(19)
(11) EP 3 771 771 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.02.2021  Patentblatt  2021/05

(21) Anmeldenummer: 19189407.0

(22) Anmeldetag:  31.07.2019
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
D21F 1/74(2006.01)
D21F 1/80(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Fülling, Rainer
42899 Remscheid (DE)

(72) Erfinder:
  • Fülling, Rainer
    42899 Remscheid (DE)

(74) Vertreter: Steffan & Kiehne Patentanwälte PartG mbB 
Patentanwälte Postfach 10 40 09
40031 Düsseldorf
40031 Düsseldorf (DE)

   


(54) VEREINFACHTES UND EFFIZIENTES VERFAHREN ZUR GEWINNUNG VON CELLULOSE


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb (Schritt (1)), Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung (Schritt (2)), und Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung (Schritt (3)) sowie gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats (Schritt (4)), wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholt wird.


Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb (Schritt (1)), Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung (Schritt (2)), und Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung (Schritt (3)) sowie gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats (Schritt (4)), wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholt wird.

Stand der Technik / Hintergrund



[0002] Cellulose ist ein kettenförmiges Polysaccharid, welches in der Regel mehrere tausend Glucose-Einheiten aufweist, die über β-1,4-glycosidische Bindungen verknüpft sind. Die Ketten sind dabei zu langen, parallel angeordneten Fibrillen mit mikrokristallinem Charakter verdrillt. Es resultiert die bekannte Faserstruktur der Cellulose mit festem Charakter, die einen strukturierten molekularen Aufbau aufweist. Lignocellulose besteht aus einem Gerüst aus Cellulose und gegebenenfalls auch Hemicellulose sowie gegebenenfalls weiteren Polyosen. Das Gerüst weist dabei Lignin auf. Die in der Lignocellulose enthaltenen Lignine und sonstige Polyosen und deren enge physikalische Bindung an die Cellulose verleihen der Faserstruktur einen besonders festen und widerstandsfähigen Charakter.

[0003] Cellulose ist ein wichtiger Rohstoff zur Papierherstellung, zur Herstellung von Bekleidungsartikeln und kann zudem als Brennstoff zum Heizen oder als Dämmmaterial genutzt werden. Cellulose dient daneben als ein wichtiger natürlicher Bestandteil von Nahrungsmitteln und Futtermitteln. Zudem dienen viele aus Cellulose erhältliche Derivate als Ausgangsstoffe für industrielle Anwendungen: so wird beispielsweise xanthogenierte Cellulose zur Viskoseherstellung eingesetzt und es werden zum Beispiel Methylcellulose, Celluloseacetat und Cellulosenitrat in der Bauindustrie, Textilindustrie oder in der Chemischen Industrie eingesetzt. Eine Nutzung von Lignocellulose findet beispielsweise in Form von Holzmaterialien als Baustoff oder Brennstoff statt. Cellulose kann ferner mittels Cellulase zu Glucose bzw. Oligomeren der Glucose abgebaut werden. Diese Produkte dienen wiederum zur Herstellung weiterer Substrate wie Ethanol, Buttersäure, Butanol, Aceton, Citronensäure und Itaconsäure.

[0004] Cellulose und auch Lignocellulose, insbesondere Cellulose, sind grundsätzlich in der Natur in großen Mengen vorhanden, weshalb ein Bedarf an neuen Verfahren zur Gewinnung, insbesondere zur Isolierung, dieser nachwachsenden Rohstoffe aus Biomasse-enthaltenen Substraten besteht.

[0005] Einer Gärung zugängliche Substrate wie beispielsweise Rohschlamm, insbesondere aus Abwasser stammender Rohschlamm sind dem Fachmann bekannt. Bei der Gärung, also beim anaeroben Abbau dieser Substrate durch Mikroorganismen, steht insbesondere die Methan-Gärung im Vordergrund. Bei der Methan-Gärung werden durch verschiedene in Abhängigkeit voneinander lebende Mikroorganismen am Ende der Abbaukette Methan und Kohlendioxid als Hauptendprodukte gebildet. Das entstehende Gasgemisch wird bekanntermaßen auch als Biogas bezeichnet und hat heutzutage eine deutliche industrielle und wirtschaftliche Relevanz, insbesondere im Sektor der Energieerzeugung.

[0006] Die genannten Substrate bestehen jedoch nicht nur aus bei der Gärung effizient abbaubarer organischer Materie wie Eiweißen, Fetten und wasserlöslichen Kohlenhydraten. Vielmehr enthalten sie insbesondere auch organische Bestandteile wie Cellulose und Lignocellulose. Die Gewinnung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus solchen Substraten wird jedoch durch die Anwesenheit vieler weiterer organischer Bestandteile in solchen Substraten erschwert: Zu nennen sind hierbei insbesondere Glykoproteine und Glykolipide und eine hohe Konzentration an in gelöster Form vorliegenden organischen Verbindungen. Ebenso enthalten die eingesetzten Substrate oftmals einen hohen Gehalt an Mineralien. Werden die Substrate, insbesondere aus Abwasser stammender Rohschlamm, biologisch behandelt, so entsteht aus den in gelöster Form vorliegenden organischen Verbindungen abscheidbare Biomasse, die insbesondere Bakterien und andere Organismen sowie gelartige Substanzen, beispielsweise EPS (extrazelluläre polymere Substanzen), enthält. Letztere müssen im Rohschlamm wieder von den Cellulosefasern getrennt werden.

[0007] Üblicherweise erfolgt bei der Aufarbeitung von Abwasser in Kläranlagen zunächst eine grobe Vorreinigung durch Rechen und/oder Sandfänge. Danach wird das vorgereinigte Abwasser in ein Vorklärbecken überführt. Das Abwasser wird langsam durch dieses Becken geleitet, wobei sich Verunreinigungen absetzen (sedimentieren) oder an die Oberfläche aufschwimmen. Durch die mechanische Abtrennung dieser Verunreinigungen erhält man den so genannten Primärschlamm. Das verbleibende Abwasser wird dann durch aerobe Mikroorganismen weiter gereinigt, wobei die in dem Abwasser nach der mechanischen Reinigung vorhandenen organischen Bestandteile durch die aeroben Mikroorganismen verwertet werden (aerobe Belebungsanlage), sodass schließlich hinreichend gereinigtes Wasser entsteht.

[0008] Die in der aeroben Belebungsanlage durch die Verwertung der Verunreinigungen ständig wachsende Mikroorganismenpopulation wird regelmäßig abgetrennt (Sekundärschlamm, Überschussschlamm) und meist mit dem Primärschlamm vereinigt.

[0009] Der bei der Vereinigung von Primärschlamm und Sekundärschlamm resultierende Schlamm wird üblicherweise als Rohschlamm bezeichnet. Er enthält in der Regel einen vergleichsweise hohen Wassergehalt (98 bis 99,5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Rohschlamms). Der Festkörperanteil setzt sich aus den vorstehend beschriebenen organischen Verbindungen sowie aus dem Sekundärschlamm stammenden Mikroorganismen zusammen und enthält zudem üblicherweise einen Anteil an anorganischen Verbindungen. Der organische Anteil enthält neben stabileren Verbindungen wie beispielsweise Cellulose und/oder Lignocellulose auch leicht faulende organische Materie wie wasserlösliche Polysaccharide, Eiweiße und Fette. Bei dieser Faulung entstehen beispielsweise niedermolekulare Fettsäuren, Ammoniak oder Schwefelwasserstoff.

[0010] Der Rohschlamm wird in einem nächsten Schritt üblicherweise in Faultürmen einer kontrollierten anaeroben Faulung beziehungsweise Gärung unterworfen. Dabei werden die leicht faulenden Verbindungen durch anaerobe Bakterienkulturen stufenweise zersetzt. Mittels einer ersten Phase, der so genannten Hydrolyse- und Versäuerungsphase, werden die Stoffe durch entsprechende Mikroorganismen hauptsächlich zu niedrigen Fettsäure beziehungsweise Carbonsäuren und Alkoholen sowie Wasserstoff und Kohlendioxid umgesetzt. Über die acetogene Phase entsteht letztlich Essigsäure, die dann in der zweiten Stufe, der Methanphase, durch entsprechende Mikroorganismen (Methanbakterien) zu Methan und Kohlendioxid umgesetzt wird. Zudem wird die Umsetzung von Wasserstoff und Kohlendioxid zu Methan und Wasser bewirkt. Neben dem Hauptprodukt Methan, das gezielt abgeführt wird und dann als Biogas-Komponente oder zur generellen Energieerzeugung (Netzeinspeisung) verwendet wird, entstehen im Faulturm beispielsweise auch stickstoffbasierte Verbindungen wie insbesondere Ammoniak beziehungsweise entsprechende Ammoniumsalze. Der nach dem etwa 20- bis 30-tägigen Faulprozess verbleibende so genannte Faulschlamm (stabilisierter Klärschlamm) enthält neben anorganischen Verbindungen, beispielsweise die genannten anorganischen Ammoniumsalze, auch die genannten stabileren organischen Verbindungen, insbesondere Cellulose und Lignocellulose, die im Faulturm nicht oder nur zu einem geringen Anteil umgesetzt bzw. abgebaut werden. Häufig werden auch größere Feststoffpartikel und Agglomerate, die in dem ursprünglichen Rohschlamm vorhanden sind, nur unvollständig zersetzt, obwohl sie die anaerob zersetzbaren Stoffe enthalten. Grund hierfür ist, dass die Angriffsfläche für die anaerobe Umsetzung in solchen Agglomeraten entsprechend klein ist.

[0011] Verfahren zur Abwasserbehandlung sind beispielsweise aus EP 1 310 461 A1, EP 0 960 860 A1, US 2003/192831 A1, JP 2005-046691 A und dem US-Patent 4,370,235 bekannt.

[0012] Eine ausreichende gezielte Abtrennung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus dem Rohschlamm oder aus Primärschlamm durch mechanische Verfahren wie Sedimentation, Sieben, Filtration oder Zentrifugation, gelingt mit den herkömmlichen Verfahren jedoch nicht. Der Rohschlamm besitzt ausgesprochen schlechte Sedimentations- und Entwässerungseigenschaften und kann auch durch andere Verfahren nicht zufriedenstellend aufgetrennt werden. Insbesondere kann eine ausreichende gezielte Abtrennung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus dem Rohschlamm durch übliche Desintegrationsverfahren nicht in ausreichendem Maße erreicht werden, da die Rohschlämme auch nach der Desintegration noch in hochviskoser, zähflüssiger Form vorliegen, wobei durch die darin enthaltenen Fasern und gelartigen Anteile ein filzigartiger, stark konglomerierter Charakter des Rohschlamms resultiert, der dazu führt, dass die Schlämme einer anschließenden mechanischen Trennung, wenn überhaupt, nur sehr schwer zugänglich sind. Zwar wird durch die Desintegration eine leichte Verbesserung erreicht, jedoch ist diese üblicherweise nicht ausreichend. Selbiges gilt für die weiteren, dem Fachmann bekannten Substrate, die zur Methan-Gärung eingesetzt werden und ebenfalls die genannten faserigen und gelartigen Bestandteile aufweisen. Auch bei solchen der Gärung zugänglichen Substraten, beispielsweise Gras und Mais beziehungsweise Gras- und Maissilage, Gülle oder Bioabfällen wäre es von enormem Vorteil, wenn durch eine vorteilhafte und ökonomische Form der Aufbereitung erreicht wird, dass die darin vorhandenen verwertbaren Verbindungen Cellulose und/oder Lignocellulose isoliert werden könnten.

[0013] Ein weiteres Verfahren zur Abwasserbehandlung ist zudem aus WO 2015/011275 A1 bekannt. Dieses Verfahren sieht jedoch zwingend einen Verfahrensschritt mit Ultraschallbehandlung unter Einsatz einer entsprechend geeigneten Ultraschallvorrichtung vor. Das Verfahren ist daher vergleichsweise aufwendig in der Durchführung und weist somit insbesondere aus ökonomischer Sicht Nachteile auf.

[0014] Es besteht daher ein Bedarf an einem verbesserten und insbesondere vereinfachtem Verfahren, welches die gezielte Abtrennung, insbesondere Isolierung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus solchen der Gärung zumindest teilweise zugänglichen Substraten wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm oder aus Primärschlamm ermöglicht.

Problem



[0015] Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose und/oder Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen Substrat wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm oder direkt aus Primärschlamm, zur Verfügung zu stellen, insbesondere ein solches Verfahren, welches gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten üblichen Verfahren Vorteile aufweist. Insbesondere ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein solches Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches es ermöglicht, Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus solchen der Gärung zumindest teilweise zugänglichen Substrat wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm oder direkt aus Primärschlamm abzutrennen, wobei das Verfahren insbesondere unter ökonomischen Gesichtspunkten vorteilhaft sein soll und zudem eine Vereinfachung im Vergleich zu bekannten Verfahren darstellt.

Lösung



[0016] Diese Aufgabe wird gelöst durch den in den Patentansprüchen beanspruchten Gegenstand und den in der vorliegenden Beschreibung nachstehend offenbarten bevorzugten Ausführungsformen dieses Gegenstands.

[0017] Ein Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist daher ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat enthaltend Cellulose oder enthaltend eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich
  1. (1) Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb,
  2. (2) Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung,
  3. (3) Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung, sowie
  4. (4) gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose, wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholt wird.


[0018] Es wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat wie aus Rohschlamm oder insbesondere aus Primärschlamm, zu gewinnen und diese Verbindungen somit für eine Vielzahl von Industriezweigen und für eine Vielzahl von Anwendungen nutzbar zu machen.

[0019] Insbesondere wurde dabei überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose, insbesondere Cellulose, in hohen Ausbeuten, beispielsweise von bis zu 60 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt des eingesetzten der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrats, und/oder hohen Reinheitsgraden, beispielsweise in einer Reinheit im Bereich von 75 bis 95 Gew.-%, zu gewinnen. Aus der so erhaltenen Cellulose können insbesondere mittels Cellulase Glucose bzw. Oligomere der Glucose gewonnen werden, welche wiederum - insbesondere durch Mikroorganismen - zur Herstellung weiterer Substrate wie Ethanol, Buttersäure, Butanol, Aceton, Citronensäure und Itaconsäure eingesetzt werden können.

[0020] Zudem wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht, der Gärung zumindest teilweise zugängliche eingesetzte wässrige Substrate wie beispielsweise Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm ohne eine energieaufwendige Verarbeitung wie beispielsweise einer bei hohen Temperaturen, insbesondere bei Temperaturen >100°C, in einen Zustand zu überführen, der es ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus diesem Substrat wie Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm, zu erhalten und zu isolieren.

[0021] Zudem wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht, der Gärung zumindest teilweise zugängliche eingesetzte wässrige Substrate wie beispielsweise Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm ohne vergleichsweise aufwendigen Einsatz einer Ultraschallvorrichtung und damit ohne Durchlaufen einer Ultraschallbehandlung in einen Zustand zu überführen, der es wiederum ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus diesem Substrat wie Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm zu erhalten und zu isolieren.

[0022] Insbesondere überraschend hat sich gezeigt, dass die Lösung der der vorliegenden Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe durch die Kombination der Verfahrensparameter der Schritte (1) und (2) und (3), insbesondere durch das Anpressen gemäß Schritt (2), des erfindungsgemäßen Verfahrens erreicht werden kann, da nach Durchführung von Schritt (2) das zumindest teilweise entwässerte Substrat an der Anpressvorrichtung wie einer Walze haften bleibt und in Schritt (3) in einfacher Weise von dieser entfernt werden kann. Eine weitere Entwässerung und somit Aufkonzentrierung an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose ist mittels ein- oder mehrfachen Durchlaufens von Schritt (4) möglich.

[0023] Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang zudem überraschend gefunden, dass insbesondere ein Großteil der vielen weiteren organischen Bestandteile, die in hoher Konzentration in gelöster Form im eingesetzten Substrat wie Primärschlamm vorliegen, durch Schritt (2) im Rahmen der so vorgenommenen Entwässerung in einfacher Art und Weise abgetrennt werden können und somit keinen störenden Einfluss auf das weitere Verfahren mehr nehmen können. Insbesondere die gelösten, kolloiden und nicht-faserigen Bestandteile des eingesetzten Substrats wie Primärschlamm können so von den Cellulose- bzw. Cellulose-/Lignocellulose-Fasern weitgehend abgetrennt werden und diese Fasern in anschließenden Schritten weiter gereinigt und angereichert werden.

Ausführliche Beschreibung



[0024] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat enthaltend Cellulose oder enthaltend eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4),

[0025] Als der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrate können letztlich alle dem Fachmann im Zusammenhang mit der Gärung, insbesondere der Methan-Gärung, und der damit verbundenen Biogasproduktion bekannten Substrate eingesetzt werden. Hierzu gehören letztlich alle Substrate, die faulbare beziehungsweise gärbare organische Verbindungen enthalten. Als Gärung wird bekanntermaßen der anaerobe Abbau von organischen Verbindungen durch Mikroorganismen bezeichnet, das heißt also die Zersetzung von komplexeren, gegebenenfalls polymeren organischen Verbindungen wie Polysacchariden, Fetten und Eiweißen in niedermolekulare Verbindungen wie insbesondere Methan, Kohlendioxid und Wasser sowie auch Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Besonders bevorzugt eingesetzt werden faserhaltige Materialien. Zu solchen Substraten gehören beispielsweise Gras und Mais sowie Gras- und Maissilage, Dünnschlempe, Futterrüben, Ganzpflanzsilagen, Grünschnitt, halmgutartige Biomasse, Industrieobst, Jauche, Presskuchen, Rapsextraktionsschrot, Rapskuchen, Rübenblattsilage, Zuckerrüben, Gülle, Bioabfälle und Rohschlamm aus Abwasser sowie insbesondere Primärschlamm. Das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche und im erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzte Substrat enthält Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose zumindest in gewissen, daraus abtrennbaren Mengen, besonders bevorzugt in einem Anteil von bis zu 70 Gew.-%, beispielsweise in einem Anteil von 20 bis 60 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt des eingesetzten Substrats. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem Fachmann bekannt. Vorzugsweise wird der Festkörpergehalt gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung des Trockenrückstands bestimmt.

[0026] Vorzugsweise ist das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Gras, Mais, Grassilage, Maissilage, Dünnschlempe, Futterrüben, Ganzpflanzsilagen, Grünschnitt, halmgutartige Biomasse, Industrieobst, Jauche, Presskuchen, Rapsextraktionsschrot, Rapskuchen, Rübenblattsilage, Zuckerrüben, Gülle, Bioabfälle und aus Abwasser stammender Rohschlamm, insbesondere Primärschlamm, Sekundärschlamm und/oder Faulschlamm, sowie Mischungen davon, am meisten bevorzugt jedoch Primärschlamm.

[0027] Vorzugsweise wird als das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche wässrige Substrat aus Abwasser stammender Rohschlamm oder Primärschlamm, vorzugsweise Primärschlamm, eingesetzt. Grund hierfür ist insbesondere, dass der überwiegende Teil an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose innerhalb des Primärschlamms vorliegt.

[0028] Das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat ist wässrig, d.h. enthält Wasser. Besonders bevorzugt liegt das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat in Form einer wässrigen Mischung vor. Es ist selbstredend, dass das erfindungsgemäß eingesetzte Substrat wenigstens Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfasst, so dass eine entsprechende Gewinnung möglich ist.

[0029] Der Begriff des Primärschlamms ist dem Fachmann bekannt. Hierunter wird vorzugsweise derjenige Schlamm verstanden, der erhältlich ist nach (a) mechanischer Reinigung von Abwasser in Kläranlagen, beispielsweise durch Rechen und/oder Sandfänge, und (b) nachfolgender mechanischer Abtrennung von sedimentierten und/oder an der Oberfläche befindlichen (aufgeschwommenen) Verunreinigungen, beispielsweise durch Rechen und/oder Sandfänge nach Durchlaufen einer Sedimentation.

[0030] Vorzugsweise beinhaltet das erfindungsgemäße Verfahren keinen Schritt, der eine Ultraschallbehandlung vorsieht.

[0031] Vorzugsweise wird jeder der Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4) bei einer Temperatur <100 °C, insbesondere <80 °C oder <60 °C, am meisten bevorzugt <40 °C durchgeführt. Vorzugsweise gilt dies für das gesamte erfindungsgemäße Verfahren.

Schritt (1) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0032] Schritt (1) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb vor. Das eingesetzte Sieb kann auch als Filter bezeichnet werden.

[0033] Das eingesetzte Sieb ist vorzugsweise vergleichsweise grobmaschig.

[0034] Bei der Durchführung von Schritt (1) wird die Porengröße des Siebs beziehungsweise des Filters so gewählt, dass die anisotropen, länglichen Fasern von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose auf dem Sieb oder Filtermaterial verbleiben, während die anderen Partikel wie die sphärischen anorganischen Partikel, die in der Regel Teilchengrößen von kleiner 100 µm, beispielsweise kleiner 75 µm oder kleiner 50 µm oder kleiner 25 µm oder kleiner 10 µm aufweisen (gemessen mittels Mikroskop bzw. Nasssiebung) zusammen mit dem noch vorhandenen bzw. gegebenenfalls zugegebenen Wasser durch das Sieb hindurchtreten. Entsprechende Sieb- und Filtrationsanlagen sowie eine entsprechende Auswahl von Sieben und/oder Filtern können vom Fachmann problemlos ausgewählt werden.. Ein Überblick über einsetzbare Separationsverfahren und Separationsprinzipien ergibt sich aus der allgemeinen Fachliteratur, beispielsweise aus "Technische Mikrobiologie" von Hermann Kretzschmar, Seiten 265 bis 286, (Parey, 1968, ISBN 3489715144) oder auch dem Handbuch "Filters and Filtration Handbook" (Elsevier, Advanced Technology, 4th Edition, ISBN 185617322).

[0035] Vorzugsweise weist das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser auf, der ≤ 2 mm ist, jedoch mindestens 0,1 mm beträgt. Besonders bevorzugt weist das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser im Bereich von 0,2 bis 1 mm, vorzugsweise von 0,3 bis 0,8 mm, auf. Der Porendurchmesser entspricht der Maschenweite des eingesetzten Siebs. Die Maschenweite wird bestimmt gemäß DIN ISO 3310-1 (2017-11).

[0036] Ist der Porendurchmesser <0,1 mm, weist insbesondere einen Porendurchmesser im Mikrometerbereich auf, so kann eine unerwünschte Verstopfung des Siebs auftreten.

[0037] Vorzugsweise ist das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ein nicht-bewegtes und sich nicht-bewegendes Sieb. Alternativ kann das in Schritt (1) eingesetzte Sieb bewegt werden, insbesondere wird in diesem Fall ein drehbares Sieb eingesetzt. Vorzugsweise ist das Sieb waagerecht gelagert.

[0038] Das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ist vorzugsweise ein Trommelsieb, Siebband und/oder Siebgewebe. Entsprechende Siebe werden auch als Trommelfilter, Siebbandfilter und/oder Siebgewebefilter bezeichnet.

[0039] Vorzugsweise wird Schritt (1) unter Normaldruck (1 bar) durchgeführt. Vorzugsweise wird Schritt (1) nicht unter Anlegen eines Drucks durchgeführt.

[0040] Das Aufbringen erfolgt gemäß Schritt (1) vorzugsweise mittels einer Verteilereinrichtung, insbesondere gleichmäßig.

Schritt (2) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0041] Schritt (2) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung vor. Schritt (2) kann vor Durchführung von Schritt (3) erfolgen, jedoch ist es ebenfalls möglich, die Schritte (2) und (3) simultan durchzuführen.

[0042] Mittels Schritt (2) kann so ein Filtrat mit höherem Wasseranteil als das Substrat vor Durchführung von Schritt (2) erhalten werden. Das Filtrat enthält einen Großteil der unerwünschten in gelöster Form vorliegenden organischen Verbindungen sowie nicht-faserige Bestandteile. Letztere gelangen insbesondere aufgrund des gewählten Porendurchmessers des in Schritt (1) eingesetzten Siebs mit in das Filtrat. Das zumindest teilweise entwässerte Substrat kann dagegen überraschenderweise an der Anpressvorrichtung haften bleiben und wird somit innerhalb des Schrittes (2) auf diese übertragen. Die im Wesentlichen faserigen Bestandteile, insbesondere Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern werden so vom Sieb abgehoben und bilden das zumindest teilweise entwässerte Substrat an und/oder auf der Anpressvorrichtung. Dagegen werden die gelöst vorliegenden, kolloiden und partikulären, nicht-fasrigen Bestandteile mit der Flüssigkeit (Filtrat) abgetrennt. Innerhalb des zumindest teilweise entwässerten Substrats erfolgt so eine Anreicherung an den zu gewinnenden Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern.

[0043] Vorzugsweise ist die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine Walze und/oder wenigstens ein Stempel, vorzugsweise wenigstens eine Walze, besonders bevorzugt wenigstens eine Druckwalze.

[0044] Vorzugsweise erfolgt das Anpressen gemäß Schritt (2) durch ein Überfahren des in Schritt (1) auf das Sieb aufgebrachten Substrats mittels der Anpressvorrichtung wie einer Walze, was zu einer Übertragung des zumindest teilweise entwässerten Substrats mit einem angereicherten Anteil an Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern an und/oder auf die Anpressvorrichtung wie die Walze führt.

[0045] Besonders bevorzugt ist die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine rotierende Walze. Durch die Drehbewegung der Walze hebt sich das zumindest teilweise entwässerte Substrat vom Sieb ab und kann der Anpressvorrichtung in nachfolgendem Schritt (3) für eine Weiterverarbeitung entnommen werden.

[0046] Vorzugsweise weist das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der Durchführung von Schritt (2) einen Festkörpergehalt von wenigstens 8 Gew.-%, vorzugsweise von wenigstens 10 Gew.-%, auf. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem Fachmann bekannt. Der Festkörpergehalt wird gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung des Trockenrückstands bestimmt.

[0047] Vorzugsweise wird Schritt (2) unter Normaldruck (1 bar) durchgeführt. Vorzugsweise wird Schritt (2) nicht unter Anlegen eines Luftdrucks durchgeführt.

Schritt (3) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0048] Schritt (3) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung vor.

[0049] Vorzugsweise erfolgt das Entfernen gemäß Schritt (3) mittels wenigstens einer Schabevorrichtung wie beispielsweise mit einem Schaber. Insbesondere wenn Schritte (2) und (3) simultan durchgeführt werden, ist die in Schritt (3) eingesetzte Schabevorrichtung vorzugsweise mit der in Schritt (2) eingesetzten Anpressvorrichtung wie der eingesetzten Walze verbunden. Beispielsweise kann als Schabevorrichtung ein Blech wie ein Metallblech eingesetzt werden, das an der Rückseite der Walze montiert ist und bei Drehbewegung der Walze für ein Abtragen des auf und/oder an die Anpressvorrichtung übertragenen zumindest teilweise entwässerten Substrats sorgt.

[0050] Vorzugsweise wird das zumindest teilweise entwässerte Substrat - gegebenenfalls nach ein- oder mehrfachen Durchlaufens von Schritt (4) wie nachstehend näher beschrieben - mittels der Schabevorrichtung auf ein Förderband und/oder eine Schnecke transferiert.

Optionaler Schritt (4) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0051] Der optionale Schritt (4) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose vor.

[0052] Vorzugsweise erfolgt die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4) dadurch, dass das nach Schritt (3) erhaltene zumindest teilweise entwässerte Substrat erneut auf das in Schritt (1) eingesetzte Sieb aufgebracht wird und die Schritte (1), (2) und (3) ein oder mehrfach wiederholt werden. Vorzugsweise wird Schritt (4) durchgeführt und die Wiederholung der Schritte (1), (2) und (3) erfolgt wenigstens einfach.

[0053] Vorzugsweise weist das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der wenigstens einfachen Durchführung von Schritt (4) einen Festkörpergehalt von wenigstens 12 Gew.-%, besonders bevorzugt von wenigstens 14 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt von wenigstens 16 Gew.-% oder wenigstens 18 Gew.-% und am meisten bevorzugt von wenigstens 20 Gew.-% auf. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem Fachmann bekannt. Der Festkörpergehalt wird gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung des Trockenrückstands bestimmt.

Optionaler Schritt (4a) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0054] Der optionale Schritt (4a) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine weitere Entwässerung des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls Schritt (4) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose vor.

[0055] Vorzugsweise erfolgt die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4a) mittels eines Systems aus wenigstens zwei gegenläufigen Walzen, zwischen denen das nach Schritt (3) oder nach Schritt (4) erhaltene zumindest teilweise entwässerten Substrat durchgeführt und/oder bewegt wird, wobei Schritt (4a) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholbar ist. Die beiden Walzen werden dabei in gegenläufiger Richtung gegeneinander gepresst. Das Substrat befindet sich dazwischen. Vorzugsweise wird Schritt (4a) mindestens einfach wiederholt.

Optionaler Schritt (5) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0056] Der optionale Schritt (5) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine Behandlung des nach Schritt (3) oder des nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats, vorzugsweise unter Luftausschluss, auf eine Temperatur im Bereich von 20 bis 70°C vor.

[0057] Schritt (5) dient dazu, die in der verbleibenden wässrigen Mischung enthaltenen gelösten Stoffen und die an den Cellulose- bzw. Cellulose-/Lignocellulose-Fasers noch anhaftenden gelösten, kolloiden biologisch noch abbaubaren Stoffe auch bei einem niedrigen Wassergehalt zu hydrolysieren bzw. diesen Vorgang zu beschleunigen. Dadurch erfolgt erstaunlicherweise - trotz des vergleichsweise geringen Gehaltes an Wasser - eine schnelle Vergärung unter Hydrolyse der unlöslichen, nicht-Cellulose/Lignocellulose-Bestandteile und Überführung in lösliche Verbindungen, insbesondere Fettsäuren und Ammoniak. Durch Waschen mit einer geringen Menge an Wasser kann aus den unlöslichen Bestandteilen eine sehr konzentrierte Lösung erhalten werden, die sich sehr effektiv und kostengünstig in einem Granulareaktor abbauen lässt.

[0058] Vorzugsweise erfolgt im Anschluss an Schritt (5) ein Waschen des weiter entwässerten Substrats mit Wasser. Nach Abpressen des Wassers (unter Erhalt von Presswasser) erfolgt vorzugsweise eine Behandlung mit Lauge. Nach erneutem Waschen mit Wasser und erneutem Abpressen des Wassers (unter Erhalt von Presswasser) wird vorzugsweise Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose erhalten. Der Anteil an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose ist ausreichend hoch, um diese weiterzuverarbeiten. Vorzugsweise beträgt der Anteil an Cellulose oder an einer Mischung aus Cellulose und Lignocellulose 75 bis 95 Gew.-%, insbesondere 80 bis 90 Gew.-%, jeweils bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt. Mittels der Zugabe von Lauge, insbesondere Natronlauge können weitere Verunreinigungen entfernt werden. Das Presswasser enthält den überwiegenden Anteil der noch verbliebenen kolloiden, gelösten Feststoffe. Ebenso sind darin Mineralstoffe angereichert, d.h. die Mineralstoffe sind in den Fasern abgereichert. Die kolloiden, suspendierten Stoffe können durch Sedimentation abgetrennt werden und mit einem Dekanter angereichert werden. Im Anschluss kann eine Vergärung des so erhaltenen Konzentrats erfolgen, insbesondere innerhalb eines Tages.

Optionaler Schritt (6) des erfindungsgemäßen Verfahrens



[0059] Der optionale Schritt (6) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine Behandlung des nach Schritt (3) oder des nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats mit einer Lauge vor und kann alternativ zum optionalen Schritt (5) durchgeführt werden. Schritt (5) kann danach aber gegebenenfalls zusätzlich nach Durchführung von Schritt (6) durchgeführt werden. Als Lauge kann eine wässrige Lösung einer geeigneten Base wie NaOH eingesetzt werden.

[0060] Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann nicht nur Cellulose oder Cellulose/Lignocellulose in hoher Ausbeute und hoher Reinheit gewonnen werden, sondern es hat sich gezeigt, dass auch das nach Schritt (1) angefallenen Filtrat vorteilhaft weiter aufgearbeitet werden kann.: Die durch das Sieb laufende Flüssigkeit (Filtrat) kann durch Sedimentation und Dekanter in eine feststoffarme Fraktion und in eine feststoffreiche faserarme Suspension (Schlamm) überführt werden. Die feststoffarme Flüssigkeit enthält aufgrund der schnellen Behandlung nur wenig gelöste organische Verbindungen (keine zusätzlichen organischen Verbindungen durch Gärung aus Feststoffen) und kann direkt in die biologische Behandlung überführt werden. Für den Fall, dass aufgrund der speziellen Herkunft das Abwasser hohe Anteile an gelösten organischen Inhaltsstoffen enthält, kann das Abwasser durch eine Granulamethanvergärung geführt werden. Aufgrund der Wirksamkeit dieser Reaktoren erhält man hohe Umsatzgeschwindigkeiten. Die vergärbaren, angereicherten, nicht fasrigen Partikel (feststoffreiche Suspension) können anaerob hydrolysiert (d.h. in Lösung gebracht) und die Flüssigkeit separat in Methan umgewandelt werden.

Beispiele und Vergleichsbeispiele



[0061] Die nachfolgenden Beispiele und Vergleichsbeispiele dienen der Erläuterung der Erfindung, sind jedoch nicht einschränkend auszulegen.

1. Beispielhafte Beschreibung des erfindunqsqemäßen Verfahrens



[0062] Ca. 100 Liter Primärschlamm (aus der Kläranlage Radevormwald, enthaltend ca. 2 Gew.-% Feststoffe gemäß EN 12880 (S2A) über Ermittlung des Trockenrückstands) werden in einer Schichtdicke von 5-10 mm und einer Breite von ca. 100 mm manuell auf das obere Sieb einer Siebanlage aufgetragen. Das obere Sieb ist aus Edelstahl gefertigt. Die Maschenweite (Porendurchmesser) beträgt 0,4 mm. Die Siebanlage umfasst zudem ein Stützsieb (Edelstahl, Maschenweite 4 mm). Eine Walze wird ohne zusätzlichen Druck über das Material geführt. Bei der Walze handelt es sich um eine Walze aus Stahl (ca. 200 mm Breite, Durchmesser 120 mm, Gewicht 17,4 kg mit beidseitigen Bohrungen für eine Ziehvorrichtung (Druck / cm Siebweite 0,87 kg/cm Auflagefläche). Auf der Rückseite der Walze ist ein Blech montiert, das als Schaber dient und das gepresste Material abtrug. Der Siebdurchgang wurde in einem Trog (300 x 1000 mm mit Bodenabfluss) aufgefangen. Der erste Siebübergang, der an der Walze haften bleibt (ca. 20 kg), enthält 10,0 - 11,0 % Gew.-% Feststoffe, der Siebdurchgang 0,4 - 0,5 Gew.-% Feststoffe (ca. 80 Liter). Das so gewonnene entwässerte Material wird ein zweites Mal auf die gleiche Weise behandelt. Durch die zweite Behandlung (eingesetzt ca. 19 kg) entstehen 8 Liter Siebdurchgang mit 1,4 - 1,5 Gew.-% Feststoffen. Der zweite Siebübergang, der an der Walze haften bleibt enthält 16,0 - 16,4 % Gew.-% Feststoffe.

[0063] Der Gehalt an gelöstem CSB, d.h. an gelösten organischen Verbindungen betreffend die Siebdurchgänge erhöhte sich nur unwesentlich. Es wurde der CSB des Zentrifugenüberstandes des Primärschlamms und des Zentrifugenüberstandes des Siebdurchgangs untersucht. Der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wird jeweils gemäß DIN 38409 H41 bestimmt. Dieser ist ein Maß für die gelösten organischen oxidierbaren Inhaltsstoffe im Zentrifugenüberstand. Der CSB gibt die Menge an Sauerstoff (in mg/L) an, d.h. die Menge an Sauerstoff in mg pro L des Zentrifugationsüberstands, die zur Oxidation der in diesem Liter enthaltenen organischen oxidierbaren Inhaltsstoffe benötigt wird.

[0064] Folgende CSB-Werte wurden ermittelt:
Primärschlamm Zentrifugenüberstand: 1100 mg/l
  1. 1. Siebdurchgang: 1260 mg/l
  2. 2. Siebdurchgang: 2780 mg/l


[0065] Der Siebdurchgang kann daher nach Sedimentation ohne zusätzliche Belastung in die Biologie überführt werden. Der Siebdurchgang enthielt nur sehr wenige faserhaltige Materialien, die gegebenenfalls durch einfaches Sieben entfernt werden können.

[0066] Durch Behandlung mit geringen Mengen Natriumhydroxid lassen sich aus dem Siebübergang hohe Konzentrationen an gelösten organischen Verbindungen extrahieren (4 g NaOH/kg im Fall des zweiten Siebübergangs, CSB-Wert an gelösten organischen Inhaltsstoffen: 21 000 mg/l). Je höher der ermittelte CSB-Wert ist, desto mehr organische Verbindungen können durch das erfindungsgemäße Verfahren von zu gewinnenden Cellulose oder der zu gewinnenden Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose effizient abgetrennt werden, wodurch Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose in einem vereinfachten Verfahren effizient gewonnen wird.


Ansprüche

1. Ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat enthaltend Cellulose oder enthaltend eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich

(1) Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb,

(2) Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung,

(3) Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung, sowie

(4) gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats, wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholt wird.


 
2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser aufweist, der ≤ 2 mm ist, jedoch mindestens 0,1 mm beträgt.
 
3. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser im Bereich von 0,2 bis 1 mm, vorzugsweise von 0,4 bis 0,8 mm, aufweist.
 
4. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ein Trommelsieb, Siebband und/oder Siebgewebe ist.
 
5. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine Walze und/oder wenigstens ein Stempel, vorzugsweise wenigstens eine Walze ist.
 
6. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine rotierende Walze ist.
 
7. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der Durchführung von Schritt (2) einen Festkörpergehalt von wenigstens 8 Gew.-%, vorzugsweise von wenigstens 10 Gew.-%, aufweist.
 
8. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Entfernen gemäß Schritt (3) mittels wenigstens einer Schabevorrichtung erfolgt.
 
9. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4) dadurch erfolgt, dass das nach Schritt (3) erhaltene zumindest teilweise entwässerte Substrat erneut auf das in Schritt (1) eingesetzte Sieb aufgebracht wird und die Schritte (1), (2) und (3) ein oder mehrfach wiederholt werden.
 
10. Das Verfahren gemäß Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der wenigstens einfachen Durchführung von Schritt (4) einen Festkörpergehalt von wenigstens 12 Gew.-%, besonders bevorzugt von wenigstens 14 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt von wenigstens 16 Gew.-% oder wenigstens 18 Gew.-% und am meisten bevorzugt von wenigstens 20 Gew.-% aufweist.
 
11. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls nach wenigstens einfacher Durchführung von Schritt (4) einen weiteren Schritt (4a) umfasst, nämlich
(4a) eine weitere Entwässerung des Substrats mittels eines Systems aus wenigstens zwei gegenläufigen Walzen, zwischen denen das Substrat durchgeführt wird.
 
12. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls Schritt (4) einen weiteren Schritt (5) umfasst, nämlich
(5) Behandeln des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats, vorzugsweise unter Luftausschluss, bei einer Temperatur im Bereich von 20 bis 70°C.
 
13. Das Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls von Schritt (4) einen weiteren Schritt (6) umfasst, nämlich
(6) Behandeln des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats mit einer Lauge.
 
14. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren keinen Schritt beinhaltet, der eine Ultraschallbehandlung vorsieht.
 
15. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass als das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat aus Abwasser stammender Rohschlamm oder Primärschlamm, vorzugsweise Primärschlamm, eingesetzt wird.
 





Recherchenbericht









Recherchenbericht




Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur