[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder
einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens
einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat umfassend wenigstens
die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich Aufbringen des wässrigen
Substrats auf wenigstens ein Sieb (Schritt (1)), Anpressen des wässrigen Substrats
auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser
Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten
Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung (Schritt (2)), und Entfernen des
zumindest teilweise entwässerten Substrats nach der Durchführung von Schritt (2) von
der eingesetzten Anpressvorrichtung (Schritt (3)) sowie gegebenenfalls weitere Entwässerung
des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats (Schritt
(4)), wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholt wird.
Stand der Technik / Hintergrund
[0002] Cellulose ist ein kettenförmiges Polysaccharid, welches in der Regel mehrere tausend
Glucose-Einheiten aufweist, die über β-1,4-glycosidische Bindungen verknüpft sind.
Die Ketten sind dabei zu langen, parallel angeordneten Fibrillen mit mikrokristallinem
Charakter verdrillt. Es resultiert die bekannte Faserstruktur der Cellulose mit festem
Charakter, die einen strukturierten molekularen Aufbau aufweist. Lignocellulose besteht
aus einem Gerüst aus Cellulose und gegebenenfalls auch Hemicellulose sowie gegebenenfalls
weiteren Polyosen. Das Gerüst weist dabei Lignin auf. Die in der Lignocellulose enthaltenen
Lignine und sonstige Polyosen und deren enge physikalische Bindung an die Cellulose
verleihen der Faserstruktur einen besonders festen und widerstandsfähigen Charakter.
[0003] Cellulose ist ein wichtiger Rohstoff zur Papierherstellung, zur Herstellung von Bekleidungsartikeln
und kann zudem als Brennstoff zum Heizen oder als Dämmmaterial genutzt werden. Cellulose
dient daneben als ein wichtiger natürlicher Bestandteil von Nahrungsmitteln und Futtermitteln.
Zudem dienen viele aus Cellulose erhältliche Derivate als Ausgangsstoffe für industrielle
Anwendungen: so wird beispielsweise xanthogenierte Cellulose zur Viskoseherstellung
eingesetzt und es werden zum Beispiel Methylcellulose, Celluloseacetat und Cellulosenitrat
in der Bauindustrie, Textilindustrie oder in der Chemischen Industrie eingesetzt.
Eine Nutzung von Lignocellulose findet beispielsweise in Form von Holzmaterialien
als Baustoff oder Brennstoff statt. Cellulose kann ferner mittels Cellulase zu Glucose
bzw. Oligomeren der Glucose abgebaut werden. Diese Produkte dienen wiederum zur Herstellung
weiterer Substrate wie Ethanol, Buttersäure, Butanol, Aceton, Citronensäure und Itaconsäure.
[0004] Cellulose und auch Lignocellulose, insbesondere Cellulose, sind grundsätzlich in
der Natur in großen Mengen vorhanden, weshalb ein Bedarf an neuen Verfahren zur Gewinnung,
insbesondere zur Isolierung, dieser nachwachsenden Rohstoffe aus Biomasse-enthaltenen
Substraten besteht.
[0005] Einer Gärung zugängliche Substrate wie beispielsweise Rohschlamm, insbesondere aus
Abwasser stammender Rohschlamm sind dem Fachmann bekannt. Bei der Gärung, also beim
anaeroben Abbau dieser Substrate durch Mikroorganismen, steht insbesondere die Methan-Gärung
im Vordergrund. Bei der Methan-Gärung werden durch verschiedene in Abhängigkeit voneinander
lebende Mikroorganismen am Ende der Abbaukette Methan und Kohlendioxid als Hauptendprodukte
gebildet. Das entstehende Gasgemisch wird bekanntermaßen auch als Biogas bezeichnet
und hat heutzutage eine deutliche industrielle und wirtschaftliche Relevanz, insbesondere
im Sektor der Energieerzeugung.
[0006] Die genannten Substrate bestehen jedoch nicht nur aus bei der Gärung effizient abbaubarer
organischer Materie wie Eiweißen, Fetten und wasserlöslichen Kohlenhydraten. Vielmehr
enthalten sie insbesondere auch organische Bestandteile wie Cellulose und Lignocellulose.
Die Gewinnung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus solchen
Substraten wird jedoch durch die Anwesenheit vieler weiterer organischer Bestandteile
in solchen Substraten erschwert: Zu nennen sind hierbei insbesondere Glykoproteine
und Glykolipide und eine hohe Konzentration an in gelöster Form vorliegenden organischen
Verbindungen. Ebenso enthalten die eingesetzten Substrate oftmals einen hohen Gehalt
an Mineralien. Werden die Substrate, insbesondere aus Abwasser stammender Rohschlamm,
biologisch behandelt, so entsteht aus den in gelöster Form vorliegenden organischen
Verbindungen abscheidbare Biomasse, die insbesondere Bakterien und andere Organismen
sowie gelartige Substanzen, beispielsweise EPS (extrazelluläre polymere Substanzen),
enthält. Letztere müssen im Rohschlamm wieder von den Cellulosefasern getrennt werden.
[0007] Üblicherweise erfolgt bei der Aufarbeitung von Abwasser in Kläranlagen zunächst eine
grobe Vorreinigung durch Rechen und/oder Sandfänge. Danach wird das vorgereinigte
Abwasser in ein Vorklärbecken überführt. Das Abwasser wird langsam durch dieses Becken
geleitet, wobei sich Verunreinigungen absetzen (sedimentieren) oder an die Oberfläche
aufschwimmen. Durch die mechanische Abtrennung dieser Verunreinigungen erhält man
den so genannten Primärschlamm. Das verbleibende Abwasser wird dann durch aerobe Mikroorganismen
weiter gereinigt, wobei die in dem Abwasser nach der mechanischen Reinigung vorhandenen
organischen Bestandteile durch die aeroben Mikroorganismen verwertet werden (aerobe
Belebungsanlage), sodass schließlich hinreichend gereinigtes Wasser entsteht.
[0008] Die in der aeroben Belebungsanlage durch die Verwertung der Verunreinigungen ständig
wachsende Mikroorganismenpopulation wird regelmäßig abgetrennt (Sekundärschlamm, Überschussschlamm)
und meist mit dem Primärschlamm vereinigt.
[0009] Der bei der Vereinigung von Primärschlamm und Sekundärschlamm resultierende Schlamm
wird üblicherweise als Rohschlamm bezeichnet. Er enthält in der Regel einen vergleichsweise
hohen Wassergehalt (98 bis 99,5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Rohschlamms).
Der Festkörperanteil setzt sich aus den vorstehend beschriebenen organischen Verbindungen
sowie aus dem Sekundärschlamm stammenden Mikroorganismen zusammen und enthält zudem
üblicherweise einen Anteil an anorganischen Verbindungen. Der organische Anteil enthält
neben stabileren Verbindungen wie beispielsweise Cellulose und/oder Lignocellulose
auch leicht faulende organische Materie wie wasserlösliche Polysaccharide, Eiweiße
und Fette. Bei dieser Faulung entstehen beispielsweise niedermolekulare Fettsäuren,
Ammoniak oder Schwefelwasserstoff.
[0010] Der Rohschlamm wird in einem nächsten Schritt üblicherweise in Faultürmen einer kontrollierten
anaeroben Faulung beziehungsweise Gärung unterworfen. Dabei werden die leicht faulenden
Verbindungen durch anaerobe Bakterienkulturen stufenweise zersetzt. Mittels einer
ersten Phase, der so genannten Hydrolyse- und Versäuerungsphase, werden die Stoffe
durch entsprechende Mikroorganismen hauptsächlich zu niedrigen Fettsäure beziehungsweise
Carbonsäuren und Alkoholen sowie Wasserstoff und Kohlendioxid umgesetzt. Über die
acetogene Phase entsteht letztlich Essigsäure, die dann in der zweiten Stufe, der
Methanphase, durch entsprechende Mikroorganismen (Methanbakterien) zu Methan und Kohlendioxid
umgesetzt wird. Zudem wird die Umsetzung von Wasserstoff und Kohlendioxid zu Methan
und Wasser bewirkt. Neben dem Hauptprodukt Methan, das gezielt abgeführt wird und
dann als Biogas-Komponente oder zur generellen Energieerzeugung (Netzeinspeisung)
verwendet wird, entstehen im Faulturm beispielsweise auch stickstoffbasierte Verbindungen
wie insbesondere Ammoniak beziehungsweise entsprechende Ammoniumsalze. Der nach dem
etwa 20- bis 30-tägigen Faulprozess verbleibende so genannte Faulschlamm (stabilisierter
Klärschlamm) enthält neben anorganischen Verbindungen, beispielsweise die genannten
anorganischen Ammoniumsalze, auch die genannten stabileren organischen Verbindungen,
insbesondere Cellulose und Lignocellulose, die im Faulturm nicht oder nur zu einem
geringen Anteil umgesetzt bzw. abgebaut werden. Häufig werden auch größere Feststoffpartikel
und Agglomerate, die in dem ursprünglichen Rohschlamm vorhanden sind, nur unvollständig
zersetzt, obwohl sie die anaerob zersetzbaren Stoffe enthalten. Grund hierfür ist,
dass die Angriffsfläche für die anaerobe Umsetzung in solchen Agglomeraten entsprechend
klein ist.
[0012] Eine ausreichende gezielte Abtrennung von Cellulose und/oder Lignocellulose, insbesondere
Cellulose, aus dem Rohschlamm oder aus Primärschlamm durch mechanische Verfahren wie
Sedimentation, Sieben, Filtration oder Zentrifugation, gelingt mit den herkömmlichen
Verfahren jedoch nicht. Der Rohschlamm besitzt ausgesprochen schlechte Sedimentations-
und Entwässerungseigenschaften und kann auch durch andere Verfahren nicht zufriedenstellend
aufgetrennt werden. Insbesondere kann eine ausreichende gezielte Abtrennung von Cellulose
und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus dem Rohschlamm durch übliche
Desintegrationsverfahren nicht in ausreichendem Maße erreicht werden, da die Rohschlämme
auch nach der Desintegration noch in hochviskoser, zähflüssiger Form vorliegen, wobei
durch die darin enthaltenen Fasern und gelartigen Anteile ein filzigartiger, stark
konglomerierter Charakter des Rohschlamms resultiert, der dazu führt, dass die Schlämme
einer anschließenden mechanischen Trennung, wenn überhaupt, nur sehr schwer zugänglich
sind. Zwar wird durch die Desintegration eine leichte Verbesserung erreicht, jedoch
ist diese üblicherweise nicht ausreichend. Selbiges gilt für die weiteren, dem Fachmann
bekannten Substrate, die zur Methan-Gärung eingesetzt werden und ebenfalls die genannten
faserigen und gelartigen Bestandteile aufweisen. Auch bei solchen der Gärung zugänglichen
Substraten, beispielsweise Gras und Mais beziehungsweise Gras- und Maissilage, Gülle
oder Bioabfällen wäre es von enormem Vorteil, wenn durch eine vorteilhafte und ökonomische
Form der Aufbereitung erreicht wird, dass die darin vorhandenen verwertbaren Verbindungen
Cellulose und/oder Lignocellulose isoliert werden könnten.
[0013] Ein weiteres Verfahren zur Abwasserbehandlung ist zudem aus
WO 2015/011275 A1 bekannt. Dieses Verfahren sieht jedoch zwingend einen Verfahrensschritt mit Ultraschallbehandlung
unter Einsatz einer entsprechend geeigneten Ultraschallvorrichtung vor. Das Verfahren
ist daher vergleichsweise aufwendig in der Durchführung und weist somit insbesondere
aus ökonomischer Sicht Nachteile auf.
[0014] Es besteht daher ein Bedarf an einem verbesserten und insbesondere vereinfachtem
Verfahren, welches die gezielte Abtrennung, insbesondere Isolierung von Cellulose
und/oder Lignocellulose, insbesondere Cellulose, aus solchen der Gärung zumindest
teilweise zugänglichen Substraten wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm
oder aus Primärschlamm ermöglicht.
Problem
[0015] Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren zur Gewinnung
von Cellulose und/oder Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise
zugänglichen Substrat wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm oder direkt
aus Primärschlamm, zur Verfügung zu stellen, insbesondere ein solches Verfahren, welches
gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten üblichen Verfahren Vorteile aufweist.
Insbesondere ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein solches Verfahren
zur Verfügung zu stellen, welches es ermöglicht, Cellulose und/oder Lignocellulose,
insbesondere Cellulose, aus solchen der Gärung zumindest teilweise zugänglichen Substrat
wie insbesondere aus Abwasser stammendem Rohschlamm oder direkt aus Primärschlamm
abzutrennen, wobei das Verfahren insbesondere unter ökonomischen Gesichtspunkten vorteilhaft
sein soll und zudem eine Vereinfachung im Vergleich zu bekannten Verfahren darstellt.
Lösung
[0016] Diese Aufgabe wird gelöst durch den in den Patentansprüchen beanspruchten Gegenstand
und den in der vorliegenden Beschreibung nachstehend offenbarten bevorzugten Ausführungsformen
dieses Gegenstands.
[0017] Ein Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist daher ein Verfahren zur Gewinnung von
Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose
aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat
enthaltend Cellulose oder enthaltend eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose
und wenigstens Lignocellulose umfassend wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls
(4), nämlich
- (1) Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb,
- (2) Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung
unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest
teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung,
- (3) Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose
oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose
nach der Durchführung von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung, sowie
- (4) gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest
teilweise entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend
wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose, wobei Schritt (4) gegebenenfalls
ein- oder mehrfach wiederholt wird.
[0018] Es wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht,
Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose
aus wenigstens einem der Gärung zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat
wie aus Rohschlamm oder insbesondere aus Primärschlamm, zu gewinnen und diese Verbindungen
somit für eine Vielzahl von Industriezweigen und für eine Vielzahl von Anwendungen
nutzbar zu machen.
[0019] Insbesondere wurde dabei überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren
ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens
Lignocellulose, insbesondere Cellulose, in hohen Ausbeuten, beispielsweise von bis
zu 60 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt des eingesetzten der Gärung
zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrats, und/oder hohen Reinheitsgraden,
beispielsweise in einer Reinheit im Bereich von 75 bis 95 Gew.-%, zu gewinnen. Aus
der so erhaltenen Cellulose können insbesondere mittels Cellulase Glucose bzw. Oligomere
der Glucose gewonnen werden, welche wiederum - insbesondere durch Mikroorganismen
- zur Herstellung weiterer Substrate wie Ethanol, Buttersäure, Butanol, Aceton, Citronensäure
und Itaconsäure eingesetzt werden können.
[0020] Zudem wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht,
der Gärung zumindest teilweise zugängliche eingesetzte wässrige Substrate wie beispielsweise
Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm ohne eine energieaufwendige Verarbeitung
wie beispielsweise einer bei hohen Temperaturen, insbesondere bei Temperaturen >100°C,
in einen Zustand zu überführen, der es ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung enthaltend
wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus diesem Substrat wie Rohschlamm
oder insbesondere Primärschlamm, zu erhalten und zu isolieren.
[0021] Zudem wurde überraschend gefunden, dass es das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht,
der Gärung zumindest teilweise zugängliche eingesetzte wässrige Substrate wie beispielsweise
Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm ohne vergleichsweise aufwendigen Einsatz
einer Ultraschallvorrichtung und damit ohne Durchlaufen einer Ultraschallbehandlung
in einen Zustand zu überführen, der es wiederum ermöglicht, Cellulose oder eine Mischung
enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus diesem Substrat
wie Rohschlamm oder insbesondere Primärschlamm zu erhalten und zu isolieren.
[0022] Insbesondere überraschend hat sich gezeigt, dass die Lösung der der vorliegenden
Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe durch die Kombination der Verfahrensparameter
der Schritte (1) und (2) und (3), insbesondere durch das Anpressen gemäß Schritt (2),
des erfindungsgemäßen Verfahrens erreicht werden kann, da nach Durchführung von Schritt
(2) das zumindest teilweise entwässerte Substrat an der Anpressvorrichtung wie einer
Walze haften bleibt und in Schritt (3) in einfacher Weise von dieser entfernt werden
kann. Eine weitere Entwässerung und somit Aufkonzentrierung an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose
ist mittels ein- oder mehrfachen Durchlaufens von Schritt (4) möglich.
[0023] Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang zudem überraschend gefunden, dass insbesondere
ein Großteil der vielen weiteren organischen Bestandteile, die in hoher Konzentration
in gelöster Form im eingesetzten Substrat wie Primärschlamm vorliegen, durch Schritt
(2) im Rahmen der so vorgenommenen Entwässerung in einfacher Art und Weise abgetrennt
werden können und somit keinen störenden Einfluss auf das weitere Verfahren mehr nehmen
können. Insbesondere die gelösten, kolloiden und nicht-faserigen Bestandteile des
eingesetzten Substrats wie Primärschlamm können so von den Cellulose- bzw. Cellulose-/Lignocellulose-Fasern
weitgehend abgetrennt werden und diese Fasern in anschließenden Schritten weiter gereinigt
und angereichert werden.
Ausführliche Beschreibung
[0024] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend
wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung
zumindest teilweise zugänglichen wässrigen Substrat enthaltend Cellulose oder enthaltend
eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfassend
wenigstens die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4),
[0025] Als der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrate können letztlich alle dem
Fachmann im Zusammenhang mit der Gärung, insbesondere der Methan-Gärung, und der damit
verbundenen Biogasproduktion bekannten Substrate eingesetzt werden. Hierzu gehören
letztlich alle Substrate, die faulbare beziehungsweise gärbare organische Verbindungen
enthalten. Als Gärung wird bekanntermaßen der anaerobe Abbau von organischen Verbindungen
durch Mikroorganismen bezeichnet, das heißt also die Zersetzung von komplexeren, gegebenenfalls
polymeren organischen Verbindungen wie Polysacchariden, Fetten und Eiweißen in niedermolekulare
Verbindungen wie insbesondere Methan, Kohlendioxid und Wasser sowie auch Ammoniak
und Schwefelwasserstoff. Besonders bevorzugt eingesetzt werden faserhaltige Materialien.
Zu solchen Substraten gehören beispielsweise Gras und Mais sowie Gras- und Maissilage,
Dünnschlempe, Futterrüben, Ganzpflanzsilagen, Grünschnitt, halmgutartige Biomasse,
Industrieobst, Jauche, Presskuchen, Rapsextraktionsschrot, Rapskuchen, Rübenblattsilage,
Zuckerrüben, Gülle, Bioabfälle und Rohschlamm aus Abwasser sowie insbesondere Primärschlamm.
Das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche und im erfindungsgemäßen
Verfahren eingesetzte Substrat enthält Cellulose oder eine Mischung enthaltend wenigstens
Cellulose und wenigstens Lignocellulose zumindest in gewissen, daraus abtrennbaren
Mengen, besonders bevorzugt in einem Anteil von bis zu 70 Gew.-%, beispielsweise in
einem Anteil von 20 bis 60 Gew.-%, bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt des eingesetzten
Substrats. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem Fachmann
bekannt. Vorzugsweise wird der Festkörpergehalt gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung
des Trockenrückstands bestimmt.
[0026] Vorzugsweise ist das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat
ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Gras, Mais, Grassilage, Maissilage, Dünnschlempe,
Futterrüben, Ganzpflanzsilagen, Grünschnitt, halmgutartige Biomasse, Industrieobst,
Jauche, Presskuchen, Rapsextraktionsschrot, Rapskuchen, Rübenblattsilage, Zuckerrüben,
Gülle, Bioabfälle und aus Abwasser stammender Rohschlamm, insbesondere Primärschlamm,
Sekundärschlamm und/oder Faulschlamm, sowie Mischungen davon, am meisten bevorzugt
jedoch Primärschlamm.
[0027] Vorzugsweise wird als das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche
wässrige Substrat aus Abwasser stammender Rohschlamm oder Primärschlamm, vorzugsweise
Primärschlamm, eingesetzt. Grund hierfür ist insbesondere, dass der überwiegende Teil
an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose innerhalb des Primärschlamms vorliegt.
[0028] Das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat ist wässrig,
d.h. enthält Wasser. Besonders bevorzugt liegt das wenigstens eine der Gärung zumindest
teilweise zugängliche Substrat in Form einer wässrigen Mischung vor. Es ist selbstredend,
dass das erfindungsgemäß eingesetzte Substrat wenigstens Cellulose oder einer Mischung
enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfasst, so dass eine
entsprechende Gewinnung möglich ist.
[0029] Der Begriff des Primärschlamms ist dem Fachmann bekannt. Hierunter wird vorzugsweise
derjenige Schlamm verstanden, der erhältlich ist nach (a) mechanischer Reinigung von
Abwasser in Kläranlagen, beispielsweise durch Rechen und/oder Sandfänge, und (b) nachfolgender
mechanischer Abtrennung von sedimentierten und/oder an der Oberfläche befindlichen
(aufgeschwommenen) Verunreinigungen, beispielsweise durch Rechen und/oder Sandfänge
nach Durchlaufen einer Sedimentation.
[0030] Vorzugsweise beinhaltet das erfindungsgemäße Verfahren keinen Schritt, der eine Ultraschallbehandlung
vorsieht.
[0031] Vorzugsweise wird jeder der Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4) bei einer
Temperatur <100 °C, insbesondere <80 °C oder <60 °C, am meisten bevorzugt <40 °C durchgeführt.
Vorzugsweise gilt dies für das gesamte erfindungsgemäße Verfahren.
Schritt (1) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0032] Schritt (1) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Aufbringen des wässrigen Substrats
auf wenigstens ein Sieb vor. Das eingesetzte Sieb kann auch als Filter bezeichnet
werden.
[0033] Das eingesetzte Sieb ist vorzugsweise vergleichsweise grobmaschig.
[0034] Bei der Durchführung von Schritt (1) wird die Porengröße des Siebs beziehungsweise
des Filters so gewählt, dass die anisotropen, länglichen Fasern von Cellulose oder
einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose auf dem
Sieb oder Filtermaterial verbleiben, während die anderen Partikel wie die sphärischen
anorganischen Partikel, die in der Regel Teilchengrößen von kleiner 100 µm, beispielsweise
kleiner 75 µm oder kleiner 50 µm oder kleiner 25 µm oder kleiner 10 µm aufweisen (gemessen
mittels Mikroskop bzw. Nasssiebung) zusammen mit dem noch vorhandenen bzw. gegebenenfalls
zugegebenen Wasser durch das Sieb hindurchtreten. Entsprechende Sieb- und Filtrationsanlagen
sowie eine entsprechende Auswahl von Sieben und/oder Filtern können vom Fachmann problemlos
ausgewählt werden.. Ein Überblick über einsetzbare Separationsverfahren und Separationsprinzipien
ergibt sich aus der allgemeinen Fachliteratur, beispielsweise aus "
Technische Mikrobiologie" von Hermann Kretzschmar, Seiten 265 bis 286, (Parey, 1968,
ISBN 3489715144) oder auch dem Handbuch "
Filters and Filtration Handbook" (Elsevier, Advanced Technology, 4th Edition, ISBN
185617322).
[0035] Vorzugsweise weist das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser auf,
der ≤ 2 mm ist, jedoch mindestens 0,1 mm beträgt. Besonders bevorzugt weist das in
Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser im Bereich von 0,2 bis 1 mm, vorzugsweise
von 0,3 bis 0,8 mm, auf. Der Porendurchmesser entspricht der Maschenweite des eingesetzten
Siebs. Die Maschenweite wird bestimmt gemäß DIN ISO 3310-1 (2017-11).
[0036] Ist der Porendurchmesser <0,1 mm, weist insbesondere einen Porendurchmesser im Mikrometerbereich
auf, so kann eine unerwünschte Verstopfung des Siebs auftreten.
[0037] Vorzugsweise ist das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ein nicht-bewegtes und sich
nicht-bewegendes Sieb. Alternativ kann das in Schritt (1) eingesetzte Sieb bewegt
werden, insbesondere wird in diesem Fall ein drehbares Sieb eingesetzt. Vorzugsweise
ist das Sieb waagerecht gelagert.
[0038] Das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ist vorzugsweise ein Trommelsieb, Siebband und/oder
Siebgewebe. Entsprechende Siebe werden auch als Trommelfilter, Siebbandfilter und/oder
Siebgewebefilter bezeichnet.
[0039] Vorzugsweise wird Schritt (1) unter Normaldruck (1 bar) durchgeführt. Vorzugsweise
wird Schritt (1) nicht unter Anlegen eines Drucks durchgeführt.
[0040] Das Aufbringen erfolgt gemäß Schritt (1) vorzugsweise mittels einer Verteilereinrichtung,
insbesondere gleichmäßig.
Schritt (2) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0041] Schritt (2) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Anpressen des wässrigen Substrats
auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung unter zumindest teilweiser
Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest teilweise entwässerten
Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung vor. Schritt (2) kann vor Durchführung
von Schritt (3) erfolgen, jedoch ist es ebenfalls möglich, die Schritte (2) und (3)
simultan durchzuführen.
[0042] Mittels Schritt (2) kann so ein Filtrat mit höherem Wasseranteil als das Substrat
vor Durchführung von Schritt (2) erhalten werden. Das Filtrat enthält einen Großteil
der unerwünschten in gelöster Form vorliegenden organischen Verbindungen sowie nicht-faserige
Bestandteile. Letztere gelangen insbesondere aufgrund des gewählten Porendurchmessers
des in Schritt (1) eingesetzten Siebs mit in das Filtrat. Das zumindest teilweise
entwässerte Substrat kann dagegen überraschenderweise an der Anpressvorrichtung haften
bleiben und wird somit innerhalb des Schrittes (2) auf diese übertragen. Die im Wesentlichen
faserigen Bestandteile, insbesondere Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern werden
so vom Sieb abgehoben und bilden das zumindest teilweise entwässerte Substrat an und/oder
auf der Anpressvorrichtung. Dagegen werden die gelöst vorliegenden, kolloiden und
partikulären, nicht-fasrigen Bestandteile mit der Flüssigkeit (Filtrat) abgetrennt.
Innerhalb des zumindest teilweise entwässerten Substrats erfolgt so eine Anreicherung
an den zu gewinnenden Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern.
[0043] Vorzugsweise ist die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine
Walze und/oder wenigstens ein Stempel, vorzugsweise wenigstens eine Walze, besonders
bevorzugt wenigstens eine Druckwalze.
[0044] Vorzugsweise erfolgt das Anpressen gemäß Schritt (2) durch ein Überfahren des in
Schritt (1) auf das Sieb aufgebrachten Substrats mittels der Anpressvorrichtung wie
einer Walze, was zu einer Übertragung des zumindest teilweise entwässerten Substrats
mit einem angereicherten Anteil an Cellulose- und/oder Lignocellulose-Fasern an und/oder
auf die Anpressvorrichtung wie die Walze führt.
[0045] Besonders bevorzugt ist die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens
eine rotierende Walze. Durch die Drehbewegung der Walze hebt sich das zumindest teilweise
entwässerte Substrat vom Sieb ab und kann der Anpressvorrichtung in nachfolgendem
Schritt (3) für eine Weiterverarbeitung entnommen werden.
[0046] Vorzugsweise weist das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der Durchführung
von Schritt (2) einen Festkörpergehalt von wenigstens 8 Gew.-%, vorzugsweise von wenigstens
10 Gew.-%, auf. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem
Fachmann bekannt. Der Festkörpergehalt wird gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung
des Trockenrückstands bestimmt.
[0047] Vorzugsweise wird Schritt (2) unter Normaldruck (1 bar) durchgeführt. Vorzugsweise
wird Schritt (2) nicht unter Anlegen eines Luftdrucks durchgeführt.
Schritt (3) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0048] Schritt (3) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ein Entfernen des zumindest teilweise
entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens
Cellulose und wenigstens Lignocellulose nach der Durchführung von Schritt (2) von
der eingesetzten Anpressvorrichtung vor.
[0049] Vorzugsweise erfolgt das Entfernen gemäß Schritt (3) mittels wenigstens einer Schabevorrichtung
wie beispielsweise mit einem Schaber. Insbesondere wenn Schritte (2) und (3) simultan
durchgeführt werden, ist die in Schritt (3) eingesetzte Schabevorrichtung vorzugsweise
mit der in Schritt (2) eingesetzten Anpressvorrichtung wie der eingesetzten Walze
verbunden. Beispielsweise kann als Schabevorrichtung ein Blech wie ein Metallblech
eingesetzt werden, das an der Rückseite der Walze montiert ist und bei Drehbewegung
der Walze für ein Abtragen des auf und/oder an die Anpressvorrichtung übertragenen
zumindest teilweise entwässerten Substrats sorgt.
[0050] Vorzugsweise wird das zumindest teilweise entwässerte Substrat - gegebenenfalls nach
ein- oder mehrfachen Durchlaufens von Schritt (4) wie nachstehend näher beschrieben
- mittels der Schabevorrichtung auf ein Förderband und/oder eine Schnecke transferiert.
Optionaler Schritt (4) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0051] Der optionale Schritt (4) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine weitere Entwässerung
des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest teilweise entwässerten Substrats enthaltend
Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose
vor.
[0052] Vorzugsweise erfolgt die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4) dadurch, dass das
nach Schritt (3) erhaltene zumindest teilweise entwässerte Substrat erneut auf das
in Schritt (1) eingesetzte Sieb aufgebracht wird und die Schritte (1), (2) und (3)
ein oder mehrfach wiederholt werden. Vorzugsweise wird Schritt (4) durchgeführt und
die Wiederholung der Schritte (1), (2) und (3) erfolgt wenigstens einfach.
[0053] Vorzugsweise weist das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der wenigstens
einfachen Durchführung von Schritt (4) einen Festkörpergehalt von wenigstens 12 Gew.-%,
besonders bevorzugt von wenigstens 14 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt von wenigstens
16 Gew.-% oder wenigstens 18 Gew.-% und am meisten bevorzugt von wenigstens 20 Gew.-%
auf. Bestimmungsmethoden zur Bestimmung des Festkörpergehalts sind dem Fachmann bekannt.
Der Festkörpergehalt wird gemäß EN 12880 (S2A) über die Ermittlung des Trockenrückstands
bestimmt.
Optionaler Schritt (4a) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0054] Der optionale Schritt (4a) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine weitere Entwässerung
des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls Schritt (4) erhaltenen zumindest teilweise
entwässerten Substrats enthaltend Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens
Cellulose und wenigstens Lignocellulose vor.
[0055] Vorzugsweise erfolgt die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4a) mittels eines Systems
aus wenigstens zwei gegenläufigen Walzen, zwischen denen das nach Schritt (3) oder
nach Schritt (4) erhaltene zumindest teilweise entwässerten Substrat durchgeführt
und/oder bewegt wird, wobei Schritt (4a) gegebenenfalls ein- oder mehrfach wiederholbar
ist. Die beiden Walzen werden dabei in gegenläufiger Richtung gegeneinander gepresst.
Das Substrat befindet sich dazwischen. Vorzugsweise wird Schritt (4a) mindestens einfach
wiederholt.
Optionaler Schritt (5) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0056] Der optionale Schritt (5) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine Behandlung
des nach Schritt (3) oder des nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats,
vorzugsweise unter Luftausschluss, auf eine Temperatur im Bereich von 20 bis 70°C
vor.
[0057] Schritt (5) dient dazu, die in der verbleibenden wässrigen Mischung enthaltenen gelösten
Stoffen und die an den Cellulose- bzw. Cellulose-/Lignocellulose-Fasers noch anhaftenden
gelösten, kolloiden biologisch noch abbaubaren Stoffe auch bei einem niedrigen Wassergehalt
zu hydrolysieren bzw. diesen Vorgang zu beschleunigen. Dadurch erfolgt erstaunlicherweise
- trotz des vergleichsweise geringen Gehaltes an Wasser - eine schnelle Vergärung
unter Hydrolyse der unlöslichen, nicht-Cellulose/Lignocellulose-Bestandteile und Überführung
in lösliche Verbindungen, insbesondere Fettsäuren und Ammoniak. Durch Waschen mit
einer geringen Menge an Wasser kann aus den unlöslichen Bestandteilen eine sehr konzentrierte
Lösung erhalten werden, die sich sehr effektiv und kostengünstig in einem Granulareaktor
abbauen lässt.
[0058] Vorzugsweise erfolgt im Anschluss an Schritt (5) ein Waschen des weiter entwässerten
Substrats mit Wasser. Nach Abpressen des Wassers (unter Erhalt von Presswasser) erfolgt
vorzugsweise eine Behandlung mit Lauge. Nach erneutem Waschen mit Wasser und erneutem
Abpressen des Wassers (unter Erhalt von Presswasser) wird vorzugsweise Cellulose oder
eine Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose erhalten.
Der Anteil an Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose ist ausreichend hoch, um diese
weiterzuverarbeiten. Vorzugsweise beträgt der Anteil an Cellulose oder an einer Mischung
aus Cellulose und Lignocellulose 75 bis 95 Gew.-%, insbesondere 80 bis 90 Gew.-%,
jeweils bezogen auf den gesamten Festkörpergehalt. Mittels der Zugabe von Lauge, insbesondere
Natronlauge können weitere Verunreinigungen entfernt werden. Das Presswasser enthält
den überwiegenden Anteil der noch verbliebenen kolloiden, gelösten Feststoffe. Ebenso
sind darin Mineralstoffe angereichert, d.h. die Mineralstoffe sind in den Fasern abgereichert.
Die kolloiden, suspendierten Stoffe können durch Sedimentation abgetrennt werden und
mit einem Dekanter angereichert werden. Im Anschluss kann eine Vergärung des so erhaltenen
Konzentrats erfolgen, insbesondere innerhalb eines Tages.
Optionaler Schritt (6) des erfindungsgemäßen Verfahrens
[0059] Der optionale Schritt (6) des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht eine Behandlung
des nach Schritt (3) oder des nach Schritt (4) erhaltenen weiter entwässerten Substrats
mit einer Lauge vor und kann alternativ zum optionalen Schritt (5) durchgeführt werden.
Schritt (5) kann danach aber gegebenenfalls zusätzlich nach Durchführung von Schritt
(6) durchgeführt werden. Als Lauge kann eine wässrige Lösung einer geeigneten Base
wie NaOH eingesetzt werden.
[0060] Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann nicht nur Cellulose oder Cellulose/Lignocellulose
in hoher Ausbeute und hoher Reinheit gewonnen werden, sondern es hat sich gezeigt,
dass auch das nach Schritt (1) angefallenen Filtrat vorteilhaft weiter aufgearbeitet
werden kann.: Die durch das Sieb laufende Flüssigkeit (Filtrat) kann durch Sedimentation
und Dekanter in eine feststoffarme Fraktion und in eine feststoffreiche faserarme
Suspension (Schlamm) überführt werden. Die feststoffarme Flüssigkeit enthält aufgrund
der schnellen Behandlung nur wenig gelöste organische Verbindungen (keine zusätzlichen
organischen Verbindungen durch Gärung aus Feststoffen) und kann direkt in die biologische
Behandlung überführt werden. Für den Fall, dass aufgrund der speziellen Herkunft das
Abwasser hohe Anteile an gelösten organischen Inhaltsstoffen enthält, kann das Abwasser
durch eine Granulamethanvergärung geführt werden. Aufgrund der Wirksamkeit dieser
Reaktoren erhält man hohe Umsatzgeschwindigkeiten. Die vergärbaren, angereicherten,
nicht fasrigen Partikel (feststoffreiche Suspension) können anaerob hydrolysiert (d.h.
in Lösung gebracht) und die Flüssigkeit separat in Methan umgewandelt werden.
Beispiele und Vergleichsbeispiele
[0061] Die nachfolgenden Beispiele und Vergleichsbeispiele dienen der Erläuterung der Erfindung,
sind jedoch nicht einschränkend auszulegen.
1. Beispielhafte Beschreibung des erfindunqsqemäßen Verfahrens
[0062] Ca. 100 Liter Primärschlamm (aus der Kläranlage Radevormwald, enthaltend ca. 2 Gew.-%
Feststoffe gemäß EN 12880 (S2A) über Ermittlung des Trockenrückstands) werden in einer
Schichtdicke von 5-10 mm und einer Breite von ca. 100 mm manuell auf das obere Sieb
einer Siebanlage aufgetragen. Das obere Sieb ist aus Edelstahl gefertigt. Die Maschenweite
(Porendurchmesser) beträgt 0,4 mm. Die Siebanlage umfasst zudem ein Stützsieb (Edelstahl,
Maschenweite 4 mm). Eine Walze wird ohne zusätzlichen Druck über das Material geführt.
Bei der Walze handelt es sich um eine Walze aus Stahl (ca. 200 mm Breite, Durchmesser
120 mm, Gewicht 17,4 kg mit beidseitigen Bohrungen für eine Ziehvorrichtung (Druck
/ cm Siebweite 0,87 kg/cm Auflagefläche). Auf der Rückseite der Walze ist ein Blech
montiert, das als Schaber dient und das gepresste Material abtrug. Der Siebdurchgang
wurde in einem Trog (300 x 1000 mm mit Bodenabfluss) aufgefangen. Der erste Siebübergang,
der an der Walze haften bleibt (ca. 20 kg), enthält 10,0 - 11,0 % Gew.-% Feststoffe,
der Siebdurchgang 0,4 - 0,5 Gew.-% Feststoffe (ca. 80 Liter). Das so gewonnene entwässerte
Material wird ein zweites Mal auf die gleiche Weise behandelt. Durch die zweite Behandlung
(eingesetzt ca. 19 kg) entstehen 8 Liter Siebdurchgang mit 1,4 - 1,5 Gew.-% Feststoffen.
Der zweite Siebübergang, der an der Walze haften bleibt enthält 16,0 - 16,4 % Gew.-%
Feststoffe.
[0063] Der Gehalt an gelöstem CSB, d.h. an gelösten organischen Verbindungen betreffend
die Siebdurchgänge erhöhte sich nur unwesentlich. Es wurde der CSB des Zentrifugenüberstandes
des Primärschlamms und des Zentrifugenüberstandes des Siebdurchgangs untersucht. Der
chemische Sauerstoffbedarf (CSB) wird jeweils gemäß DIN 38409 H41 bestimmt. Dieser
ist ein Maß für die gelösten organischen oxidierbaren Inhaltsstoffe im Zentrifugenüberstand.
Der CSB gibt die Menge an Sauerstoff (in mg/L) an, d.h. die Menge an Sauerstoff in
mg pro L des Zentrifugationsüberstands, die zur Oxidation der in diesem Liter enthaltenen
organischen oxidierbaren Inhaltsstoffe benötigt wird.
[0064] Folgende CSB-Werte wurden ermittelt:
Primärschlamm Zentrifugenüberstand: 1100 mg/l
- 1. Siebdurchgang: 1260 mg/l
- 2. Siebdurchgang: 2780 mg/l
[0065] Der Siebdurchgang kann daher nach Sedimentation ohne zusätzliche Belastung in die
Biologie überführt werden. Der Siebdurchgang enthielt nur sehr wenige faserhaltige
Materialien, die gegebenenfalls durch einfaches Sieben entfernt werden können.
[0066] Durch Behandlung mit geringen Mengen Natriumhydroxid lassen sich aus dem Siebübergang
hohe Konzentrationen an gelösten organischen Verbindungen extrahieren (4 g NaOH/kg
im Fall des zweiten Siebübergangs, CSB-Wert an gelösten organischen Inhaltsstoffen:
21 000 mg/l). Je höher der ermittelte CSB-Wert ist, desto mehr organische Verbindungen
können durch das erfindungsgemäße Verfahren von zu gewinnenden Cellulose oder der
zu gewinnenden Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose
effizient abgetrennt werden, wodurch Cellulose bzw. Cellulose/Lignocellulose in einem
vereinfachten Verfahren effizient gewonnen wird.
1. Ein Verfahren zur Gewinnung von Cellulose oder einer Mischung enthaltend wenigstens
Cellulose und wenigstens Lignocellulose aus wenigstens einem der Gärung zumindest
teilweise zugänglichen wässrigen Substrat enthaltend Cellulose oder enthaltend eine
Mischung enthaltend wenigstens Cellulose und wenigstens Lignocellulose umfassend wenigstens
die Schritte (1) bis (3) und gegebenenfalls (4), nämlich
(1) Aufbringen des wässrigen Substrats auf wenigstens ein Sieb,
(2) Anpressen des wässrigen Substrats auf das Sieb mittels wenigstens einer Anpressvorrichtung
unter zumindest teilweiser Entwässerung des Substrats und Übertragung dieses zumindest
teilweise entwässerten Substrats auf und/oder an die Anpressvorrichtung,
(3) Entfernen des zumindest teilweise entwässerten Substrats nach der Durchführung
von Schritt (2) von der eingesetzten Anpressvorrichtung, sowie
(4) gegebenenfalls weitere Entwässerung des nach Schritt (3) erhaltenen zumindest
teilweise entwässerten Substrats, wobei Schritt (4) gegebenenfalls ein- oder mehrfach
wiederholt wird.
2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser aufweist, der ≤ 2 mm ist,
jedoch mindestens 0,1 mm beträgt.
3. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb einen Porendurchmesser im Bereich von 0,2 bis
1 mm, vorzugsweise von 0,4 bis 0,8 mm, aufweist.
4. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das in Schritt (1) eingesetzte Sieb ein Trommelsieb, Siebband und/oder Siebgewebe
ist.
5. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine Walze und/oder
wenigstens ein Stempel, vorzugsweise wenigstens eine Walze ist.
6. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die in Schritt (2) eingesetzte Anpressvorrichtung wenigstens eine rotierende Walze
ist.
7. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der Durchführung von Schritt (2)
einen Festkörpergehalt von wenigstens 8 Gew.-%, vorzugsweise von wenigstens 10 Gew.-%,
aufweist.
8. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Entfernen gemäß Schritt (3) mittels wenigstens einer Schabevorrichtung erfolgt.
9. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die weitere Entwässerung gemäß Schritt (4) dadurch erfolgt, dass das nach Schritt
(3) erhaltene zumindest teilweise entwässerte Substrat erneut auf das in Schritt (1)
eingesetzte Sieb aufgebracht wird und die Schritte (1), (2) und (3) ein oder mehrfach
wiederholt werden.
10. Das Verfahren gemäß Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das zumindest teilweise entwässerte Substrat nach der wenigstens einfachen Durchführung
von Schritt (4) einen Festkörpergehalt von wenigstens 12 Gew.-%, besonders bevorzugt
von wenigstens 14 Gew.-%, ganz besonders bevorzugt von wenigstens 16 Gew.-% oder wenigstens
18 Gew.-% und am meisten bevorzugt von wenigstens 20 Gew.-% aufweist.
11. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls nach wenigstens einfacher
Durchführung von Schritt (4) einen weiteren Schritt (4a) umfasst, nämlich
(4a) eine weitere Entwässerung des Substrats mittels eines Systems aus wenigstens
zwei gegenläufigen Walzen, zwischen denen das Substrat durchgeführt wird.
12. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls Schritt (4) einen
weiteren Schritt (5) umfasst, nämlich
(5) Behandeln des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls nach Schritt (4) erhaltenen
weiter entwässerten Substrats, vorzugsweise unter Luftausschluss, bei einer Temperatur
im Bereich von 20 bis 70°C.
13. Das Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass es zudem nach Durchführung von Schritt (3) oder gegebenenfalls von Schritt (4) einen
weiteren Schritt (6) umfasst, nämlich
(6) Behandeln des nach Schritt (3) oder gegebenenfalls nach Schritt (4) erhaltenen
weiter entwässerten Substrats mit einer Lauge.
14. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Verfahren keinen Schritt beinhaltet, der eine Ultraschallbehandlung vorsieht.
15. Das Verfahren gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass als das wenigstens eine der Gärung zumindest teilweise zugängliche Substrat aus Abwasser
stammender Rohschlamm oder Primärschlamm, vorzugsweise Primärschlamm, eingesetzt wird.