(19)
(11) EP 3 992 310 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
04.05.2022  Patentblatt  2022/18

(21) Anmeldenummer: 20205475.5

(22) Anmeldetag:  03.11.2020
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21C 5/46(2006.01)
F27B 14/20(2006.01)
F27B 14/02(2006.01)
F27D 19/00(2006.01)
(52) Gemeinsame Patentklassifikation (CPC) :
F27D 19/00; F27D 2019/0075; C21C 2005/468; C21C 5/4673; F27B 14/02; F27B 14/20
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO RS SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME
Benannte Validierungsstaaten:
KH MA MD TN

(71) Anmelder: Primetals Technologies Austria GmbH
4031 Linz (AT)

(72) Erfinder:
  • Stadlmayr, Richard
    4063 Hoersching (AT)
  • Rohrhofer, Andreas
    4070 Eferding (AT)

(74) Vertreter: Metals@Linz 
Primetals Technologies Austria GmbH Intellectual Property Upstream IP UP Turmstraße 44
4031 Linz
4031 Linz (AT)

   


(54) VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUM ABGIESSEN VON METALLSCHMELZE AUS EINEM METALLURGISCHEN GEFÄSS


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet der metallurgischen Anlagen, konkret metallurgische Gefäße für Metallschmelze und flüssige Schlacke.
Die Aufgabe der Erfindung ist es ein einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches einen zulässigen Kippwinkels des metallurgischen Gefäßes bestimmt bei welchem es zu keinem Abfluss von Schlacke und/oder flüssigem Metall über die obere Öffnung des metallurgischen Gefäßes kommt.
Die Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Kippwinkel (ϕ) durch eine Funktion oder eine Nachschlagetabelle bestimmt wird. Die Funktion weist als Eingangsvariable zur Bestimmung des Kippwinkels (ϕ) zumindest ein Gewicht von jener Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß (5) befindet, auf. Der Kippwinkel (ϕ) wird einer Bedienperson angezeigt oder an eine Steuer- und/oder Regeleinrichtung eines Kippantriebes (3) übergeben.




Beschreibung

Gebiet der Technik



[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet der metallurgischen Anlagen, konkret metallurgische Gefäße für Metallschmelze und flüssige Schlacke.
Einerseits betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels während eines Abgießvorgangs von Metallschmelze, insbesondere einer Stahlschmelze, aus einem um eine Drehachse drehbaren metallurgischen Gefäß, insbesondere ein Konverter, durch eine Abstichöffnung des metallurgischen Gefäßes in ein metallurgisches Zielgefäß, insbesondere eine Pfanne.

[0002] Andererseits betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Abgießen einer Metallschmelze, insbesondere eine Stahlschmelze, aus einem metallurgischen Gefäß. Das metallurgische Gefäß wird mit einem Kippantrieb gedreht, um die Metallschmelze über eine, das metallurgische Gefäß aufweisende, Abstichöffnung abzugießen.
Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Computerprogramm zum Ausführen des Verfahrens und ein Computerlesbares Medium zum Speichern des Computerprogrammes.

Stand der Technik



[0003] Bei der Erzeugung von Flüssigmetallschmelzen - beispielsweise in einem Stahlwerk - werden Konverter zur Stahlerzeugung verwendet. Nachdem eine Charge fertig gestellt wurde und eine Eisen oder Nickel dominierte Vorschmelzen gemeinsam mit Schrott zu Stahl reduziert wurde, wird die flüssige Metallschmelze in eine Pfanne unter dem Konverter abgestochen. Damit der Stahl aus einem Abstichloch fließt, muss der Konverter gedreht werden. Der Abstich wird aktuell häufig manuell durchgeführt, was bedeutet, dass Bedienpersonal im Abstich-Leitstand manuell mithilfe eines Joysticks den Konverter dreht. Unter ständiger Beobachtung von Konverterausfluss und Pfanne wird der Abstich durchgeführt. Der Konverter selbst als auch eine Konverter Ausmauerung und das Abstichloch unterliegen einem langsamen, aber stetigen Verschleiß.

[0004] Dies führt zu langsam sich ändernden geometrischen Eigenschaften, wodurch der Abstich jedes Mal eine neue Herausforderung für das Bedienpersonal darstellt. Das Bedienpersonal muss also mehrere Gefahrenquellen gleichzeitig überwachen, um einen reibungslosen Abstich zu gewährleisten. Nachteil ist hierbei, dass dieses Bedienpersonal aufwändig geschult und laufend trainiert werden muss, was die Automatisierung dieses Abstichs immer attraktiver für Anlagenbetreiber macht.

[0005] Aktuell wird der Abstich vorwiegend manuell durchgeführt. Das Automatisierungssystem positioniert einen Pfannenwagen mit der Pfanne unter dem Konverter. Das Bedienpersonal steuert während des Abstichs die Konverterneigung manuell, indem er aus einem Sichtfenster auf Konverter und Pfannenfahrzeug blickt.

[0006] Wird der Abstich automatisch durchgeführt, dann wird als eine mögliche Lösung der Durchfluss am Abstichloch - Volumenstrom von Konverter in die Pfanne - gemessen. Mit Hilfe einer Regelung wird der Konverterwinkel so geregelt, dass immer der gleiche Volumenstrom in die Pfanne fließt.

[0007] Besonders kritisch ist hierbei, dass das Abstichloch einem Verschleiß unterliegt, und dadurch der Ausfluss ständig variiert. Sind weiters Anbackungen im Bereich des Abstichloches, führen diese zu einem reduzierten Ausfluss und somit zu einem geringerem Abstichstrahl. Wird in solch einem Fall der Kippwinkel des Konverters weiter erhöht, kann es zu einem ungewollten Ausguss über eine obere Öffnung des Konverters - dem sogenannten Konvertermund - kommen.

[0008] Dies kann zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko aber auch Beschädigung des Pfannenfahrzeugs führen.

Zusammenfassung der Erfindung



[0009] Die Aufgabe der Erfindung ist es ein einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches einen zulässigen Kippwinkels des metallurgischen Gefäßes bestimmt bei welchem es zu keinem Abfluss von Schlacke und/oder flüssigem Metall über die obere Öffnung des metallurgischen Gefäßes kommt.

[0010] Die Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Kippwinkel durch eine Funktion oder eine Nachschlagetabelle bestimmt wird, welche als Eingangsvariable zur Bestimmung des Kippwinkels ϕKonverter zumindest ein Gewicht von der Schmelze mrest, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, aufweist - wie in Gleichung 1 dargestellt.



[0011] Der Kippwinkel wird anschließend einer Bedienperson angezeigt oder an eine Steuer- und/oder Regeleinrichtung des Kippantriebes übergeben. Die Bedienperson kann den Kippwinkel entsprechend der Vorgabe, welche beispielsweise an einem Bildschirm angezeigt wird, einstellen. Wenn der Abstich des Konverters automatisch stattfindet wird der Vorgabewert an eine entsprechende Steuer- und/oder Regeleinrichtung des Kippantriebes übergeben und die Vorgabe wird nur in Abhängigkeit des Restgewichtes, welches sich im Konverter befindet, bestimmt. Maßgeblich für diese Erfindung ist eine Bestimmung des Konverterwinkels unabhängig von der Zeit. Die maßgebliche Größe ist lediglich das Gewicht der Restmenge der sich im metallurgischen Gefäß befindlichen Schmelze. Durch das beschriebene Verfahren ist bei einem automatischen Abstich sichergestellt, dass während des Abgießvorganges kein ungewollter Überguss über die obere Öffnung des metallurgischen Gefäßes - den sogenannten Konvertermund - erfolgt. Die obere metallurgische Öffnung wird beispielsweise zum Einfüllen des flüssigen Metalls und Schrott in das metallurgische Gefäß genutzt. Im Falle eines durch den Bediener durchgeführten Abstiches kann sich dieser am vorgegebenen Kippwinkel orientieren, um einen ungewollten Überguss über den Konvertermund zu vermeiden. Durch dieses Verfahren ist eine optimierte Betriebsweise des Konverters während des Abstiches, unabhängig von Anbackungen um oder innerhalb der Abstichöffnung, gewährleistet. In der Nachschlagetabelle - sogenannte Lookup-Tables - wird ein Kippwinkel in Abhängigkeit des Restgewichtes von flüssiger Schmelze eingetragen. Die Differenzen zwischen den einzelnen Restgewichtseintragungen kann beliebig gewählt werden. Dies hängt unter anderem von der Größe des metallurgischen Gefäßes ab. Es ist auch denkbar zwischen den einzelnen Restgewichtseintragungen zu interpolieren. Die Ausführung mittels Nachschlagetabellen hat den Vorteil, dass eine einfache Implementierung in Industriesteuerungen möglich ist.

[0012] Eine bevorzugte Ausführungsform sieht vor, dass eine weitere Eingangsvariable eine Anzahl bereits erfolgter Abgießvorgänge ist. Eine, im Konverter befindliche, Ausmauerung ist ebenfalls einem Verschleiß ausgesetzt, was zu einer Änderung der Geometrie innerhalb des Konverters führt. Diese Veränderung führt zu einer Veränderung des Kippwinkels. Dieser Verschleiß lässt sich durch eine Anzahl von erzeugten Schmelzen quantifizieren. Die erzeugten Schmelzen können durch die Anzahl der Abgießvorgänge nabstich erfasst werden - wie in Gleichung 2 dargestellt.



[0013] Es hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen eine Anpassung der Funktion oder der Nachschlagetabelle für den Kippwinkel nach einer vordefinierten Anzahl von - beispielsweise 500 - Abgießvorgängen einen optimierten und sicheren Abgießvorgang gewährleistet.

[0014] Eine zweckmäßige Ausführungsform sieht vor, dass die Funktion ein Polynom mit zumindest dritter Ordnung, eine logarithmische Funktion, eine Exponentialfunktion oder deren Kombinationen ist. Die Auswahl der verwendeten Funktionen erfolgt in der Weise, dass theoretische oder angewandte Abgießvorgänge deckungsgleich nachgebildet werden.

Kurze Beschreibung der Zeichnungen



[0015] Fig. 1 und Fig. 2 zeigen eine schematische Darstellung eines Abstichvorganges.

Beschreibung der Ausführungsformen



[0016] In Fig. 1 ist ein metallurgische Gefäß 5 mit einer Ausmauerung 5a gezeigt. In diesem metallurgischen Gefäß 5 ist Metallschmelze 8 und flüssige Schlacke 7 enthalten. Durch eine Abstichöffnung 9 wird das flüssige Metall 8 ausgegossen. Der Abgießstrahl 10 tritt aus der Abstichöffnung 9 aus und wird in ein metallurgisches Zielgefäß 11 eingegossen. Durch eine Rechnereinheit 1 wird der Kippwinkel aufgrund des Gewichtes der Restmenge an Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, bestimmt. Ein Beispiel zum Bestimmen des Kippwinkels ist in Gleichung 3 dargestellt.



[0017] Dieses Ergebnis wird von der Rechnereinheit 1 entweder direkt an einen Kippantrieb (nicht dargestellt) übermittelt oder es wird an einer Anzeigeeinheit 2 - beispielsweise ein Bildschirm - dem Bedienpersonal der Anlage angezeigt. Das Gewicht der Restmenge wird beispielsweise bestimmt durch eine Gewichtsbetrachtung von zugeführten Materialien beim Beladen des metallurgischen Gefäßes und abgeführter Metallschmelze. Die abgeführte Metallschmelze wird bestimmt durch ein Abwiegen des Zielgefäßes 11 während des Abgießvorganges. Es ist aber auch denkbar das Gewicht anhand von der Füllstandshöhe bei bekannter Zielgefäßgeometrie zu bestimmen. Es sind auch andere direkte oder indirekten Methoden, der Bestimmung des Gewichts der Restmenge von Schmelze im metallurgischen Gefäß, denkbar.

[0018] In Fig. 2 ist der Kippantrieb 3 dargestellt mit welchem das metallurgische Gefäß um einen Winkel ϕ gekippt wird. Der Abgießvorgang wird in dieser Ausführungsvariante direkt von der Rechnereinheit gesteuert oder geregelt - anhand des beschriebenen Verfahrens. Der Kippantrieb 3 erhält von der Rechnereinheit 1 entsprechende Steuer- oder Regelsignale. Durch eine Wiegeeinheit 13, welche sich auf einem Pfannenwagen 12 befindet, wird der Rechnereinheit 1 ein Gewicht der bereits aus dem metallurgischen Gefäß 5 abgeführten Metallschmelze übermittelt. Der Rechnereinheit 1 werden des Weiteren aus einem Speicher 1a Informationen, über die dem metallurgischen Gefäß 5 zugeführten Einsatzstoffe, übermittelt. Die Rechnereinheit 1 kann daraus das Gewicht an Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, bestimmen.

[0019] Obwohl die Erfindung im Detail durch die bevorzugten Ausführungsbeispiele näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.

Bezugszeichenliste



[0020] 
1
Rechnereinheit
1a
Speicher
2
Anzeigeeinheit
3
Kippantrieb
5
metallurgischen Gefäß
7
flüssige Schlacke
8
Metallschmelze
9
Abstichöffnung
10
Abgießstrahl
11
Zielgefäß
12
Pfannenwagen
13
Wiegeeinheit
ϕ
Kippwinkel



Ansprüche

1. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Metallschmelze, insbesondere einer Stahlschmelze, aus einem um eine Drehachse drehbaren metallurgischen Gefäß (5), insbesondere ein Konverter, durch eine Abstichöffnung des metallurgischen Gefäßes (5) in ein metallurgisches Zielgefäß (11), insbesondere eine Pfanne, dadurch gekennzeichnet, dass der Kippwinkel (ϕ) durch eine Funktion oder eine Nachschlagetabelle bestimmt wird, wobei die Funktion als Eingangsvariable zur Bestimmung des Kippwinkels (ϕ) zumindest ein Gewicht von jener Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß (5) befindet, aufweist, wobei der Kippwinkel (ϕ) einer Bedienperson angezeigt wird oder an eine Steuer- und/oder Regeleinrichtung eines Kippantriebes (3) übergeben wird.
 
2. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Schmelze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine weitere Eingangsvariable eine Anzahl bereits erfolgter Abgießvorgänge ist.
 
3. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Schmelze nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Funktion ein Polynom mit zumindest dritter Ordnung, eine logarithmische Funktion, eine Exponentialfunktion oder deren Kombinationen ist.
 
4. Vorrichtung zum Abgießen einer Metallschmelze (8), insbesondere eine Stahlschmelze, aus einem metallurgischen Gefäß (5), wobei das metallurgische Gefäß (5) mit einem Kippantrieb (3) gedreht wird um die Metallschmelze (8) über eine, das metallurgische Gefäß (5) aufweisende, Abstichöffnung (9) abzugießen, dadurch gekennzeichnet, dass eine Rechnereinheit (1) das Verfahren nach einem der Ansprüche 1-3 ausführt.
 
5. Computerprogramm umfassend Befehle, die bewirken, dass das Verfahren nach den Ansprüchen 1-3 ausgeführt wird.
 
6. Computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogram nach Anspruch 5 gespeichert ist.
 




Zeichnung










Recherchenbericht















Recherchenbericht