Gebiet der Technik
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft das Gebiet der metallurgischen Anlagen, konkret
metallurgische Gefäße für Metallschmelze und flüssige Schlacke.
Einerseits betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels während
eines Abgießvorgangs von Metallschmelze, insbesondere einer Stahlschmelze, aus einem
um eine Drehachse drehbaren metallurgischen Gefäß, insbesondere ein Konverter, durch
eine Abstichöffnung des metallurgischen Gefäßes in ein metallurgisches Zielgefäß,
insbesondere eine Pfanne.
[0002] Andererseits betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Abgießen einer Metallschmelze,
insbesondere eine Stahlschmelze, aus einem metallurgischen Gefäß. Das metallurgische
Gefäß wird mit einem Kippantrieb gedreht, um die Metallschmelze über eine, das metallurgische
Gefäß aufweisende, Abstichöffnung abzugießen.
Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Computerprogramm zum Ausführen des Verfahrens
und ein Computerlesbares Medium zum Speichern des Computerprogrammes.
Stand der Technik
[0003] Bei der Erzeugung von Flüssigmetallschmelzen - beispielsweise in einem Stahlwerk
- werden Konverter zur Stahlerzeugung verwendet. Nachdem eine Charge fertig gestellt
wurde und eine Eisen oder Nickel dominierte Vorschmelzen gemeinsam mit Schrott zu
Stahl reduziert wurde, wird die flüssige Metallschmelze in eine Pfanne unter dem Konverter
abgestochen. Damit der Stahl aus einem Abstichloch fließt, muss der Konverter gedreht
werden. Der Abstich wird aktuell häufig manuell durchgeführt, was bedeutet, dass Bedienpersonal
im Abstich-Leitstand manuell mithilfe eines Joysticks den Konverter dreht. Unter ständiger
Beobachtung von Konverterausfluss und Pfanne wird der Abstich durchgeführt. Der Konverter
selbst als auch eine Konverter Ausmauerung und das Abstichloch unterliegen einem langsamen,
aber stetigen Verschleiß.
[0004] Dies führt zu langsam sich ändernden geometrischen Eigenschaften, wodurch der Abstich
jedes Mal eine neue Herausforderung für das Bedienpersonal darstellt. Das Bedienpersonal
muss also mehrere Gefahrenquellen gleichzeitig überwachen, um einen reibungslosen
Abstich zu gewährleisten. Nachteil ist hierbei, dass dieses Bedienpersonal aufwändig
geschult und laufend trainiert werden muss, was die Automatisierung dieses Abstichs
immer attraktiver für Anlagenbetreiber macht.
[0005] Aktuell wird der Abstich vorwiegend manuell durchgeführt. Das Automatisierungssystem
positioniert einen Pfannenwagen mit der Pfanne unter dem Konverter. Das Bedienpersonal
steuert während des Abstichs die Konverterneigung manuell, indem er aus einem Sichtfenster
auf Konverter und Pfannenfahrzeug blickt.
[0006] Wird der Abstich automatisch durchgeführt, dann wird als eine mögliche Lösung der
Durchfluss am Abstichloch - Volumenstrom von Konverter in die Pfanne - gemessen. Mit
Hilfe einer Regelung wird der Konverterwinkel so geregelt, dass immer der gleiche
Volumenstrom in die Pfanne fließt.
[0007] Besonders kritisch ist hierbei, dass das Abstichloch einem Verschleiß unterliegt,
und dadurch der Ausfluss ständig variiert. Sind weiters Anbackungen im Bereich des
Abstichloches, führen diese zu einem reduzierten Ausfluss und somit zu einem geringerem
Abstichstrahl. Wird in solch einem Fall der Kippwinkel des Konverters weiter erhöht,
kann es zu einem ungewollten Ausguss über eine obere Öffnung des Konverters - dem
sogenannten Konvertermund - kommen.
[0008] Dies kann zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko aber auch Beschädigung des Pfannenfahrzeugs
führen.
Zusammenfassung der Erfindung
[0009] Die Aufgabe der Erfindung ist es ein einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen,
welches einen zulässigen Kippwinkels des metallurgischen Gefäßes bestimmt bei welchem
es zu keinem Abfluss von Schlacke und/oder flüssigem Metall über die obere Öffnung
des metallurgischen Gefäßes kommt.
[0010] Die Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Kippwinkel durch eine Funktion oder eine
Nachschlagetabelle bestimmt wird, welche als Eingangsvariable zur Bestimmung des Kippwinkels
ϕ
Konverter zumindest ein Gewicht von der Schmelze m
rest, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, aufweist - wie in Gleichung
1 dargestellt.
![](https://data.epo.org/publication-server/image?imagePath=2022/18/DOC/EPNWA1/EP20205475NWA1/imgb0001)
[0011] Der Kippwinkel wird anschließend einer Bedienperson angezeigt oder an eine Steuer-
und/oder Regeleinrichtung des Kippantriebes übergeben. Die Bedienperson kann den Kippwinkel
entsprechend der Vorgabe, welche beispielsweise an einem Bildschirm angezeigt wird,
einstellen. Wenn der Abstich des Konverters automatisch stattfindet wird der Vorgabewert
an eine entsprechende Steuer- und/oder Regeleinrichtung des Kippantriebes übergeben
und die Vorgabe wird nur in Abhängigkeit des Restgewichtes, welches sich im Konverter
befindet, bestimmt. Maßgeblich für diese Erfindung ist eine Bestimmung des Konverterwinkels
unabhängig von der Zeit. Die maßgebliche Größe ist lediglich das Gewicht der Restmenge
der sich im metallurgischen Gefäß befindlichen Schmelze. Durch das beschriebene Verfahren
ist bei einem automatischen Abstich sichergestellt, dass während des Abgießvorganges
kein ungewollter Überguss über die obere Öffnung des metallurgischen Gefäßes - den
sogenannten Konvertermund - erfolgt. Die obere metallurgische Öffnung wird beispielsweise
zum Einfüllen des flüssigen Metalls und Schrott in das metallurgische Gefäß genutzt.
Im Falle eines durch den Bediener durchgeführten Abstiches kann sich dieser am vorgegebenen
Kippwinkel orientieren, um einen ungewollten Überguss über den Konvertermund zu vermeiden.
Durch dieses Verfahren ist eine optimierte Betriebsweise des Konverters während des
Abstiches, unabhängig von Anbackungen um oder innerhalb der Abstichöffnung, gewährleistet.
In der Nachschlagetabelle - sogenannte Lookup-Tables - wird ein Kippwinkel in Abhängigkeit
des Restgewichtes von flüssiger Schmelze eingetragen. Die Differenzen zwischen den
einzelnen Restgewichtseintragungen kann beliebig gewählt werden. Dies hängt unter
anderem von der Größe des metallurgischen Gefäßes ab. Es ist auch denkbar zwischen
den einzelnen Restgewichtseintragungen zu interpolieren. Die Ausführung mittels Nachschlagetabellen
hat den Vorteil, dass eine einfache Implementierung in Industriesteuerungen möglich
ist.
[0012] Eine bevorzugte Ausführungsform sieht vor, dass eine weitere Eingangsvariable eine
Anzahl bereits erfolgter Abgießvorgänge ist. Eine, im Konverter befindliche, Ausmauerung
ist ebenfalls einem Verschleiß ausgesetzt, was zu einer Änderung der Geometrie innerhalb
des Konverters führt. Diese Veränderung führt zu einer Veränderung des Kippwinkels.
Dieser Verschleiß lässt sich durch eine Anzahl von erzeugten Schmelzen quantifizieren.
Die erzeugten Schmelzen können durch die Anzahl der Abgießvorgänge n
abstich erfasst werden - wie in Gleichung 2 dargestellt.
![](https://data.epo.org/publication-server/image?imagePath=2022/18/DOC/EPNWA1/EP20205475NWA1/imgb0002)
[0013] Es hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen eine Anpassung der Funktion oder der Nachschlagetabelle
für den Kippwinkel nach einer vordefinierten Anzahl von - beispielsweise 500 - Abgießvorgängen
einen optimierten und sicheren Abgießvorgang gewährleistet.
[0014] Eine zweckmäßige Ausführungsform sieht vor, dass die Funktion ein Polynom mit zumindest
dritter Ordnung, eine logarithmische Funktion, eine Exponentialfunktion oder deren
Kombinationen ist. Die Auswahl der verwendeten Funktionen erfolgt in der Weise, dass
theoretische oder angewandte Abgießvorgänge deckungsgleich nachgebildet werden.
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
[0015] Fig. 1 und Fig. 2 zeigen eine schematische Darstellung eines Abstichvorganges.
Beschreibung der Ausführungsformen
[0016] In Fig. 1 ist ein metallurgische Gefäß 5 mit einer Ausmauerung 5a gezeigt. In diesem
metallurgischen Gefäß 5 ist Metallschmelze 8 und flüssige Schlacke 7 enthalten. Durch
eine Abstichöffnung 9 wird das flüssige Metall 8 ausgegossen. Der Abgießstrahl 10
tritt aus der Abstichöffnung 9 aus und wird in ein metallurgisches Zielgefäß 11 eingegossen.
Durch eine Rechnereinheit 1 wird der Kippwinkel aufgrund des Gewichtes der Restmenge
an Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, bestimmt. Ein
Beispiel zum Bestimmen des Kippwinkels ist in Gleichung 3 dargestellt.
![](https://data.epo.org/publication-server/image?imagePath=2022/18/DOC/EPNWA1/EP20205475NWA1/imgb0003)
[0017] Dieses Ergebnis wird von der Rechnereinheit 1 entweder direkt an einen Kippantrieb
(nicht dargestellt) übermittelt oder es wird an einer Anzeigeeinheit 2 - beispielsweise
ein Bildschirm - dem Bedienpersonal der Anlage angezeigt. Das Gewicht der Restmenge
wird beispielsweise bestimmt durch eine Gewichtsbetrachtung von zugeführten Materialien
beim Beladen des metallurgischen Gefäßes und abgeführter Metallschmelze. Die abgeführte
Metallschmelze wird bestimmt durch ein Abwiegen des Zielgefäßes 11 während des Abgießvorganges.
Es ist aber auch denkbar das Gewicht anhand von der Füllstandshöhe bei bekannter Zielgefäßgeometrie
zu bestimmen. Es sind auch andere direkte oder indirekten Methoden, der Bestimmung
des Gewichts der Restmenge von Schmelze im metallurgischen Gefäß, denkbar.
[0018] In Fig. 2 ist der Kippantrieb 3 dargestellt mit welchem das metallurgische Gefäß
um einen Winkel ϕ gekippt wird. Der Abgießvorgang wird in dieser Ausführungsvariante
direkt von der Rechnereinheit gesteuert oder geregelt - anhand des beschriebenen Verfahrens.
Der Kippantrieb 3 erhält von der Rechnereinheit 1 entsprechende Steuer- oder Regelsignale.
Durch eine Wiegeeinheit 13, welche sich auf einem Pfannenwagen 12 befindet, wird der
Rechnereinheit 1 ein Gewicht der bereits aus dem metallurgischen Gefäß 5 abgeführten
Metallschmelze übermittelt. Der Rechnereinheit 1 werden des Weiteren aus einem Speicher
1a Informationen, über die dem metallurgischen Gefäß 5 zugeführten Einsatzstoffe,
übermittelt. Die Rechnereinheit 1 kann daraus das Gewicht an Schmelze, welche sich
aktuell im metallurgischen Gefäß befindet, bestimmen.
[0019] Obwohl die Erfindung im Detail durch die bevorzugten Ausführungsbeispiele näher illustriert
und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele
eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden,
ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
Bezugszeichenliste
[0020]
- 1
- Rechnereinheit
- 1a
- Speicher
- 2
- Anzeigeeinheit
- 3
- Kippantrieb
- 5
- metallurgischen Gefäß
- 7
- flüssige Schlacke
- 8
- Metallschmelze
- 9
- Abstichöffnung
- 10
- Abgießstrahl
- 11
- Zielgefäß
- 12
- Pfannenwagen
- 13
- Wiegeeinheit
- ϕ
- Kippwinkel
1. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Metallschmelze,
insbesondere einer Stahlschmelze, aus einem um eine Drehachse drehbaren metallurgischen
Gefäß (5), insbesondere ein Konverter, durch eine Abstichöffnung des metallurgischen
Gefäßes (5) in ein metallurgisches Zielgefäß (11), insbesondere eine Pfanne, dadurch gekennzeichnet, dass der Kippwinkel (ϕ) durch eine Funktion oder eine Nachschlagetabelle bestimmt wird,
wobei die Funktion als Eingangsvariable zur Bestimmung des Kippwinkels (ϕ) zumindest
ein Gewicht von jener Schmelze, welche sich aktuell im metallurgischen Gefäß (5) befindet,
aufweist, wobei der Kippwinkel (ϕ) einer Bedienperson angezeigt wird oder an eine
Steuer- und/oder Regeleinrichtung eines Kippantriebes (3) übergeben wird.
2. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Schmelze
nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine weitere Eingangsvariable eine Anzahl bereits erfolgter Abgießvorgänge ist.
3. Verfahren zum Bestimmen eines Kippwinkels (ϕ) während eines Abgießvorgangs von Schmelze
nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Funktion ein Polynom mit zumindest dritter Ordnung, eine logarithmische Funktion,
eine Exponentialfunktion oder deren Kombinationen ist.
4. Vorrichtung zum Abgießen einer Metallschmelze (8), insbesondere eine Stahlschmelze,
aus einem metallurgischen Gefäß (5), wobei das metallurgische Gefäß (5) mit einem
Kippantrieb (3) gedreht wird um die Metallschmelze (8) über eine, das metallurgische
Gefäß (5) aufweisende, Abstichöffnung (9) abzugießen, dadurch gekennzeichnet, dass eine Rechnereinheit (1) das Verfahren nach einem der Ansprüche 1-3 ausführt.
5. Computerprogramm umfassend Befehle, die bewirken, dass das Verfahren nach den Ansprüchen
1-3 ausgeführt wird.
6. Computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogram nach Anspruch 5 gespeichert ist.