Gebiet der Technik
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft das technische Gebiet der Metallurgie, konkret
die Herstellung eines tiefziehbaren, warmgewalzten Fertigbands aus Stahl in einer
Gieß-Walz-Verbundanlage.
[0002] Gieß-Walz-Verbundanlagen sind dem Fachmann grundsätzlich bekannt, z.B. eine Arvedi
ESP Anlage, eine SMS CSP Anlage oder eine Danieli QSP Anlage. Bekannt ist auch, dass
auf Gieß-Walz-Verbundanlagen besonders energieeffizient dünne oder ultradünne Bänder
verschiedenster Stahlgüten hergestellt werden können.
Stand der Technik
[0003] Da bestimmte Bänder eine gewisse Tiefziehbarkeit aufweisen müssen, welche nach dem
Stand der Technik durch konventionelles Warmwalzen nicht erreicht werden kann, wird
die für Tiefziehbarkeit notwendige Gefügetextur des fertigen Bandes durch Warmwalzen
in einer konventionellen Warmwalzstraße oder in einer Gieß-Walz-Verbundanlage, durch
Beizen, anschließendes Kaltwalzen mit hohen Umformgraden, Glühen sowie ggf. durch
Verzinken eingestellt.
[0004] Obwohl auf einer Gieß-Walz-Verbundanlage direkt Bänder mit einer Dicke < 1 mm hergestellt
werden können, werden die Vorzüge der Gieß-Walz-Verbundanlagen durch die Schritte
Warmwalzen - Beizen - Kaltwalzen - Glühen und gegebenenfalls Verzinken teilweise eingebüßt.
Demnach besteht ein Bedarf, direkt auf einer Gieß-Walz-Verbundanlage dünne Bänder
mit einer guten Tiefziehbarkeit herstellen zu können, ohne dass diese notwendigerweise
die weiteren Schritte Beizen - Kaltwalzen - Glühen und gegebenenfalls Verzinken durchlaufen
müssen.
Zusammenfassung der Erfindung
[0005] Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, die bekannten Verfahren zur Herstellung
dünner Bänder aus Stahl so abzuändern, dass direkt auf einer Gieß-Walz-Verbundanlage
ein dünnes Fertigband mit guter Tiefziehbarkeit hergestellt werden kann, ohne dass
das Fertigband nach dem Warmwalzen notwendigerweise gebeizt, kaltgewalzt und geglüht
werden muss.
[0006] Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren nach Anspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen
sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
[0007] Konkret erfolgt die Lösung durch ein Verfahren zur Herstellung eines Fertigbands
aus Stahl in einer Gieß-Walz-Verbundanlage, wobei die Gieß-Walz-Verbundanlage
- eine Stranggießanlage zum Stranggießen eines Strangs,
- eine Vorwalzstraße zum Vorwalzen des Strangs zu einem Vorband,
- eine Fertigwalzstraße mit mehreren Fertiggerüsten zum Fertigwalzen des Vorbands zu
einem Fertigband, und
- zumindest eine Wickeleinrichtung zum Aufwickeln des Fertigbands,
aufweist, umfassend die Verfahrensschritte:
- Stranggießen von flüssigem Stahl zu dem Strang mit Brammen- oder Dünnbrammenquerschnitt
in der Stranggießanlage, wobei der flüssige Stahl C < 0,01% (bevorzugt C < 0,004%),
Mn < 0,2%, P < 0,01%, optional Ti+Nb ≥ 0,01%, der Rest Fe und etwaige Verunreinigungen
(auch Begleitelemente genannt) enthält;
- Vorwalzen des ungeschnittenen Strangs zu dem Vorband in der Vorwalzstraße, wobei der
letzte Walzstich in der Vorwalzstraße im austenitischen Bereich erfolgt und die Dicke
des Strangs durch das Vorwalzen um zumindest 30%, bevorzugt zumindest 60%, besonders
bevorzugt zumindest 80% reduziert wird;
- zumindest teilweise Phasenumwandlung des Austenits im Vorband zu Ferrit vor dem Fertigwalzen;
- Fertigwalzen des ungeschnittenen, zumindest teilweise phasenumgewandelten Vorbands
in der Fertigwalzstraße durch mehrere Walzstiche zu dem Fertigband, wobei das Fertigband
nach dem letzten Walzstich eine Dicke zwischen 0,5 und 4 mm, bevorzugt zwischen 0,6
und 2 mm aufweist;
- Walzspaltschmierung beim letzten Walzstich, bevorzugt bei mehreren der abschließenden
Walzstiche, besonders bevorzugt bei sämtlichen Walzstichen, in der Fertigwalzstraße,
wodurch die Reibung zwischen den Arbeitswalzen eines Fertiggerüsts und dem Walzgut
reduziert wird, sodass Scherbänder im Fertigband, die zur Entwicklung einer unerwünschten
GOSS-Textur führen, verhindert werden;
- Aufwickeln des Fertigbands in der Wickeleinrichtung, sodass der Ferrit im Fertigband
zumindest teilweise eine {1 1 1} Textur ausbildet.
[0008] Die Gieß-Walz-Verbundanlage zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens umfasst
zumindest eine Stranggießanlage zum Stranggießen eines Strangs, eine Vorwalzstraße
(engl.
roughing mill) zum Vorwalzen des Strangs zu einem Vorband, eine Fertigwalzstraße (engl.
finishing mill) mit mehreren Fertiggerüsten zum Fertigwalzen des Vorbands zu einem Fertigband, und
zumindest eine Wickeleinrichtung zum Aufwickeln des Fertigbands. Die Vorwalzstraße
umfasst ein oder mehrere Vorwalzgerüste.
[0009] Auf der Gieß-Walz-Verbundanlage wird zuerst flüssiger Stahl in der Stranggießanlage
zu einem Strang mit Brammen- oder Dünnbrammenquerschnitt stranggegossen, wobei der
flüssige Stahl C < 0,01% (vorzugsweise C < 0,004%), Mn < 0,2%, P < 0,01%, vorzugsweise
Ti+Nb ≥ 0,01%, der Rest Fe und etwaige Verunreinigungen bzw. sonstige Begleitelemente
enthält (Prozentangaben jeweils in Gewichts %). Der endlose Strang wird anschließend
zu einem Vorband in der Vorwalzstraße gewalzt, wobei der letzte Walzstich in der Vorwalzstraße
im austenitischen Bereich erfolgt und die Dicke des Strangs durch das Vorwalzen um
zumindest 30%, bevorzugt zumindest 60%, besonders bevorzugt zumindest 80%, reduziert
wird. Im Anschluss an das Vorwalzen erfolgt eine zumindest teilweise Phasenumwandlung
des Austenits im Vorband zu Ferrit, sodass das Vorband voll- oder teilferritisch in
die Fertigwalzstraße eintritt. In der Fertigwalzstraße wird der endlose Strang des
zumindest teilweise phasenumgewandelten Vorbands durch mehrere Walzstiche zu dem Fertigband
warmgewalzt, wobei das Fertigband nach dem letzten Walzstich eine Dicke zwischen 0,5
und 4 mm, bevorzugt zwischen 0,6 und 2 mm aufweist. Um die Ausbildung von Scherbändern,
die zur Entwicklung der unerwünschten GOSS-Textur führen, im Fertigband zu verhindern,
wird beim Fertigwalzen eine Walzspaltschmierung beim letzten Walzstich, bevorzugt
bei mehreren der abschließenden Walzstiche (z.B. beim letzten und beim vorletzten
Walzstich), besonders bevorzugt bei sämtlichen Walzstichen, in der Fertigwalzstraße
angewendet, wobei jeweils der Walzspalt - z.B. durch ein flüssiges Schmiermittel,
wie ein Öl oder Mineralöl - geschmiert wird. Nach dem Fertigwalzen wird das Fertigband
in der Wickeleinrichtung aufgewickelt, wobei der Ferrit im Fertigband zumindest teilweise
eine {1 1 1} Textur ausbildet. Die sog. {1 1 1} Textur des Ferrits ist dafür verantwortlich,
dass das Fertigband eine gute Tiefziehbarkeit aufweist. Grundsätzlich gilt, dass je
mehr Ferrit mit der {1 1 1} Textur im Fertigband vorhanden ist, desto besser ist die
Tiefziehbarkeit. Wenn der flüssige Stahl Ti und/oder Nb enthält, wobei die Summe dieser
Legierungselemente Ti+Nb ≥ 0,01%, erreicht das Fertigband eine nochmals verbesserte
Tiefziehfähigkeit, da ein ferritisch gewalztes, titan- und/oder nioblegiertes Fertigband
einen höheren Anteil von Ferrit mit der {1 1 1} Textur aufweist. Für untergeordnete
Anforderungen kann in vielen Fällen auf die Zugabe von Ti und/oder Nb verzichtet werden.
[0010] Der Endlosbetrieb in der Gieß-Walz-Verbundanlage gewährleistet eine optimale Prozessstabilität
und in der Folge eine gleichmäßige Bandgeometrie und mechanische Eigenschaften.
[0011] Zur Reduktion von Reibspannungen im Walzspalt ist es vorteilhaft, wenn der Walzspalt
ein niedriges Verhältnis aus gedrückter Länge und mittlerer Walzspalthöhe aufweist.
Dies wird dadurch erreicht, dass der Durchmesser der Arbeitswalzen beim letzten Walzstich,
bevorzugt bei mehreren der abschließenden Walzstiche, besonders bevorzugt bei sämtlichen
Walzstichen, in der Fertigwalzstraße zwischen 200 mm und 750 mm, bevorzugt 200 mm
bis 500 mm, beträgt.
[0012] Zur weiteren Reduktion von Reibspannungen im Walzspalt ist es vorteilhaft, wenn der
Reibbeiwert µ zwischen einer Arbeitswalze und dem Walzgut beim letzten Walzstich,
bevorzugt bei mehreren der abschließenden Walzstiche, besonders bevorzugt bei sämtlichen
Walzstichen, in der Fertigwalzstraße µ ≤ 0,15 beträgt. Dies kann durch eine Walzspaltschmierung
und/oder durch besonders glatte Oberflächen der Arbeitswalzen erreicht werden.
[0013] Typischerweise ist der Umformgrad des ersten Walzstiches in der Fertigwalzstraße
größer als der Umformgrad des letzten Walzstiches, bzw. weisen alle Walzstiche einen
degressiven Verlauf der Umformgrade auf, d.h. dass der Umformgrad eines früheren Walzstiches
größer ist als der Umformgrad eines späteren Walzstiches.
[0014] Für die Ausbildung eines hohen Anteils von Ferrit mit {1 1 1} Textur ist es vorteilhaft,
wenn der Gesamtumformgrad aller Walzstiche in der Fertigwalzstraße ≥ 70% beträgt.
[0015] Bezüglich der Temperaturführung in der Gieß-Walz-Verbundanlage gibt es zwei Möglichkeiten.
Gemäß Option 1 beträgt die Temperatur des Vorbands beim Austritt aus der Vorwalzstraße
≥ 900 °C, die Temperatur des Fertigbands beim Austritt aus der Fertigwalzstraße zwischen
700 und 800 °C, und die Wickeltemperatur > 680 °C. Gemäß Option 2 beträgt die Temperatur
des Vorbands beim Austritt aus der Vorwalzstraße ≥ 900 °C, die Temperatur des Fertigbands
beim Austritt aus der Fertigwalzstraße < 750 °C, und die Wickeltemperatur < 600 °C.
[0016] Bei Verwendung der Option 2 ist es vorteilhaft, das Fertigband nach dem Aufwickeln
zur Rekristallisation zu glühen. Vorteilhaft an der Option 1 ist, dass das Rekristallisationsglühen
nicht erforderlich ist.
[0017] Falls das Vorband vor dem Fertigwalzen entzundert wird, ist es typischerweise erforderlich,
das Vorband, vorzugsweise induktiv, zu erhitzen.
[0018] Nach dem Erhitzen wird das Vorband entzundert und optional zusätzlich durch ein flüssiges
Kühlmittel intensiv abgekühlt (vgl. "Power Cooling" der Fa. Primetals Technologies).
[0019] Für die Ausbildung der gewünschten {1 1 1} Textur im Fertigband spielt es keine Rolle,
ob das Vorband vor oder nach dem Abkühlen entzundert wird. Vorzugsweise erfolgt das
Entzundern aber vor dem intensiven Abkühlen.
[0020] Vorzugsweise wird entweder der Strang oder das Vorband mit einem die Verzunderung
behindernden Pulver abgedeckt, sodass das Vorband nach einer aktiven oder passiven
Abkühlung voll- oder teilferritisch in die Fertigwalzstraße eintritt. Bei dieser Ausführungsform
ist vorteilhaft, dass die Entzunderung wegfällt und daher in den meisten Fällen auch
auf das Erhitzen des Vorbands verzichtet werden kann. Das Pulver kann z.B. ein Borat,
insbesondere ein Salz der Borsäure, besonders bevorzugt ein Natrium Salz der Borsäure,
ganz besonders bevorzugt Borax mit oder ohne Kristallwasser, wie Anhydrous borax (Na
2B
4O
7), Borax pentahydrate (Na
2B
4O
7·5H
2O) oder Borax decahydrate (Na
2B
4O
7·10H
2O), sein bzw. das Pulver zumindest eine diese Verbindungen beinhalten.
[0021] Bei bestimmten Temperaturführungen kann es notwendig sein, das Fertigband in der
Kühlstrecke abzukühlen.
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
[0022] Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie
die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich
im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung mehrerer Ausführungsbeispiele, die
im Zusammenhang mit den Zeichnungen näher erläutert werden. Dabei zeigt:
- Fig 1
- eine schematische Darstellung einer ersten Gieß-Walz-Verbundanlage zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- Fig 2
- eine schematische Darstellung einer zweiten Gieß-Walz-Verbundanlage zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- Fig 3
- ein Dickenprofil für drei Varianten des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- Fig 4
- ein Temperaturprofil für drei Varianten des erfindungsgemäßen Verfahrens.
Beschreibung der Ausführungsformen
[0023] In der Gieß-Walz-Verbundanlage 1 der Fig 1 wird in der Stranggießanlage 2 flüssiger
Stahl mit folgender chemischer Zusammensetzung
Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung des Stahls
Element |
Gewichts% |
C |
<0,004 |
Mn |
< 0,2 |
P |
< 0,01 |
Ti+Nb |
0,03 |
Fe |
Rest |
zu einem Strang 3 mit Brammenquerschnitt stranggegossen. Der Strang 3 verlässt die
Stranggießanlage 2 mit einer Dicke von 110 mm und einer Geschwindigkeit von 6 m/min.
Der Strang 3 tritt ungeschnitten in die dreigerüstige Vorwalzstraße 5 ein und wird
dort zu einem Vorband 4 mit einer Dicke von 10 mm reduziert. Der letzte Walzstich
im Gerüst R3 der Vorwalzstraße 5 erfolgt im austenitischen Temperaturbereich bei einer
Endwalztemperatur von 950°C. Anschließend wird die Temperatur des Vorbands 4 durch
einen Induktionsofen IH auf 1050°C erhitzt und anschließend die Temperatur des Vorbands
durch eine Entzunderung D und eine Intensivkühlung 7 auf 800°C abgekühlt. Dabei wird
der im Vorband 4 vorhandene Austenit größtenteils bzw. beinahe vollständig in Ferrit
umgewandelt. Das endlose, teilweise phasenumgewandelte Vorband 4 tritt anschließend
in die fünfgerüstige Fertigwalzstraße 8 ein und wird dort in 5 Walzstichen zu einem
Fertigband 6 mit einer Dicke von 1 mm fertiggewalzt. Die letzten drei Walzstiche in
den Walzgerüsten F3, F4 und F5 der Fertigwalzstraße 8 werden unter Anwendung einer
Walzspaltschmierung durchgeführt. Dabei wird jeweils zwischen den Arbeitswalzen eines
Fertiggerüsts und dem Walzgut ein Mineralöl aufgesprüht, das den Reibbeiwert im Walzspalt
auf einen Wert µ < 0,15 heruntersetzt. Dadurch wird verhindert, dass sich Scherbänder,
die zur Entwicklung einer unerwünschten GOSS-Textur führen, im Fertigband ausbilden.
Das Fertigband 6 verlässt die Fertigwalzstraße 8 mit einer Temperatur von 720°C und
wird ohne in der nachfolgenden Kühlstrecke durch Flüssigkeit abgekühlt zu werden in
der Wickeleinrichtung DC zu Bunden aufgewickelt. Die Wickeltemperatur beträgt 690°C.
Kurz bevor der Bund sein Zielgewicht erreicht, wird das endlose Fertigband durch die
Schere 10 geschnitten und das Aufwickeln auf einer weiteren (in Fig 1 nicht dargestellten)
Wickeleinrichtung fortgesetzt, wobei der Ferrit im Fertigband 6 zumindest teilweise
eine {1 1 1} Textur ausbildet.
[0024] Die Fig 2 zeigt eine zweite Variante einer Gieß-Walz-Verbundanlage 1 zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens.
[0025] In den Figuren 3 und 4 werden drei weitere Varianten, genannt V1 bis V3, von Betriebsverfahren
zur Herstellung eines Fertigbands 6 aus Stahl auf der Gieß-Walz-Verbundanlage 1 der
Fig 2 dargestellt. Die Varianten V1 und V2 werden auf der Gieß-Walz-Verbundanlage
1 gemäß Fig 1 durchgeführt; die Variante V3 auf der Gieß-Walz-Verbundanlage 1 gemäß
Fig 2.
[0026] Gemäß der Variante V3 wird das im Induktionsofen IH erhitzte und in der Entzunderungseinrichtung
D entzunderte Vorband 4 direkt dem ersten Gerüst F1 der Fertigwalzstraße 8 zugeführt,
ohne durch eine Intensivkühlung 7 weiter abgekühlt zu werden. Dadurch werden die Gieß-Walz-Verbundanlage
1 der Fig 2 sowie das Betriebsverfahren V3 weiter vereinfacht.
[0027] In der Stranggießanlage 3 wird bei den Varianten V1, V2 und V3 jeweils flüssiger
Stahl mit der in Tabelle 1 angegebenen chem. Zusammensetzung zu einem 90 mm dicken
Dünnbrammenstrang 3 vergossen. Der Dünnbrammenstrang 3 verlässt die Stranggießanlage
2 mit einer Gießgeschwindigkeit von 6 m/min und einer Temperatur von 1100°C. Da die
Vorwalzstraße 5 unmittelbar der Stranggießanlage 2 nachfolgt, tritt der ungeschnittene
Dünnbrammenstrang auch mit 1100°C in das erste Gerüst R1 der Vorwalzstraße 5 ein und
wird in den drei Gerüsten R1...R3 der Vorwalzstraße 5 zu einem Vorband 4 mit einer
Dicke von 12,4 mm vorgewalzt. Der letzte Walzstich im Gerüst R3 der Vorwalzstraße
5 erfolgt bei 1000°C und somit im austenitischen Temperaturbereich des Stahls. Durch
das Vorwalzen wird die Dicke des Strangs um 86% reduziert.
[0028] Bei den Varianten V1 und V2 wird das Vorband 4 anschließend im Induktionsofen IH
auf 1100°C erwärmt und danach in der Entzunderungseinrichtung D entzundert. Dabei
fällt die Temperatur des Vorbands 4 auf 1000°C ab. Anschließend wird das Vorband in
der Intensivkühlung 7 intensiv abgekühlt, wobei die Temperatur des Vorbands 4 auf
unter 900°C abfällt.
[0029] Bei der Variante V3 wird das Vorband 4 weder im Induktionsofen IH erwärmt noch in
der Entzunderungseinrichtung D entzundert. Ebenso gut wäre es möglich, den Induktionsofen
IH und die Entzunderungseinrichtung D wegzulassen. Es dürfte klar sein, dass die Oberflächenqualität
des Fertigbands 6 durch das Weglassen des Entzunderns möglicherweise nicht den Erwartungen
entspricht. Auf der anderen Seite ist für manche Anwendungen eine hohe Energieeffizienz
wichtiger als eine hohe Oberflächenqualität. Wie oben dargestellt, kann die Verzunderung
des Strangs oder des Vorbands durch ein Pulver reduziert bzw. verhindert werden. In
diesem Fall weist das erfindungsgemäße Verfahren eine hohe Energieeffizienz und das
Fertigband eine hohe Oberflächenqualität auf.
[0030] Durch die Temperaturführung des Vorbands 4 nach dem letzten Walzstich R3 in der Vorwalzstraße
5 und vor dem ersten Walzstich F1 in der Fertigwalzstraße 8 wird der Austenit im Vorband
4 zumindest teilweise in Ferrit umgewandelt. Anschließend tritt das zumindest teilweise
phasenumgewandelte Vorband 4 ungeschnitten in das erste Gerüst F1 der Fertigwalzstraße
8 ein.
[0031] Gemäß der Variante V1 erfolgt der erste Walzstich im ersten Gerüst F1 der Fertigwalzstraße
8 bei 875°C. Der letzte Walzstich im fünften Gerüst F5 der Fertigwalzstraße 8 erfolgt
bei einer Endwalztemperatur von 735°C. Das Fertigband 6 mit einer Dicke von 1,7 mm
durchläuft die Kühlstrecke 9 ungekühlt und wird mit einer Wickeltemperatur von 690°C
auf der Wickeleinrichtung DC aufgewickelt. Es wäre ebenfalls möglich, die Kühlstrecke
9 wegzulassen, d.h. die Wickeleinrichtungen DC unmittelbar nach dem letzten Gerüst
F5 der Fertigwalzstraße 8 anzuordnen. Da auf einer Gieß-Walz-Verbundanlage 1 meist
jedoch unterschiedliche Produkte erzeugt werden, ist typischerweise eine Kühlstrecke
9 vorhanden.
[0032] Bei den Varianten V2 und V3 erfolgt der erste Walzstich im ersten Gerüst F1 der Fertigwalzstraße
8 bei 840°C. Der letzte Walzstich im fünften Gerüst F5 erfolgt bei einer Endwalztemperatur
von 700°C. Das Fertigband 6 mit einer Dicke von 1,7 mm wird in der Kühlstrecke 9 weiter
abgekühlt und mit einer Wickeltemperatur von 550°C auf der Wickeleinrichtung DC aufgewickelt.
[0033] Bei allen drei Varianten wird die Dicke des Vorbands durch das Fertigwalzen um 86%
reduziert.
[0034] Die letzten drei Walzstiche in den Walzgerüsten F3, F4 und F5 der Fertigwalzstraße
8 werden wiederum unter Anwendung einer Walzspaltschmierung durchgeführt.
[0035] Die Temperaturen bei den einzelnen Aggregaten der Gieß-Walz-Verbundanlage 1 gemäß
den Varianten V1 bis V3 ergeben sich entweder aus Fig 4 oder der nachfolgenden Tabelle:
Tabelle 2: Temperaturführung
|
Temperatur [°C] |
V1 |
V2 |
V3 |
CCM Out |
1100 |
1100 |
1100 |
R1 |
1100 |
1100 |
1100 |
R2 |
1050 |
1050 |
1050 |
R3 |
1000 |
1000 |
1000 |
IH In |
900 |
900 |
900 |
IH Out |
1100 |
1100 |
880 |
D |
1000 |
1000 |
870 |
F1 |
875 |
840 |
840 |
F2 |
840 |
805 |
805 |
F3 |
805 |
770 |
770 |
F4 |
770 |
735 |
735 |
F5 |
735 |
700 |
700 |
DC |
690 |
550 |
550 |
[0036] Die Reduktionsraten in den einzelnen Gerüsten R1...R3 und F1...F5 sowie die Dicken
der Dünnbramme 2, des Vorbands 4 und des Fertigbands 6 gemäß den Varianten V1 bis
V3 ergeben sich entweder aus Fig 3 oder der nachfolgenden Tabelle:
Tabelle 3: Dicken und Reduktionsraten
|
Dicke [mm] |
Reduktionsraten [%] |
V1 |
V2 |
V3 |
V1 |
V2 |
V3 |
CCM Out |
90,0 |
90,0 |
90,0 |
|
|
|
R1 In |
90,0 |
90,0 |
90,0 |
50 |
50 |
50 |
R1 Out |
45,0 |
45,0 |
45,0 |
R2 In |
45,0 |
45,0 |
45,0 |
50 |
50 |
50 |
R2 Out |
22,5 |
22,5 |
22,5 |
R3 In |
22,5 |
22,5 |
22,5 |
45 |
45 |
45 |
R3 Out |
12,4 |
12,4 |
12,4 |
IH In |
12,4 |
12,4 |
12,4 |
|
|
|
IH Out |
12,4 |
12,4 |
12,4 |
|
|
|
D |
12,4 |
12,4 |
12,4 |
|
|
|
F1 In |
12,4 |
12,4 |
12,4 |
45 |
45 |
45 |
F1 Out |
6,8 |
6,8 |
6,8 |
F2 In |
6,8 |
6,8 |
6,8 |
40 |
40 |
40 |
F2 Out |
4,1 |
4,1 |
4,1 |
F3 In |
4,1 |
4,1 |
4,1 |
35 |
35 |
35 |
F3 Out |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
F4 In |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
25 |
25 |
25 |
F4 Out |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
F5 In |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
15 |
15 |
15 |
F5 Out |
1,7 |
1,7 |
1,7 |
DC |
1,7 |
1,7 |
1,7 |
|
|
|
[0037] Um den endlosen Betrieb der Gieß-Walz-Verbundanlage 1 zu gewährleisten, wird das
Fertigband 6 direkt vor den Wickeleinrichtungen geschnitten und abwechselnd durch
zumindest zwei Wickeleinrichtungen DC aufgewickelt.
[0038] Durch die Anwendung der erfindungsgemäßen Verfahren in der Gieß-Walz-Verbundanlage
1 weist das aufgewickelte Fertigband 6 eine gute Tiefziehbarkeit auf, ohne dass das
Fertigband 6 nach dem Warmwalzen noch kaltgewalzt oder geglüht werden müsste. Da das
Fertigband bei den Varianten V2 und V3 mit relativ niedriger Temperatur aufgewickelt
wird, findet im Coil selbst keine Rekristallisation statt. Daher sollte das Fertigband
nachfolgend einem Rekristallisationsglühen unterzogen werden. Doch selbst wenn das
Fertigband 6 für höhere Anforderungen noch kaltgewalzt und geglüht wird, ist das erfindungsgemäße
Verfahren äußerst vorteilhaft, da das Kaltwalzen mit niedrigeren Reduktionsraten erfolgen
und die Glühzeit stark verkürzt werden kann. Die gute Tiefziehbarkeit ergibt sich
einerseits aus der chem. Zusammensetzung des flüssigen Stahls sowie der vorteilhaften
Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens.
[0039] Obwohl die Erfindung im Detail durch die bevorzugten Ausführungsbeispiele näher illustriert
und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele
eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden,
ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
Bezugszeichenliste
[0040]
- 1
- Gieß-Walz-Verbundanlage
- 2, CCM
- Stranggießanlage
- 3
- Strang
- 4
- Vorband
- 5
- Vorwalzstraße
- 6
- Fertigband
- 7
- Intensivkühlung
- 8
- Fertigwalzstraße
- 9
- Kühlstrecke
- 10
- Schere
- D
- Entzunderungseinrichtung
- DC
- Wickeleinrichtung
- F1...F5
- Erstes bis fünftes Gerüst der Fertigwalzstraße
- IH
- Induktionsofen
- In
- Eingang eines Aggregats
- Out
- Ausgang eines Aggregats
- R1...R3
- Erstes bis drittes Gerüst der Vorwalzstraße
1. Verfahren zur Herstellung eines Fertigbands (6) aus Stahl in einer Gieß-Walz-Verbundanlage
(1), wobei die Gieß-Walz-Verbundanlage (1) aufweist:
- eine Stranggießanlage (2) zum Stranggießen eines Strangs (3),
- eine Vorwalzstraße (5) zum Vorwalzen des Strangs (3) zu einem Vorband (4),
- eine Fertigwalzstraße (8) mit mehreren Fertiggerüsten zum Fertigwalzen des Vorbands
(4) zu dem Fertigband (6), und
- zumindest eine Wickeleinrichtung (DC) zum Aufwickeln des Fertigbands (6),
umfassend die Verfahrensschritte:
- Stranggießen von flüssigem Stahl zu dem Strang (3) mit Brammen- oder Dünnbrammenquerschnitt
in der Stranggießanlage (2), wobei der flüssige Stahl in Gewichts% C < 0,01%, Mn <
0,2%, P < 0,01%, optional Ti+Nb ≥ 0,01%, der Rest Fe und etwaige Verunreinigungen
enthält;
- Vorwalzen des ungeschnittenen Strangs (3) zu dem Vorband (4) in der Vorwalzstraße
(5), wobei der letzte Walzstich (R3) in der Vorwalzstraße (5) im austenitischen Bereich
erfolgt und die Dicke des Strangs (3) durch das Vorwalzen um zumindest 30%, bevorzugt
zumindest 60%, besonders bevorzugt zumindest 80% reduziert wird;
- zumindest teilweise Phasenumwandlung des Austenits im Vorband (4) zu Ferrit vor
dem Fertigwalzens;
- Fertigwalzen des ungeschnittenen, zumindest teilweise phasenumgewandelten Vorbands
(3) in der Fertigwalzstraße (8) durch mehrere Walzstiche zu dem Fertigband (6), wobei
das Fertigband (6) nach dem letzten Walzstich (F5) eine Dicke zwischen 0,5 und 4 mm,
bevorzugt zwischen 0,6 und 2 mm aufweist;
- Walzspaltschmierung beim letzten Walzstich (F5), bevorzugt bei mehreren der abschließenden
Walzstiche (F3...F5), besonders bevorzugt bei sämtlichen Walzstichen (F1...F5), in
der Fertigwalzstraße (8), wodurch die Reibung zwischen den Arbeitswalzen eines Fertiggerüsts
und dem Walzgut reduziert wird;
- Aufwickeln des Fertigbands (6) in der Wickeleinrichtung (DC) .
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchmesser der Arbeitswalzen beim letzten Walzstich, bevorzugt bei mehreren
der abschließenden Walzstiche, besonders bevorzugt bei sämtlichen Walzstichen, in
der Fertigwalzstraße zwischen 200mm und 750mm, bevorzugt 200mm bis 500 mm, beträgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Reibbeiwert µ zwischen einer Arbeitswalze und dem Walzgut beim letzten Walzstich,
bevorzugt bei mehreren der abschließenden Walzstiche, besonders bevorzugt bei sämtlichen
Walzstichen, in der Fertigwalzstraße (8) µ ≤ 0,15 beträgt.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Umformgrad des ersten Walzstiches in der Fertigwalzstraße (8) größer als der
Umformgrad des letzten Walzstiches ist.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Gesamtumformgrad aller Walzstiche in der Fertigwalzstraße (8) ≥ 70% beträgt.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur des Vorbands (4) beim Austritt aus der Vorwalzstraße (5) ≥ 900 °C,
die Temperatur des Fertigbands (6) beim Austritt aus der Fertigwalzstraße (8) zwischen
700 und 800 °C, und die Wickeltemperatur > 680 °C beträgt.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Temperatur des Vorbands (4) beim Austritt aus der Vorwalzstraße (5) ≥ 900 °C,
die Temperatur des Fertigbands (6) beim Austritt aus der Fertigwalzstraße (8) < 750
°C, und die Wickeltemperatur < 600 °C beträgt.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Fertigband (6) nach dem Aufwickeln zur Rekristallisation geglüht wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Vorband (4) vor dem Fertigwalzen, vorzugsweise induktiv, erhitzt wird.
10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Vorband (4) nach dem Erhitzen und vor dem Fertigwalzen entzundert und optional
zusätzlich durch ein flüssiges Kühlmittel abgekühlt wird.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass entweder der Strang (3) oder das Vorband (4) mit einem die Verzunderung behindernden
Abdeckpulver abgedeckt wird und das Vorband (4) nach einer aktiven oder passiven Abkühlung
voll- oder teilferritisch in die Fertigwalzstraße (8) eintritt.
12. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Vorband (4) vor oder nach dem Abkühlen entzundert wird.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Fertigband (6) in der Kühlstrecke (9) abgekühlt wird.