, oder alle nicht stehfähigen Personen ist
es extrem hilfreich, wenn die durch die Vertikalisierungsvorrichtung eingenommene
Körperhaltung einer Stehposition der einer nicht in seiner Bewegung eingeschränkten
Person entsprechen würde. Hierzu ist es nötig, das Skelett in seiner Funktion so zu
unterstützen, dass dieses entsprechend seiner gegebenenfalls eingeschränkten Befähigung
seine maximale Stütz- und Stehfunktion einnehmen kann. Hierbei ergibt sich aber immer
wieder das Problem, dass die endgradige, dass heißt eine dem anatomisch möglichen
Bewegungsausmaß entsprechende Hüftstreckung aus dem Bewegungsapparat des Rollstuhlbenutzers
häufig nicht zu erzielen ist. Dieses ist besonders der Fall bei Spastizität der Hüftbeuger
oder Fehlhaltung des Beckens. Bereits durch das permanente Sitzen hervorgerufene Hoftbeugekontraktur,
eine eingeschränkte Hüftbeweglichkeit oder bei Diplegikern, die eine eingeschränkte
Muskelfunktion aufweisen, kann die endgradige Hüfstreckung erschwert sein und hierdurch
eine Hyperlordose entstehen.
[0004] Sitz-/Stehtrainer werden hierbei als therapeutische Maßnahmen in Kliniken und Therapieeinrichtungen
eingesetzt, um die bewegungseingeschränkten Patienten zu motivieren, aktiv am Leben
teilzunehmen und Folgeerkrankungen durch längeres Sitzen oder Liegen zu vermeiden.
Im Wesentlichen dienen die Sitz-/Stehtrainer dazu den Patienten vor weiteren Schädigungen
der Wirbelsäule zu schützen, während neurologische Patienten mit Hilfe des Sitz-/Stehtrainers
ein selbständiges Stehen wieder erlernen können. Hierzu besteht die Möglichkeit mit
Hilfe eines Sitz-/Stehtrainers nicht nur die Stehfunktionen zu erlernen, sondern darüber
hinaus den gewonnenen Freiraum in ausreichender Form zu nutzen. Sitz-/Stehtrainer
werden deshalb im therapeutischen Bereich in Krankenhäusern, im privaten Bereich zur
Eigentherapie oder integrativen Bereich eingesetzt und dienen in der Regel nicht nur
für einen Patienten, sondern können im Bedarfsfall immer wieder an verschiedene Patienten
unterschiedlicher Körpergröße angepasst werden.
[0005] Aus dem Stand der Technik sind Sitzflächen für Rollstühle und Sitz-/Stehtrainer mit
einer verschwenkbaren Mechanik bekannt. Bei einer solchen Ausgestaltung wird das Becken
aber nur nach vorne gedrückt. Das vorgekippte Becken bewirkt in der Folge beim Aufrichten
eine Hyperlordosierung (starke S-förmige Krümmung, auch Hohlkreuz genannt) der Wirbelsäule.
Eine Folgeerkrankung der Hyperlodose ist eine starke Kompression in den Facettengelenken
der LWS mit resultierenden Rückenschmerzen. Langfristig können Hypermobilitäten und
Instabilitäten in diesen Rückengelenken mit eventuellen Nerveneinengungen/- einklemmungen
entstehen. Oberstes Ziel einer Vertikalisierung muss demzufolge eine physologisch
günstige Wirbelunterstützung sein.
[0006] Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine weiterentwickelte Entlordosierungsvorrichtung
zur Verfügung zu stellen, die es den Benutzern ermöglicht ohne nachteilige Folgen
des Bewegungsapparates eine Vertikalisierung vorzunehmen.
[0007] Erfindungsgemäß ist zur Lösung der Aufgabe vorgesehen, dass die Sitzfläche verschwenkbar
und wenigstens ein Teil der Sitzfläche verschiebbar gelagert ist. Weitere vorteilhafte
Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
[0008] Das erfindungsgemäße Entlordosierungsystem arbeitet mit einer zusätzlichen, direkt
auf die verkürzte Muskulatur wirkenden Bewegung, einer Beckenrotation. Die direkte
Folge einer Beckenrotation ist eine Aufrichtung des Beckens durch eine das Becken
drehende Kraft und bewirkt eine sofortige Entlordosierung (Streckung) der Wirbelsäule
und damit die Entlastung der Bandscheiben. Bisher konnten diese Effekte ausschließlich
im Rahmen einer manuellen Therapie, welche das Stehtraining im Sitz-/Stehtrainer physiotherapeutisch
begleitet, durchgeführt werden. Das erfindungsgemäße entlordosierende Sitzsystem simuliert
den therapeutischen Bewegungsablauf durch das Verschieben der Sitzfläche während der
Vertikalisierung. Der in einer Sitzpolsterung aufgebaute Dehnungsdruck ermöglicht
es hierbei, das rückwärtige Becken über die zentrale Sitzfläche nach unten zu zlehen.
Die eingeleitete Kraft erzielt dann über die Hüftgelenke das Aufrichten des Beckens
mit einer erheblich verbesserten Dehnungswirkung auf die Muskulatur der unteren Extremitäten.
Das Becken wird in einer Rotationsbewegung aufgerichtet.
[0009] In einer ersten Ausführungsvariante ist hierbei vorgesehen, dass die Sitzfläche einteilig
ausgebildet und die gesamte Sitzfläche zusätzlich verschiebbar gelagert ist. Die Sitzfläche
kann somit mit Einleitung der Vertikalisierung hinten angehoben werden, um die gewünschte
Stehposition des Patienten zu erreichen. Durch eine verschiebbare Lagerung, welche
beispielsweise manuell aber ebenso elektromotorisch unterstützt ausgeführt werden
kann, wird auf das Becken eine Rotationsbewegung ausgeübt, die eine sofortige Entlordosierung
(Streckung) der Wirbelsäule ermöglicht. Durch die Verschwenkung und Verschiebung der
Sitzfläche wird bei zunehmender Aufrichtung dem Becken die Rotationsbewegung somit
kandal aufgezwungen. Hierdurch wird die Vertikalisierung für den Patienten erleichtert
und führt durch die Rotationsbewegung des Beckens nicht zu einer Hyperlordose. Dieser
besondere Vorteil wird bereits durch eine erste einfache Ausführungsform mit einer
einteiligen Sitzfläche erreicht.
[0010] In besonderer Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Sitzfläche zumindest
zweigeteilt ausgebildet ist und ein erstes Sitzflächenteil verschwenkbar gelagert
ist, während ein zweites Sitzflächenteil zusammen mit dem ersten Sitzflächenteil verschwenkt
und gegenüber diesem verschiebbar gelagert ist. Durch die zweigeteilte Sitzfläche
mit einem ersten Sitzflächenteil, welches verschwenkbar ist und einem zweiten Sitzflächenteil,
welches verschwenkbar und verschiebbar gelagert ist, besteht die Möglichkeit eine
ausreichende Abstützung zu gewährleisten und gleichzeitig durch eine erzwungene Beckenrotation
das Erreichen einer Vertikalisierung durch die Sitzfläche zu unterstützen und eine
Entlordosierung (Streckung) der Wirbelsäule und damit die Entlastung der Bandscheiben
zu erreichen. Hierdurch wird dem Benutzer beziehungsweise Patienten das Aufstehen
in unterstützter Form durch beispielsweise einen Sitz-/Stehtrainer oder einen Rollstuhl
mit Vertikalisierungsfunktion erleichtert. Beispielsweise bei starker muskulärer Spannung
(Beugespastiken) oder Verkürzungen des Muskelapparates, insbesondere in den unteren
Extremitäten, oder eine Fehlstellung des Beckens nach vorne, ist die erfindungsgemäße
Sitzfläche beim Aufrichten äußerst hilfreich.
[0011] Um eine Vertikalisierung durchzuführen ist hierbei vorgesehen, dass die Sitzfläche
von einer horizontalen Position in eine annähernd vertikale Position überführbar ist,
sodass für das Becken des Benutzers beziehungsweise Patienten während der Bewegung
eine definierte Sitztiefe vorliegt und während der Bewegung unterstützt wird.
[0012] Aus diesem Grund ist es besonders vorteilhaft, wenn die Sitzfläche zweigeteilt ausgeführt
ist, wobei die Verschwenkung und Verschiebung eines Teils der Sitzfläche synchronisiert
oder vorzugsweise die Verschiebung verzögert erfolgen kann. Durch die synchronisierte
Bewegung wird hierbei sichergestellt, dass die gewünschte Beckenrotation zu einem
bestimmten Zeitpunkt eintritt, wobei zunächst eine Verschwenkung erfolgt, bis die
Verschiebung des zweiten Sitztlächenteils die Einleitung der Beckenrotation bewirkt.
Eine synchronisierte Verschwenkung und Verschiebung kann hierbei ebenfalls zeitlich
aufeinander abgestimmt werden oder die Verschiebung mit unterschiedlichen zeitversetzten
Geschwindigkeiten erfolgen.
[0013] In einer Ausführungsvariante ist vorgesehen, dass die Sitzfläche zumindest zweigeteilt
ausgeführt ist, wobei eine Trennungslinie quer zur Sitzposition verlaufen kann. Somit
besteht die Sitzfläche aus einer vorderen Teilsitzfläche und einer hinteren Teilsitzfläche,
wobei die hintere Teilsitzfläche gegenüber der vorderen Teilsitzfläche verschiebbar
gelagert ist. Somit werden die erfindungsgemäßen Vorteile mit einer derartigen Ausführung
erreicht, wobei die Bewegung der hinteren Teilsichtfläche entweder manuell oder gegebenenfalls
über einen Antrieb erfolgen kann. Eine manuelle Verschiebung ist beispielsweise bei
der Nutzung bei einer physiotherapeutischen Behandlung hilfreich, wenn bei einem Patienten
noch keine endgradige Streckung möglich ist und die Entlordosierung beispielsweise
bei einer 50% Aufrichtung genutzt werden soll.
[0014] In einer besonderen Ausführungsvariante ist vorgesehen, dass das erste Sitzflächenteil
U-förmig ausgebildet ist und einen vorderen Sitzbereich zur Oberschenkelführung und
zwei seitliche Sitzflächen zur Stabilisierung der Sitzposition aufweist und das zweite
Sitzflächenteil als zentraler Sitzbereich ausgebildet ist, welcher zwischen den beiden
seitlichen Sitzflächen des ersten Sitzflächenteils verschiebbar gelagert ist.
[0015] Durch die Ausbildung eines ersten Sitzflächenteils in einer beispielsweise U-förmigen
Form wird eine Stabilisierung der Sitzposition erreicht, während durch das zweite
verschiebbare Sitzflächenteil die gewünschte Beckenrotation bewirkt wird. Die U-förmige
Umschließung des inneren zentralen Sitzflächenteils ist hierbei grundsätzlich nicht
schiebebeweglich angeordnet, um in der Sitzposition die richtige Einstellung der Sitztiefe
mit einer flächigen, druckentlastenden Unterstützung der Oberschenkel und der Sitzbeine
(Tuben) zu gewährleisten. Eine gute Sitzposition ist wichtig, weil der Benutzer des
Sitz-/Stehtrainers nur so sein Stehtraining mit Ruhephasen unterbrechen kann. Beispielsweise
wird bei einem Sitz-/Stehtrainer die Sitzposition wesentlich öfter als die Stehposition
genutzt werden. Durch die vorgenannte Ausführungsvariante wird beispielsweise eine
optimale Druckverteilung im Bereich des zentralen Sitzflächenteils erzielt und gleichzeitig
eine Beckenrotation während der Vertikalisierung bewirkt.
[0016] Hierzu ist vorgesehen, dass das zweite Sitzflächenteil gegenüber dem ersten Sitzflächenteil
eine Relativbewegung von 2 bis 12, vorzugsweise 4 bis 9 cm ausführt. Diese Relativbewegung
zwischen den beiden Sitzflächenteilen reicht hierbei aus, um die gewünschte Beckenrotation
beim Aufrichten zu bewirken. Zur Vermeidung von Quetschungen verbleibt zumindest ein
kleiner Spalt von 2,5 cm zwischen den Sitzflächenteilen bei der Verschiebung.
[0017] Um eine ausreichende Stabilität der Sitzfläche zu gewährleisten ist diese über Rahmenelemente
oder Konstruktionsteile des Sitz-/Stehtrainers oder beispielsweise eines Rollstuhles
abgestützt, wobei das verschiebbare Sitzflächenteil auf einer Gleitschiene gelagert
ist, welche an einem Rahmenelement oder Konstruktionsteil befestigt ist. Die Gleitschiene
ist hierbei extrem flach ausgebildet und befindet sich unterhalb der Sitzfläche, wobei
durch eine entsprechende Stabilität der Gleitschiene ein Verkanten oder Verbiegen
bei entsprechender Belastung ausgeschlossen werden kann. Das verschiebbare Sitzflächenteil
kann hierbei manuell, elektromotorisch über beispielsweise einen Spindelantrieb oder
einen hydraulischen Antrieb in der Gleitschiene bewegbar gelagert sein. Eine manuelle
Verstellung des verschiebbaren Sitzflächenteils stellt die einfachste Ausführungsform
dar, wobei durch einen Therapeuten beim Aufrichten des Patienten, dass heißt der Vertikalisierung,
das verschiebbare Sitzflächenteil manuell bewegt werden kann. Um die Bewegung des
verschiebbaren Sitzflächenteils für den Patienten bei der Eigentherapie zu erleichtern,
kann ein elektromotorischer Antrieb, beispielsweise ein Spindelantrieb, oder ein hydraulischer
Antrieb vorgesehen sein, welcher entweder über eine manuelle Handsteuerung oder über
eine Steuerungseinrichtung die Verschiebung des hinteren Sitzflächenteils vornimmt.
Durch einen Spindelantrieb oder hydraulischen Antrieb ist hierbei gleichzeitig sichergestellt,
dass die gewünschte Position des verschiebbaren Sitzflächenteils millimetergenau eingestellt
werden kann. Hierbei ist es im Weiteren möglich, dass mit Einleiten der Vertikalisierungsfunktion
des Sitz-/Stehtrainers oder des Rollstuhls das hintere verschiebbare Sitzilächenteil
entweder verzögert oder gegebenenfalls synchronisiert mit dem Verschwenken des vorderen
Sitzflächenteils die erforderliche Bewegung zur Beckenrotation ausführt.
[0018] Alternativ besteht die Möglichkeit, dass das verschiebbare Sitzflächenteil durch
eine Gasdruckfeder, welche am Rahmenelement oder Konstruktionsteil abgestützt ist,
in eine gegenüber dem nicht verschiebbaren Sitzflächenteil entfernte Position gedrückt
wird. Dass heißt die Gasdruckfeder würde das verschiebbare Sitzflächenteil immer In
Richtung der Rückenlehne fixiert halten, um jedoch die erforderliche Verschiebebewegung
auszuführen ist im Weiteren ein Gurtband vorgesehen, welches am Rahmenelement oder
Konstruktionsteil einerseits und am verschiebbaren Sitzflächeleil andererseits festlegbar
ist. Das Gurtband dient dazu das verschiebbare Sitzflächenteil gegen die Kraft der
Gasdruckfeder in Richtung auf das vordere Sitzflächenteil zu ziehen. Durch die Länge
des Gurtbandes und der einsetzenden Vertikalisierung, dass heißt Verschwenkung der
gesamten Sitzfläche, wird aufgrund der verwendeten Mechanik eine Bewegung der Sitzfläche
bewirkt, wobei das Gurtband das verschiebbare Sitzflächenteil nach vorne in Richtung
des feststehenden Sitzflächenteils zieht. Hierzu besteht alternative die Möglichkeit,
dass das verschiebbare Sitzflächenteil eine Rollenführung aufweist, welche entlang
einer Kurvenbahn bei einer Vertikalisierung der Sitzfläche gegen die Kraft der Gasdruckfeder
in Richtung des nicht verschiebbaren Sitzflächenteils gedrückt wird. Mit Hilfe der
Rollenführung und Kurvenbahn wird eine ebenfalls bogenförmige Bewegung der Sitzfläche
erzielt, die wiederum dazu führt, dass sich das hintere verschiebbare Sitzflächenteil
in Richtung auf das vordere feststehende Sitzflächenteil gegen die Kraft der Gasdruckfeder
bewegt.
[0019] Soweit ein Gurtband zum Verschieben des hinteren Sitzflächenteils verwendet wird,
kann über eine Umlenkung des Gurtbandes oder eine Verkürzung des Gurtbandes der Zeitpunkt
der Verschiebung des hinteren Sitzflächenteils eingestellt werden, wobei speziell
die Möglichkeit besteht, dass durch Lösen des Gurtbandes das verschiebbare Sitzfiächenteil
in der hinteren Position verbleibt und somit die Entlordosierung deaktivierbar ist.
Bei der Rückkehr aus der Stehposition in die Sitzposition sorgt hierbei die Gasdruckfeder
für eine Rückführung des verschiebbaren Sitzflächenteils in seine Ausgangsposition.
Somit wird sichergestellt, dass der Benutzer des Sitz-/Stehtralners nach seinem Stehtraining
wieder in der Position sitzt, in der er ursprünglich sein Stehtraining begonnen hat.
Somit ist eine exakte, von Arzt und Therapeut individuell geforderte Positionierung
beliebig oft wiederholbar.
[0020] Die vorliegende Erfindung eignet sich für eine nachträgliche Montage in bereits vorhandene
Sitz-/Stehtrainer oder Rollstühle. Normalerweise besteht die Sitzfläche aus einer
festen Sitzplatte, die in den Sitz-/Stehtrainer oder Rollstuhl integriert ist. Die
erfindungsgemäße Entlordosierungsvorrichtung wird anstelle der vorhandenen festen
Sitzplatte nachträglich integriert oder kann direkt bei einem Neubau eines Sitz-/Stehtrainers
oder Rollstuhles vorgesehen werden.
[0021] Die beschriebenen Ausführungsvarianten der Erfindung ermöglichen hierbei sowohl die
Nutzung von manuell als auch hydraulisch oder elektromechanisch betriebenen Vertikalisierungssystemen.
Insbesondere ist eine Ausführungsvariante denkbar, die das Verschieben der Sitzfläche
elektromotorisch oder hydraulisch vom Benutzer selber vorsieht oder in Abhängigkeit
vom Vertikalisierungswinkel auf seine Bedürfnisse abgestimmt werden kann.
[0022] Der grundsätzliche Aufbau eines typischen Sitz-/Stehtrainers besteht aus einer Kopfstütze,
einer Rückenlehne, einer Bauch/Brustpelotte, einer Armlehne und der Sitzfläche sowie
einer Unterschenkelpelotte und einer Fußstütze. Damit der Benutzer die sitzende Position
einnehmen kann, sind hierbei vorzugsweise die Bauch- und Brustpelotte sowie die Unterschenkelpelotte
als auch die Armlehnen verschwenkbar ausgebildet. Nach Erreichen der Sitzposition
besteht die Möglichkeit Bauchpelotte, Brustpelotte und die Unterschenkelpelotte an
die Größe des Benutzers anzupassen. Zu den therapeutischen Übungen wird hierbei der
Patient von einer sitzenden Position in eine stehende Position überführt, wobei erfindungsgemäß
durch eine Beckenrotation dieser Vorgang für den Patienten erleichtert beziehungsweise
erst ermöglicht wird. Zu diesem Zweck ist bei der erfindungsgemäßen Entlordosierungsvorrichtung
die Sitzfläche verschwenkbar und teilweise verschiebbar ausgebildet, damit das Becken
des Benutzers eine Beckenrotation ausführen kann.
[0023] Die Erfindung wird im Weiteren anhand der Figuren nochmals erläutert.
[0024] Es zeigt
- Fig. 1
- in einer perspektivischen Seitenansicht einen Sitz- /Stehtrainer mit einer horizontal
ausgerichteten Sitzfläche,
- Fig. 2
- in einer perspektivischen Seitenansicht den aus Figur 1 bekannten Sitz-/Stehtrainer
mit einer vertikalen Ausrichtung der Sitzfläche,
- Fig. 3
- in einer Ausschnittvergrößerung die Sitzfläche des Sitz- /Stehtrainers,
- Fig. 4
- ein Piktogramm zur Erläuterung der Drehbewegung des Beckens und
- Fig. 5
- in einer perspektivischen Ansicht einen Rollstuhl mit einer erfindungsgemäßen Sitzfläche.
[0025] Figur 1 zeigt in einer perspektivischen Seitenansicht einen Sitz-/Stehtrainer 1 in
einer annähernd horizontalen Sitzposition. Der Sitz-/Stehtrainer 1 besteht aus einem
Grundgestell 2, welches mit einer Sitzfläche 3 ausgestattet ist. Der gesamte Sitz-/Stehtrainer
1 ruht hierbei auf vorderen Laufrollen 4 und hinteren Laufrollen 5. In Höhe der vorderen
Laufrollen 4 ist ein vertikales Konstruktionsteil 6a in Form eines Vorbaus angeordnet,
welches zur Aufnahme der Kniestützen 7 vorgesehen ist. Die Kniestützen 7 sind hierbei
über eine Schwenkeinrichtung 8 individuell einstellbar.
[0026] Die Sitzfläche 3 wird durch Armlehnen 10 und einen Therapietisch 11 sowie eine Kopfstütze
12 funktionell unterstützt. Der Therapietisch 11 ist hierbei sowohl seitlich als auch
nach hinten über entsprechende Lager über einen Schwenkarm 13 und eine gemeinsame
Schwenkachse 18 der Armlehnen 10 verschwenkbar ausgebildet. Eine einzelne Armlehne
10 kann ebenfalls für die Verlagerung eines Patienten nach hinten über die Schwenkachse
18 verschwenkt werden.
[0027] Die Sitzfläche 3 ist wesentlicher Bestandteil der Vertikalisierungsfunktion des Sitz-/Stehtrainers
1, und zwar dadurch, dass die gesamte Sitzfläche 3 vertikal ausgerichtet werden kann,
um somit den Patienten von einer sitzenden in eine stehende Position zu verlagern.
Im unteren Bereich wird hierbei der Patient durch die Kniestützen 7 und Fußauflagen
15 gehalten, während eine Unterstützung des Beckens durch die Sitzfläche 3 erfolgt,
welche in eine nahezu vertikale Position verschwenkbar ausgebildet ist. Durch eine
Rückenlehne 14 wird der Patient zusätzlich fixiert, wobei zusätzlich durch eine Brust-
und Bauchpelotte 23 eine Fixierung des Patienten möglich ist.
[0028] In einer einfachen Ausführungsform kann die Sitzfläche 3 einteilig gestaltet sein,
wobei die gesamte Sitzfläche verschiebbar gelagert ist, vorzugsweise durch eine Gleitschiene.
Durch die Verschwenkung und Verschiebung der Sitzfläche 3 wird bei zunehmender Aufrichtung
dem Becken die Rotationsbewegung kandal aufgezwungen, wodurch die Vertikalisierung
für den Patienten erleichtert wird und somit durch die Bewegung der Sitzfläche 3 die
Rotationsbewegung des Beckens nicht zu einer unerwünschten Hyperlodose führt. Dieser
besondere Vorteil wird bereits durch eine erste einfache Ausführungsform mit einer
einteiligen Sitzfläche 3 erreicht.
[0029] In Figur 1 ist eine zweiteilige Sitzfläche 3 dargestellt, und zwar mit einem ersten
feststehenden Sitzflächenteil 3a, welches lediglich verschwenkbar gelagert ist und
einem zweiten verschiebbaren Sitzflächenteil 3b, welches zusammen mit dem ersten Sitzflächenteil
3a verschwenkt und gegenüber diesem verschiebbar gelagert ist. Durch diese besondere
Ausgestaltung der Sitzfläche 3 wird eine weiterhin verbesserte Möglichkeit geschaffen,
eine erzwungene Beckenrotation zum Erreichen einer Vertikalisierung durch die Sitzflächenteile
3a, 3b zu unterstützen, wobei insbesondere eine Entlordosierung (Streckung) der Wirbelsäule
und damit eine Entlastung der Bandscheiben erreicht wird. Aus diesem Grunde ist die
Sitzfläche in die Sitzflächenteile 3a, 3b unterteilt, wobei die Verschwenkung und
Verschiebung eines Teils der Sitzfläche verzögert oder gegebenenfalls synchron erfolgen
kann. Durch die synchronisierte Bewegung wird hierbei sichergestellt, dass die gewünschte
Beckenrotation erst zu einem bestimmten Zeitpunkt eintritt, wobei vorzugsweise zunächst
eine Teilverschwenkung erfolgt, bis die Verschiebung des zweiten Sitzflächenteils
3b die Einleitung der Beckenrotation unterstützt. Um die Vertikalisierung durchzuführen
ist hierbei vorgesehen, dass die Sitzfläche von einer horizontalen Position in eine
annähernd vertikale Position gemäß Figur 2 überführt wird, sodass das Becken des Patienten
während der Bewegung und nach Beenden der Bewegung unterstützt wird. Durch ein Bauchpolster
am Therapietisch oder einen Bauchgurt wird der Anpressdruck auf das Sitzflächenteil
3b erhöht.
[0030] Das erste Sitzflächenteil 3a ist hierbei zur Unterschenkelführung U-förmig ausgebildet,
wobei zwei seitliche feststehende Sitzbereiche 3c, 3d zur Stabilisierung der Sitzposition
ausgebildet sind. Durch die seitlichen Sitzbereiche 3c, 3d und die feststehende Sitzfläche
3a wird eine optimale Durchblutung in Sitzposition der Oberschenkel erreicht. Das
zweite Sitzflächenteil 3b ist hingegen als zentraler Sitzbereich ausgebildet, welcher
zwischen den beiden seitlichen Sitzbereichen 3c, 3d des ersten Sitzflächenteils 3a
verschiebbar gelagert ist. Hierdurch wird eine optimale Druckverteilung im Bereich
des zentralen Sitzflächenteils 3b erzielt, wobei das zweite Sitzflächenteil 3b gegenüber
dem ersten Sitzflächenteil 3a eine Relativbewegung von 2 bis 12 cm, vorzugsweise 4
bis 9 cm, ausführt. Diese geringe Relativbewegung reicht bereits zwischen den beiden
Sitzflächenteilen 3a, 3b aus, um die gewünschte Beckenrotation beim Aufrichten zu
bewirken. Zur Vermeidung von Quetschungen verbleibt zumindest ein kleiner Spalt 9
zwischen den Sitzflächenteilen 3a, 3b.
[0031] Durch das zweite verschiebbare Sitzflächenteil 3b wird bei der neuartigen Konstruktion
die gewünschte Beckenrotation ausgelöst. Die U-förmige Umschließung des inneren zentralen
Sitzflächenteils 3b ist hierbei nicht schiebebeweglich angeordnet, um in der Sitzposition
die richtige Einstellung der Sitztiefe mit einer flächigen, druckentlastenden Unterstützung
der Oberschenkel und der Sitzbeine (Tuben) zu gewährleisten. Aus diesem Grunde stellt
die zweite Alternative eine optimale Lösung dar, während hingegen die erste aufgezeigte
Alternative ein preiswertes Entlordosierungssystem darstellt.
[0032] Das zentrale Sitzflächenteil 3b ist auf einer Gleitschiene 19 gelagert, um die gewünschte
Verschiebung zu ermöglichen. Durch eine Gasdruckfeder 20 wird das Sitztlächenteils
3b in eine vom ersten Sitzflächenteil 3a abgewandte Position gedrückt. Durch ein längenverstellbares
Gurtband 21 wird diese Position einstellbar begrenzt. Das Gurtband 21 ist einerseits
mit dem Konstruktionsteil 6b des Sitz-/Stehtrainers 1 und andererseits mit dem verschiebbaren
Sitzflächenteil 3b verbunden. Somit wird während der Vertikalisierung das verschiebbare
Sitzflächenteil 3b durch das Gurtband 21 aufgrund der Bewegung der Sitzfläche durch
die verwendete Mechanik nach vorne in Richtung auf das erste Sitzflächenteil 3a gezogen,
wodurch die Beckenrotation eingeleitet wird. Das Gurtband 21 kann leicht in der Länge
verstellt werden und ermöglicht somit eine an die Bedürfnisse des Patienten angepasste
Bewegung des verschiebbaren Sitzflächenteils 3b. Durch eine Umlenkung des Gurtbandes
21 nach dem Flaschenzugprinzip kann zusätzlich der Zeitpunkt der Verschiebung des
Sitzflächenteils 3b verändert werden. Soweit eine Entlordosierung für den Patienten
nicht gewünscht wird, kann durch Aushängen des Gurtbandes 21 die Entlordosierung deaktiviert
werden, um den Sitz-/Stehtrainer 1 ausschließlich in seiner ursprünglichen Funktionalität
für einen anderen Patienten verwenden zu können. Dies ist beispielsweise bei der Nutzung
in der physiotherapeutischen Behandlung hilfreich, wenn bei einem Patienten noch keine
endgradige Streckung möglich ist und die Entlordosierung beispielsweise bei einer
50%-Aufrichtung genutzt werden soll.
[0033] Um eine Rückführung des Sitzflächenteils 3b in seine Ausgangsposition zu erreichen
ist die Gasdruckfeder 20 vorgesehen. Hierdurch wird insbesondere sichergestellt, dass
der Patient des Sitz-/Stehtrainers 1 nach seinem Stehtraining wieder in der ursprünglichen
Position zu sitzen kommt. Somit ist eine exakte, von Arzt und Therapeuten individuell
geforderte Positionierung beliebig oft wiederholbar.
[0034] Eine Verschiebung des Sitzflächenteils 3b kann alternativ elektromotorisch oder hydraulisch
erfolgen. Damit die Sitzflächenteile 3a, 3b ausreichend gehalten werden, ist das Konstruktionsteil
6b vorgesehen, auf dem sich die Sitzflächenteile 3a, 3b abstützen, wobei vorzugsweise
das zentrale Sitzflächenteil 3a auf einer Gleitschiene 19 gelagert ist, welche unmittelbar
mit dem Konstruktionsteil 6b oder mittelbar über weitere Rahmenelemente 25 verbunden
ist. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass als elektromotorische Sitzverstellung eine
Gleitschiene 19 mit integriertem Spindelantrieb verwendet wird, wobei der Spindelmotor
in der Gleitschiene 19 unterhalb der Sitzfläche 3 angeordnet ist. Die erfindungsgemäße
Sitzfläche 3 ist hierbei für eine nachträgliche Montage in bereits vorhandene Sitz-/Stehtrainer
1 oder Rollstühle geeignet oder kann unmittelbar bei der Erstmontage vorgesehen werden.
[0035] Figur 2 zeigt den aus Figur 1 bekannten Sitz-/Stehtrainer 1 in einer vertikalen Position,
mit einer Verlagerung der Sitzfläche 3 in eine vertikale Position. Das Grundgestell
2 steht hierbei über seine Laufrollen 4, 5 fest auf einem Untergrund, wobei ein Konstruktionsteil
6a zur Fixierung der Kniestützen 7 vorgesehen ist, während ein zweites Konstruktionsteil
6b zur Halterung der Sitzfläche 3 verwendet wird. Im rückwärtigen Bereich der Sitzfläche
3 ist eine Schwenkachse 27 ausgebildet, an der die Rückenlehne 14 verschwenkbar gelagert
ist. Somit kann die Rückenlehne 14 beim Aufrichten der Sitzfläche 3 in einer voreingestellten
Position des Neigungswinkels verbleiben, während die Sitzfläche 3 im hinteren Bereich
angehoben wird. An die Rückenlehne 14 ist über eine Schwenkachse 18 jeweils seitlich
eine Armlehne 10 angelenkt, welche ebenfalls in der Tiefe zusätzlich manuell verstellt
werden kann. Eine Armlehne 10 ist zusätzlich mit einem Therapietisch 11 versehen,
welcher über einen Schwenkarm 13 seitlich aus dem Bereich des Patienten verschwenkt
werden kann. Somit kann der Patient ohne Verrenkungen und Behinderung mit Unterstützung
durch einen Therapeuten in dem Sitz-/Stehtrainer 1 platz nehmen.
[0036] Figur 3 zeigt in einer vergrößerten Teilansicht die Sitzfläche 3, bestehend aus dem
Sitzflächenteil 3a und 3b. Durch Pfeile 30 ist zusätzlich die Bewegungsrichtung des
Sitzflächenteils 3b angedeutet, und zwar bewegt sich das zentrale Sitzflächenteil
3b zwischen den seitlichen Sitzflächenteilen 3c und 3d des Sitzflächenteils 3a. Bei
einer Vertikalisierung wird zunächst das Sitzflächenteil 3a, welches über eine Drehachse
25 auf dem Konstruktionsteil 6b festgelegt ist, im hinteren Bereich angehoben und
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt eine zusätzliche Verschiebung des Sitzflächenteils
3b in Richtung nach vorne, dass heißt von der Rückenlehne 14 weg. Unterhalb des Sitzflächenteils
3a ist eine Gleitschiene 19 ersichtlich, welche die Bewegung des zweiten Sitzflächenteils
3b gegenüber dem ersten Sitzflächenteil 3a ermöglicht. Die Anhebung der Sitzflächenteile
3a, 3b erfolgt durch eine Mechanik, welche beide Sitzflächentei le 3a, 3b gegenüber
der Drehachse 25 verschwenkt, wobei gegebenenfalls zeitlich verzögert mit Hilfe eines
Gurtbandes 21 die Verschiebung des zweiten Sitzflächenteils 3b nach vorne bewirkt
wird. Das Gurtband 21 wird bei diesem Ausführungsbeispiel über eine Gurtumlenkung
31, 32 zu einem Verstellschlitten 33 geführt, welcher entlang einer Verstellschiene
34 mit Gradzahlen einrastbar festgelegt werden kann. Durch die Längenänderung des
Gurtbandes 21 wird das Ende der Verschiebung der Sitzfläche 3b festgelegt, sodass
eine individuelle Anpassung an den Patienten erfolgen kann. Zusätzlich wird über einen
Endschalter 35 eine maximale Verschiebung der Sitzfläche 3b begrenzt.
[0037] Durch die Längenänderung des Gurtbandes 21 mit Hilfe des Verstellschlittens 33 kann
die Entlordosierung vor Erreichen des Aufrichtwinkels der Sitzfläche gemäß der angegebenen
Winkeleinstellung von 90° an abwärts eingestellt werden. Der Endschalter 35 stoppt
den Aufrichtvorgang zwangsweise, wenn die Sitzfläche 3b durch das Gurtband 21 ganz
nach vorne gezogen worden ist, also der Entlordosierungsvorgang bei dem vorher eingestellten
Aufrichtwinkel abgeschlossen ist. Dies ermöglicht eine langsame Aufdehnung von Kontraktoren
oder Beugespastiken, die entweder vom Nutzer selber oder durch eine dritte Person
vorgegeben werden kann. Gleichzeitig schützt die winkelsynchronisierte Entlordosierung,
zum Beispiel Kinder und Personen mit geistigen Einschränkungen, vor einer Überdehnung
während des Stehtrainings. Eine Rückführung der Sitzfläche 3b erfolgt hierbei durch
eine Gasdruckfeder 20, welche zwischen den Sitzflächenteilen 3a, 3b zu erkennen ist.
Alternativ besteht die Möglichkeit das zweite Sitzflächenteil 3b durch eine Gleitschiene
mit Spindelmotor in Richtung auf das erste Sitzflächenteil 3a zu bewegen, um die gewünschte
Beckenrotation bei der Vertikalisierung eines Patienten zu bewirken.
[0038] Das Prinzip der Beckenrotation ist aus Figur 4 ersichtlich und zwar zeigt Figur 4
ein Piktogramm, in dem die Bewegung der Sitzfläche 3 nochmals verdeutlicht wird. Das
Becken 32 eines Patienten ruht auf der Sitzfläche 3 und wird Im Normalfall beim Verschwenken
der Sitzfläche 3 blockiert, dass heißt eine Rotation des Beckens 32 wird verhindert,
während bei der erfindungsgemäßen Lösung durch eine Verschwenkung und Längsbewegung
des hinteren Sitzflächenteils 3b zusätzlich eine Drehbewegung auf das Becken 32 ausgeübt
wird, und zwar mit dem Uhrzeiger bei Betrachtung des Patienten von der linken Seite
her. Diese Rotation wird durch eine Bewegung des hinteren Sitzflächenteils 3b nach
kandal herbeigeführt und verhindert hierbei eine Hyperiordose.
[0039] Die erfindungsgemäße Sitzfläche 3 ist hierbei sowohl bei Sitz-/Stehtrainern 1 oder
anderen therapeutischen Rehabilitationseinrichtungen und insbesondere Rollstühlen
mit Vertikallsierungsfunktion einsetzbar.
[0040] Figur 5 zeigt in einer perspektivischen Ansicht einen Rollstuhl 40, welcher prinzipiell
einen standardmäßigen Aufbau aufweist. Zu diesem Aufbau gehören zwei große Laufräder
41, 42 unterhalb einer Sitzfläche 43 sowie zwei kleine Laufräder 44, um die Beweglichkeit
des Rollstuhls zu gewährleisten. An die Sitzfläche 43 schließt sich eine Rückenlehne
45 an, die seitliche Armlehnen 46, 47 aufweist. Oberhalb der Rückenlehne 45 sind zusätzlich
Handgriffe 48 vorgesehen, damit der Rollstuhl 40 gegebenenfalls von einer dritten
Person geschoben werden kann. Vor den kleinen Laufrädern 44 befindet sich eine Fußauflage
49, die über Führungsstangen 50 in der jeweiligen Position eingestellt werden kann.
Der gezeigte Rollstuhl 40 besitzt des Weiteren eine Vertikalisierungsfunktion, dass
heißt die Sitzfläche und Rückenlehne kann angehoben werden, sodass die Sitzfläche
in eine annähernd vertikale Position überführt werden kann.
[0041] Die hierbei verwendete Sitzfläche 43 ist ebenfalls zweigeteilt und besteht aus einem
vorderen feststehenden Sitzflächenteil 43a, welches seitliche feststehende Sitzflächenteile
43c und 43d aufweist. Zwischen den beiden seitlichen Sltzflächenteilen 43c und 43d
befindet sich das zweite verschiebbare Sitzflächenteil 43b, wobei das Sitzflächenteil
43a in einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung verschwenkbar ausgeführt ist und das
Sitzflächenteil 43b zusammen mit dem Sitzflächenteil 43a verschwenkt werden kann,
aber zusätzlich eine Verschiebung von der Rückenlehne 45 weg in Richtung auf das Sitzflächenteil
43a ausführen kann. Somit wird das Becken beim Aufrichten des Rollstuhls 40 in der
bereits beschriebenen Weise unterstützend gedreht, sodass das Aufrichten der im Rollstuhl
sitzenden Person wesentlich erleichtert wird.
Bezugszeichenliste:
[0042]
- 1
- Sitz-/Stehtrainer
- 2
- Grundgestell
- 3
- Sitzfläche
- 3a
- feststehende Sitzfläche
- 3b
- verschiebbare Sitzfläche
- 3c
- feststehende Sitzfläche
- 3d
- feststehende Sitzfläche
- 4
- Laufrolle
- 5
- Laufrolle
- 6a
- Konstruktionsteil
- 6b
- Konstruktionsteil
- 7
- Kniestütze
- 8
- Schwenkeinrichtung
- 9
- Spalt
- 10
- Armlehne
- 11
- Therapietisch
- 12
- Kopfstütze
- 13
- Schwenkarm
- 14
- Rückenlehne
- 15
- Fußauflage
- 17
- Linearantrieb
- 18
- Drehachse
- 19
- Gleitschiene
- 20
- Gasdruckfeder
- 21
- Gurtband
- 23
- Brust- und Bauchpelotte
- 25
- Drehachse
- 27
- Schwenkachse
- 30
- Pfeil
- 31
- Gurtumlenkung
- 32
- Gurtumlenkung
- 33
- Verstelischlitten
- 34
- Verstellschiene
- 35
- Endschalter
- 40
- Rollstuhl
- 41
- Laufrad
- 42
- Laufrad
- 43
- Sitzfläche
- 43a
- feststehendes Sitzflächenteil
- 43b
- verschiebbares Sitzflächenteil
- 43c
- feststehendes Sitzflächenteil
- 43d
- feststehendes Sitzflächenteil
- 44
- Laufrad
- 45
- Rückenlehne
- 46
- Armlehne
- 47
- Armlehne
- 48
- Handgriff
- 49
- Fußauflage
- 50
- Führungsstange
1. Entlordosierungsvorrichtung für Benutzer eines Rehabilitationshilfsmittels, insbesondere
zur Vertikalisierung eines Sitz-/Stehtrainers oder eines Rollstuhles, mit einer Sitzfläche
(3) und Abstützungshilfen für den Benutzer, wobei die Sitzfläche (3) zur Vertikalisierung
verschwenkbar gelagert ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) verschwenkbar und wenigstens ein Teil der Sitzfläche (3) verschiebbar
gelagert ist.
2. Entlordosierungsvorrichtung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) einteilig ausgebildet und die gesamte Sitzfläche verschiebbar
gelagert ist.
3. Entlordosierungsvorrichtung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) zumindest zweigeteilt ausgebildet ist und ein erstes Sitzflächenteil
(3a) verschwenkbar gelagert ist, während ein zweites Sitzflächenteil (3b) zusammen
mit dem ersten Sitzflächenteil (3a) verschwenkt und gegenüber diesem verschiebbar
gelagert ist.
4. Entlordosierungsvorrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Verschiebung der Sitzfläche (3) oder eines Teils der Sitzfläche (3) verzögert
erfolgt oder dass die Verschwenkung und Verschiebung der Sitzfläche (3) oder eines
Teils der Sitzfläche(3) synchronisiert erfolgt.
5. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) von einer horizontalen Position in eine annähernd vertikale Position
überführbar ist.
6. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) zumindest zweigeteilt ausgeführt ist, wobei eine Trennungslinie
quer zur Sitzposition vorliegt oder dass das erste Sitzflächenteil (3a) U-förmig ausgebildet
ist und einen vorderen Sitzbereich zur Oberschenkelführung und zwei seitliche Sitzflächen
(3c, 3d) zur Stabilisierung der Sitzposition aufweist und das zweite Sitzflächenteil
(3b) als zentraler Sitzbereich ausgebildet ist, welcher zwischen den beiden seitlichen
Sitzflächen (3c, 3d) des ersten Sitzflächenteils (3a) verschiebbar gelagert ist.
7. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass das zweite Sitzflächenteil (3b) gegenüber dem ersten Sitzflächenteil (3a) eine Relativbewegung
von 2 bis 12, vorzugsweise 4 bis 9, cm ausführt.
8. Entiordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) über Rahmenelemente oder Konstruktionsteile (6b) abgestützt ist
und das verschiebbare Sitzflächenteil (3b) auf einer Gleitschiene (19) gelagert ist,
welche an einem Rahmenelement oder Konstruktionsteil (6b) befestigt ist.
9. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass das verschiebbare Sitzflächenteil (3b) manuell, elektromotorisch über beispielsweise
einen Spindelantrieb oder einen hydraulischen Antrieb bewegbar ist.
10. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass das verschiebbare Sitzflächenteil (3b) durch eine Gasdruckfeder (20), welche am Rahmenelement
oder Konstruktionsteil (6b) abgestützt ist, in eine gegenüber dem nicht verschiebbaren
Sitzflächenteil (3a) entfernte Position gedrückt wird.
11. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass durch ein Gurtband (21), welches am Rahmenelement oder Konstruktionsteil (6b) einerseits
und am verschiebbaren Sitzflächenteil (3b) andererseits festlegbar ist, die Bewegung
des Sitzflächenteils (3b) gegen die Kraft der Gasdruckfeder (20) begrenzt ist, wodurch
bei der Vertikalisierung der Sitzfläche (3) das verschiebbare Sitzflächenteil (3b)
in Richtung des nicht verschiebbaren Sitzflächenteil (3a) gezogen wird.
12. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass das verschiebbare Sitzflächenteil (3b) eine Rollenführung aufweist, welche entlang
eine Kurvenbahn bei einer Vertikalisierung der Sitzfläche (3) gegen die Kraft der
Gasdruckfeder (20) in Richtung des nicht verschiebbaren Sitzflächenteils (3a) bewegbar
ist.
13. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Verschiebung des zentralen Sitzflächenteils (3b) über eine Umlenkung oder Verkürzung
des Gurtbandes (21) einstellbar ist.
14. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Entlordosierung durch das verschiebbare Sitzflächenteil (3b) deaktivierbar ist.
15. Entlordosierungsvorrichtung nach einem der vorherigen Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Sitzfläche (3) bei stationären Sitz-/Stehtrairiern, mobilen Sitz-/Stehtrainern,
manuellen Rollstühlen mit Stehfunktion, Elektrorollstühlen mit Stehfunktion, Sitzsystemen,
Stehsystemen und Positionierungssysteme für Menschen mit Behinderungen verwendbar
ist.