[0001] Im Bereich der Eisenbahntechnik ist es bekannt, Bewegungswerte wie Geschwindigkeitswerte
oder Beschleunigungswerte zumindest auch anhand von Achsdrehzahlen zu ermitteln bzw.
zu schätzen. Bei schlechten Haftwertverhältnissen (z. B. nassen Schienen oder Laub
auf den Schienen) ist eine solche Schätzung jedoch sehr komplex, da bei schlechten
Haftwertverhältnissen auch der Einfluss von Gleit- und Schleuderschutzregelungen zu
berücksichtigen ist, die bei Schienenfahrzeugen üblich sind und auf die Radrotation
und damit auf die gemessenen Achsgeschwindigkeiten einwirken.
[0002] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Schätzeinrichtung zum Schätzen eines
eine Bewegungsgröße eines Schienenfahrzeugs beschreibenden Bewegungswerts anzugeben,
die der obigen Problematik der komplexen Gesamtsituation Rechnung trägt.
[0003] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Schätzeinrichtung mit den Merkmalen
gemäß Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen
Schätzeinrichtung sind in Unteransprüchen angegeben.
[0004] Danach ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die Schätzeinrichtung ein angelerntes
System künstlicher Intelligenz umfasst, das anhand von Messwerten einen Referenzwert
errechnet, und dem angelernten System eine Korrektureinrichtung nachgeordnet ist,
die den Referenzwert prüft und diesen als Bewegungswert der Schätzeinrichtung ausgibt,
wenn der Referenzwert eine Plausibilitätsprüfung besteht, und unter Bildung des Bewegungswerts
der Schätzeinrichtung korrigiert, wenn der Referenzwert die Plausibilitätsprüfung
nicht besteht.
[0005] Ein wesentlicher Vorteil der erfindungsgemäßen Schätzeinrichtung ist darin zu sehen,
dass diese zumindest zweistufig ausgeführt ist. Eine erste Stufe wird durch ein angelerntes
System künstlicher Intelligenz gebildet, das anhand von Messwerten den Bewegungswert
errechnet. Das Anlernen von Systemen künstlicher Intelligenz ist heutzutage allgemein
bekannt, sodass auf die diesbezügliche Fachliteratur verwiesen sei. Das Anlernen der
ersten Stufe bzw. des Systems künstlicher Intelligenz erfolgt vorzugsweise anhand
von Messwerten früherer Messschritte oder auf der Basis von Simulationsergebnissen.
Die Genauigkeit bzw. die Sicherheit des von der ersten Stufe erzeugten Bewegungswerts
kann jedoch unter Umständen über ein zulässiges Maß hinaus ungewiss oder sogar fehlerbehaftet
sein, beispielsweise wenn eine zuvor noch nicht ausreichend trainierte Rad-Schiene-Haftsituation
in Kombination mit einem Eingriff einer Gleit- und Schleuderschutzregelung auftritt.
Aus diesem Grunde ist erfindungsgemäß die zweite Stufe in Form der Korrektureinrichtung
vorgesehen, die die Bewegungswerte der ersten Stufe auf Plausibilität prüft. Die zweite
Stufe ermöglicht es somit, das Gesamtsystem bzw. die Schätzeinrichtung insgesamt ohne
großen Aufwand auf ein hohes Sicherheitsniveau zu bringen.
[0006] Vorteilhaft ist es, wenn die Korrektureinrichtung zumindest zwei Achsgeschwindigkeitswerte,
die jeweils die Achsgeschwindigkeit einer zugeordneten Achse des Schienenfahrzeugs
angeben, berücksichtigt.
[0007] Bei einer ersten als besonders vorteilhaft angesehenen Ausführungsvariante ist vorgesehen,
dass die Bewegungsgröße die Fahrzeuggeschwindigkeit ist und der Referenzwert des angelernten
Systems und der Bewegungswert der Schätzeinrichtung Fahrzeuggeschwindigkeitswerte
sind.
[0008] Bei der ersten Ausführungsvariante ist vorzugsweise vorgesehen, dass die Korrektureinrichtung
den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems als unplausibel ansieht,
wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert während eines Bremsvorgangs kleiner als der
höchste vorliegende Achsgeschwindigkeitswert ist und während eines Beschleunigungsvorgangs
größer als der kleinste vorliegende Achsgeschwindigkeitswert ist.
[0009] Auch ist es vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems als unplausibel ansieht, wenn der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert
während eines Bremsvorgangs kleiner als eine fortgeschriebene höchste Achsgeschwindigkeit
ist, deren Abfallgeschwindigkeit durch einen vorgegebenen Fahrzeugverzögerungsmaximalwert
begrenzt ist, wobei die Korrektureinrichtung in diesem Falle den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems vorzugsweise dann auf diese begrenzte Achsgeschwindigkeit
korrigiert.
[0010] Auch ist es vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems als unplausibel ansieht, wenn der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert
während eines Beschleunigungsvorgangs größer als eine fortgeschriebene kleinste Achsgeschwindigkeit
ist, deren Anstiegsgeschwindigkeit durch einen vorgegebenen Fahrzeugbeschleunigungsmaximalwert
begrenzt ist, wobei die Korrektureinrichtung in diesem Falle den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems dann vorzugsweise auf diese begrenzte Achsgeschwindigkeit
korrigiert.
[0011] Auch kann in vorteilhafter Weise vorgesehen sein, dass die Korrektureinrichtung den
Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems als unplausibel ansieht, wenn
der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert während eines Bremsvorgangs kleiner als
eine fortgeschriebene höchste Achsgeschwindigkeit ist, wobei die fortgeschriebene
höchste Achsgeschwindigkeit unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Fahrzeugverzögerungsmaximalwerts
und des letzten höchsten Achsgeschwindigkeitswerts, der als plausibel eingestuft wurde,
errechnet wird; die Korrektureinrichtung korrigiert den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems dann vorzugsweise auf diese fortgeschriebene höchste Achsgeschwindigkeit.
[0012] Darüber hinaus kann in vorteilhafter Weise vorgesehen sein, dass die Korrektureinrichtung
den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems als unplausibel ansieht,
wenn der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems während eines
Beschleunigungsvorgangs größer als eine fortgeschriebene kleinste Achsgeschwindigkeit
ist, wobei die fortgeschriebene kleinste Achsgeschwindigkeit unter Berücksichtigung
eines vorgegebenen Fahrzeugbeschleunigungsmaximalwerts und des letzten kleinsten Achsgeschwindigkeitswerts,
der als plausibel angesehen wurde, errechnet wird; die Korrektureinrichtung korrigiert
den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems dann vorzugsweise auf diese
fortgeschriebene kleinste Achsgeschwindigkeit.
[0013] Die Korrektureinrichtung verarbeitet vorzugsweise ein Eingangssignal, das die Radhaftung
auf der Schiene beschreibt, beispielsweise anzeigt, ob die Radhaftung ein vorgegebenes
Mindesthaftmaß erreicht oder überschreitet.
[0014] Von Vorteil ist es auch, wenn die Korrektureinrichtung die Radhaftung auf der Schiene
berücksichtigt und unter Heranziehung des größten und kleinsten vorliegenden Achsgeschwindigkeitswerts
ein achsbezogenes Band ermittelt, wobei sie bei Vorliegen guter Haftbedingungen den
Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems als unplausibel ansieht und diesen
auf einen Bandwert (z. B. Grenze des Bands oder Wert innerhalb des Bands) des achsbezogenen
Bands korrigiert, wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert außerhalb dieses achsbezogenen
Bands liegt.
[0015] Der größte Achsgeschwindigkeitswert bildet vorzugsweise den Maximalwert bzw. die
obere Bandgrenze des achsbezogenen Bands; der kleinste Achsgeschwindigkeitswert bildet
vorzugsweise den Minimalwert bzw. die untere Bandgrenze des achsbezogenen Bands.
[0016] Die Korrektureinrichtung korrigiert den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten
Systems vorzugsweise auf den höchsten vorliegenden Achsgeschwindigkeitswert, also
auf den Bandmaximalwert, wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert während eines Bremsvorgangs
außerhalb des achsbezogenen Bands liegt.
[0017] Alternativ kann bei guten Haftbedingungen vorgesehen sein, dass die Korrektureinrichtung
den Fahrzeuggeschwindigkeitswert auf die Mitte des achsbezogenen Bands korrigiert,
wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems - unabhängig vom Fahrzeugzustand
(Beschleunigen, Bremsen, Rollen) - außerhalb des achsbezogenen Bands liegt; denn bei
guten Haftbedingungen entsprechen alle Achsgeschwindigkeiten weitestgehend (abgesehen
von Messfehlern, Rauschen) der realen Fahrzeuggeschwindigkeit, sodass das achsbezogene
Band sehr eng ist.
[0018] Die Korrektureinrichtung korrigiert den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten
Systems vorzugsweise auf den kleinsten vorliegenden Achsgeschwindigkeitswert, also
auf den Bandminimalwert, wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert während eines Beschleunigungsvorgangs
außerhalb des achsbezogenen Bands liegt.
[0019] Auch ist es vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems unter Berücksichtigung zumindest eines derjenigen Achsgeschwindigkeitswerte
korrigiert, der sich auf eine für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse
bezieht.
[0020] Bei der letztgenannten Variante kanndie Korrektureinrichtung zusätzlich zum Erhalt
zumindest eines Achsgeschwindigkeitswerts, der sich auf eine für eine vorgegebene
Mindestzeitspanne kraftfreie Achse bezieht, vorzugsweise ein Steuersignal erzeugen,
mit dem die Achse für die vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfrei geschaltet wird.
[0021] Bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen ist es vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung
beim Bremsen ein fahrzeugbezogenes Bremsband bestimmt, indem sie den letzten Fahrzeuggeschwindigkeitswert,
der bei Vorliegen guter Haftbedingungen als plausibel angesehen oder von der Korrektureinrichtung
durch Korrektur ermittelt worden ist, unter Berücksichtigung eines Fahrzeugverzögerungsmaximalwerts
und eines Fahrzeugverzögerungsminimalwerts fortschreibt.
[0022] Die Korrektureinrichtung korrigiert den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten
Systems vorzugsweise, indem sie beim Bremsen den Fahrzeuggeschwindigkeitswert auf
den Maximalwert des Bremsbands reduziert, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
den Maximalwert des Bremsbands überschreitet, und auf den Minimalwert des Bremsbands
erhöht, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert den Minimalwert des Bremsbands unterschreitet.
[0023] Bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen ist es außerdem vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung
beim Beschleunigen ein fahrzeugbezogenes Beschleunigungsband bestimmt, indem sie den
letzten Fahrzeuggeschwindigkeitswert, der bei Vorliegen guter Haftbedingungen als
plausibel angesehen oder von der Korrektureinrichtung durch Korrektur ermittelt worden
ist, unter Berücksichtigung eines Fahrzeugbeschleunigungsmaximalwerts und eines Fahrzeugbeschleunigungsminimalwerts
fortschreibt.
[0024] Die Korrektureinrichtung korrigiert den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten
Systems vorzugsweise, indem sie beim Beschleunigen den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
auf den Maximalwert des Beschleunigungsbands reduziert, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
den Maximalwert des Beschleunigungsbands überschreitet, und auf den Minimalwert des
Beschleunigungsbands erhöht, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert den Minimalwert
des Beschleunigungsbands unterschreitet.
[0025] Die Korrektureinrichtung errechnet den Fahrzeugverzögerungsminimalwert und den Fahrzeugbeschleunigungsminimalwert
vorzugsweise in Abhängigkeit von zumindest einem Beschleunigungsmesswert.
[0026] Bei einer zweiten als besonders vorteilhaft angesehenen Ausführungsvariante ist vorgesehen,
dass die Bewegungsgröße die Fahrzeugbeschleunigung ist und der Referenzwert des angelernten
Systems und der Bewegungswert der Schätzeinrichtung Fahrzeugbeschleunigungswerte sind.
[0027] Bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen sieht die Korrektureinrichtung den Fahrzeugbeschleunigungswert
des angelernten Systems vorzugsweise als plausibel an, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert
in einem fahrzeugbezogenen Band liegt.
[0028] Die Korrektureinrichtung begrenzt - zumindest bei schlechten Haftbedingungen - den
Fahrzeugbeschleunigungswert des angelernten Systems betragsmäßig vorzugsweise nach
unten auf einen Minimalwert (untere Bandgrenze) des vorgegebenen fahrzeugbezogenen
Bandes und nach oben auf einen Maximalwert (obere Bandgrenze) des fahrzeugbezogenen
Bandes, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert außerhalb des fahrzeugbezogenen Bandes
liegt. Der Minimal- und Maximalwert des fahrzeugbezogenen Bandes hängen vorzugsweise
jeweils davon ab, ob das Fahrzeug beschleunigt oder verzögert. Der Minimalwert des
fahrzeugbezogenen Bandes entspricht beim Bremsen einer erwarteten Minimalverzögerung
des Schienenfahrzeugs und beim Beschleunigen einer erwarteten Minimalbeschleunigung
des Schienenfahrzeugs; der Maximalwert des fahrzeugbezogenen Bandes entspricht beim
Bremsen einer erwarteten Maximalverzögerung des Schienenfahrzeugs und beim Beschleunigen
einer erwarteten Maximalbeschleunigung des Schienenfahrzeugs.
[0029] Vorteilhaft ist es darüber hinaus, wenn die Korrektureinrichtung zumindest zwei Achsgeschwindigkeitswerte,
die jeweils die Achsgeschwindigkeit einer zugeordneten Achse des Schienenfahrzeugs
angeben, berücksichtigt und mit den Achsgeschwindigkeitswerten Achsbeschleunigungswerte
errechnet, wobei der größte errechnete Achsbeschleunigungswert und der kleinste errechnete
Achsbeschleunigungswert ein achsbezogenes Beschleunigungsband bilden.
[0030] Bei Vorliegen guter Haftbedingungen sieht die Korrektureinrichtung den Fahrzeugbeschleunigungswert
des angelernten Systems vorzugsweise als plausibel an, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert
in dem achsbezogenen Beschleunigungsband liegt. Andernfalls, wenn also der Fahrzeugbeschleunigungswert
nicht in dem achsbezogenen Beschleunigungsband liegt und somit also unplausibel ist,
korrigiert sie den Fahrzeugbeschleunigungswert des angelernten Systems vorzugsweise
auf einen Bandwert (Grenze oder Wert innerhalb des Bands) des achsbezogenen Bands.
[0031] Beim Übergang von guten zu schlechten Haftbedingungen berücksichtigt die Korrektureinrichtung
zur Plausibilitätsprüfung vorzugsweise ein Zwischenband, das ausgehend von dem achsbezogenen
Beschleunigungsband auf das fahrzeugbezogene Band unter Berücksichtigung eines vorgegebenen
Maximalruckwertes vergrößert wird.
[0032] Auch ist es vorteilhaft, wenn die Korrektureinrichtung den Fahrzeugbeschleunigungswert
des angelernten Systems unter Berücksichtigung zumindest eines derjenigen Achsbeschleunigungswerte
korrigiert, der sich auf eine für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse
bezieht. Die Korrektureinrichtung kann zusätzlich zum Erhalt zumindest eines Achsbeschleunigungswerts,
der sich auf eine für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse bezieht,
vorzugsweise ein Steuersignal erzeugen, mit dem die Achse für die vorgegebene Mindestzeitspanne
kraftfrei geschaltet wird.
[0033] Die Erfindung bezieht sich außerdem auf ein Verfahren zum Schätzen eines eine Bewegungsgröße
eines Schienenfahrzeugs beschreibenden Bewegungswerts. Erfindungsgemäß ist bezüglich
eines solchen Verfahrens vorgesehen, dass mit einem angelernten System künstlicher
Intelligenz anhand von Messwerten ein Referenzwert errechnet wird, der Referenzwert
unverändert gelassen und als Bewegungswert ausgegeben wird, wenn der Referenzwert
eine Plausibilitätsprüfung besteht, und der Referenzwert unter Bildung des Bewegungswerts
korrigiert wird, wenn der Referenzwert die Plausibilitätsprüfung nicht besteht.
[0034] Bezüglich der Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens und dessen vorteilhafter
Ausgestaltungen sei auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der erfindungsgemäßen
Schätzeinrichtung und deren vorteilhafter Ausgestaltungen verwiesen.
[0035] Die Erfindung bezieht sich außerdem auf ein Schienenfahrzeug. Erfindungsgemäß ist
bezüglich des Schienenfahrzeugs vorgesehen, dass dieses eine Schätzeinrichtung - wie
oben beschrieben - aufweist und/oder dazu ausgestaltet ist, ein Verfahren wie oben
beschrieben - auszuführen.
[0036] Die Erfindung bezieht sich außerdem auf ein Computerprogrammprodukt. Erfindungsgemäß
ist bezüglich des Computerprogrammprodukts vorgesehen, dass dieses bei Ausführung
durch eine Recheneinrichtung die Recheneinrichtung veranlasst, ein Verfahren wie oben
beschrieben auszuführen und/oder mit der Recheneinrichtung eine Schätzeinrichtung
wie oben beschrieben zu bilden.
[0037] Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert;
dabei zeigen beispielhaft
- Figur 1
- ein Ausführungsbeispiel für eine erfindungsgemäße Schätzeinrichtung zum Ermitteln
eines Geschwindigkeitsschätzwertes,
- Figur 2
- eine vorteilhafte technische Realisierung der Schätzeinrichtung gemäß Figur 1,
- Figur 3
- anhand eines beispielhaften Bremsvorgangs eine vorteilhafte Arbeitsweise der Schätzeinrichtung
gemäß den Figuren 1 und 2,
- Figur 4
- ein Ausführungsbeispiel für eine erfindungsgemäße Schätzeinrichtung, die einen Fahrzeugbeschleunigungswert
ausgibt, und
- Figur 5
- ein Ausführungsbeispiel für ein erfindungsgemäßes Schienenfahrzeug, das mit einer
Schätzeinrichtung, beispielsweise einer Schätzeinrichtung gemäß Figur 1, 2 oder 4
ausgestattet ist.
[0038] In den Figuren werden der Übersicht halber für identische oder vergleichbare Komponenten
dieselben Bezugszeichen verwendet.
[0039] Die Figur 1 zeigt ein Ausführungsbeispiel für eine erfindungsgemäße Schätzeinrichtung
10 zum Ermitteln eines die Geschwindigkeit eines Schienenfahrzeugs beschreibenden
Bewegungswerts in Form eines Geschwindigkeitsschätzwertes Vfinal.
[0040] Die Schätzeinrichtung umfasst ein angelerntes System 11 künstlicher Intelligenz,
das anhand von Messwerten E als Referenzwert einen Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki
errechnet. Dem angelernten System 11 künstlicher Intelligenz nachgeordnet ist eine
Korrektureinrichtung 12, die den Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki des angelernten
Systems 11 unter Einbezug von Messwerten M, wie beispielsweise Achsgeschwindigkeitsmesswerten
und/oder Achsbeschleunigungsmesswerten, einer Plausibilitätsprüfung unterzieht.
[0041] Die Messwerte E, die das angelernte System 11 verarbeitet, und die Messwerte M, die
die Korrektureinrichtung 12 verarbeitet, können identisch sein; alternativ können
sich die Messwerte E und die Messwerte M unterscheiden.
[0042] Wird die Plausibilitätsprüfung bestanden, so gibt die Korrektureinrichtung 12 den
Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki des angelernten Systems 11 als finalen Bewegungswert
in Form des Geschwindigkeitsschätzwerts Vfinal der Schätzeinrichtung 10 aus. Falls
der Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki des angelernten Systems 11 die Plausibilitätsprüfung
nicht besteht, so korrigiert die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeuggeschwindigkeitswert
Vki und gibt den korrigierten Fahrzeuggeschwindigkeitswert als Geschwindigkeitsschätzwert
Vfinal der Schätzeinrichtung 10 aus.
[0043] Die Figur 2 zeigt eine vorteilhafte technische Realisierung der Schätzeinrichtung
10 gemäß Figur 1. Die Schätzeinrichtung 10 wird durch eine Recheneinrichtung 100 und
einen Speicher 110 gebildet. In dem Speicher 110 ist ein Softwaremodul 111 abgespeichert,
das bei Ausführung durch die Recheneinrichtung 100 das angelernte System 11 bildet.
Ein in dem Speicher 110 abgespeichertes Softwaremodul 112 bildet bei Ausführung durch
die Recheneinrichtung 100 die Korrektureinrichtung 12.
[0044] Die Figur 3 erläutert anhand eines beispielhaften Bremsvorgangs eine vorteilhafte
Arbeitsweise der Korrektureinrichtung 12. Bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur
3 verarbeitet die Korrektureinrichtung 12 als Messwerte M Achsgeschwindigkeitswerte
V1, V2, V3 und V4, die die gemessenen Achsgeschwindigkeiten von vier Achsen des Schienenfahrzeugs
angegeben.
[0045] Ausgehend von einem Ausgangsgeschwindigkeitswert Vaus, der die Geschwindigkeit des
Schienenfahrzeugs zu Beginn des Bremsvorgangs beschreibt, ermittelt die Korrektureinrichtung
12 ein Geschwindigkeitsband 200, das durch einen Bandminimalwert 201 und einen Bandmaximalwert
202 begrenzt wird. Als Ausgangsgeschwindigkeitswert Vaus kann beispielsweise der größte
der vier Achsgeschwindigkeitswerte V1, V2, V3 und V4 herangezogen werden.
[0046] Der Bandminimalwert 201 des Geschwindigkeitsbands 200 wird zunächst durch Fortschreibung
des Ausgangsgeschwindigkeitswerts Vaus unter Berücksichtigung eines für das Schienenfahrzeug
als realistisch angenommenen Fahrzeugverzögerungsmaximalwerts errechnet. Der Bandmaximalwert
202 des Geschwindigkeitsbands 200 wird durch Fortschreibung des Ausgangsgeschwindigkeitswerts
Vaus unter Berücksichtigung eines für das Schienenfahrzeug als realistisch angenommenen
Fahrzeugverzögerungsminimalwerts errechnet.
[0047] Bei dem in der Figur 3 beispielhaft gezeigten Szenario wird davon ausgegangen, dass
der Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki in dem ersten Zeitabschnitt zwischen dem Beginn
(Zeitpunkt t0) des Bremsvorgangs und einem Zeitpunkt t1 in dem Geschwindigkeitsband
200 liegt. Die Korrektureinrichtung 12 sieht den Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki
daher als plausibel an und gibt diesen als Geschwindigkeitsschätzwert Vfinal der Schätzeinrichtung
10 aus.
[0048] Die Achsgeschwindigkeitswerte V1 bis V4 liegen im ersten Zeitabschnitt unterhalb
des Geschwindigkeitsbands 200, beispielsweise weil es einen Schlupf zwischen Rad und
Schiene aufgrund schlechter Haftung gibt; dies spielt jedoch für das Geschwindigkeitsband
200 bis zum Zeitpunkt t1 keine Rolle.
[0049] In dem nachfolgenden zweiten Zeitabschnitt zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 überschreitet
der Achsgeschwindigkeitswert V1 der schnellsten Achse den Bandminimalwert 201. Dies
bedeutet, dass das Schienenfahrzeug tatsächlich schneller ist, als dies bei maximaler
Fahrzeugverzögerung der Fall wäre; das Schienenfahrzeug wird also nicht so schnell
gebremst, wie es als maximal möglich angenommen wird. Aus diesem Grunde modifiziert
die Korrektureinrichtung 12 nun das Geschwindigkeitsband 200, indem es den Bandminimalwert
201 anhebt, und zwar auf den Achsgeschwindigkeitswert V1 der schnellsten Achse.
[0050] Da in dem zweiten Zeitabschnitt zwischen den Zeitpunkten t1 und t2 der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
Vki des angelernten Systems 11 immer noch in dem Geschwindigkeitsband 200 liegt, sieht
die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki weiterhin als plausibel
an und gibt diesen als Geschwindigkeitsschätzwert Vfinal der Schätzeinrichtung 10
aus.
[0051] Zum Zeitpunkt t2 erreicht der Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki den Bandminimalwert
201. Da die Korrektureinrichtung 12 davon ausgeht, dass die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeugs
nicht kleiner sein kann als der höchste Achsgeschwindigkeitswert V1 bzw. der Bandminimalwert
201, korrigiert die Korrektureinrichtung 12 nun den Fahrzeuggeschwindigkeitswert Vki
des angelernten Systems 11, indem sie diesen auf den Bandminimalwert 201 anhebt. In
dem dritten Zeitabschnitt zwischen den Zeitpunkten t2 und t3 wird als Geschwindigkeitsschätzwert
Vfinal der Schätzeinrichtung 10 somit der Bandminimalwert 201 ausgegeben.
[0052] In einem nachfolgenden vierten Zeitabschnitt, der durch die Zeitpunkte t3 und t4
in Figur 3 begrenzt ist, vergrößert sich das Geschwindigkeitsband 200 wieder aufgrund
des Abfalls des Achsgeschwindigkeitswerts V1 der schnellsten Achse, sodass der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
Vki des angelernten Systems 11 nun wieder in dem Geschwindigkeitsband 200 liegt und
als Geschwindigkeitsschätzwert Vfinal der Schätzeinrichtung 10 ausgegeben wird.
[0053] Die oben im Zusammenhang mit der Figur 3 beispielhaft beschriebenen Prinzipien einer
Plausibilitätsprüfung und Korrektur können analog für Beschleunigungsvorgänge angewandt
werden.
[0054] Die Figur 4 zeigt ein Ausführungsbeispiel für eine erfindungsgemäße Schätzeinrichtung
10, bei der ein angelerntes System 11 künstlicher Intelligenz anhand von Messwerten
E als Referenzwert einen Fahrzeugbeschleunigungswert aki errechnet. Dem angelernten
System 11 nachgeordnet ist eine Korrektureinrichtung 12, die den Fahrzeugbeschleunigungswert
aki unter Einbezug von Messwerten M wie beispielsweise Achsgeschwindigkeitsmesswerten
und/oder Achsbeschleunigungsmesswerten, einer Plausibilitätsprüfung unterzieht und
den Fahrzeugbeschleunigungswert aki korrigiert, wenn er als unplausibel angesehen
wird, und andernfalls unkorrigiert als Fahrzeugbeschleunigungsschätzwert afinal der
Schätzeinrichtung 10 ausgibt.
[0055] Bezüglich der Arbeitsweise der Korrektureinrichtung 12 gemäß Figur 4 gelten die obigen
im Zusammenhang mit der Figur 3 beispielhaft erläuterten Prinzipien entsprechend,
wenn anstelle von Geschwindigkeitsbändern Beschleunigungsbänder herangezogen werden.
[0056] Bei Vorliegen guter Haftbedingungen sieht die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeugbeschleunigungswert
aki vorzugsweise als plausibel an, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert aki in einem
achsbezogenen Beschleunigungsband liegt. Liegt er nicht in diesem achsbezogenen Beschleunigungsband,
so korrigiert die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeugbeschleunigungswert aki, indem
sie ihn beispielsweise auf einen Bandwert des achsbezogenen Beschleunigungsbands korrigiert.
[0057] Bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen sieht die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeugbeschleunigungswert
aki vorzugsweise als plausibel an, wenn er in einem fahrzeugbezogenen Beschleunigungsband
liegt. Liegt er nicht in dem fahrzeugbezogenen Beschleunigungsband, so korrigiert
die Korrektureinrichtung 12 den Fahrzeugbeschleunigungswert aki, indem sie ihn beispielsweise
auf einen Bandwert des fahrzeugbezogenen Beschleunigungsbands korrigiert.
[0058] Im Falle eines Übergangs von guten zu schlechten Haftbedingungen berücksichtigt die
Korrektureinrichtung 12 zur Plausibilitätsprüfung vorzugsweise ein Zwischenband, das
ausgehend von dem achsbezogenen Beschleunigungsband auf das fahrzeugbezogene Band
unter Berücksichtigung eines vorgegebenen Maximalruckwertes vergrößert wird.
[0059] Die Figur 5 zeigt ein Ausführungsbeispiel für ein erfindungsgemäßes Schienenfahrzeug
500, das mit einer Schätzeinrichtung 10, beispielsweise einer Schätzeinrichtung gemäß
Figur 1, 2 oder 4, ausgestattet ist. Die Schätzeinrichtung ist vorzugsweise in einem
Fahrzeugsteuergerät 510 des Schienenfahrzeugs 500 integriert.
[0060] Die oben beschriebenen Ausführungsbeispiele können einzelne oder mehrere der nachfolgend
stichpunktartig aufgeführten Vorteile bzw. Eigenschaften aufweisen:
- Das System 11 künstlicher Intelligenz basiert vorzugsweise auf Intelligenz (KI) mittels
Machine Learning, z. B. auf der Basies eines neuronalen Netzes. Der KI werden als
Eingangsgrößen vorzugsweise die Achdrehzahlen oder Achsgeschwindigkeiten, ggf. noch
ein Beschleunigungssignal, übergeben und aus diesen Messwerten zzgl. deren Zeitverlauf
in der Vergangenheit ermittelt die KI vorzugsweise die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit.
Die KI wird vorzugsweise mit zahlreichen Messdaten aus bestehenden Projekten trainiert
und kann mit neu hinzukommenden Messdaten weiter trainiert/verbessert werden. Das
Kriterium für das Training ist eine möglichst geringe Abweichung zur realen Fahrzeuggeschwindigkeit,
wobei z. B. aus Sicht Bremse eine Abweichung nach unten hin unkritischer ist als eine
Abweichung nach oben. D. h. das Kriterium zum Trainieren kann abhängig von der Anwendung
sein. Denkbar ist auch, die KI im Betrieb immer weiter lernen zu lassen, z. B. mit
einer aus zugweiten Größen ermittelten, aber nicht immer verfügbaren Fahrzeuggeschwindigkeit.
Damit könnte die Genauigkeit im Betrieb weiter verbessert werden. Auch kann die KI
im Labor trainiert und das fertig trainierte Netz dann in die Steuerung integriert
werden, sodass das Verhalten auf der Steuerung reproduzierbar bleibt. Für sicherheitsrelevante
Funktionen kann ein Training auf dem Fahrzeug denkbar sein, wenn das Ergebnis der
KI dafür noch nachgelagert plausibilisiert bzw. im Wertebereich begrenzt wird. Unter
Einbeziehung weiterer im Zug/Wagen/Fahrzeug verfügbaren Messgrößen wie die Beladung,
die Bremskraft und/oder die Soll-Verzögerung könnte das Ergebnis der KI ebenfalls
weiter verbessert werden.
- Für die Plausibilitätsprüfung und Korrektur werden vorzugsweise folgende Kriterien
herangezogen:
Kriterium 1: Die Referenzgeschwindigkeit muss beim Bremsen immer mindestens so groß
sein wie die schnellste Achse, beim Beschleunigen höchstens so groß sein wie die langsamste
Achse.
Kriterium 2: Die Begrenzung aus Kriterium 1 gilt auch für fiktive Achsgeschwindigkeiten,
die aus dem Gradienten (entspricht maximaler physikalisch möglicher Fahrzeugverzögerung
bzw. -beschleunigung) der schnellsten bzw langsamsten Achse gebildet werden.
Kriterium 3: Wenn erkannt wird, dass keine schlechten Haftwertbedingungen vorliegen
bzw. die Achsgeschwindigkeiten der Fahrzeuggeschwindigkeit weitestgehend entsprechen
(z. B. bei trockener Schiene), dann muss die Referenzgeschwindigkeit zwischen der
schnellsten und der langsamsten Achse liegen. Zusätzlich kann die Referenzgeschwindigkeit
auf oder in Richtung einer Achsgeschwindigkeit korrigiert werden, deren Achse eine
gewisse Mindestzeit kräftefrei ist. Bei zu großem Abstand der Begrenzungen kann durch
entsprechende Steuersignale eine Achse für diese Mindestzeit kräftefrei geschaltet
werden.
Kriterium 4: Wenn Kriterium 3 nicht mehr erfüllt ist, also schlechte Haftbedingungen
vorliegen, darf sich die Referenzgeschwindigkeit nur innerhalb eines gewissen Gradienten
(entspricht maximaler physikalisch möglicher Fahrzeugverzögerung oder -beschleunigung)
bewegen, ausgehend von dem Geschwindigkeitsband auf dem die Referenzgeschwindigkeit
eingeschränkt war, als Kriterium 3 noch erfüllt war. Kriterium 5: Wenn Kriterium 3
nicht mehr erfüllt ist, also schlechte Haftbedingungen vorliegen, muss beim Beschleunigen/Bremsen
eine Mindestbeschleunigung/-Verzögerung der Referenzgeschwindigkeit erfüllt sein,
ausgehend vom Geschwindigkeitsband, als Kriterium 3 noch erfüllt war. Grundlage für
diese Mindestbeschleunigung bzw. Verzögerung kann auch ein gemessenes Beschleunigungssignal
sein.
- Die für die Begrenzungen verwendete physikalisch mögliche Fahrzeugbeschleunigung bzw.
Verzögerung kann auch situationsabhängig angepasst werden. Z. B. wird bei Not- oder
Schnellbremse vorzugsweise eine betragsmäßig höhere Verzögerung angenommen als bei
reiner Betriebsbremse. Wenn die Stellung des Fahr- oder -Bremskraftstellers mit einem
passenden Sicherheitsniveau zur Verfügung steht, kann aus dessen Auslenkung ebenfalls
die betragsmäßig maximal mögliche Fahrzeugbeschleunigung genauer ermittelt werden.
- Mit den gleichen Methoden kann auch die für manche Anwendungen relevante Größe der
Fahrzeugbeschleunigung ermittelt werden (schließt auch eine Verzögerung als negative
Beschleunigung ein). Hier gibt es dann nachgelagert beispielsweise folgende Kriterien:
Kriterium 1: Die durch die KI ermittelte Beschleunigung wird vorzugsweise auf die
physikalisch mögliche Fahrzeugbeschleunigung begrenzt.
Kriterium 2: Wenn gute Haftwertbedingungen erkannt werden, wird die Beschleunigung
aus der KI auf den Wertebereich der aus den gemessenen Achsdrehzahlen ermittelten
Beschleunigungen eingegrenzt. Bei kräftefreien Achsen kann die Beschleunigung analog
zu oben auf oder in Richtung der entsprechenden Achsbeschleunigung gesetzt werden.
Kriterium 3: Der Übergang von der Begrenzung aus Kriterium 2 und 3 kann noch gerampt
werden, wobei die Steilheitsbegrenzung auf Grundlage des maximal physikalisch möglichen
Rucks (Änderung der Beschleunigung pro Zeit) des Fahrzeugs gebildet wird, ggf. auch
unter Berücksichtigung der Betriebsart des Fahrzeugs.
- Ein Vorteil der obigen Ausführungsbeispiele ist, dass durch die Nutzung einer künstlichen
Intelligenz bei gleichen Eingangsgrößen die Güte der ermittelten Referenzgeschwindigkeit
und -beschleunigung, also eine möglichst kleine Abweichung zur realen Fahrzeuggeschwindigkeit
und - beschleunigung, verbessert werden kann. Dies ist u. a. dadurch begründet, dass
durch die Automatisierung des Trainings in relativ kurzer Zeit große Datenmengen und
damit eine Vielzahl an Szenarien berücksichtigt werden können. Insbesondere kann durch
ein automatisiertes Training der KI mit der großen Anzahl an realen Fahrdaten eine
Vielzahl unterschiedlicher und ggf. neu hinzukommender Szenarien bei neuen Daten in
kurzer Zeit (da automatisiert) berücksichtigt werden. Der bei aktuellen Lösungen teilweise
große Aufwand, mit hohem Expertenwissen (nachträglich) zusätzliche Szenarien bzw.
Signalverläufe im Algorithmus zu berücksichtigen, fällt damit großteils weg. Die für
die Referenzgeschwindigkeitsbildung nützliche Grö-ße des zeitlichen Verlaufs der Achsdrehzahlen
in der Vergangenheit und ggf. neu hinzukommende Eingangsgrößen können in der KI deutlich
einfacher und mit deutlich weniger Expertenwissen (durch automatisiertes Training)
berücksichtigt werden als in den anderen Lösungen.
[0061] Abschließend sei erwähnt, dass die Merkmale aller oben beschriebenen Ausführungsbeispiele
untereinander in beliebiger Weise kombiniert werden können, um weitere andere Ausführungsbeispiele
der Erfindung zu bilden.
[0062] Auch können alle Merkmale von Unteransprüchen jeweils für sich mit jedem der nebengeordneten
Ansprüche kombiniert werden, und zwar jeweils für sich allein oder in beliebiger Kombination
mit einem oder anderen Unteransprüchen, um weitere andere Ausführungsbeispiele zu
erhalten.
1. Schätzeinrichtung (10) zum Schätzen eines eine Bewegungsgröße eines Schienenfahrzeugs
(500) beschreibenden Bewegungswerts (Vfinal, afinal),
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Schätzeinrichtung (10) ein angelerntes System (11) künstlicher Intelligenz umfasst,
das anhand von Messwerten (M) einen Referenzwert (Vki, aki) errechnet, und
- dem angelernten System (11) eine Korrektureinrichtung (12) nachgeordnet ist, die
den Referenzwert (Vki, aki) prüft und diesen als Bewegungswert (Vfinal, afinal) der
Schätzeinrichtung (10) ausgibt, wenn der Referenzwert (Vki, aki) eine Plausibilitätsprüfung
besteht, und unter Bildung des Bewegungswerts (Vfinal, afinal) der Schätzeinrichtung
(10) korrigiert, wenn der Referenzwert (Vki, aki) die Plausibilitätsprüfung nicht
besteht.
2. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) zumindest zwei Achsgeschwindigkeitswerte (V1-V4), die
jeweils die Achsgeschwindigkeit einer zugeordneten Achse des Schienenfahrzeugs (500)
angeben, berücksichtigt.
3. Schätzeinrichtung (10) nach einem der voranstehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bewegungsgröße die Fahrzeuggeschwindigkeit ist und der Referenzwert (Vki) des
angelernten Systems (11) und der Bewegungswert (Vfinal) der Schätzeinrichtung (10)
Fahrzeuggeschwindigkeitswerte sind.
4. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems
(11) als unplausibel ansieht, wenn der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert während
eines Bremsvorgangs kleiner als eine höchste Achsgeschwindigkeit ist, deren Abfallgeschwindigkeit
durch einen vorgegebenen Fahrzeugverzögerungsmaximalwert begrenzt ist, und die Korrektureinrichtung
(12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems (11) dann auf diese
begrenzte höchste Achsgeschwindigkeit korrigiert, und/oder
- die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems
(11) als unplausibel ansieht, wenn der aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeitswert während
eines Beschleunigungsvorgangs größer als eine kleinste Achsgeschwindigkeit ist, deren
Anstiegsgeschwindigkeit durch einen vorgegebenen Fahrzeugbeschleunigungsmaximalwert
begrenzt ist, und die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des
angelernten Systems (11) dann auf diese begrenzte kleinste Achsgeschwindigkeit korrigiert.
5. Schätzeinrichtung (10) nach einem der voranstehenden Ansprüche 3 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Korrektureinrichtung (12) die Radhaftung auf der Schiene berücksichtigt und
unter Heranziehung des größten und kleinsten vorliegenden Achsgeschwindigkeitswerts
ein achsbezogenes Band ermittelt,
- wobei sie bei Vorliegen guter Haftbedingungen den Fahrzeuggeschwindigkeitswert als
unplausibel ansieht und diesen auf einen Bandwert des achsbezogenen Bands korrigiert,
wenn der Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems (11) außerhalb dieses
achsbezogenen Bands liegt.
6. Schätzeinrichtung (10) nach einem der voranstehenden Ansprüche 3 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems
(11) unter Berücksichtigung zumindest eines derjenigen Achsgeschwindigkeitswerte (V1-V4)
korrigiert, der sich auf eine für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse
bezieht.
7. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) zum Erhalt zumindest eines Achsgeschwindigkeitswerts,
der sich auf eine für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse bezieht,
ein Steuersignal erzeugt, mit dem die Achse für die vorgegebene Mindestzeitspanne
kraftfrei geschaltet wird.
8. Schätzeinrichtung (10) nach einem der voranstehenden Ansprüche 3 bis 7,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen
- beim Bremsen ein fahrzeugbezogenes Bremsband bestimmt, indem sie den letzten Fahrzeuggeschwindigkeitswert,
der bei Vorliegen guter Haftbedingungen als plausibel angesehen oder von der Korrektureinrichtung
(12) durch Korrektur ermittelt worden ist, unter Berücksichtigung eines Fahrzeugverzögerungsmaximalwerts
und eines Fahrzeugverzögerungsminimalwerts fortschreibt, und/oder
- beim Beschleunigen ein fahrzeugbezogenes Beschleunigungsband bestimmt, indem sie
den letzten Fahrzeuggeschwindigkeitswert, der bei Vorliegen guter Haftbedingungen
als plausibel angesehen oder von der Korrektureinrichtung (12) durch Korrektur ermittelt
worden ist, unter Berücksichtigung eines Fahrzeugbeschleunigungsmaximalwerts und eines
Fahrzeugbeschleunigungsminimalwerts fortschreibt.
9. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems
(11) korrigiert, indem sie
- beim Bremsen den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems (11) auf den
Maximalwert des Bremsbands reduziert, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert den
Maximalwert des Bremsbands überschreitet, und auf den Minimalwert des Bremsbands erhöht,
sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems (11) den Minimalwert
des Bremsbands unterschreitet, und/oder
- beim Beschleunigen den Fahrzeuggeschwindigkeitswert des angelernten Systems (11)
auf den Maximalwert des Beschleunigungsbands reduziert, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
des angelernten Systems (11) den Maximalwert des Beschleunigungsbands überschreitet,
und auf den Minimalwert des Beschleunigungsbands erhöht, sofern der Fahrzeuggeschwindigkeitswert
den Minimalwert des Beschleunigungsbands unterschreitet.
10. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 8 oder 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeugverzögerungsminimalwert und den Fahrzeugbeschleunigungsminimalwert
in Abhängigkeit von zumindest einem Beschleunigungsmesswert errechnet.
11. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bewegungsgröße die Fahrzeugbeschleunigung ist und der Referenzwert (aki) des angelernten
Systems (11) und der Bewegungswert (afinal) der Schätzeinrichtung (10) Fahrzeugbeschleunigungswerte
sind.
12. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 11,
dadurch gekennzeichnet, dass
- die Korrektureinrichtung (12) zumindest zwei Achsgeschwindigkeitswerte (V1-V4),
die jeweils die Achsgeschwindigkeit einer zugeordneten Achse des Schienenfahrzeugs
(500) angeben, berücksichtigt und mit den Achsgeschwindigkeitswerten Achsbeschleunigungswerte
errechnet, wobei der größte errechnete Achsbeschleunigungswert und der kleinste errechnete
Achsbeschleunigungswert ein achsbezogenes Band bilden,
- die Korrektureinrichtung (12) bei Vorliegen guter Haftbedingungen den Fahrzeugbeschleunigungswert
als plausibel ansieht, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert in dem achsbezogenen Band
liegt und andernfalls den Fahrzeugbeschleunigungswert auf einen Bandwert des achsbezogenen
Bands korrigiert,
- die Korrektureinrichtung (12) bei Vorliegen schlechter Haftbedingungen den Fahrzeugbeschleunigungswert
als plausibel ansieht, wenn der Fahrzeugbeschleunigungswert in einem vorgegebenen
fahrzeugbezogenen Band liegt, und
- die Korrektureinrichtung (12) beim Übergang von guten zu schlechten Haftbedingungen
zur Plausibilitätsprüfung ein Zwischenband berücksichtigt, das ausgehend von dem achsbezogenen
Beschleunigungsband auf das fahrzeugbezogene Band unter Berücksichtigung eines vorgegebenen
Maximalruckwertes vergrößert wird.
13. Schätzeinrichtung (10) nach Anspruch 11 oder 12,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) bei schlechten Haftbedingungen den Fahrzeugbeschleunigungswert
betragsmäßig nach unten auf einen Mindestwert des vorgegebenen fahrzeugbezogenen Bandes
und nach oben auf einen Maximalwert des fahrzeugbezogenen Bandes begrenzt, wobei Mindest-
und Maximalwert des fahrzeugbezogenen Bandes vorzugsweise jeweils davon abhängen,
ob das Fahrzeug beschleunigt oder verzögert.
14. Schätzeinrichtung (10) nach einem der voranstehenden Ansprüche 11 bis 13,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Korrektureinrichtung (12) den Fahrzeugbeschleunigungswert unter Berücksichtigung
zumindest eines derjenigen Achsbeschleunigungswerte korrigiert, der sich auf eine
für eine vorgegebene Mindestzeitspanne kraftfreie Achse bezieht.
15. Verfahren zum Schätzen eines eine Bewegungsgröße eines Schienenfahrzeugs (500) beschreibenden
Bewegungswerts (Vfinal, afinal),
dadurch gekennzeichnet, dass
- mit einem angelernten System (11) künstlicher Intelligenz anhand von Messwerten
(M) ein Referenzwert (Vki, aki) errechnet wird,
- der Referenzwert (Vki, aki) unverändert gelassen und als Bewegungswert (Vfinal,
afinal) ausgegeben wird, wenn der Referenzwert (Vki, aki) eine Plausibilitätsprüfung
besteht, und
- der Referenzwert (Vki, aki) unter Bildung des Bewegungswerts (Vfinal, afinal) korrigiert
wird, wenn der Referenzwert (Vki, aki) die Plausibilitätsprüfung nicht besteht.
16. Computerprogrammprodukt,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Computerprogrammprodukt derart ausgestaltet ist, dass es bei Ausführung durch
eine Recheneinrichtung diese veranlasst, ein Verfahren nach Anspruch 15 auszuführen
und/oder mit der Recheneinrichtung eine Schätzeinrichtung nach einem der Ansprüche
1 bis 14 zu bilden.