Stand der Technik
[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Anspruch 1 zur Herstellung von Formteilen,
die Lignin und/ oder Ligninderivate sowie Fasern enthalten.
[0002] Zur Herstellung von Formteilen insbesondere für den Außenbereich, den Bausektor,
die Fahrzeugindustrie, die Möbel- und Einrichtungsfertigung sowie in der Elektro-
und elektrotechnischen Industrie kommen überwiegend Kunststoffe zum Einsatz, die auf
fossilen, nicht erneuerbaren Rohstoffquellen, wie Erdöl und Erdgas basieren. Schon
seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ist ein steiler Anstieg im Verbrauch
dieser Kunststoffe durch die Industriestaaten zu verzeichnen, da sich die Kunststoffe
sehr gut formen und verarbeiten lassen und die aus diesen Kunststoffen hergestellten
Formteile eine hohe Haltbarkeit aufweisen. Neben der Begrenztheit der fossilen Ressourcen
stellt sich das Problem der Entsorgung der großen Abfallmengen, die bei dem hohen
Kunststoffverbrauch anfallen. Die erwünschte Haltbarkeit der Kunststoffe macht die
meisten Kunststoffe schwer bis überhaupt nicht zugänglich für Abbaureaktionen im Wasser
oder im Boden. Hierdurch werden aufwendige und unter Umständen kostspielige Maßnahmen
für das Recycling oder die Verbrennung erforderlich. Darüber hinaus droht eine Erschöpfung
von Deponieraum.
[0003] Aus diesem Grund werden zwar zwischenzeitlich mehr und mehr alternative Materialien
aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt. Zu diesen Materialien gehören auch solche
auf der Basis von Lignin und/ oder Ligninderivaten. Bei Lignin handelt es sich um
ein dreidimensional vernetztes phenolisches Makromolekül, das sich aus verschiedenen
Monomeren zusammensetzt. Es dient in den vornehmlich aus Zellulose bestehenden Zellwänden
von verholzten Pflanzen wie Gräsern, Stauden, Sträuchern und Bäumen als zusätzliches
Festigungs- und Stützelement. Das aus dem Holz von Pflanzen gewonnene Lignin eignet
sich als Basis zur Herstellung eines natürlichen Werkstoffes. Jedoch führt eine Nutzung
der Lignins und/ oder der Ligninderivate in einem für die Industrie erheblichem Maßstab
zu einem starken Anstieg von Anbauflächen für diesen nachwachsenden Rohstoff mit den
damit verbundenen Nachteilen wie großflächiger Anbau in Monokulturen, der großflächige
Einsatz von Pestiziden und Rückgang der vielseitigen Landwirtschaft.
[0004] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung von
Formteilen bereit zu stellen, bei dem die fossilen und natürlichen Ressourcen geschont
werden. Zudem liegt der Erfindung als weitere Aufgabe zugrunde, ein kostengünstiges
Verfahren bereitzustellen, mit dem haltbare, witterungsbeständige und dennoch biologisch
abbaubare Formteile in einer großen Vielfalt hergestellt werden können.
Die Erfindung und ihre Vorteile
[0005] Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 zur Herstellung von
Formteilen, die Lignin und/ oder Ligninderivate und Fasern enthalten. Das Lignin und/
oder die Ligninderivate stammen aus ligninhaltigen Abfällen der Herstellung und Gewinnung
von industriellen Produkten aus pflanzlichen Rohstoffen.
[0006] Bei der industriellen Herstellung von Papier, Bioethanol, Chemikalien und Pharmazeutika
aus pflanzlicher Biomasse fällt eine gewaltige Menge an Abfallstoffen an, darunter
auch eine immense Menge an lignin- und/ oder ligninderivate-haltiger Abfälle. Diese
Abfälle können als Quelle für Lignin- und/oder Ligninderivate dienen, die in Schritt
a) von den übrigen Abfällen abgetrennt werden. Die Abtrennung von den übrigen Abfallstoffen
kann hierbei mehr oder weniger vollständig erfolgen. Auch kann das abgetrennte Lignin
und/ oder die Ligninderivate einen Anteil an Restfeuchte aufweisen. Im nächsten Schritt
wird das Lignin und/ oder die Ligninderivate aus Schritt a) mit Fasern vermischt.
Hierbei ist auch denkbar, dass Lignin und/ oder Ligninderivate aus unterschiedlichen
ligninhaltigen Abfällen gewonnen und mit den Fasern gemischt werden. Die zugemischten
Fasern dienen der Erhöhung der Festigkeit des Formteils. Bei der Extrusion in Schritt
c) wird das Gemisch in einer Plastifizierzone geschmolzen und mittels Extruderschnecke
kontinuierlich durch eine Formdüse gepresst und zu einer Platte geformt. Die Plattenform
kann hierbei durch Walzen erzeugt werden. Die Platte aus Schritt c) wird anschließend
auf Kunststofftiefziehmaschinen zu einem Formteil tiefgezogen. Hierbei sind alle durch
das Tiefziehen zugänglichen Formgebungen möglich. Die so erzeugten Formteile eignen
sich auch zu einer anschließenden Weiterbearbeitung durch herkömmliche Fräsen. Die
Verwendung von Lignin und/ oder Ligninderivaten aus ligninhaltigen Abfällen, die bei
der Herstellung und Gewinnung von industriellen Produkten wie Zellstoff oder Bioethanol,
von Chemikalien und Pharmazeutika aus ligninhaltiger Biomasse anfallen, schont sowohl
die fossilen als auch die natürlichen Ressourcen. Zudem lassen sich auf Basis von
Lignin und/ oder Ligninderivaten aus den ligninhaltigen Abfällen aufgrund von Einsparungen
im Bereich der Rohstoffbeschaffung kostengünstig haltbare, witterungsbeständige und
dennoch biologisch abbaubare Formteile herstellen.
[0007] Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird das Gemisch aus Schritt
b) vor der Weiterverarbeitung in Schritt c) in Granulatform gebracht. Dies kann derart
erfolgen, dass das Gemisch in einem Extruder zunächst aufgeschmolzen wird. Die Schmelze
wird über Düsen zu Strängen geformt und im Wasser abgekühlt. Anschließend schneidet
ein rotierendes Messer die Stränge in wenige Millimeter lange Abschnitte. Eine Granulierung
ist auch durch Kaltpressverfahren möglich.
[0008] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung stammen die ligninhaltigen
Abfälle aus dem Sulfit-, dem Sulfat- oder dem Organosolv-Verfahren zur Zellstoffgewinnung.
Papier wird aus Zellstoff hergestellt, der im wesentlichen aus Zellulose besteht.
Zur Gewinnung von Zellstoff aus Baumholz, wird dieses zunächst entrindet und anschließend
zerkleinert. Für hochwertige Papiere wird die im sogenannten Holzschliff enthaltene
Zellulose durch chemische Verfahren aufgeschlossen und Begleitsubstanzen wie Lignin,
Hemizellulose und Harze abgetrennt. Es werden großtechnisch das Sulfat- und das Sulfitverfahren
eingesetzt. Beim Sulfatverfahren wird der Holzschliff in Druckkesseln mit im wesentlichen
Natronlauge, Natriumsulfid und Natriumsulfat erhitzt. Im Anschluss an die Kochung
wird die Kochflüssigkeit, die Schwarzlauge, vom Zellstoff getrennt. Mit der Schwarzlauge
bleiben unter anderem Lignin und/ oder Ligninderivate sowie Chemikalien zurück. Bei
dem Sulfitverfahren werden die Hackschnitzel ebenfalls unter Druck mit Calciumhydrogensulfit,
Magnesiumhydrogensulfit oder Ammoniumhydrogensulfit gekocht. Man erhält nach Abtrennung
des Zellstoffs die Sulfitablauge, die Lignin und/ oder Ligninderivate neben weiteren
Abfallstoffen wie die eingesetzten Chemikalien und Zucker enthält. Die in der Aufschlussflüssigkeit
nach dem Organosolv-Verfahren anfallenden ligninhaltigen Rückstände können ebenso
für das erfindungsgemäße Verfahren verwendet werden, wie Abfälle aus dem Natronverfahren
oder dem Salpetersäureaufschluss.
[0009] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung handelt es sich bei
den Ligninderivaten um Ligninsulfonsäuren oder Alkali-Lignin aus den Kochflüssigkeiten
des Sulfit- oder Sulfatverfahrens. Jedoch eignet sich ebenfalls bei weiteren Verfahren
anfallendes Lignin und/ oder Ligninderivate, wie das aus dem Organosolv-Verfahren
stammende.
[0010] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung erfolgt das Abtrennen
des Lignins und/ oder der Ligninderivate aus den ligninhaltigen Abfällen durch chemische
und/ oder durch physikalische Separationsmittel. Hierbei können Lignin und/ oder Ligninderivate
durch Ultra- oder Nanofiltrations-Membranmodule aus den Abfällen gewonnen werden.
Auch ein Ausfällen der Ligninderivate durch pH-Shift oder den Zusatz von komplexbildenden
Fällungsmitteln ist möglich. Wobei aufgrund von geringeren Kosten die einfachen Fällungsreaktionen
gegenüber den Filtrationsmethoden, bei denen die Membran relativ häufig gewechselt
werden muss, vorzuziehen sind. Diese Abtrennungsmethoden können sich auch an einen
vorhergehenden chemischen Aufschluss ligninhaltiger Abfälle anschließen, wenn es sich
beispielsweise um Abfälle aus der Gewinnung von Bioethanol handelt. In diesen Fällen
enthält die nach dem Vergärungsprozess zurückbleibende Schlempe das Lignin noch in
Vergesellschaftung mit Zellulose. Darüber hinaus können jederzeit weitere Separierungs-
und Behandlungsschritte des Lignins und/ oder der Ligninderivate in den Abtrennungsprozess
integriert werden. Es ist jedoch aus Kostengründen erwünscht, die Anzahl an Schritten
zur Abtrennung des Lignins und/ oder der Ligninderivate möglichst gering zu halten.
[0011] Nach der Erfindung handelt es sich bei den Fasern um natürliche Fasern aus der Gruppe
der Samenfasern, Bastfasern, Fruchtfasern, Holzfasern oder Blattfasern von Pflanzen.
Hierbei können die Fasern aus der Baumwolle, aus der Alpaka-Pflanze, des Bambus, der
Brennnessel, des Hanfs, der Kokospflanze oder der Binse Verwendung finden. Aber auch
Pappelflaum, Jute, Leinen, Ramie oder Sisal sind geeignet. Um die pflanzlichen Ressourcen
weiter zu schonen, können natürliche Fasern eingesetzt werden, die beim Anbau von
Pflanzen als Agroabfall anfallen. Es handelt sich bei den Fasern auch um Chemiefasern
aus natürlichen Polymeren. Hierbei kommen Chemiefasern aus Polymeren auf der Basis
von Zellulose zur Anwendung. Diese Chemiefasern werden entweder anstelle der natürlichen
Fasern oder gemeinsam mit diesen eingesetzt.
[0012] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung werden dem Gemisch
aus Schritt b) weitere Hilfsstoffe zugemischt. Beispielsweise können Hilfsstoffe mit
thermoplastischen Eigenschaften dann dem Gemisch zugemischt werden, falls eine über
die natürlichen thermoplastischen Eigenschaften des Lignins und/ oder der Ligninderivate
hinausgehende Thermoplastizität in den unter c) und d) aufgeführten Schritten erwünscht
ist. Auch für eine Granulierung des Gemisches durch Verfahren unter Hitzeeinwirkung
können dem Gemisch gegebenenfalls Hilfsstoffe mit thermoplastischen Eigenschaften
zumischt werden.
[0013] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung handelt es sich bei
den Hilfsstoffen um natürliche Polymere, auf natürlichen Stoffen basierende Polymere,
Wasser, Pigmente, Farbstoffe, Füllstoffe und /oder um Mischungen dieser. Natürliche
Polymere und auf natürlichen Stoffen basierende Polymere mit thermoplastischen Eigenschaften
können zur Erhöhung der thermoplastischen Eigenschaften für die weitere Verarbeitung
des Gemisches eingesetzt werden. Durch den Zusatz von Pigmenten und Farbstoffen ist
eine individuelle Farbgebung der Formteile möglich. Der Zusatz von Wasser kann die
Verarbeitbarkeit des Gemisches positiv beeinflussen. Füllstoffe können zur zusätzlichen
Kostensenkung in dem bei dem Verfahren verwendeten Gemisch enthalten sein.
[0014] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung weist die Platte aus
Schritt c) eine Stärke von 2 mm bis 15 mm auf, bevorzugt von 2 mm bis 10 mm. Dies
ermöglicht die Herstellung von Formteilen mit unterschiedlicher Wanddicke. Hieraus
ergibt sich eine weitere Vielzahl an unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich
der Formteile, welche durch das erfindungsgemäße Verfahren hergestellt werden können.
[0015] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird ein Gemisch enthaltend
Lignin und/ oder Ligninderivate und Fasern zur Herstellung von Formteilen durch Tiefziehen
verwendet.
[0016] Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird ein Gemisch enthaltend
Lignin und/ oder Ligninderivate und Fasern zur Herstellung von Hinweisschildern durch
Tiefziehen verwendet. Dieser können beispielsweise zur Beschilderung von Feld- und
Waldwegen dienen.
[0017] Weitere Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind den Ansprüchen
zu entnehmen.
1. Verfahren zur Herstellung von Formteilen enthaltend Lignin und/ oder Ligninderivate
aus ligninhaltigen Abfällen der Herstellung und Gewinnung von industriellen Produkten
aus pflanzlichen Rohstoffen und Fasern
umfassend die Schritte:
a) Abtrennen des Lignins und/ oder der Ligninderivate aus den ligninhaltigen Abfällen
b) Herstellen eines Gemisches zumindest aus dem Lignin und/ oder den Ligninderivaten
aus Schritt a) unter Zumischen von Fasern
c) Extrusion des Gemisches zu einer Platte
d) Tiefziehen der Platte zu einem Formteil,
dadurch gekennzeichnet, dass dem Gemisch aus Schritt b) als Hilfsstoff das natürliche Polymer Zellulose als Chemiefasern
zugemischt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Gemisch aus Schritt b) vor der Weiterverarbeitung in Schritt c) in Granulatform
gebracht wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2 dadurch gekennzeichnet, dass die ligninhaltigen Abfälle aus dem Sulfit-, dem Sulfat- oder dem Organosolv-Verfahren
zur Zellstoffgewinnung stammen.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Ligninderivaten um Ligninsulfonsäuren, Alkali-Lignin oder Organosolv-Lignin
handelt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Abtrennen des Lignins und/ oder der Ligninderivate aus den ligninhaltigen Abfällen
durch chemische und/ oder durch physikalische Separationsmittel erfolgt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Fasern um natürliche Fasern aus der Gruppe der Samenfasern, Bastfasern,
Fruchtfasern, Holzfasern oder Blattfasern von Pflanzen handelt.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass dem Gemisch aus Schritt b) weitere Hilfsstoffe zugemischt werden.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Hilfsstoffen um natürliche Polymere, Wasser, Wachse, Pigmente, Farbstoffe,
Füllstoffe und /oder um Mischungen dieser handelt.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Platte aus Schritt c) eine Stärke von 2 mm bis 15 mm aufweist, bevorzugt von
2 mm bis 10 mm.
10. Verwendung eines Gemisches enthaltend Lignin und/ oder Ligninderivate und Chemiefasern
aus Polymeren auf der Basis von Zellulose zur Herstellung von Formteilen durch Tiefziehen.
11. Verwendung eines Gemisches enthaltend Lignin und/ oder Ligninderivate und Chemiefasern
aus Polymeren auf der Basis von Zellulose zur Herstellung von Hinweisschildern durch
Tiefziehen.