(19)
(11) EP 2 881 492 B1

(12) EUROPÄISCHE PATENTSCHRIFT

(45) Hinweis auf die Patenterteilung:
03.05.2017  Patentblatt  2017/18

(21) Anmeldenummer: 13196076.7

(22) Anmeldetag:  06.12.2013
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C23C 8/02(2006.01)
C21D 1/74(2006.01)
C23C 8/22(2006.01)

(54)

Verfahren zur Aufkohlung eines Tiefziehartikels oder eines Stanzbiegeartikels aus austenitischem nichtrostendem Edelstahl

Method for carburising metal deep drawn article or a bent pressed article made of austenitic stainless steel

Procédé de carburation d'un article thermoformé ou d'un article plié-découpé à partir d'acier inoxydable austénitique


(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR

(43) Veröffentlichungstag der Anmeldung:
10.06.2015  Patentblatt  2015/24

(73) Patentinhaber: Hubert Stüken GMBH & CO. KG
31737 Rinteln (DE)

(72) Erfinder:
  • Bremer, Cord-Hinrich
    28283 Verden (DE)
  • Lange, Rolf
    30855 Langenhagen (DE)

(74) Vertreter: Stenger Watzke Ring 
Intellectual Property Am Seestern 8
40547 Düsseldorf
40547 Düsseldorf (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
EP-A1- 1 193 413
EP-A1- 2 497 842
EP-A2- 0 479 409
EP-A1- 1 553 204
EP-A1- 2 627 795
EP-B1- 0 678 589
   
       
    Anmerkung: Innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents kann jedermann beim Europäischen Patentamt gegen das erteilte europäischen Patent Einspruch einlegen. Der Einspruch ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Er gilt erst als eingelegt, wenn die Einspruchsgebühr entrichtet worden ist. (Art. 99(1) Europäisches Patentübereinkommen).


    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Aufkohlung eines Tiefziehartikels oder eines Stanzbiegeartikels aus austenitischem nichtrostendem Edelstahl mit einer wenigstens bereichsweise für solche Artikel üblichen geringen Wandstärke.

    [0002] Bei Tiefziehartikeln und Stanzbiegeartikeln im Sinne der Erfindung liegen übliche geringe Wandstärken unterhalb von 2000 µm. Solche Edelstahlartikel werden aus sehr dünnen Blechen durch Zugdruckumformen oder Stanzbiegen hergestellt und nehmen mitunter sehr filigrane Strukturen an. Je nach verwendetem Verfahren können Artikel mit variierender oder konstanter Wandstärke hergestellt werden, wodurch diese dann wenigstens bereichsweise oder in Gänze eine Wandstärke von weniger als 2000 µm aufweisen.

    [0003] Diese filigranen Artikel werden in den unterschiedlichsten Bereichen der Technik wie z.B. als Lagerabdeckung in Getrieben, Ventilsitze in ABS-Systemen oder als Probenträger für Gefahrstoffe bei Hochpräzisionsmessungen eingesetzt und sind dort extremen mechanischen, thermischen und chemischen Belastungen ausgesetzt. Der Bedarf an korrosionsbeständigen Materialien mit hoher Härte ist daher dementsprechend hoch.

    [0004] Die Qualität solcher gehärteten Artikel, insbesondere bei solchen Teilen, die ein hohes Verhältnis von Länge zu Durchmesser besitzen (Aspektverhältnis) und/oder die Stickstoff enthalten, lässt allerdings bislang sowohl hinsichtlich der mechanischen Beständigkeit, der Schweißeignung als auch der Korrosionsbeständigkeit zu wünschen übrig. Abhilfe liefern hier Verfahren auf Kohlenstoffbasis. Diese eignen sich jedoch nur eingeschränkt für schöpfende Tiefzieh- oder Stanzbiegeartikel. Es entstehen durch das Randschichthärten mit Kohlenstoff Verschmutzungen, die sich gemäß dem aktuellen industriellen Standard bei schöpfenden Teilen nicht mehr wirtschaftlich entfernen lassen. Wendet man aus dem Stand der Technik bekannte und etablierte Verfahren zur Randschichthärtung auf Artikel mit sehr dünner Wandstärke und hohem Aspektverhältnis an, so lassen sich keine industriell reproduzierbaren und den Qualitätsansprüchen genügende Randschichten herstellen.

    [0005] Der Grund für diese Ergebnisse ist vor allem in den zum Teil extremen Behandlungsbedingungen der etablierten Verfahren zu suchen.

    [0006] So zeigt zum Beispiel die US 2012/111454 ein Hochtemperaturverfahren zur Aufkohlung von nichtrostenden Stahlbarren. In diesem Verfahren werden Aufkohlungstemperaturen von 760 °C - 1200 °C verwendet. Verfahren mit derart hohen Temperaturen sind für die Randschichthärtung dünnwandiger Tiefzieh- und Stanzbiegeartikel nicht anwendbar, da sie eine thermische Deformation der zum Teil sehr filigranen Strukturen bewirken und somit unbrauchbar machen.

    [0007] Die US 6,461,448 zeigt ein Verfahren zur Aufkohlung eines Stahlartikels, bei dem besagter Stahlartikel in einem Schmelzalkalibad behandelt wird. Eine solch aggressive Art der Behandlung führt bei filigranen Artikeln im Sinne der Erfindung aufgrund der geringen Wandstärke zu zum Teil erheblichen Korrosionserscheinungen, was eine in hohem Maße inhomogene Randschicht zur Folge hat. Darüber hinaus hat es sich gezeigt, dass Flüssigkeitsbehandlungen bei filigranen Artikeln aufgrund einer unvollständigen Oberflächenbenetzung zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.

    [0008] Die EP 0 678 589 B1 offenbart in diesem Zusammenhang ein Verfahren zum Aufkohlen eines austenitischen Metalls. Hier wird das Metall mit einem fluorhaltigen Gas beaufschlagt. Fluorhaltige Gase sind aufgrund ihrer Reaktionsfreudigkeit hochkorrosiv und wirken infolgedessen aggressiv auf die Oberfläche des Metalls ein. Während der damit bewirkte Oberflächenabtrag bei Artikeln mit hoher Wandstärke infolge eines entsprechenden Materialreichtums sogar erwünscht ist, kann er bei dünnwandigen Tiefzieh- und Stanzbiegeartikeln nicht kompensiert werden und führt zur irreversiblen Zerstörung des Artikels. Darüber hinaus stellen die dort eingesetzten Gase aufgrund ihrer hohen Giftigkeit, ihrer hohen Korrosivität und ihrer stark umweltgefährdenden Eigenschaften enorme Ansprüche an den zu verwendenden Reaktor, die Lagerung und die Arbeitssicherheit.

    [0009] Die EP 1 553 204 A1 offenbart ein Verfahren zur Randhärtung eines austenitischen Stahlteils. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass das Stahlteil in einem ersten Verfahrensschritt auf eine Temperatur zwischen 200°C und 500°C für eine Zeit zwischen 10 Minuten und 3 Stunden erwärmt wird. Die Erwärmung findet in einer Atmosphäre statt, die zwischen 0,5 bis 20 Vol.-% eines Halogengases oder eines Halogenitgases und der Rest aus Stickstoff, Wasserstoff oder einem Inertgas zur Aktivierung der Stahloberfläche besteht. Nach der Aktivierung der Stahloberfläche wird die Oberfläche des Stahlteils in einem zweiten Verfahrensschritt nitrocarboriert. Dies geschieht innerhalb eines Temperaturbereichs von 430°C bis 600°C für 20 Minuten oder mehr innerhalb einer Mischatmosphäre aufweisend Ammoniak zur Nitrigierung und Kohlenstoffmonoxid und/oder Methan zur Carborierung.

    [0010] Die D3 offenbart ein Verfahren zur Aufkohlung eines Stahlteils. Zur initialen Aktivierung der Stahloberfläche wird das Stahlteil in einem ersten Verfahrensschritt auf eine Temperatur zwischen 500°F und 600°F in einer halogenen Wasserstoffatmosphäre, vorzugsweise HCL oder HF, erhitzt. Anstelle besagter Gasbehandlung kann zur Aktivierung auch die Kontaktierung mit starken Basen, die Beschichtung mit Eisen oder eine Behandlung im Cyanidschmelzbad genutzt werden. Zur Aufkohlung wird das derart aktivierte Stahlteil dann initial auf eine Temperatur von 1125°C erhitzt. Besagte initiale Aufkohlungstemperatur wird im Laufe des Aufkohlungsprozesses auf 925°F abgekühlt. Als Aufkohlungsgas können insbesondere Kohlenwasserstoffgase wie Methan, Ethan und Propan, sauerstoffhaltige Gase wie Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid oder Mischungen dieser Gase wie Synthesegase eingesetzt werden.

    [0011] Die EP 1 193 413 A1 offenbart ein Verfahren zur Aufkohlung eines Rolllagers aus austenitischem Stahl. In einem ersten Verfahrensschritt wird besagtes Rolllager bei einer Temperatur zwischen 200°C und 400°C einem fluorhaltigen Gas, vorzugsweise NF3 im Stickstoff aktiviert. In einem zweiten Verfahrensschritt wird das aktivierte Rolllager bei einer Temperatur zwischen 460°C und 520°C mit einem Aufkohlungsgas behandelt. Besagtes Aufkohlungsgas kann entweder aus RX-Gas oder einem einen ungesättigten Kohlenwasserstoff, vorzugsweise Acetylen oder Äthylen aufweisenden Gas bestehen.

    [0012] Die EP 0 497 409 A2 offenbart ein Verfahren zur Randhärtung eines austenitischen Stahlteils. In einem ersten Verfahrensschritt wird das Stahlteil entweder auf eine Temperatur zwischen 250°C und 400°C in einer Fluorid enthaltenden Gasatmosphäre oder auf eine Temperatur zwischen 100°C. und 250°C in einer fluorgashaltigen Atmosphäre erhitzt. Ferner würde das im ersten Schritt aktivierte Stahlteil in einem zweiten Verfahrensschritt auf eine Temperatur von 530°C erhitzt und in einer Atmosphäre bestehend aus Stickstoff und Wasserstoff über einen Zeitraum von 30 Minuten behandelt. In einem dritten Verfahrensschritt wird das aktivierte Stahlteil dann in einem ammoniakhaltigen Gasgemisch bei einer Temperatur von 480°C bis 700°C über einen Zeitraum von drei bis fünf Stunden nitrocarboriert. Die ammoniakhaltige Atmosphäre kann insbesondere aus Ammoniak und RX-Gas oder Ammoniak, Kohlenstoffdioxid und RX-Gas gebildet sein.

    [0013] Allen vorgenannten Verfahren ist gemein, dass sie zur Depassivierung bzw. Aktivierung der Randschicht des Stahlteils auf aggressive Verfahrensschritte aufweisend halogenhaltige, insbesondere fluorhaltige Gase setzen. Wie bereits ausgeführt wurde, sind diese Verfahrensbedingungen allerdings für Tiefziehteile mit geringen Wandstärken unterhalb von 2000 µm nicht geeignet.

    [0014] Es ist daher die Aufgabe der Erfindung ein wirksames Verfahren zur Aufkohlung von dünnwandigen tiefgezogenen oder stanzgebogenen Edelstahlartikeln bereitzustellen.

    [0015] Zur Lösung dieser Aufgabe wird eine Erfindung mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen. Weitere Vorteile und Merkmale ergeben sich aus den Unteransprüchen.

    [0016] Mit der Erfindung wird in vorteilhafterweise ein Verfahren mit milden Bedingungen vorgeschlagen, welche auf die Besonderheiten von dünnwandigen Tiefzieh- und Stanzbiegeartikeln abgestimmt sind.

    [0017] In erfindungsgemäßer Weise wird der Artikel zur Durchführung des Verfahrens in einen Ofen eingebracht. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Sauerstoff- und Wasserreste die Randschichthärtung stören. Zum Ausschluss dieser Störfaktoren wird der Artikel auf eine Temperatur erwärmt, die Oberhalb des Siedepunktes von Wasser liegt. Bevorzugt ist hierbei eine Temperatur von 110 °C bis 140 °C, besonders bevorzugt 120 °C.

    [0018] Darüber hinaus wird die sich im Ofen befindliche sauerstoffhaltige Atmosphäre in erfindungsgemäßer Weise durch ein erstes Gasgemisch ersetzt. Der Ofen verfügt daher vorteilhafterweise über Gaseinlässe und Gasauslässe.

    [0019] Gemäß einer bevorzugten Verfahrensführung kann es vorgesehen sein, den Ofen vor der Einleitung des ersten Gasgemisches mit einem Inertgas zu fluten. Die Sauerstoffverdrängung wird hierbei in vorteilhafter Weise beschleunigt und ein möglicherweise bestehendes Gefahrenpotential, resultierend aus dem Kontakt der sauerstoffhaltigen Normalatmosphäre mit dem ersten Gasgemisch gesenkt. Als Inertgas werden bevorzugterweise bekannte chemisch unreaktive Gase wie insbesondere Stickstoff oder Argon verwendet.

    [0020] Nichtrostende Edelstähle beinhalten unter anderem Chrom als Legierungsbestandteil. An der Materialoberfläche bildet sich durch den Kontakt mit Luftsauerstoff eine passivierende und korrosionsbeständige Chrom-(III)-Oxidschicht aus.

    [0021] Bei der Aufkohlung ist es von enormer Bedeutung, diese passivierende Chrom-Oxidschicht zu entfernen bzw. zu depassivieren, um eine homogene Diffusion des Kohlenstoffs in den Randbereich des Edelstahls zu ermöglichen. Ist dies durch mangelnde Depassivierung nicht gewährleistet, ist die Eindiffusion in Bereichen mit intakter Chrom-Oxidschicht gehemmt und es kommt in der Konsequenz zu einer inhomogenen Härteverteilung der resultierenden Randschicht. Darüber hinaus fördert eine mangelnde Depassivierung in Bereichen mit intakter Chrom-Oxidschicht die Ausbildung von Defektstellen im Randbereich. Diese Defektstellen führen in der Konsequenz zu einer unerwünschten, verminderten Korrosionsbeständigkeit des Stahls.

    [0022] Das erste Gasgemisch hat daher gemäß einem Merkmal der Erfindung reduzierende Eigenschaften, um eine weitere Oxidation des Chroms zu vermeiden. Darüber hinaus wird mit dieser Gasmischung bereits die Depassivierung der Oberfläche eingeleitet. Gemäß einem weiteren Merkmal der Erfindung besteht das erste Gasgemisch aus H2 und N2. Es hat sich gezeigt, dass dieses Gasgemisch insbesondere in Verbindung mit der milden Temperatur des ersten Verfahrensschrittes eine besonders milde und vorteilhafte Wirkung auf die Chromoxidschicht ausübt, ohne die Morphologie der Oberfläche der filigranen Artikel nachteilig zu verändern.

    [0023] Gemäß einem bevorzugten Merkmal der Erfindung wird die Sauerstoffkonzentration mittels eines Sensors stetig oder intervallweise gemessen. Eine mit dem Sensor verbundene Steuerungseinheit überprüft den Ist-Wert hierbei stetig oder intervallweise mit einem frei wählbaren Soll-Wert und gibt den Ofen im Falle einer Identität zwischen Ist- und Soll-Wert für einen zweiten Verfahrensschritt frei. Das erfindungsgemäße Verfahren ist hierdurch in vorteilhafterweise stark vereinfacht und minimiert auf diese Weise mögliche benutzerseitige Fehlerquellen.

    [0024] Erfindungsgemäß ist ein zweiter Verfahrensschritt vorgesehen, in welchem der Artikel auf die Zieltemperatur, die zweite Temperatur, für die Aufkohlung erwärmt wird. Die zweite Temperatur ist so gewählt, dass diese deutlich unterhalb der Rekristallisationstemperatur von stark kaltverformten Eisenlegierungen (680 °C) liegt. Eine mögliche Änderung der Morphologie der Oberfläche ist hierbei wirkungsvoll unterbunden, wodurch die Ausbildung einer homogenen Randschicht gefördert wird. Erfindungsgemäß liegt die zweite Temperatur bei 450 °C bis 550 °C und bevorzugt bei 500 °C. Die Aufheizphase dient hierbei insbesondere der behutsamen und vollständigen Depassivierung der Chromoxidschicht.

    [0025] Es ist vorteilhaft, die Aufheizrate wenigstens in bestimmten Temperaturbereichen möglichst niedrig zu wählen, um eine gleichmäßige Depassivierung zur gewährleisten. Der Anmelder hat in diesem Zusammenhang herausgefunden, dass die Qualität der resultierenden Randschicht von dünnwandigen Tiefziehteilen in besonderer Weise unter einer hohen Aufheizrate leidet. Bevorzugterweise beträgt die Aufheizrate in einem bestimmten Temperaturbereich zwischen 0,5 und 1 °C/min, weiter bevorzugt zwischen 0,5 und 0,7 °C/min und besonders bevorzugt 0,5 °C/min. Der Temperaturbereich in dem diese niedrige Aufheizrate gewählt wird, beträgt bevorzugterweise 420 °C bis 550 °C, weiter bevorzugt 450 °C bis 500 °C und besonders bevorzugt 480 °C bis 500 °C.

    [0026] Gemäß einem Merkmal der Erfindung wird das erste Gasgemisch im zweiten Verfahrensschritt durch ein zweites Gasgemisch ersetzt. Es hat sich hierbei herausgestellt, dass eine milde Depassivierung der dünnwandigen Tiefziehteile während der Aufheizphase auf die zweite Temperatur durch ein Gasgemisch bestehend aus H2, N2 und einem kohlenstoffhaltigen Gas aus einem ungesättigten Kohlenwasserstoff erfolgt. Insbesondere in Verbindung mit der niedrigen Aufheizrate kann bevorzugterweise eine besonders langsame und daher milde und gut steuerbare Depassivierung der Chromoxidschicht erreicht werden.

    [0027] Gemäß einem bevorzugten Merkmal der Erfindung wird der Artikel mit Zusätzen behandelt, die die Passivschicht selektiv oder in Gänze auflösen. Insbesondere sind damit Salzverbindungen und/oder organische Stoffe und Säurebildner gemeint, die in fester oder flüssiger Form auf der Ware oder im Ofen appliziert werden. Die Applikation erfolgt hierbei bevorzugt vor der Verbringung des Artikels in den Ofen oder während des zweiten Verfahrensschritts. Hierfür werden Feststoff und/oder Flüssigkeiten verwendet, die in Verbindung mit den Reaktionsgasen saure Reaktionsprodukte bilden, die bei Einleitung in Wasser einen pH-Wert < 7 ergeben würden, als besonders vorteilhaft hat sich dabei die Applizierung der Stoffe direkt auf oder in der Artikeloberfläche erwiesen. Hierdurch entstehen bereits bei niedrigen Temperaturen lokale Depassivierungsvorgänge, die eine gleichmäßige Depassivierung früher einleiten und fördern.

    [0028] Als kohlenstoffhaltige Komponente wird dem zweiten Gasgemisch erfindungsgemäß ein ungesättigter Kohlenwasserstoff, wie insbesondere Ethin, eingesetzt.

    [0029] Erfindungsgemäß wird dem zweiten Gasgemisch elementarer Stickstoff eingesetzt.

    [0030] Es hat sich darüber hinaus herausgestellt, dass der Einsatz von elementarem Wasserstoff als Bestandteil des zweiten Gasgemisches, insbesondere in Verbindung mit den Depassivierungszusätzen, zur Ausbildung besonders homogener Randschichten führt.

    [0031] Gemäß einem bevorzugten Merkmal der Erfindung wird die Temperatur mittels eines Sensors stetig oder intervallweise gemessen. Die mit dem Sensor verbundene Steuerungseinheit überprüft den Ist-Wert hierbei stetig oder intervallweise mit einem frei wählbaren Soll-Wert für die zweite Temperatur und gibt den Ofen im Falle einer Identität zwischen Ist- und Soll-Wert für einen dritten Verfahrensschritt frei. Das erfindungsgemäße Verfahren ist hierdurch in vorteilhafterweise stark vereinfacht und minimiert auf diese Weise mögliche benutzerseitige Fehlerquellen.

    [0032] Erfindungsgemäß ist ein dritter Verfahrensschritt vorgesehen, bei dem das Tiefziehteil konstant auf der zweiten Temperatur gehalten wird. Der dritte Verfahrensschritt dient in diesem Zusammenhang der Aufkohlung des dünnwandigen Tiefziehteils. Es hat sich gezeigt, dass die zweite Temperatur in vorteilhafterweise einen behutsamen Aufbau der zu härtenden Randschicht ermöglicht. Die Diffusion des Kohlenstoffes in den Randbereich des Tiefziehteils erfolgt bei diesen Temperaturen langsam, ist infolgedessen gut steuerbar und bewirkt den Aufbau einer homogenen kohlenstoffreichen Randschicht. Eine zu hohe Temperatur ist in jedem Fall zu vermeiden, da es infolge der hohen Diffusionsgeschwindigkeit und der hohen kinetischen Energie der beteiligten Moleküle zur Ausbildung unregelmäßiger Schichten und zur Bildung von Carbid-Partikeln kommt.

    [0033] In erfindungsgemäße Weise wird das zweite Gasgemisch durch ein drittes Gasgemisch ersetzt, welches sich insbesondere für eine behutsame Aufkohlung unter milden Bedingungen eignet. Als besonders Vorteilhaft hat sich in diesem Zusammenhang die Verwendung eines Gasgemisches bewährt, welches aus einem wasserstoffhaltigen Gas, einem stickstoffhaltigen Gas sowie einem kohlenstoffhaltigen Gas zusammengesetzt ist. Es ist weiterhin erfindungsgemäß vorgesehen, dieser Gasmischung noch eine weitere kohlenstoffhaltige Komponente beizufügen, wodurch die Ausbildung einer homogenen kohlenstoffreichen Randschicht durch die beiden verschiedenen Kohlenstoffkomponenten in synergetischer Weise gefördert wird.Als kohlenstoffhaltige Komponente des zweiten Gasgemisches wird erfindungsgemäß ein ungesättigter Kohlenwasserstoff, wie insbesondere Ethin, eingesetzt. Erfindungsgemäß enthält das zweite Gasgemisch elementaren Stickstoff.

    [0034] Gemäß einem bevorzugten Merkmal der Erfindung werden die einzelnen Konzentrationen der Gaskomponenten mittels jeweiliger Sensoren stetig oder intervallweise gemessen. Die mit den Sensoren verbundene Steuerungseinheit überprüft die jeweiligen Ist-Werte hierbei stetig oder intervallweise mit frei wählbaren Soll-Werten für die jeweilige Konzentration der Gaskomponente und gleicht Änderungen innerhalb einer Fehlertoleranz stetig oder intervallweise aus. Auf diese Weise ist die Verfahrensführung in vorteilhafter Weise vereinfacht und erlaubt die Bereitstellung konstanter Verfahrensbedingungen, was für den Aufbau einer homogenen kohlenstoffreichen Randschicht von entscheidender Bedeutung ist.

    [0035] Die Schichtdicke der kohlenstoffreichen Randschicht ist hierbei über die Begasungsdauer einstellbar. In vorteilhafter Weise wird zur Generierung einer 10-40 µm dicken Randschicht ein Zeitraum von 2 bis 10 Stunden benötigt.

    [0036] Gemäß einem bevorzugten Merkmal der Erfindung gibt die Steuereinheit, welche zur Zeiterfassung über eine entsprechende Vorrichtung verfügt, nach Ablauf einer frei wählbaren Aufkohlungszeit den Ofen für den vierten Verfahrensschritt frei. Das erfindungsgemäße Verfahren ist hierdurch in vorteilhafterweise stark vereinfacht und minimiert auf diese Weise mögliche benutzerseitige Fehlerquellen.

    [0037] Erfindungsgemäß ist ein vierter Verfahrensschritt vorgesehen, bei dem das Tiefziehteil auf eine dritte Temperatur abgekühlt wird. Es ist hierbei vorgesehen, das Tiefziehteil auf eine Temperatur von 50 °C bis 80 °C und besonders bevorzugt 60 °C abzukühlen.

    [0038] Es hat sich hierbei herausgestellt, dass die Wahl der Atmosphäre in der abgekühlt wird für die Ausbildung einer homogenen Randschicht von entscheidender Bedeutung ist. Es ist daher gemäß der Erfindung vorgesehen, das dritte Gasgemisch durch ein viertes Gasgemisch zu ersetzen. Insbesondere die Wahl eines leicht reduzierend wirkenden Gasgemisches wird als vorteilhaft angesehen. Gemäß der Erfindung besteht das vierte Gasgemisch aus einem wasserstoffhaltigen Gas und einem stickstoffhaltigen Gas. Vorgesehen ist hierbei, dass das vierte Gasgemisch aus H2 und N2 gebildet ist. Um ein schwaches Reduktionspotential zu gewährleisten, besteht die Zusammensetzung des vierten Gasgemisches vorteilhafterweise aus 5 % bis 25 % H2 und 75 % bis 95 % N2, weiter bevorzugt 5 % bis 10 % H2 und 90 % bis 95 % N2 und besonders bevorzugt 5 % H2 und 95 % N2. Es hat sich gezeigt, dass das erfindungsgemäße Abkühlen des dünnwandigen Tiefziehteils ein Entweichen des Kohlenstoffs aus der gehärteten Randschicht wirkungsvoll unterbindet.

    [0039] Des Weiteren betrifft die Erfindung einen randgehärteten Tiefziehartikel mit sehr geringen Wandstärken.

    [0040] Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es nun erstmals möglich, dünnwandige Edelstahlartikel, insbesondere Tiefziehartikel, mit einem hohen Längen-Durchmesserverhältnis mit dünner Wandstärke industriell reproduzierbar und in exzellenter Qualität zu härten.

    [0041] Der mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellte Tiefziehartikel weist einen weichen, elastischen Kern mit einer Härte von 350 bis 400 HV1 und eine harte kohlenstoffreiche Randschicht auf.

    [0042] Gemäß einem Merkmal ist die Randschicht frei von Defektstellen und/oder Partikeln, umlaufend vollständig geschlossen und weist eine im Wesentlichen plan ausgebildete Oberfläche auf.

    [0043] Der mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellte dünnwandige Tiefziehartikel weist infolgedessen mechanische Eigenschaften bisher unerreichter Qualität auf.

    [0044] So weist der mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellte Tiefziehartikel in seinem Randbereich eine kohlenstoffreiche Schicht mit einer Härte von 700 bis 1000 HV0.01 und mit einer Schichtdtcke von 10 bis 40 µm auf.

    [0045] Gemäß einem weiteren Merkmal sind die Körrosions- und die Abriebbeständigkeit des Tiefziehartikels besser als die des Ausgangsproduktes. Insbesondere Ersteres ist insofern überraschend, da eine Aufkohlung die Korrosionseigenschaften eines Stahlproduktes in der Regel verschlechtert.


    Ansprüche

    1. Dünnwand-Aufkohlungsverfahren für einen Tiefziehartikel oder einen Stanzbiegeartikel aus austenitischem nichtrostendem Edelstahl,

    bei dem der Artikel, welcher wenigstens bereichsweise eine Wandstärke von weniger als 2000 µm aufweist, in einem ersten Verfahrensschritt in einen Ofen eingebracht und auf eine erste Temperatur zwischen 100 °C und 140 °C erwärmt wird,

    wobei eine im Ofen vorliegende sauerstoffhaltige Atmosphäre durch ein erstes Gasgemisch ersetzt wird, wobei das erste Gasgemisch aus N2 und H2 besteht,

    und bei dem der Artikel in einem zweiten Verfahrensschritt auf eine zweite Temperatur zwischen 450°C und 550 °C erwärmt wird,

    wobei das erste Gasgemisch durch ein zweites Gasgemisch ersetzt wird, wobei das zweite Gasgemisch aus H2, N2 und einem kohlenstoffhaltigen Gas aus einem ungesättigten Kohlenwasserstoff besteht,

    und bei dem der Artikel in einem dritten Verfahrensschritt auf der zweiten Temperatur gehalten wird,

    wobei das zweite Gasgemisch durch ein drittes Gasgemisch ersetzt wird, wobei das dritte Gasgemisch aus einem wasserstoffhaltigen Gas, einem stickstoffhaltigen Gas, einem ersten kohlenstoffhaltigen Gas und einem zweiten kohlenstoffhaltigen Gas besteht, wobei das zweite kohlenstoffhaltige Gas ein anderes Gas ist, als das erste kohlenstoffhaltige Gas,

    und bei dem der Artikel in einem vierten Verfahrensschritt auf eine dritte Temperatur zwischen 50 °C und 80 °C abgekühlt wird,

    wobei das dritte Gasgemisch durch ein viertes Gasgemisch ersetzt wird, wobei das vierte Gasgemisch aus N2 und H2 besteht.


     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Restsauerstoffgehalt während des ersten Verfahrensschrittes mittels eines Sensors gemessen wird, und dass bei Erreichen eines frei wählbaren Restsauerstoffwertes der zweite Verfahrensschritt eingeleitet wird.
     
    3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass bei Erreichen der zweiten Temperatur der dritte Verfahrensschritt automatisch eingeleitet wird.
     
    4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Artikel mit wenigstens einer depassivierenden Salzverbindung behandelt wird.
     
    5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass nach Ablauf einer frei wählbaren Behandlungsdauer der vierte Verfahrensschritt eingeleitet wird.
     


    Claims

    1. A thin wall carburizing process of a deep-drawn article or a bent pressed article made of austenitic rustproof stainless steel,

    in which the article which comprises a wall thickness of less than 2000 µm at least in some portions, is introduced into an oven in a first process step and heated up to a first temperature comprised between 100°C and 140°C,

    wherein an oxygen-bearing atmosphere which is present in the oven will be replaced by a first gas mixture, wherein the first gas mixture consists of N2 and H2,

    and in which the article will be heated up to a second temperature comprised between 450°C and 550°C in a second process step,

    wherein the first gas mixture will be replaced by a second gas mixture, wherein the second gas mixture consists of H2, N2 and a carbonic gas from an unsaturated hydrocarbon,

    and in which the article will be held on the second temperature in a third process step,

    wherein the second gas mixture will be replaced by a third gas mixture, wherein the third gas mixture consists of a hydrogen-bearing gas, nitrogen-bearing gas, a first carbonic gas and a second carbonic gas, wherein the second carbonic gas is a gas different from the first carbonic gas,

    and in which the article will be cooled down to a third temperature comprised between 50°C and 80°C in a fourth process step,

    wherein the third gas mixture will be replaced by a fourth gas mixture, wherein the fourth gas mixture consists of N2 and H2.


     
    2. A method according to claim 1, characterized in that the residual oxygen content will be measured by means of a sensor during the first process step, and that if a freely selectable residual oxygen value is achieved, the second process step will be initiated.
     
    3. A method according to one of the preceding claims 1 or 2, characterized in that if the second temperature is achieved, the third process step will be automatically initiated.
     
    4. A method according to one of the preceding claims, characterized in that the article will be treated with at least one depassivating salt compound.
     
    5. A method according to one of the preceding claims, characterized in that the fourth process step will be initiated after a freely selectable duration of treatment has come to an end.
     


    Revendications

    1. Procédé de carburation de paroi mince d'un article thermoformé ou d'un article plié-découpé en acier inoxydable austénitique.

    dans lequel on introduit l'article, qui comprend une épaisseur de paroi de moins de 2000 µm au moins dans quelques parties, dans un fourneau au cours d'une première étape de procédé et on le chauffe à une première température comprise entre 100°C et 140 °C,

    dans lequel on remplace une atmosphère contenant de l'oxygène, qui est présente dans le fourneau, par un premier mélange de gaz, le premier mélange de gaz étant composé de N2 et H2,

    et dans lequel on chauffe l'article à une deuxième température comprise entre 450°C et 550°C au cours d'une deuxième étape de procédé,

    le premier mélange de gaz étant remplacé par un deuxième mélange de gaz, le deuxième mélange de gaz étant composé de H2, N2 et d'un gaz carboné à partir d'un hydrocarbure insaturé,

    et dans lequel on maintient l'article à la deuxième température au cours d'une troisième étape de procédé,

    le deuxième mélange de gaz étant remplacé par un troisième mélange de gaz, le troisième mélange de gaz consistant en un gaz contenant de l'hydrogène, un gaz contenant de l'azote, un premier gaz carboné et un deuxième gaz carboné, le deuxième gaz carboné étant un gaz différent du premier gaz carboné,

    et dans lequel on refroidit l'article à une troisième température comprise entre 50°C et 80°C au cours d'une quatrième étape de procédé.

    le troisième mélange de gaz étant remplacé par un quatrième mélange de gaz, le quatrième mélange de gaz consistant en N2 et H2.


     
    2. Procédé selon la revendication 1, caractérisé en ce qu'on mesure une teneur résiduelle en oxygène par moyen d'un capteur au cours de la première étape de procédé, et qu'au moment où une valeur d'oxygène résiduelle, qui peut être choisie librement, est atteinte, on initie la deuxième étape de procédé.
     
    3. Procédé selon l'une des revendications précédentes 1 ou 2, caractérisé en ce qu'au moment où la deuxième température est atteinte, la troisième étape de procédé sera initiée automatiquement.
     
    4. Procédé selon l'une des revendications précédentes, caractérisé en ce qu'on traite l'article avec au moins un composé de sel dépassivant.
     
    5. Procédé selon l'une des revendications précédentes, caractérisé en ce qu'on initie la quatrième étape de procédé dès qu'une durée du traitement, qu'on peut choisir librement, soit échue.
     






    Angeführte Verweise

    IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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